Astronomietag in Hildesheim

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Der zehnjährige Walter hat heute viel gelernt: Er hat erst die Sonne, dann den Mond und schließlich Saturn im Teleskop gesehen und erfahren, wie man mit der ausgestreckten Hand Winkelabstände schätzt.

Die Sonne wurde ihm in einem der Teleskope rot gezeigt, in einem anderen grün und im dritten gelb: was ist denn nun richtig? Schnell erkannte er, dass die Astronomen mit unterschiedlichen Tricks das “weiße” Sonnenlicht eingefärbt haben: sie haben einfach verschiedene Filter vor ihre Teleskope gesetzt, die jeweils verschiedene Farben des gesamten Regenbogens hindurchlassen. Weil Teleskope nämlich sowas sind wie große “Lichteimer”, mit denen man die Lichtsammelfläche des Auges vergrößert, würde das grelle Sonnenlicht uns andernfalls erblinden lassen. Wir brauchen ja schon an hellen Frühlingstagen eine Sonnenbrille, also braucht das Teleskop erst Recht eine – und zwar eine viel, viel stärkere. 

Auf dem Mond erkannten wir Krater, Lava”seen” und Gebirge, die genauso heißen wie die Gebirge auf der Erde; auf der Sonne sahen wir helle und dunkle Bereiche wie eine Orangenhaut, Flecken und in den rot abbildenden Sonnenteleskopen hatte die Sonne sogar “Fransen” an ihrem Rand.

 

 

(Mondfoto: mit der Handy-Kamera durchs Okular gezielt, daher die geringe Qualität, 09.04.’11 SMH)  

Wie die vielen im Hauptspiegel gesammelten Lichtstrahlen zwischen den Spiegeln und durch die Linse zum Auge laufen, hatte Walter (oben in der Abb. rechts) ohne Erklärung sofort durchschaut. Während sein buntes Lieblingsfernrohr noch justiert wurde, hat er sogar mal einen Blick auf eine Hausecke der pitoresken Kulisse aus Fachwerkhäusern werfen dürfen und festgestellt, wieviel mehr das Teleskop als der Sucher vergrößert. Zu später Stunde wurde seine Ausdauer sogar noch belohnt, weil er selbst das Fernrohr einstellen durfte: Er packte es, peilte durch den Sucher und mit nur wenig Hilfe gelang es ihm sogar, den Mond im Achtzöller wieder zu finden. 

Ein kleines Zwischenspiel gab es zwischen Sonne und Mond am dämmerungsblauen Himmel in der Erdatmosphäre, als ein Wetterballon aufstieg und einige Leute sogar im Teleskop sehen konnten, wie er zerplatzte und die Teile anschließend auseinanderstrebten.  

In Hildesheim haben viele Menschen diesen Service “Astronomietag” der bundesweit organisierten Hobby-Astronomie-Szene genutzt, sich von passionierten Sternguckern den Himmel zeigen zu lassen. Es war wunderbares Wetter und bestimmt gibt es auch viele ähnliche Berichte zu diesem Thema. Gewiss werden sich alle meine LeserInnen wie ich auf Ihre Kommentare freuen. 🙂

 

Die öffentliche Sternwarte Hildesheim auf dem Gelben Turm hatte ebenfalls Besuch – allerdings nur auf der Aussichtsplattform und das Teleskop von einem Journalisten. Er recherchierte gerade zur Farbe “gelb”, die dem Turm seinen Namen gab: Der Turm aus dem selteneren gelben (statt roten) Klinker ist von außen mit der Hildesia und dem Stadtwappen geschmückt, sowie mit einer ehemals Potsdamer Sternwartenkuppel gekrönt, in der ein 60 cm Spiegelteleskop (Cassegrain) wohnt. Die Sternwarte ist jeden Freitag abends geöffnet und mit ihren 4 km Entfernung vom Marktplatz etwas abgelegen. Der Fußmarsch auf den Berg durch den dunklen Wald ist für manche Mitmenschen außerdem etwas abschreckend – darum kam die Gelegenheit bei der Marktplatz-Aktion vielen Mitmenschen sehr gelegen. 🙂

Hier ein Foto vom 19.08.1998, als die Kuppel in Potsdam neben dem Einsteinturm das Gelände verließ und mit einem Hubschrauber quer durch Deutschland geflogen wurde (Danke an meinen Dozenten vom Einsteinturm, Dr Horst Balthasar, der es mir zur Verfügung stellte).

Auf dem Turm haben wir auch erfahren, dass die Sonne eigentlich gar nicht so “gelb” ist, wie es viele Kinder malen. Stattdessen strahlt sie eigentlich – grob gesagt – weißes Licht ab, also alle Farben. Nur wenn ihr Licht durch die Erdatmosphäre geht, wird es von dieser eingetrübt und färbt die Sonne (wie alle anderen Gestirne) beim Auf- und Untergehen gelb, orange oder rot ein. Schon Goethe hatte dies beobachtet und baute darauf seine Farbenlehre auf.

Das meiste von ihrem Licht strahlt die Sonne zwar tatsächlich im gelblich-grünen Bereich ab, aber das sehen wir nicht, weil Mutter Natur unsere Augen pfiffigerweise so kalibriert hat, dass wir Sonnenlicht “weiß” sehen. Nur wenn die Astronomie andere Sterne zum Vergleich heranzieht, können wir sagen, dass die Sonne ein eher “gelber” Stern ist: Schließlich ist ihre effektive Oberflächentemperatur von ca 6000 K recht mittelmäßig und es gibt heißere (weiße und blaue) Sterne sowie kühlere (orangefarbene und rote) Sterne. Alle diese Farben der Sterne finden sich auch auf dem bunten Teleskop auf dem Marktplatz wieder, das es Walter so angetan hatte.

Das bunte Fernrohr hat übrigens einen Namen: Es heißt “Caroline Herschel” wie jene große Astronomin der frühen Neuzeit, die als erste Frau eine finanzielle Vergütung für ihre wissenschaftliche Arbeit erhielt. Sie forschte zusammen mit ihrem Bruder Wilhelm Herschel nächtelang an großen und alleine an kleineren Teleskopen in England, die sie dort gemeinsam selbst gebaut hatten (anfangs noch mit dem Bruder Alexander). Bei ihren systematischen Surveys hatten sie den Planeten Uranus entdeckt. Geboren und gestorben ist jene Caroline Herschel hier in der Nähe von Hildesheim, in Hannover. 


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Mein herzlichstes Dankeschön an alle mitwirkenden AHA-Sternfreunde für den wunderschönen, lustigen Abend, das Sternegucken und die Unterstützung und an Gerhard Heringslake für die Organisation!

 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

  1. Schön war’s

    Hallo Susanne,
    schön beschrieben, es war (als Teilnehmer) wirklich eine wunderbare Veranstaltung mit schätzungsweise über 300 Besuchern. Komisch nur, dass man von anderen Veranstaltungen – bis auf einzelne Berichte in den einschlägigen Foren – dieses Jahr recht wenig hört!?

  2. Ja, schöne Aktion! 🙂

    Hi Arndt,

    Yuri’s Night (Sternfliegerei) ist nunmal dieses Jahr wichtiger als die Sternguckerei… das ausgerechnet Du das sagst, der Du doch dieses Jubiläum jedes Jahr ausgiebigst zelebrierst. 😉

    Ich habe versucht, dies alles im vorherigen Post zu verheiraten. Ein nächster schlummert schon seit ca 2 Wochen halbfertig auf meiner Festplatte.

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