“Dann geh doch zu den Siedlungen!”

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Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
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Es passiert oft. Ob bei Privatgesprächen oder auf einem Podium – wenn ich es wage, für die israelische Siedlungspolitik zu sprechen, findet sich irgendwann doch derjenige, der sich für ganz klug hält und mir mit triumphierender Stimme zuruft: “Warum bleibst du dann hier? Wenn du denen so sehr helfen willst, dann geh doch zu den Siedlungen!”

Diese Art von Argumentation finde ich umso irriger, je häufiger sie vorkommt – Tendenz aufsteigend. Es sind vor allem zwei Aspekte, die mich schmunzeln lassen:

Zum einen stellt sich die Frage, warum die Unterstützung einer Menschengruppe damit gleichgesetzt wird, sich selbst in die schwierige Situation begeben zu müssen. Hierzulande fehlt es bekanntermaßen nicht an Unterstützern der arabischen Seite, aber wie viele von diesen Deutschen ziehen tatsächlich in eine der arabischen Siedlungen, um die Menschen dort vor Ort zu unterstützen? Aber es bleibt nicht bei diesem Zusammenhang. Man denke etwa an die “Brot für die Welt”-Kampagne: Warum sich auf eine bloße Geldspende beschränken, anstatt ganz nach Afrika zu übersiedeln und direkt die dortigen Verhältnisse zu verbessern?

Doch solche Vorwürfe hören wir nicht, und zwar aus guten Gründen. Denn wenn man schon bereit ist, einer Sache, einer Menschengruppe zu helfen, dann ist es doch schön. Nicht jeder verfügt über die seelische, technische oder anderweitige Möglichkeit, sein eigenes Schicksal direkt mit dem derjenigen zu verbinden, denen er helfen möchte.

Zum anderen ist da die Sache mit der Heuchelei. Schließlich sind die Menschen, die von mir erwarten, selber in eine jüdische Siedlung zu ziehen, meistens oder gar immer gegen die Siedlungen, gegen die dort lebenden Menschen und Gemeinden, ja auch erst recht gegen die vielen, die dort noch nicht wohnen aber dies gerne tun würden.

Dass nämlich die Nachfrage nach dortigen Immobilien seit langem das Angebot übertrifft und man viel eher in Berlin fündig wird als in Judäa, hindert meine Gesprächspartner offenbar nicht daran, ihre gut gemeinten Ratschläge zu erteilen. Ganz so, als ob sie schon selber was dazu beigetragen hätten, Menschen wie mir so einen Umzug zu erleichtern. Im Gegenteil.

Denn die schlauen Ratgeber sind doch oft genau diejenigen, die selber für den menschenverachtenden, weil ausschließlich gegen Juden verhängten Baustopp plädieren, der die Situation im Lande nur noch verschlimmert hat und verschlimmern wird. 2011 haben sich solche “Kritiker” noch ganz entzückt gezeigt von den großen Demonstrationen in Israel wegen der viel zu hohen Lebens- und vor allem Immobilienkosten (die Nähe zum Hamas-Staat schon einkalkuliert). Doch es ist gerade der unsinnige “Kampf gegen die Siedlungen”, der das Angebot an neuen Siedlungen seit zwei Jahrzehnten sehr niedrig hält und dafür sorgt, dass meine Generation kaum eine Chance auf ein eigenes Zuhause in Israel hat und so viele wie ich auswandern.

Aber vielleicht ist es gerade dieses Ergebnis, auf das diejenigen abzielen, die von einem judenfreien Judäa träumen: das Leben in Israel so unmöglich zu machen, dass tunlichst viele Juden das Land ganz verlassen müssen.

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

39 Kommentare

  1. “Geh’n Sie doch nach drüben” ist als abschließender Zuruf, wenn jemand aus Sicht des Nach-Drüben-Schickers den Kommunismus oder Sozialismus verteidigte (oder auch nur nicht scharf genug kritisierte), ja geradezu sprichwörtlich. Diese Variante machte natürlich nach Ende der DDR keinen Sinn mehr, aber das unsinnige Muster scheint sich gehalten zu haben.

    Ich bezweifle, ob diejenigen, die das Sprachmuster heute im Zusammenhang mit den Siedlungen (oder in welchem Zusammenhang auch immer) benutzen, darüber in irgendeiner Weise nachdenken – es klingt eher wie ein Reflex.

