Astronomie als Geisteswissenschaft. – ? – !

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Kennen wir es nicht alle, die ewige Verwechslung von Astronomie und Astrologie, die dazu führt, dass man als Astrophysiker gebeten wird, Horoskope zu erstellen und sich Gesprächspartner abwenden, wenn man zugibt, dass man das nicht kann…

Die Ursache für diese “Gläubigkeit” an die Sterne ist vielleicht, dass sie so sinnlich gegenwärtig und doch unendlich fern, entrückt sind. “Himmel hilf” ist ein Sprichwort der älteren Generationen, die sich von Gott zu distanzieren begannen und nun nicht mehr den Herrn im Himmel anrufen, sondern nur noch den Himmel selbst. Nun kommen wir recht rasch zu den Gestirnen, die man bei einem solchen Blick nach oben – aus der irdischen Enge heraus – wahrnimmt.

Wer sich für weise hält, der kauft vielleicht lieber eine Sternpatenschaft anstatt ein Horoskop, was vielleicht einen gemeinnützigen Zweck unterstützt, nämlich Volkssternwarten – vielleicht aber auch nicht, sondern eine kleine Firma eines romantischen Inhabers. Aber sind denn Sternpatenschaften wirklich besser als Horoskope? Was verbinden wir damit? Wir wissen doch alle, dass man Sterne nicht benennen kann (die Namen der Sternbilder sind seit ca. 80 Jahren festgelegt und die Schemata zur Benennung ihrer Sterne haben lange historische Traditionen, es sind entweder Katalognummern, Koordinaten oder in den seltenen Fällen von Eigennamen historisch gewachsene Ableitungen aus fremden Sprachen) und genauso klar ist, dass man sie nicht besitzen und verschenken kann. Genauso gut könnten wir für die Grashalme eines Stadtparks Patenschaften vergeben. Ist sogar viel praktischer aus Sicht der Ökonomie: die sind nämlich noch nicht benannt und da sie nächstes Jahr nicht mehr da sind und man neu (ver)kaufen muss, kann man damit sogar noch viel besser Geschäfte machen: wir leben ja in einer Wegwerfgesellschaft…

Wie also können wir Astronomen dieser Sternengläubigkeit begegnen?

Ich will etwas weiter ausholen, aber die letztliche Antwort wird sein: Astronomie hat eben auch geisteswissenschaftliche (philosophische) Anteile und auf diese müssen wir an solchen Stellen wohl ausweichen.

Das Wesen der Astronomie

Mathematik ist ein Kuriosum: Sie gehört zu den Geisteswissenschaften, wird aber von den Naturwissenschaften versklavt und darum an Universitäten meist mit denen zusammen unterrichtet. So ähnlich geht es der Astronomie:

Obschon auch sie die Brücke zwischen den Fakultäten schlägt, wird sie derzeit nahezu völlig von der Physik vereinnahmt. Nun ist es das natürlich tatsächlich eine große Bereicherung für die sonst oft nüchternen Technikfreaks – aber leider droht sie damit den meisten Geisteswissenschaften zu entrücken. Und so auch weiten Teilen der Öffentlichkeit. Nicht missverstehen: Ich liebe die Physik als mein erstes Fach, aber Astronomie – finde ich – ist mehr als “nur” Astrophysik und sie umfasst sogar weite Bereiche, die sich der Beschreibung durch die Physik sogar völlig entziehen: Die Entwicklung von Sternkarten z.B., die zwar mathematische Astronomie (also Geisteswissenschaft!) ist, aber nichts im strengen Sinne über die Natur der verzeichneten Objekte – also ihre Physik – beinhaltet.

Als eine der ältesten Wissenschaften ist die Astronomie sicher auch ein Leitfaden durch die Geschichte: Wissenschafts- und Kulturgeschichte kann man gewiss nicht schreiben, ohne sich auch mit dem entrückten Himmelsblick zu beschäftigen. Dieser gehört zum Menschsein und inspiriert(e) zu jeder Zeit die Forschung – entweder das Individuum der Forschenden zur Reflexion und/ oder eine Gruppe zur Entwicklung neuer Methoden (sei es Technik oder math. Algorithmen). Wie keine andere Wissenschaft (bestenfalls die Mathematik) kann man sich an der Astronomie durch alle Epochen hangeln und alle Methoden und Praktiken der Wissenschaft an der stets modernen und Weltbilder prägenden Wissenschaft vom Himmel und dessen Gestirnen ablesen.

