“Korrektes” Deutsch mit Antiquaschrift?

BLOG: un/zugehörig

Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
un/zugehörig

Auch mit Zeichensätzen, die auf heutigen Computern vorinstalliert sind, gibt es die Möglichkeit, einen Text zumindest teilweise den Besonderheiten der deutschen Sprache anzupassen und somit zu optimieren.

Eine Vorbemerkung: Dieses Artikelchen hat sich im Nachhinein als ein großartiges Beispiel dafür erwiesen, dass das, was ich hier erkläre, eben doch nicht überall funktioniert. Der Text ist nämlich von der Chronologs-Sprachbarriere betroffen, was bedeutet, dass »exotische« Zeichen computertechnisch falsch wiedergegeben werden. Und nun zu meinem Text, der in seiner jetzigen Form, d.h. mit dieser technischen Störung, wohl leider ziemlich unverständlich ist:

Ein bekanntes Beispiel – das eigentlich viel häufiger vorkommt, als man gemeinhin vermutet – für die Bedeutung der deutschen Schrift für die deutsche Sprache ist z. B. das Wort "Wachsstube", das in der heutzutage gängigen Antiquaschrift notwendigerweise zweideutig fungiert. Durch das Unicode-Computerzeichen Nr. 017F (hexadezimal; so zumindest im MS-Word auf MS-Windows) kann man auf jedem Computer ohne zusätzliche Installationsvorgänge das lange Binnen-s verwenden und somit das runde Schluss-s eben das sein lassen, was es sein soll:

Wachstube (Wachs-Tube)
Wachtube (Wach-Stube)

Auch in anderen Fällen, in denen keine Zweideutigkeitsgefahr besteht, trägt das Binnen-s erheblich zur besseren Lesbarkeit bei:

Regierungssache
Regierungsache

Oder:

Hausschlüssel
Hauschlüel

Allerdings lässt sich das deutsche Binnen-s nur schwerlich mit der letzten Rechtschreibreform vereinbaren, die ich ansonsten doch sehr befürworte. Es entstünden dann nämlich Missbildungen wie "Flus" oder "das", die früher noch ausgeschlossen waren. Zudem muss man zurzeit mit einem klaren Nachteil bei Suchvorgängen rechnen, weil die heutigen Suchfunktionen noch nicht wissen, dass sie beide Zeichen als eines zu erachten haben (genauso wie z. B. "t" und "T", "ä" und "ae" oder "ß" und "ss").

Diese Zwischenlösung von deutscher und lateinischer Schrift gab es früher schon mal, nämlich in den ersten Nachkriegsjahren, als die Verwendung der Fraktur wieder erlaubt war, aber die meisten Verlagsanstalten sich ja schon aufgrund des hitlerschen Verbots auf die Antiqua eingelassen hatten und diese Neuerung nunmehr auch unter alliierter Besatzung logischerweise behielten. Es war, glaube ich, vor ca. elf Jahren, als meine Deutschkenntnisse noch großteils aus halbfertigen Sätzen in jiddischer Sprache bestanden und ich mir in einem Antiquariat in Israel ein altes Wörterbuch beschaffte. Es war eine Wahrig-Ausgabe aus den frühen Fünfzigern, die zwar in Antiqua gedruckt war, aber, soweit ich mich erinnern kann, außer dem langen Binnen-s auch das deutsche ’ (z. B. in "Pil’" oder in "·eit") sowie die deutschen Ligaturen ("ch", "sch" bzw. "ch", "ck", "st", "tz" bzw. "t’" usw.) verwendete. Das kleine k hingegen war da, glaube ich, in Antiquaschrift gesetzt, wie die anderen Buchstaben auch.

 

 

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

4 Kommentare

  1. Fehlerhafte Darstellung

    Vorschlag zur Darstellung Ihres Textes: Grafiken. Fügen Sie statt der nicht richtig dargestellen Worte eine kleine Grafik ein. Das ist zwar nur eine provisorische Lösung, aber Ihr Text wird dann lesbarer.
    Viele Grüße
    M.B.

  2. Technisches

    Warum das Binnen-s () nicht richtig angezeigt wird, ist leicht erklärt: diese Seite wird mit dem Zeichensatz ISO-8859-1 und nicht mit Unicode ausgeliefiert. Damit kann es auf dieser Webseite wohl garnicht funktionieren.

    Es gibt übrigens auch bequemere Methoden das binnen-s (), sowie auch das große scharfe s (ž) einzugeben: Indem man ein alternatives Tastaturlayout verwendet. Ich kann das NEO-Tastaturlayout ( http://neo-layout.org ) empfehlen.

  3. @ M.B.

    Ja, so hab ich es in einem anderen Beitrag, wo Hebräisch vorkommt, tatsächlich gemacht. Nur geht es bei diesem Post ja gerade darum, dass die Verwendung solcher Buchstaben (zumindest im Unicode) auch mit heutiger Technik möglich ist. Bilder würden hier ja gerade das Gegenteil davon beweisen, was ich hier zu zeigen versuche. Und eben darum ist der Beitrag in der jetzigen Form a bissl lächerlich…

  4. Danke …

    … für die unerwartet konkrete Anküpfung an meinen Kommentar zum vorletzten Beitrag. Es gibt ja Programme, die Antiqua-Schrift in Fraktur-Schrift konvertieren, bspw. vom “Bund für deutsche Schrift” angeboten. Mit diesen Programmen habe ich auch schon gearbeitet.

    Aber mir stellt sich abgesehen davon, daß diese Programme wohl noch nicht auf den gängigen Blogportalen verwendbar sind, die noch weitergehende Frage: Durch ein solches Konvertieren ist die derzeitige Tastaturbelegung häufig außerordentlich krude belegt, etwa für ch EINE Taste, ebenso für sch oder für st.(Für Texteingabe übrigens nach Übung eine Beschleunigung.)

    Ich kann mir aber schwer vorstellen, daß wenn man so bloggen würde, man durch Suchmaschinen gefunden würde. Erkennen diese Suchmaschinen schon allein dieses lange s des Beitrages hier?

    Eine Lösung könnte vielleicht die sein, daß der Antiqua-Text irgendwie in der html-Formattierung dennoch für die Suchmaschinen hinterlegt ist.

    Aber für solche Fragen fühle ich mich selbst nicht kompetent genug. Möglicherweise gibt es da Leute im Umkreis des “Bundes für deutsche Schrift”, die sich mit solchen Fragen schon beschäftigt haben oder es künftig verstärkt tun werden.

    – – – Den Beitrag über die “jüdische Deutschlandphilosophie” finde ich übrigens außerordentlich bemerkenswert. Ich halte einen solchen Ansatz auf den ersten Blick grundsätzlich für sehr, sehr klug, ja, geradezu für weise. Und zwar sowohl aus der Sicht jüdischer wie auch aus der Sicht deutscher Interessen her gesehen.

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