Sonnenfinsternis in der Ostergeschichte?

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Die biblische Ostergeschichte erzählt den Leidensweg Jesu, der in die Stadt kommt, um (das jüdische Fest) Pessach zu feiern, jedoch durch seinen Jünger Judas verraten wird, gefangen genommen und zum Tod am Kreuz verurteilt wird. An Karfreitag trauert die Christenheit um ihren Religionsstifter-wider-Willen.

Die Evangelisten berichten einhellig von einer großen Finsternis, die von der sechsten bis zu neunten Stunde gedauert haben soll:

  • „Aber von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.“ [Matthäus, 27,45]
  • „Und in der sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.“ [Markus, 15,33]
  • „Und es war schon um die sechste Stunde; und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, weil die Sonne aufhörte [zu scheinen]; der Vorhang des Tempels aber riss mitten entzwei.“ [Lukas 23,44-45]

Anders als bei der Weihnachtsgeschichte, um die es alljährlich in allen Planetarien der Welt geht, obgleich nur Matthäus von einem Stern berichtet, wird die Oster-Finsternis kaum thematisiert. Daher hier ein paar Worte dazu.

Die sechste bis neunte Stunde (des Tages) ist nach unserer Zeitrechnung von 12 bis 15 Uhr, also genau über Mittag. Das wäre ein recht dramatisches Ereignis und erzeugt eine gewaltige Spannung in der Erzählung.

Eine Sonnenfinsternis dauert in ihrer Totalität nur wenige Minuten und bringt in ihrer partiellen Phase keinen merklichen Helligkeitseinbruch mit sich; wäre also nicht für das einfache Volk wahrnehmbar. Da Sonnenfinsternisse bei Neumond stattfinden, das Pessachfest aber beim ersten Vollmond im Frühling gefeiert wird, kann dieses Phänomen nicht gemeint sein. Eine SoFi wäre erst zwei Wochen nach dem Abendmahl wieder möglich.

Eine Mondfinsternis, die in der Nacht stattfinden würde, würde den Mond rot färben (und ein “Blutmond”, wäre symbolisch sehr passend), dauert lange an und könnte hier daher eher gemeint sein. Mondfinsternisse treten bei Vollmond auf und so würde diese Angabe auch zu der Aussage passen, dass man gerade Pessach feierte. Das neutestamentliche “letzte Abendmahl” wird allerdings mit dem großen abendlichen Fest verbunden, dass Juden vor dem ersten Frühlingsvollmond feiern: z.B. dieses Jahr war Vollmond am Dienstag, dem 11. April morgens um 8:08 Uhr, so dass das große Fest am Montag Abend stattfand. Wenn Jesus gleich am nächsten Tag gekreuzigt wurde und in der darauffolgenden Nacht eine MoFi stattgefunden haben soll, dann muss der Frühlingsvollmond aber in der nächsten Nacht stattgefunden haben. Die Stundenangabe würde dann bedeuten, dass sie von Mitternacht bis 3 Uhr morgens stattgefunden habe. Da der jüdische Tag abends (mit Sonnenuntergang) beginnt, bedarf diese Angabe auch keiner weiteren Erklärung.

Wenn man so datiert, dann ist aber das “letzte Abendmahl” nicht das Pessah-Mahl, denn das hätte ja dann am Folgetag (unserem Karfreitag) stattgefunden. Hier liegt also eine Kuriosität in der Erzählung vor.

Fotomontage: kurz vor dem Frühlingsvollmond (Foto vom 9. April 2017), der den Ostertermin festlegt.

m.W. versucht kaum jemand, mit diesen Angaben den Tod Jesu zu datieren. Wenn man das probiert, dann wird oft der 3. April 33 genannt (z.B. hier), doch das ist nur ein partielle Finsternis und tagsüber, so dass der Mond die meiste Zeit unterm Horizont wäre und um Mitternacht bereits wieder unverfinstert. Die Finsternisse des ersten Jahrhunderts finden sich hier aufgelistet. Durchsuchen wir die Liste nach einer totalen Mondfinsternis im März oder April finden wir zumindest keine, die zu der angegebenen Stunde passen würde.

Die Erzählung scheint also ein weiteres Indiz dafür zu sein, dass hier kein reales astronomisches Ereignis gemeint ist. Vielleicht hat eine Verdunklung während des Tages seine Ursache in Gewitterwolken? Oder die Evangelisten rekurieren auf astronomische Ereignisse, für die es in der damaligen Zeit populäre astrologische Deutungen gab. In jedem Fall kann die Verdunklung auch schlicht und ergreifend ein stilistisches Mittel der Erzählung sein – was allerdings sonderbar ist, weil die drei Autoren unisono den gleichen Zeitraum (Uhrzeit) angeben.