Insofern gibt die Astronomie sehr viele Antworten: nicht nur in der Physik, sondern auch in jeder Zeit und jeder Kultur. Die wahren Antworten, die viele Menschen suchen, die “Daseinsorientierung” (wie Ptolemaios, Diesterweg, Immanuel Kant u.v.a.m. schreiben, dass sie vor allem unsere Wissenschaft böte), finden viele Menschen daher leider nicht bei den exakten Wissenschaften, sondern in Träumerei, Schwärmerei oder Philosophie… oder suchen Hilfe in der Esoterik: Enttäuscht von der Sachlichkeit der Astronomie verlässt man die öffentliche Sternwarte und wendet sich dem irdischen Astrologen ums Eck zu.
Da kann der Philosoph Dieter Mersch in seinem Buch über Semiotik schreiben, dass wir die Kunst, aus den Sternen zu lesen verloren hätten. [1] (Es bleibt die Frage, ob wir sie je hatten und was es da zu lesen gibt, aber das würde an dieser Stelle vom Thema wegführen.) Das ändert nichts an der Suche nach Orientierung des Individuums für sein eigenes Leben. Es bleibt ein menschliches Grundprinzip, das Ödön von Horwarth in “Jugend ohne Gott” sehr tiefsinning und für eine andere historische Epoche beschreibt, ein Schwanken zwischen den Werten auf sehr bizarre und frappierende Weise, die ohne Orientierung zu Ängsten führt. Orientierungen, Lösungen und Antworten gibt es gewiss in der Philosophie, wenn wir diese so auffassen wie Lorenzen/Schwemmer in [2], nämlich als “eine Tätigkeit, die alle Mitglieder einer Gesellschaft oder Gruppe angeht und darum […] organisiert ist” (S.1).

Das Problem ist: Für Philosophie muss man viel lesen, weil die meisten solcher Orientierungsfragen des Individuums auch schon von anderen Menschen so oder ähnlich gestellt und erörtert, teilweise vllt. sogar beantwortet worden sind. Aber Lesen das ist eine Tugend, die viele Menschen nicht gerade gerne ausüben. Es gilt also, sämtliche uns zur Verfügung stehenden Medien dafür zu verwenden, auch in Bildern, Tönen und sonstigen stilistischen Mitteln unsere Botschaft(en) zu vermitteln. Es ist eben nicht so, wie Wittgenstein im Tactatus Logico Philosophicus resigniert, dass man schweigen müsse über all das, worüber man nicht sprechen könne: Wir haben so viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten als Worte, dass wir malen, singen, choreographieren können und damit schon weit über das zu Aussprechbare hinausgehend noch lange nicht alle Kommunikationswege ausgeschöpft haben. Zur Erweiterung des Repertoires können und müssen also nicht zuletzt auch die Künste hergenommen werden.

Ist Didaktik (also) eine Kunst?

Das Anliegen der Didaktik ist es, in möglichst einfacher Sprache komplexe Inhalte zu vermitteln (ebenso wie die Philosophie, die von einigen Philosophen ja als Kunst bezeichnet wird, z.B. von dem Philosophen Olaf Müller). Sprachen können entweder aus Worten oder aus Bildern – oder anderes, z.B. Bewegungen, wenn wir an Kommunikation der Bienen denken bzw menschliche Tänze – zusammengesetzt sein und in diesem Sinn kann man jedes Schulbuch “mehrschichtig” lesen, nämlich einmal in Bildern und einmal in Worten.

Ästhetik der Einfachheit. Die Einfachheit der Erklärung und die Klarheit einer Prinzipskizze finden wir schön, weil das zu Vermittelnde darin klar ausgedrückt wird – ebenso wie in einem prägnanten Merkspruch. Insofern muss die Didaktik und jeglicher Erklärstil “Moden” unterliegen wie auch die Künste – schon allein deshalb, weil sich die Sprache ändert, der Jargon, die Modeworte… ganz zu schweigen von Moden in der bildlichen Darstellung. Moden aber ändern sich einerseits mit der Zeit und andererseits mit der sozialen Gruppe. – Ist es insofern überhaupt möglich, eine einheitliche Didaktik zu schreiben? – Wahrscheinlich genauso wenig, wie es möglich ist, eine einheitliche Philosophie zu schreiben. Es gibt ein paar unsterbliche Grundregeln, wie Comenius’ Goldene Regel der Didaktik, stets möglichst alle Sinne zu bedienen, das sokratische Diskussionsprinzip oder die Aussagenlogik – aber auf der Basis der Grundregeln wird sich beides stets den Moden und Notwendigkeiten des Zeitgeschehens unterwerfen müssen: Beide Wissenschaften werden nie zu einem Ende kommen, schon allein, weil die fortlaufende Geschichte sie stets in neue Umgebungen versetzt.