  2. Was sind denn Ihre Argumente *für* die Siedlungspolitik der Israelis? Ich habe mal nachgeschaut: laut Wikipedia hat das Westjordanland hat eine Bevölkerungsdichte von über 400 – was deutich mehr ist als die israelische. Was will man da?

      • Was hat die israelische Siedlungspolitik mit der “Siedlungspolitik” der BRD zu tun? NICHTS
        Solch ein polemisch-ironischer Vergleich entbehrt jeder Seriosität eines Historikers, wie du einer bist und verhöhnt das Existenzrecht der Palästinenser im Westjordanland, die dort über 1400 Jahre mit Christen und Juden in einer friedlichen Koexistenz zusammengelebt haben. Und wer ist an Allem Schuld? Richtig, die Borniertheit der Religionen… Wer war zu erst da? Die Henne oder das Ei? Das Judentum, die Häbrer, die Hethiter, die…, die Ägypter, der Mensch an sich? Das gelobte Land ist das Land aller monotheistischer Religionen. Das steht sogar in der Bibel. Bitte kundig machen…

      • Hm, das wirft jetzt in meinen Augen dann doch mehr Fragen auf, als es beantwortet. Hältst du das tatsächlich für eine taugliche Analogie?

        Aber davon abgesehen: Ich würde es ebenfalls hilfreich finden, wenn du deine Position bzw. deine Argumente “pro Siedlungen” (wenn ich das jetzt mal so pauschal formulieren darf) einmal ausführlich darlegen könntest – vielleicht hast du das auch schon gemacht, dann bitte ich um einen Link.

        (Dass übrigens ein “Dann geh doch zu den Siedlungen!” tatsächlich ein ziemliches Nullargument ist – gar kein Frage.)

        • Ich finde die Frage an sich illegitim. Ich möchte die Siedlungen oder das “Existenzrecht Israels” ebenso wenig rechtfertigen wie die Existenz Polens oder Portugals. Sollten wir nicht eher darüber diskutieren, wieso manche Menschen behaupten, es gäbe ein einziges palästinensisches Volk? Was sei eigentlich dessen “Existenzberechtigung”?

          Ansonsten: http://www.siedlungspolitik.de

    • Das würde mich jetzt auch mal interessieren, was Ihre Argumente für die Siedlungspolitik sind.
      Die Argumente, die ich bisher meisst kenne sind ja möglicherweise mit Vorbehalt zu geniessen da sie überwiegend von der arabischen bzw. palestinesichen Seite stammen. Da heisst es oft, dass die Siedlungen der angestammten Bevölkerung das Wasser wegnehmen, indem sie tiefere Brunnen bohren und durch hohen Wasserverbrauch den Grundwasserspiegel senken, so dass das umliegende Land eher früher als später austrocknet. – Ansonsten hat mir in den 90er Jahren mal jemand erklärt, dass es in den meissten Konflikten um das Westjordan-Land und an der Grenze zum Libanon und nach Syrien letztlich fast immer um Wasser und dessen Nutzung geht. Alles andere baut darauf auf oder lässt sich im Kern darauf zurück führen.
      Und dann ist das Problem, dass ich in den Nachrichten in dem Zusammenhang sehr häufig Berichte von den sogenannten “radikalen Siedlern” mitbekommen habe, also jenen, die die angestammte Bevölkerung dort am liebsten erschiessen würden um sich selbst dort ansiedeln zu können. Diese reagieren auf den leisesten Protest am liebsten mit Gewalt, indem sie die Protestierer gleich erschiessen würden, wenn sie könnten. Auf den Punkt gebracht könnte man deren Verhalten so auffassen, wie es in der Bibel beschrieben ist, als Gott den Israeliten das Land am Jordan gab, nachdem er sie aus Ägypten heraus geführt hatte. Diese radikalen Siedler, so mein Eindruck, scheinen auf eine wiederholung dieser Geschichte aus zu sein.