Es bleibt ein Mysterium und jeder Mensch – ob religiös oder nicht – mag sich sein eigenes Bild darüber machen.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

11 Kommentare

  1. Die Erzählung scheint also ein weiteres Indiz dafür zu sein, dass hier kein reales astronomisches Ereignis gemeint ist. Vielleicht hat eine Verdunklung während des Tages seine Ursache in Gewitterwolken? Oder die Evangelisten rekurier[r]en auf astronomische Ereignisse, für die es in der damaligen Zeit populäre astrologische Deutungen gab.

    Hier wären womöglich folgende Fragen von Interesse :
    A) War seinerzeit bekannt wie Sonnenfinsternisse genau funktionieren und welche Länge sie üblicherweise haben (wenige Minuten)? Auch den Mond meinend?
    B) Wie war seinerzeit das Verständnis von Wolken, auch dunklen?
    C) Gibt es historische aus jener Region stammende vergleichbare Schilderung von “Verdunkelung”?

    Klar, im Sinne eines ‘astronomisches Ereignisses’ konnte biblisch nicht gemeint sein.

    MFG + schöne Ostern,
    Dr. Webbaer

  2. “Hier liegt also eine Kuriosität in der Erzählung vor.”

    Die ganze Bibel besteht aus Kuriositäten und Geschichten. Dass Menschen vor 2000 Jahren, mit wenig wissenschaftlichen Wissen, ein Buch schreiben in dem Menschen wieder auferstehen, Buesche reden und andere Sachen passieren, da mag man die Ungereihmtheiten einer kleinen Textstelle gerne schwaecher formulieren als “kurios”.

  3. Sigi,
    kurios ist auch, dass sich 75 kg Kohlenwasserstoffe, etwas Calzium + ein paar Metalle sich durch Zufall zusammenballen und zu denken anfangen.

  4. Eine neue Hausaufgabe für Frau Hoffmann:
    Betr.: Altes Testament, Buch JOSUA, Kap. 10, 13-14
    13) Da stand die Sonne still, und der Mond blieb stehen, bis sich das Volk
    an seinen Feinden gerächt hatte. . . . So blieb die Sonne stehen mitten
    am Himmel und beeilte sich nicht unterzugehen fast einen ganzen Tag.
    14) Und es war kein Tag diesem gleich, weder vorher noch danach, . . .
    denn der Herr stritt für Israel.
    Bin sehr gespannt auf ein Forschungsergebnis.
    W. B.

  5. Liebe Frau Hoffmann,
    die Evangelien sind keine historischen Berichte, sondern religiöse Erzählungen mit bestimmten Absichten.
    Einmal lassen sie Jesus sagen: Ich bin das Licht der Welt. Darum geht es.
    Für die Festlegung des Geburtstermins Jesu auf den 24. Dezember können die Evangelisten nichts. Da war das Fest des Sol invictus zu ersetzen und andere Wintersonnwendfeiern. Die drei Sterngucker aus dem Morgenland haben das göttliche Kind am Tag der Erscheinung gesehen, am 6. Januar. Ab da konnten sie ziemlich sicher sein, dass die morgendliche Sonnenwende stattgefunden hatte, sie sahen also tatsächlich das neue Licht am Horizont sich wieder nach Norden bewegen.
    Wenn Jesus mit dem Licht, der Sonne, verglichen wird, dann ist es logisch, dass sein Tod analog mit dem Verlöschen des Lichts gleichgesetzt wird. Also einer Sonnenfinsternis. (Wintersonnenwende wäre auch möglich, aber da scheint es wirklich ein historisches Hindernis gegeben zu haben, dh der Tod war um Ostern herum.) Die muss nun aber nicht real stattgefunden haben.

  6. Gemäß der Zweiquellentheorie basieren die Evangelien nach Matthäus und nach Lukas einerseits auf dem Markusevangelium und andererseits auf unabhängigen Quellen, die Markus nicht zur Verfügung standen. Es ist deshalb nicht weiter überraschend, dass diese Szene in den drei Evangelien gleich beschrieben wird, einfach, weil Matthäus und Lukas weite Teile von Markus übernommen haben. (Sofern die Zweiquellentheorie tatsächlich stimmt)

  7. Naja, Religionsstifter-wider-Willen?
    Matthaeus 28:18-20
    “18Und Jesus trat zu ihnen, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
    19Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes,
    20und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe…”

  8. Meine lieben Lesenden,

    ich möchte für keine Religion Partei ergreifen und – obwohl ich, wie viele große Propheten, in der Wüste und auf hohen Bergen gelebt habe 😉 – beabsichtige ich nicht, mich einer der existierenden religiösen Lehren anzuschließen.