Insofern ist eine Didaktik auch stets kulturbezogen, also Lehrmethoden stets abhängig von der Kultur der Menschen, die man unterrichtet. Das gilt im großen Maßstab genauso wie im kleinen, also kulturkreisabhängig (meinen islamischen Kollegen in Afrika erkläre ich etwas anders als dem öffentlichen multi-kulti-Publikum einer Volkssternwarte in Europa) genauso bezüglich des Niveauunterschieds zwischen Neuntkläßlern und Abiturienten. Alternativ aber auch zwischen Menschen verschiedener Ausbildungsgrade bzw. verschiedener Fächer.

Nun sehen wir auch, warum diese Frage so wichtig für uns AstronomInnen ist, denn wenn “die interessierte Öffentlichkeit” sich für Wissenschaft zu interessieren beginnt, dann geht sie selten in ein Physiklabor, sondern eher in eine öffentliche Sternwarte. Hier empfängt uns dann ein freundlicher Hobby-Astronom und referiert über ferne Sterne – selbstverständlich ohne Formeln und Einführungsvorlesung in die Physik, denn dafür hat man in den anderthalb Stunden ja keine Zeit.

Wenn wir in dieser Kürze der Zeit, die uns vor solchem Publikum bleibt, trotzdem wissenschaftlich korrekt unser Fach skizzieren wollen, dann müssen wir auf sehr niedrigem Niveau zu argumentieren beginnen und können leider auch nicht sehr in die Tiefe gehen. Aber vielleicht nimmt ja dennoch der eine oder die andere mit, dass man sich an den Sternen orientieren kann, ohne dass man daran sein Leben ablesen kann: Könnte man es dort nämlich ablesen, dann hieße es, dass wir sowieso nur untätig dasitzen müssen, weil ja ohnehin alles vorherbestimmt wäre. Das finde ich persönlich eine recht unangenehme Vorstellung: Möchten wir nicht selbst daran mitarbeiten, was aus uns wird?

Fazit: 1) Die Geisteswissenschaft “Astronomie”, also die mathematische Astronomie, ist ein Fach an sich. Man kann sich sogar fragen, ob nicht auch Astrometrie, also reine Positionsvermessung eine Geisteswissenschaft ist, denn sie erhebt nicht den Anspruch “das Wesen der Dinge” zu verstehen.
2) Der Blick in die Sterne – romantisch oder reflektierend – bewirkt etwas im Menschen (aus Gründen, die wahrscheinlich Biologie oder Psychologie erklären können, also ich nicht) und beflügelt auch Forschende. Er kann dem Individuum, der Gruppe oder der Gemeinschaft eine Orientierung bieten, kann Philosophie ebenso wie Technikentwicklung u.a. voran bringen.
3) Astrologie hingegen beruht auf dem unerfüllbaren Wunsch des Menschen, das eigene Schicksal an Vorzeichen abzulesen, die keinen kausalen Zusammenhang haben zu dem, was sie anzeigen sollen. Aufziehende Gewitterwolken sind ein Vorzeichen für baldiges Gewitter, weil in ihnen das Gewitter stattfindet – berechenbare Bewegungen der Sterne aber sind kein Vorzeichen für menschliche Lebenswege, weil Menschen ihr Schicksal selbst mitbestimmen: Unsere Wege sind zwar auch von den Entscheidungen der Menschen um uns herum mit beeinflusst, aber wir können miteinander kommunizieren und versuchen, in unserem irdischen Dasein so viel wie möglich selbst zu bewirken. Insofern dürfen uns die Sterne gern inspirieren, weil sie da sind und still vor sich hin strahlen und es ihnen dabei relativ egal ist, ob wir sie dabei beobachten: sie strahlen nicht allein für uns, aber wir dürfen es genießen, uns daran erfreuen und orientieren, dass sie da sind.

Lassen Sie uns von den Sternen beflügeln und unterm nächtlichen Firmament oder im Sonnenschein zu neuen Geistes- und Naturwissenschaften inspirieren lassen!


