Der Mond

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Aktuelle Nachricht der Woche: Ein neues Lehrgedicht über den Mond erscheint in der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte.

Mondgedichte gibt’s zu Hauf … vor allem von Romantikern. Lehrgedichte über den Mond sind natürlich eher selten – aber eins werden Sie bestimmt alle kennen: das von Christian Morgenstern [auf wikisource einsehbar].

Der Mond

Als Gott den lieben Mond erschuf,
gab er ihm folgenden Beruf:
Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen
sich deutschen Lesern zu bequemen

ein a formierend und ein z
daß keiner groß zu denken hätt’.
Befolgend dies ward der Trabant
ein völlig deutscher Gegenstand.

Christian Otto Joseph Wolfgang Morgenstern lebte von 1871 bis 1914, wurde also im Jahr der Gründung des deutschen Kaiserreiches geboren und starb im Jahr des Beginns des ersten Weltkrieges – d.h. zu einer Zeit, als man es für nötig befand, das deutsche Nationalbewusstsein zu stärken. Das war damals nötig, weil das in zahlreiche Mini-Monarchentümer aufgeteilte Land sich gerade erst einig werden musste und einem einzigen Kaiser unterstehen statt hunderten kleinen Fürsten. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum sein Gedicht so populär wurde. Morgenstern selbst wurde zwar in München geboren, starb aber nach langer Krankheit und vielen Aufenthalten in Italien, der Schweiz und andernorts in Tirol.

Alles neu macht der September 🙂

Nun haben wir heute – nachdem man es im 20. Jahrhunderten mit dem deutschen Nationalbewusstsein deutlich übertrieben hatte – eine gewisse Aversion gegen die letzte Zeile dieses Gedichts und man zitiert es nur noch bis zum vorletzten Vers. Außerdem ist das runde “z” der alt-deutschen Handschrift ja fast nicht mehr üblich und jedenfalls nicht mehr der Duktus, den man heute in der Schule lernt…

Alles in allem muss man daher über Morgensterns Mondgedicht resümieren: netter Vers, aber nicht mehr ganz zeitgemäß. :-/

Umso erfreulicher daher eine Nachricht in dieser Woche über die diesjährigen Ausgabe der “Ausgewählten Werke” der “Bibliothek deutschsprachiger Gedichte”. Ein neues Mond-Lehrgedicht soll dort erscheinen:

Der Mond

Unser Trabant umläuft beständig
den Erdenball und ist so wendig,
dass er uns stets zeigt das Gesicht,
den Hinterkopf sehen wir nicht.

Der gute Mond wiegt mit Bedacht
sein weises Haupt in stiller Nacht.
Mal zeigt er uns das rechte Ohr,
dann kommt das linke mal hervor.

Quittiert’s Geschehn mit leichtem Nicken,
so könn’ wir Kinn und Stirn erblicken.
Darum im Lauf der Zeit man kennt,
mehr als die Hälft’, sechzig Prozent.

(Dalena)

Das ist doch mal eine positive Nachricht für die populäre Astronomie. 🙂

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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