  3. Die Siedlungen im Westjordanland sind Siedlungen in einem Gebiet, das von Israel im Sechstagekrieg erobert wurde. Nach Wikipedia gilt: “Laut der IV. Genfer Konvention ist jede Siedlungsaktivität der Besatzungsmacht auf besetztem Gebiet illegal:” Weiter liest man: “Sie wurden vom UN-Sicherheitsrat mehrmals als illegal bezeichnet, beispielsweise in den Resolutionen 446, 452, 465 und 471.”
    Auch Israel scheint den speziellen Status des Westjordanlands bis zu einem gewissen Grad anzuerkennen, denn dort gilt nicht israelisches Recht sondern die Miltiärstrafgerichtsbarkeit.

    Wenn immer grössere Teile des Westjordanlands von Israelis besiedelt werden ist jedenfalls eine Zweistaatenlösung nicht mehr realisierbar. Bis jetzt gingen aber alle Befriedungslösungen von einer Zweitstaatenlösung aus, auch die jüngste des amerikanischen Aussenministers John Kerry. Wenn also die Mehrheit der Israeli oder gar die israelische Regierung die Siedlungen weiter ausbauen will, dann kann es keine Zweistaatenlösung geben. Das würde ganz andere Rahmenbedingungen setzen und Bemühungen wie die von John Kerry wären dann von vornherein sinnlos oder müssten gegen den Willen des israelischen Staates durchgesetzt werden. Dieses Zusammenhangs muss man sich zuerst einmal bewusst sein.

    Die weitere Frage wäre dann, wie Israel die Zukunft der palästinensischen Autnomiebehörde und des von ihr verwalteten Gebietes sieht. Laut Wikipedia “bestehen [sie] aus dem Gazastreifen und 40 Prozent der Fläche des von Israel besetzten Westjordanlandes. Die Palästinensische Autonomiebehörde beansprucht jedoch das gesamte Westjordanland und Ostjerusalem.”
    Ein eigener palästinensischer Staat wäre wahrscheinlich auf dem jetzt von ihr verwalteten Gebiet wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Man kann davon ausgehen, dass die Palästinenser im Westjordanland und Gazastreifen und auch ihre Autonmiebehörde nicht von ihren Forderungen abrücken werden. Wenn Israel also diese Forderungen generell ablehnt, dann werden die Auseinandersetzungen nicht so schnell enden. Mir scheint, dass beide Seiten inzwischen oder schon lange genau davon ausgehen, dass es keine für beide Seiten akzeptierbare Lösung gibt. Damit wird der Konflikt zwischen Israel und den in den besetzten und umgebenden Gebieten lebenden Palästinensern wohl noch viele Jahre bis Jahrzehnte weitergehen.

    Wenn die Aufgabe der israelischen Siedlungen im Westjordanland dagegen eine Beruhigung der Situation oder gar einen dauerhaften Frieden in der Region bringen könnte, scheint mir das den Verlust wert zu sein. Nur glauben wahrscheinlich nur wenige daran, dass dies möglich ist.

  4. Wenn die Siedlungen innerhalb der international anerkannten Grenzen Israels liegen, hat keiner etwas dagegen. Wenn sie außerhalb der besagten Grenzen liegen, gelten sie nach internationalem Recht als illegal.
    Die neuen Bundesländer sind in ihrer Zugehörigkeit zur BRD nicht umstritten, weder national noch international. .
    Israel hat sich da ein eigenes Recht zurechtgeschnitzt.

  5. Die Logik des ‘Arguments’ gibt es ja auch in umgedrehter Form in dem nicht minder dämlichen Ausspruch: “Wenn es Dir in Deutschland nicht gefällt, dann geh doch woanders hin.” z.B. als Erwiderung auf den Einwand, dass man Flaggen schwenken zum Fußball gucken nicht so toll findet, weil es Nationalismus produziert.