    Unser Land wird aber von einer Partei regiert, die sich expressis verbis *christlich* nennt und unsere Gesellschaft (z.B: die Datierung von Feiertagen) wird nach den Riten dieser Religion ausgerichtet. Da wir Astronomen spätestens seit der Diskussion um Matthäus’ Weihnachtsstern wissen, dass die Evangelien missionarischen Charakter haben, keine historischen Bericht sind und dazu alle Mittel recht sind – bspw. auch das Hinzudichten von Naturphänomenen, sollten wir entsprechend in der Öffentlichkeit reagieren können. Mir wurde die Frage nach einer SoFi zu Ostern schon in der Öffentlichkeit gestellt; darum habe ich es dereinst recherchiert. Theologen (das sind nicht notwendigerweise gläubige Menschen) sagen, dass das letzte halbe Jahr von Jesu Leben und insbesondere die Berichte zur Leidensgeschichte historisch korrekt sind oder sein könnten – zumindest gibt’s da im Gegensatz zur Weihnachtsgeschichte die Möglichkeit, dass die Erzählenden dabei gewesen sein könnten. Darum war es mir hier wichtig, die Ungereimtheit in der Interpretation aufzuzeigen.

    Ich möchte niemandem vorschreiben (bin gar nicht in der Lage dazu), was er oder sie zu glauben hat. Ich wollte nur eine mögliche Antwort aus astronomischer Sicht skizzieren.

    @Webbaer
    Die astrologischen Bezüge im NT sind vermutlich – wie die gesamte Astrologie der damaligen Zeit – mesopotamischen Wurzeln zuzuordnen. Es wird angenommen, dass die jüdische Elite im babylonischen Exil um die Mitte des -1. Millenniums dieses Brauchtum kennenlernte und im Kulturtransfer an eigene Erzählungen adaptierte. (Wir finden z.B. ganz analoge Geschichte im AT und in babylonischen Mythen, wie Sintflut und anderes.)

    Die griechische mathematische Astonomie zu jener Zeit erklärt das Zustandekommen von SoFi und MoFi korrekt. Davon unbehelligt ist aber die Verwendung von babylonischen Omina, also Deutungsmuster, die alle Naturphänomene betreffen (am Himmel und auf Erde, mögliche und unmögliche, Eklipsen, Wolken wie auch Schafe, Steine und was weiß ich … alles eben). Israel gehörte damals zum römischen Reich und dessen Kaiser Augustus hatte seit Jahrzehnten eine sehr starke Astrologiegläubigkeit propagiert. Viele dieser Konzepte und Deutungsmuster hatten sich folglich im Volk herumgesprochen und eigneten sich folglich gut für Propaganda jeder Art – sei es politisch oder zwecks Missionierung.

    • Ein Sandsturm kommt wohl auch nicht anfrage, ansonsten wäre er näher beschrieben, ‘Gewitterwolken’ haben zudem auch die Eigenart sich auszuladen (um dann berichtet zu werden).
      So etwas wie sozusagen nackte Dunkelheit, Wolken meinend, gibt es aber, der Schreiber dieser Zeilen kennt aber die Verhältnisse im dortigen Mittelmeer nicht genau, auch wenn er dort schon einige Zeit vorrätig oder vorrättig war.
      Hier – ‘Die griechische mathematische Astonomie zu jener Zeit erklärt das Zustandekommen von SoFi und MoFi korrekt.’ – ist sich Dr. W, die ‘Astonomie’ betreffend nicht ganz sicher,

      MFG + vielen Dank für Ihren Arbeit + schöne Ostern noch nachträglich (sofern dieser Wunsch zulässig ist, natürlich nur),
      Dr. Webbaer

    • Susanne M Hoffmann
      18. April 2017 @ 12:20
      Meine lieben Lesenden,
      ich möchte für keine Religion Partei ergreifen und

      Sehr geehrte Frau Hoffmann,
      in dem Punkt bin ich gleicher Meinung. Religionen fallen für mich unter dem Begriff
      “Weltanschauung” und haben mit dem biblisch gemeinten Glauben nichts
      gemeinsam. Außerdem ist der Glaube an einen Schöpfer nicht jedermanns Ding.
      Mir geht es um Fakten, nachvollziehbare Aussagen der Bibel., dazu gehört auch mein
      Beitrag vom 15.04.2017.
      Vor einigen Jahren hieß es, man habe tatsächlich bei astronomischen Berechnungen
      eine Zeitlücke für den im Bericht genannten Vorgang ermittelt.
      Ist das für Sie nachvollziehbar und können Sie feststellen, wer und wann das war?
      M. f. G.
      W. Bülten

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