Die traits éternels der Deutschen im Spiegelbild eines Granatapfels

BLOG: un/zugehörig

Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
un/zugehörig

Henning Schrader ist ein Freund. Ursprünglich aus West-Berlin, lebt er inzwischen schon lange in Maastricht und geht da seinen Beschäftigungen nach, die nicht zuletzt auch dem Verständnis des bzw. seines Deutschtums gewidmet sind.

Neulich habe ich von ihm einen Weihnachtsbrief erhalten, der eine kleine Anekdote enthält. Es handelt sich um ein Stück Praxis, in welcher sich die theoretische Frage nach dem deutschen Wesen widerspiegelt und offenbart. Mit seiner Erlaubnis zitiere ich aus seinem Brief und überlasse ihm somit das Wort:

 

Neulich musste ich einen Granatapfel öffnen, wusste aber nicht, wie das geht. Also YouTube. Ich fand drei Filme, die erst zusammen eine wirklich interessante Erfahrung ergaben:

Die Deutsche
http://www.youtube.com/watch?v=JasW1vaH0hU
Der Amerikaner

http://www.youtube.com/watch?v=oyTRkUTtgic

Die Schwarze

Kultur ist in allen deutlich präsent. Ganz einfache Aufgaben, wie das Entnehmen der Früchte aus einem Granatapfel, sind durchdrungen von Kultur und werden ganz unterschiedlich gelöst.

Die deutsche Art ist „gründlich“, vielleicht etwas umständlich, aber sie ist sauber und führt zu einem „ordentlichen“  Ergebnis.

Der junge Amerikaner ist vor allem effizient, die Methode erfordert darüber hinaus eine Prise Aggressivität, wie der Junge selbst zugibt. Das Ergebnis ist, nach deutschen Maßstäben, etwas zu unordentlich. Ließe sich aber ergänzen (siehe Video 3) und wäre dann vielleicht die beste Lösung.

Für die Schwarze ist beinahe der Weg das Ziel. Sie macht ein Fest daraus, den Granatapfel von seinen Früchten zu befreien. Der Produktionsprozess ist etwas umständlich und nicht sehr effizient. Das Ergebnis erreicht sie trotzdem – und sie hat zwischendurch auch noch deutlichen Spaß am Kochen und Leben.

Ich habe übrigens die deutsche Art gewählt, um meinen Granatapfel zu öffnen. Als Ökonom gefiel mir die amerikanische Art am besten. Und als ich würde ich am liebsten der Schwarzen zur Hand gehen.

 

 

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

1 Kommentar

  1. Das Lustigste ist hier gar nicht zu sehen, die zeitliche Dimension von Kultur. Ich, im preweb Zeitalter groß geworden, probiere es erst mal selbst. Und erst, wenn das unbefriedigend bleibt, dann Google ich.

Schreibe einen Kommentar