    Aber auch mich würden Deine Argumente für den Siedlungsbau tatsächlich interessieren. Ich dachte die umstrittenen Siedlungen wurden auf besetztem Gebiet gegründet bzw. die Siedlungen seien umstritten, weil die Eigentumsrechte des Landes umstritten seien. Da fühlt es sich auf den ersten Blick nicht richtig an, dort trotzdem zu bauen. Aber vielleicht sieht es ja auf den zweiten Blick nicht mehr so einfach aus…

    Dem Vergleich mit den neuen Bundesländern kann ich jedoch überhaupt nicht nachvollziehen. Zumal es erstmal gar keine Siedlungspolitik der BRD in den “neuen Bundesländern” gibt (im Gegenteil wandert die Bevölkerung ja nach wie vor von Ost nach West). Aber vor allem sind die kulturellen, religiösen und ethnischen Unterschiede zwischen Ossis und Wessis doch eher gering, und von einem tiefergehenden Konflikt kann ja ebenso nicht die Rede sein. Ùberhaupt ist die Wiedervereinigung in ihrem Charakter wohl kaum mit dem Sechstagekrieg zu vergleichen. Zuletzt graben die Ossis schon seit 25 Jahren keine Tunnel mehr, bringen mit Dünger lediglich ihre Landschaften zum Blühen, aber verwenden ihn sicher nicht zum Raketenbau und auch die Bundeswehr bombadiert Brandenburg nur auf festabgesteckten Truppenübungsplätzen.

    Also bitte hilf mir, Deinen Vergleich irgendwo anders einzuordnen als in die intellektuelle Kategorie von Argumenten wie “Dann geh doch dahin…”. Welche Parallelen siehst Du da denn?

    Ich freue mich auf Deine Antwort.

    • Die DDR war ein international anerkannter Staat und wurde von der BRD trotzdem nicht als Ausland betrachtet und behandelt. Im Gegenteil, der Anspruch auf diese Gebiete wurde jahrzehntelang aufrecht erhalten.

      • Vielen Dank. Interessanter Punkt. Wenn auch Grundlagenvertrag, Brandts Ostpolitik und schließlich Kohls Empfang Honeckers auf die vollständige Anerkennung hinausliefen. Aber auch im Israel-Konflikt stecken ja durch die faktische Situation bedingt im alltäglich Umgang der beiden Seiten miteinander Ansätze von Anerkennung.

  6. @Markus
    Wäre interessant zu schauen, ob das tatsächlich ein typisch deutsches Argument ist, dass sich aus der Trennungsgeschichte erklärt bzw. von Deutschen öfter und schneller gebracht wird, als eben in anderen Ländern.

  7. Habe ich das jetzt richtig verstanden? Sie vergleichen die neuen Bundesländer mit dem Westjordanland? Die Menschen in den neuen Bundesländern haben beschlossen das sie Teil der BRD sein möchten. Also erteilt die deutsche Regierung die Baugenehmigungen. Das Westjordanland ist nicht Teil von Israel, sondern Teil von Palästina. Baugenehmigungen bekommt man von der palästinensischen Regierung, nicht von Israel.

  8. Warum bleibst du dann hier? Wenn du denen so sehr helfen willst, dann geh doch zu den Siedlungen!

    Sowas gibt es, ist offensichtlich keine valide Argumentation [1], der Schreiber dieser Zeilen erkennt hier rein spaßeshalber den Troll.

    zur rechtlichen Lage:
    -> http://de.wikipedia.org/wiki/Pal%E4stinensische_Autonomiegebiete#Geschichte (‘Am 29. November 1947 stimmte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit Zweidrittelmehrheit für den durch die UNSCOP vorgeschlagenen Teilungsplan, der Westpalästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat teilen sollte. (…) verkündete David Ben Gurion in der israelischen Unabhängigkeitserklärung „kraft des natürlichen und historischen Rechts des jüdischen Volkes und aufgrund des Beschlusses der UNO-Vollversammlung“ die Errichtung des Staates Israel. Elf Minuten später erkannten die USA den neuen Staat an, die Sowjetunion folgte am 16. Mai. Jerusalem wurde jedoch als Hauptstadt erst sehr viel später akzeptiert. Noch in der Gründungsnacht erklärten Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, der Libanon, der Irak und Syrien dem neuen Staat Israel den im Vorfeld von ihnen geplanten, koordinierten Krieg.’)

    MFG
    Dr. W

    [1] vgl. auch mit früher in der BRD und dem an sozialistische Nörgler gerichteten ‘Geh doch nach drüben!’

    • Noch wichtiger ist in diesem Zusammenhang die völkerrechtliche Definition von “Palästina” als “jüdische Heimstätte” 1920. Diese Urbestimmung gilt auch für die UNO in der Nachfolge des Völkerbundes. Es ist völkerrechtlich illegal, Juden die Besiedlung irgendeines Teils von Palästina, ihrer “nationalen Heimstätte”, zu verbieten. Und rassistisch ist es auch noch.

