SpaceCamp Tagesausflug II & III

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Gründonnerstag, 9.4.2009

Der Vormittag spielte sich im DLR SchoolLab in Berlin-Adlershof ab, am Nachmittag wurde die Archenhold-Sternwarte besucht. Dazwischen erhielten wir ein üppiges Mittagessen in der Mensa "Oase" auf dem modernsten Uni-Campus Berlins, der zu Berlins ältester Universität, der Humboldt-Universität, gehört. Anschließend war bei sonnigem Wetter eine gute Stunde Freizeit im Treptower Park an der Spree.

Vormittag

Am DLR Berlin wohnt die Planetenerkundung. Hier wurde eine 3d-Kamera entwickelt und eine Flut von Marsdaten ausgewertet. Folglich zeigt die Dekoration überall den Mars: Valles Marineris, Olympus Mons, zahlreiche andere Schildvulkane und Grabensysteme unseres Nachbarplaneten. Alle Strukturen in 3d, was man sich mit Rot-Grün- oder Rot-Blau-Brillen anschauen kann. Im Hörsaal konnten die Schüler sogar interaktiv mit dem Joystick über eine äquatornahe Marsregion fliegen.

 

 

Zu unserer großen Freude gab es hier sogar Leute, die Russisch sprachen: Die Leiterin, Irina Stobbe, hat seinerzeit selbst in Russland studiert und so hatten unsere übersetzenden Schülerinnen endlich einmal eine wohlverdiente Pause und konnten selbst am Programm teilnehmen!

Nachmittag

Die Archenhold-Sternwarte im Treptower Park ist ein Satellit des Deutschen Technik-Museums an der Möckernbrücke in Berlin. Sie rühmt sich ihres großen Fernrohrs, dem längsten frei beweglichen Refraktor der Welt, der hier 1896 aufgestellt wurde. Bei astronomischen Teleskopen kommt es ja eigentlich eher auf die Größe (Linsendurchmesser) an und da gibt es sieben Refraktoren auf der Welt, die den Archenhold-Refraktor übertreffen. Allerdings ist sogar das größte Linsenteleskop der Welt mehr als einen Meter kürzer als das von F.S. Archenhold. Die optische System des Refraktors ist sehr simpel und nichts besonderes (in Rathenow steht ein raffinierteres System), aber der Clou bei Archenhold ist die Montierung: der Tubus ist am unteren Ende in einer doppelten Gabel gelagert, die sich um eine starre Beobachterplattform dreht. Eine besonders einfallsreiche Konstruktion, weil man so eine bewegliche Tribüne bei dem zunächst frei aufgestellten Riesenrohr sparte! [Foto rechts von Eva Häberle]

Das Gebäude (Abb. oben: Nordseite) wurde 1908 um das Riesenfernrohr herum gebaut. Anfang der 1960er kam ein astronomischer Garten mit zwei Kuppeln (ein Coudé-montierter 15cm-Refraktor und ein Cassegrain-Spiegelteleskop) und einem Coelostaten (Beobachtung der Sonne im weißen und H-alpha-Licht sowie dem Sonnenspektrum durch Projektion auf einer Leinwand im Hörsaal) hinzu. Als der kompetent antwortende Astronomielehrer Dietmar Fürst die Gruppe durch das Gelände führte, weist er darauf hin, dass einige Geräte im Garten leistungsfähiger sind als die Himmelskanone, die aber mächtigen Eindruck schindet! Er zeigt auch den großen Meteoriten (aus Arizonas Barringer-Krater) und anderes im himmelskundlichen Museum und führte an einem Modell die Bewegungsmöglichkeiten des Riesenrefraktors vor.

 

Karfreitag, 10.4. 2009 

Es ist traumharft schönes Wetter in Berlin. Da die meistens SpaceCamp-Teilnehmenden nicht aus dieser wunderschönen und geschichtsträchtigen Stadt stammen, haben wir heute "Nichtastronomisches Programm" (NAP).

