Potsdam – Sanssouci et Astronomie

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Telegrafenberg: Hier wurde im ausgehenden 19. Jh. die weltweit erste Forschungseinrichtung zur Astrophysik gegründet. "Astronomie" hieß das Fach zuvor, das sich mit den Sternen beschäftigt, doch gerade die neuen Analyseverfahren des 19. Jh. führten es in eine neue Ära: So entschloss man sich im kaiserlichen Deutschland erstmals zur Anwendung des neuen Begriffs im Namen eines Instituts: Astrophysikalisches Observatorium Potsdam (AOP). Sein moderner Nachfolger im 21. Jh. ist das AIP, das astrophysikalische Institut potsdam … allerdings wohnt es nicht mehr in diesem Hauptgebäude, sondern in der ehemaligen Berliner Sternwarte, die im beginnenden 20. Jh. von der Stadtmitte nach (Berlin-)Babelsberg umzog. … Nun, in der Zwischenzeit ist Babelsberg nicht mehr Südwestzipfel von Berlin, sondern Nordost-Zipfel von Potsdam. things change – that’s the only constant in life 

Das ehemalige Hauptgebäude des AOP wird heute vom GeoForschungszentrum (GFZ) genutzt. Mit dem Sonnenteleskop in der Ostkuppel habe ich dereinst im Uni-Praktikum einmal Sonnenflecken gezählt, aber professionell wird es seit 2000 nicht mehr genutzt.

Ein "frisch" angestrichenes Prachtexemplar eines Großen Refraktors findet sich in der Kuppel gegenüber dem Hauptgebäude. Mit 80 cm Linsendurchmesser rangiert dieser Doppelrefraktor auf Platz Nr 4 der TopTen der Riesenrefraktoren dieser Welt. Der Große Refraktor hat einen Förderverein, dessen Vorsitzender, Herr Ernst August Gussmann, das riesige Instrument auch noch live bedienen kann.

 

 

Nicht nur für den Großen Refraktor, sondern auch für den Einsteinturm ist das AOP auf dem Telegrafenberg berühmt. Gedacht war er eigentlich für den Nachweis der Gravitationsrotverschiebung an der Sonne, allerdings war das mit diesem Instrument leider nie möglich. Stattdessen kann man aber mit ihm solare Magnetfelder messen und das habe ich sogar schon selbst mehrfach gemacht: Spektrallinien werden im Magnetfeld aufgespalten (Zeeman-Effekt) und können folglich über das Magnetfeld Aufschluss geben. 

Und so funktioniert’s: Licht tritt durch die Kuppel ein. Zwei Planspiegel lenken es in den Turm (Coelostat, großes Bild: Licht wird erst auf den Spiegel rechts unten und von diesem auf den links oben reflektiert). Dort fällt es durch eine Linse (Inlay-Bild links), die zur Focussierung verstellbar gelagert ist. Im Keller des Turms (Abb. oben rechts) kommt das Sonnenbild nach einer weiteren Umlenkung an einem Spalt in der Wand an (da steht jetzt das Sonnenfoto davor): Dahinter befindet sich in einem wohl temperierten Raum ein empfindlicher Spektrograph. Seine Ergebnisse wurden dann früher mit einem Buch (= "Tafelwerk der Spektrallinien") und heute mit dem Computer ausgewertet. 

Im Besprechungsraum vorne in dem U-Boot-artigen Gebäude gibt es vier Stühle um einen Holztisch im Bauhaus-Stil. Auf ihnen sollen angeblich schon Albert Einstein, Max Planck, Walter Nernst, Erwin Freundlich und andere wichtige Leute gesessen haben. 🙂 Da diese Herren aber längst tot sind, haben wir uns die Freiheit genommen, ihre Plätze einzunehmen (28.7. 2011, dt.-russ. SpaceCamp). 😉  

 

 

 


Gimmick dieses Blog-Posts

Schloss und Park Sanssouci sind Unesco Welterbe und mithin weltberühmt. Vor den Römischen Bädern hier im Park steht eine der faszinierendsten Sonnenuhren, die ich kenne. Während meines Studiums hier in Potsdam habe ich sie oft besucht. Es handelt sich um einen Würfel mit Friedrich-Wilhelm-Initialen, bei dem jeder Strich ein Gnomon ist und zusätzlich noch einige Halb-Skaphen eingraviert sind. Insgesamt sind auf dem ca 30cm-Kubus bestimmt 30 Sonnenuhren. Faszinierend!

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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