      • Da muss ich dir voll zustimmen Yoav. Ein Grund mehr, dass es keine irgendwie geartete Zwei-Staaten-Lösung im “jüdischen Palästina” geben kann. Ausweg?
        Umsiedelung der Palästinenser nach Jordanien? Ich sehe in absehbarer Zeit keine Lösung in Sicht. Ein Dilemma.. Hinzu kommt die arabische Bevölkerungsexplosion, die Netanjahu einmal als größte Bedrohung, als “biologische Bombe”, bezeichnet hat.

        http://jer-zentrum.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=208

        http://haolam.de/artikel_14757.html

      • Es ist völkerrechtlich illegal, Juden die Besiedlung irgendeines Teils von Palästina, ihrer “nationalen Heimstätte”, zu verbieten. Und rassistisch ist es auch noch.

        Gilt dasselbe auch fuer die Christen und Moslems im Westjordanland? Bekommen die auch Baugenehmigungen um Haeuser in der Naehe von Tel Aviv oder Haifa zu bauen?

          • Meine Frage war nicht, ob es Christen oder Moslems in Haifa gibt. Die Frage war ob Moslems, die in Hebron wohnen (und keine Israelische Staatsbuergerschaft haben), Baugenehmigungen in Haifa bekommen? Wenn es eine Frage der Nationalitaet ist, welche Nationalitaet haben denn die Palaestinenser im Westjordanland? Entweder wohnen sie auf israelischem Gebiet, dann sollten sie dieselben Rechte haben wie jeder Israeli, oder die Gebiete gehoeren nicht zu Israel, dann koennen die israelischen Behoerden keine Baugenehmigungen erteilen. Und wenn das Westjordanland zu Israel gehoert, wozu wurde dann eine Mauer gebaut?

            Mir scheint, dass Israel die Gebiete haben will, aber (aus demographischen Gruenden) nicht die Menschen, die zur Zeit dort leben. Deshalb duerfen sich die Staedte selbst verwalten, waehrend der Raum dazwischen fuer israelische Siedlungen freigegeben wird.

            PS: Das ist uebrigens eine ernstgemeinte Frage. Ich weiss nicht, welche Rechte die Nicht-Juden im Westjordanland diesbezueglich haben.

          • Zitat:”Den Arabern als Individuen – alles. Den Arabern als Nation – nichts.”

            Mit anderen Worten, es gibt keine arabische Nation (Volksgemeinschaft).(?) Zum Begriff der Nation (Staatsnation/ Willensnation, USA) siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Nation

            Im Zuge der Nationalstaatsbewegung im 19./ 20. Jht. in Europa und der zionistischen Bewegung hat sich auch ein Nationalstaatsgefühl in den damaligen Kolonien/ Mandatsgebieten der Briten und Franzosen (Syrien, Libanon, Irak, Palästina) herausgebildet. Insbesondere die Briten, aufgrund ihrer geopolitischen Kolonialpolitik haben mit Juden und Arabern Katz und Maus gespielt. Man wollte weder die Araber (die schon in Palästina waren), noch die Juden, die mit der Besiedelung aufgrund des stetigen Antisemitismus, insb. in Osteuropa, begannen, vergraulen (Zusammenhang 1. Weltkrieg/ osmanisches Reich etc.). Die Kolonialmächte haben es schlichtweg aus egoistischen Gründen bis zur Aufgabe der Mandatsgebiete verpennt, klare Fakten zu schaffen.

            Die Aufteilung des Landes in arabischen und jüdischen Teil wurde stetig verhunzt, zu ungunsten der Araber, die bevölkerungsmäßig zur damaligen Zeit, bis 1945, die Mehrheit stellte. Solange, bis Israel durch den Unabhängigkeitskrieg eigene Fakten schuf.

            http://www.studiengesellschaft-friedensforschung.de/da_48.htm

            Fakt ist, dass sich Israel auf seine biblischen Grenzen von vor ca. 3000 Jahren beruft (König David). Dort hat es in dieser Zeit, ab 800 v. Chr., mit Unterbrechung, einen funktionierenden jüdischen Staat bis zur Zerstörung des 2. Tempels 70 n.Chr. gegeben.
            Ohne Nationalitätenzugehörigkeit haben dort bis auf die Zeit der Kreuzzüge fast 1400 Jahre Juden, Christen und Araber friedlich zusammengelebt.