Der Vormittag beginnt mit einer Stadtrundfahrt, geführt von dem hervorragenden Stadtführer Harald Zawuski. Er kennt nicht nur jede Nische dieser Stadt, jede Sehenswürdigkeit und jedes Gebäude, sondern er war wahrscheinlich auch in jedem der präsentierten Häuser schon mal drin. Nicht nur die Historie der Gebäude und welche historische Figur mit welcher anderen versippt, verschwägert, liiert oder zerstritten war – er weiß auch sofort, wie welches Haus von innen aussieht.

Er erläutert die historischen Ecken Berlins, das als Doppelstadt Berlin-Cölln seit 1237 urkundlich bekannt ist, zeigt die historischen Stadtkerne um das Nikolaiviertel, die Fischerinsel und den Alexanderplatz. Er wurde nach Zar Alexander I benannt, als Zentrum Ostberlins ausgebaut und prosperiert heute als neue Nobelgegend in Berlins City. Die Westberliner Shopping-Meilen um den Kurfürstendamm und die Gedächtniskirche wirken dagegen einigermaßen unbelebt an einem öffentlichen Feiertag wie dem heutigen. Wie eh und je gibt es auch heute in Berlin alles doppelt: zwei große Einkaufsstraßen, zwei Stadtkerne, zwei Zoos, zwei Fernsehtürme, zwei Großplanetarien, zahlreiche große und kleine Theater und Konzerthäuser… 

Berlin ist die größte Stadt Deutschlands, sondern auch eine der größten Städte Europas – z.B. ca. 3 mal so groß wie Paris. Hier kann man noch heute die Überreste des imaginären "Eisernen Vorhangs" regelrecht anfassen. Am CheckPoint Charlie weißt eine Bildergalerie auf den Höhepunkt des Kalten Krieges hin, wo sich Amerikaner und Sowjets seinerzeit drei Tage lang Aug n Aug gegenüber standen. Glücklicherweise ist nichts passiert.  

Heute ist Berlin-Potsdam wieder eine Doppelstadt, denn z.B. an der Glienicker Brücke, über die zu Zeiten der deutschen Teilung die Spione ausgetauscht wurden, stoßen die Hauptstadt des Bundes und die des Landes Brandenburg aneinander. Auch am Griebnitzsee überquert die Berliner S-Bahn die Landesgrenze und fährt bis in die Landeshauptstadt, in die vor ca. 100 Jahren die berühmte, traditionelle Berliner Sternwarte vor der aufblühenden Industrie floh. Sie ist eine Stadt der Dienstleistung und Medien, der Politik und natürlich der Wissenschaften: vier große Universitäten, zahlreiche Fachhochschulen und Business Schools, vier Max-Planck-Institute, zwei Fraunhofer-Institute, DLR, DESY, BESSY, zwei große öffentliche Sternwarten: die Museumssternwarte Archenhold, die Volkssternwarte Wilhelm-Foerster und die Profi-Sternwarten in Potsdam Babelsberg und Telegrafenberg… u.v.a.m.

Eine sehr große, grüne Stadt mit ganz viel Astronomie!

Astronomie-Abendprogramm

Bei den Sternfreunden im FEZ standen wieder die Teleskope bereit. Leider haben wir fast Vollmond – klar zu Ostern(!) – aber die großen Geschütze von 80 bis 800 mm waren aufgefahren. Steffen Janke, der Chef der deutschen Sonnenbeobachter in der VdS, tippte von 13 uhr bis spät in die Nacht die Fleckenstatistiken mehrerer Beobachter ab. Die fleißigen Spechtler im FEZ haben sie im letzten Jahr zusammengetragen und er sitzt nun an der Auswertung; dazu müssen die Daten zunächst von den handschriftlichen Eintragungen in eine Art Tabellenkalkulation übernommen werden – eine Fleißarbeit des Hobbyastronomen, die er seit vielen Jahren regelmäßig und mit buchhalterischer Sorgfalt tut. (Der Papierstapel zu seiner Rechten sind die mit einer selbstprogrammierten Spezialsoftware digitalisierten Datenblätter der Beobachter.) 

Zu Recht kennt man ihn überregional als Sammler von Sonne-Daten der HobbyastronomInnen aus aller Welt. Er ist Fachgruppenleiter der VdS-Sonnenbeobachter. 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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