            Die jüdische Nation (nicht Volk) im modernen Sinne (Staatsnation) ist eine Erfindung der Europäer… warum sollten nicht auch Araber dort einen eigenen Staat (Nation) bilden? Ach so, denen müsste man den modernen Nationalstaat erst beibringen… Schwierig!

          • Es geht doch nicht um die Frage nach einer oder meinetwegen mehreren arabischen Nationen, sondern darum, dass die jüdische Heimat oder zumindest die jüdische Seite des Jordans der falsche Ort für die Verwirklichung politischer Ziele einer solchen Nation ist, was jedoch in Friedenszeiten die Individualrechte des Einzelnen nicht berühren sollte, egal, ob dieser ein Jude in Ungarn, ein Deutscher in Polen oder ein Araber in Israel ist.

          • Eine sehr einfache Lösung, jedoch aufgrund der religiösen Eigenheiten nicht gangbar, wäre folgende:

            eine Einstaatenlösung im Sinne einer Konföderation, in der Araber und Juden in einem föderalistischen System gleichberechtigt, wie dies in Europa durch die Trennung von Staat und Religion vollzogen wurde bzw. in USA durch die Willensnation umgesetzt wurde nebeneinander leben.

            Diese Lösung scheitert jedoch zum einen an der Grundkonzeption des Judentums als Volk UND Religion ebenso wie die mangelnde Kenntnis der Araber an einer aufgeklärten Bevölkerung.

            Ergo: Lösung bis auf Weiteres nicht in Sicht…

          • Zitat: “Jude in Ungarn, ein Deutscher in Polen oder ein Araber in Israel”

            Juden in Europa sind Anghörige (oder auch nicht) der Religionsgemeinschaft des Judentums und haben keine eigene Nationalität. Aber über dieses Thema, dass zionisitsche Juden das Judentum nicht nur als Frömmelei abtun können wir lange streiten… Im Judentum gibt es mindestens ebenso viele kulturelle Strömungen, wie in “Deutschland”. Der Kitt ist kein nationaler, sondern ein religiöser, nämlich die Thora… Vom Thalmud spreche ich hier mal nicht… Das ist Auslegungssache…
            Es ist leider Gottes eben der “Knackpunkt” im Selbstverständnis einiger Juden, nicht aller. Die Welt dreht sich trotzdem weiter…

          • Die Reduktion aufs Religiöse lässt sich nicht für “Europa” verallgemeinern, wie du es tust. In Polen z. B. genießen die Juden die Anerkennung als ethnische Minderheit. Natürlich haben sie keine eigene Nationalität in Europa, da der jüdische Staat außerhalb von Europa liegt… Dementsprechend haben z. B. Polen keine eigene Nationalität in Deutschland, sondern in Polen. Was für eine Überraschung.

            Mir stellt sich so langsam die Frage, worauf du eigentlich hinaus willst. Millionen von Juden empfinden sich als Nation und wollen sich dementsprechend politisch mündig machen. Wenn du Jude bist und dich als nicht zugehörig zur jüdischen Nation empfindest, ist es ja ganz in Ordnung und geht uns andere Juden ja gar nichts an. Aber warum willst du Millionen anderer Juden diktieren, was sie zu sein hätten?

          • Man möge sich nur einmal die Hypothese vorstellen, die Juden wären NICHT aus Erez Israel vertrieben worden und würden dort noch immer, wie die Araber auf dem gleichen “zivilisatorischen” Level leben. Die Juden, die in ihrer “alten” Heimat dort heute leben sind durch einen zivilisatorischen Prozess Europas hindurch gegangen. Sie sind europäisch geprägt und haben die Errungenschaften von 2000 Jahren Diaspora in diesen Flecken Erde mitgenommen… An den Arabern, so könnte man konstatieren, ist die Aufklärung und Individualisierung des Lebens vorbeigegangen. Deswegen gibt es auch diese enormen Spannungen dort.

          • Man möge sich auch nur einmal die Hypothese vorstellen, die Juden wären NICHT nach Europa gekommen, was wäre dann aus diesem in der Antike ziemlich bedeutungslosen Kontinent geworden? Und aus den Germanen? Keine Juden, kein Judentum, kein Christentum, nur Runen und…

          • Da gebe ich dir Recht Yoav. Die Diaspora der Juden war und ist demnach ein Segen für die Menschheit und für so manch einen Vollpfosten Fluch zugleich. Schade, dass das nicht wirklich begriffen wird/ wurde…
            Danke für deinen Umkehrschluss, Volltreffer!

          • Die Tatsache übrigens, dass in Osteuropa (auch Polen) das Judentum als ethnische (ja sogar nationale Minderheit) gilt/ galt, so z.B. in der ehemaligen Sowjetunion; bis heute steht da als Nationalität jüdisch im Pass) ist auch der in Ost-/ Westeuropa unterschiedlich verlaufenen Geschichte zu “schulden”/ zu “verdanken”. Das ist jetzt wiederum Auslegungssache. Während sich in Osteuropa das klassische Judentum (Chassidismus/ Khabbala/ jüdische Mystik) bewahrt haben, hat sich von Berlin aus (in der Stadt in der du lebst) die Haskala (jüdische Aufklärung) ausgebreitet. Moses Mendelsohn war bekanntlich einer der großen Vertreter dieser jüdischen Aufklärung.

          • Ob das “Genießen der ethnischen Minderheit” in den osteuropäischen Ländern allerdings für Juden heute aber insbesondere zu den Zeiten der russischen Pogrome im 19 Jht. immer so von Vorteil ist/ war, wage ich mal zu bezweifeln. Den Juden dort bläst der Antisemitimus recht forsch ins Gesicht, ich kenne da einige Polen/ Russen….. Warum sind wohl nach der Wende soviele Juden aus der ehemaligen Sowjetunion (polnische gab es ja keine mehr) nach Deutschland gekommen, ein noch größerer Teil ging auch nach Israel. Die größte jüdische Gemeinde in Dtld. sind heute ehemalige “Russen”.

          • P.S.: Ich bin kein Jude. Meine Urgroßeltern waren Juden, haben christlich geheiratet, sind nicht konvertiert. Nach Naziverständnis wäre ich demnach Achteljude. Da meine Großeltern “Halbjuden” geheiratet haben, weil Sie ansonsten Rasseschande betrieben hätten bzw. als Volljuden gegolten hätten (ab ins KZ) bin ich dann wohl irgendwas zwischen Achtel und Viertel…. Mir graut es vor diesem Rassenmist. Ich bin protestantisch getauft und Agnostiker… Shalom

          • Die Tatsache, dass gerade meine Familie, mein Urgroßvater (väterlicherseits), wie auch meine Urgroßmutter (mütterlicherseits) – man hat ja immer zwei Elternteile – jeweils christliche Partner geheiratet haben, das war in den Anfängen des 20. Jhts., hat übrigens meinen Familien das Leben gerettet. Das nur so nebenbei… Allen anderen Vorfahren (jüdische Generation davor) wurden alle ins KZ gesteckt. Nur mein Urgroßvater hat überlebt, er wurde erst spät 1944 deportiert…..habe ich ja alles schon mal erzählt. Eine sehr traurige Familiengeschichte, mit EINEM glücklichen Ausgang… Meine Großeltern haben darüber NIE gesprochen….

  9. Wunderbarer Bericht, und wichtige Beobachtungen, die viele, die in aehnliche Situation gelangen, nicht vernehmen oder vernehmen wollen.
    Ich bin mir nicht sichee, ob das Wohnungsproblem Israels so einfach zu loesen waere, wenn keine Baustopps verhaengt werden wuerden ueber Projekte in Judaea und Samaria, da allzu viele derjenigen, die sich keine Wohnung leisten koennen im Kuestenbereich, nicht nach J&S ziehen wuerden. Wuerde die Regierung allerdings ihre Bemuehungen machen, um das negative Stigma vom Leben in J&S herunterzubekommen, waere die Situation fuer viele wesentlich einfacher und besser. Das aber geht nur bei der offiziellen Gleichstellung von J&S mit dem Rest von Israel – wie mit den Golanhoehen. Ich hoffe das noch zu erleben.
    Gruss
    Chaya

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