[1] Dieter Mersch: Zeichen über Zeichen,  Dt. Taschenbuch-Verl., München 1998

[2] Paul Lorenzen, Oswald Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie, Hochschultaschenbücher, Bibliographisches Institut Mannheim 1973

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

8 Kommentare

  1. Das menschliche Grundbedürfnis, das hinter der Astrologie steckt, nämlich Vorhersehbarkeit und Planbarkeit der Zukunft, ist positiv zu sehen; gerade dadurch unterscheiden sich Mensch und Tier. Gegen über der Methodik der Lesens aus Vogelflug, Eingeweiden oder des Würfels hat die Astrologie wie die Chartanalyse den Vorzug, dass sie die intellektuellen Fähigkeiten durch Nutzung mathematischer Methoden schärft.

  2. Es gibt einen Unterschied zwischen Berechenbarkeit oder besser Abschätzbarkeit im Sinne der Planbarkeit der Zukunft (wer hätte die nicht gerne!) und einem Determinismus.

    Abschätzbarkeit erreicht man durch Extrapolation von Prozessen in die Zukunft, z.B. mathematisch ausgedrückt in Gestalt von Regressionsgeraden, deren Verlauf Trends auch jenseits der Messdaten angibt. Im Alltag durch gewisse Regelmäßigkeiten und Gerechtigkeiten, soziale Absicherungen und dergleichen – je nach Lebensbereich, das ist aber zunächst nicht weiter mit dem Lauf der Gestirne korrelliert als der Sonnenlauf (im Tag und Jahr) Lichtwechsel und Temperatur- & Klimakurven verursacht.

    Sicher gibt es auch verschiedene Ansprüche der Astrologie: Es gibt VerfechterInnen des vehementen Determinismus und es gibt auch die Lehrmeinung, man könne nur Tendenzen ablesen. – Deswegen schrieb ich oben, dass die Diskussion an jener Stelle zu weit führen würde.

    Astrologie nutzt m.W. die Mathematik nur insofern als dass ein Horoskop _berechnet_ wird. Aber schauen wir uns das genauer an:
    Es werden nach dem geozentrischen (ptolemäischen) System Planetenstellungen berechnet und diese stimmen folglich nicht unbedingt mit den echten am Himmel überein.

    Abgesehen davon, haben die Sternzeichen der Astrologie auch mit den Sternbildern der Astronomie lediglich den Namen gemein. Ich schrieb und zeichnete dazu vor längerer Zeit in diesem Blog sowie auch in der Einführung zu meinem Himmelsaltas (gemeinsam mit A Mellinger, Kosmos-Verlag).

    Ich denke, dass die Semiotik – die Lehre von den Zeichen – ein sehr spannendes Feld ist und bei längerer Erforschung sicher noch viele Überraschungen bereit hält. Sicher ist jedoch auch: Nach heutigem Stand der Wissenschaft, können wir einen Einfluss der Gestirne auf den Menschen, so wie ihn die Astrologie annimmt, definitiv nicht erklären und bisher nicht einmal statistisch signifikant nachweisen. (siehe: Forschung von Edgar Wunder et al., GWUP)

    Aber ist es nicht auch das Wesen eines ‘Glaubens’, dass er eben nicht wissenschaftlich erfassbar ist?

  3. Hi,

    in der Schule wurde mir eine Eselsbrücke beigebracht, wie man Astronomie und Astrologie auseinander halten kann. AstroLogie enthält das L von Lüge, AstronoMie das umgedrehte M=W von Wissenschaft.

    Ich dneke, die Menschen wissen schon, dass die Astronomie zwischen Philosophie und Physik angesiedelt ist, wenn sie sich z.B. Gedanken darüber macht, ob Raum und Zeit erst mit dem Urknall gemäß der Standardtheorie entstanden sind, oder schon immer da waren, wie es z.B. das Ekpyrotische Modell feststellt. Und geht die Astronomie vor die Zeit des Urknalls, wird es vollends philosophisch und es stellt sich auch immer die Frage nach Gott als PRIMA CAUSA.

    Was mir zur Astrologie einfällt sind folgende Fragen: 1. Warum ist der zeitabhängige Abstand der Planeten von der Erde nicht wichtig? Bei Merkur, Venus und Mars variiert der Abstand doch extrem, bei den äußeren Planeten immerhin noch wenigstens um den Faktor 2.
    2. Warum ist die Stellung der Planeten über oder unter der Ekliptik uninteressant? In einem Horoskop wird immer so getan, als ob die Planeten direkt auf der Ekliptik stehen würden. 3. Warum ist nicht der aktuelle Sonnenstand von Interesse, sondern der Sonnenstand wie er vor ca. 2000 Jahren gewesen wäre, während bei den übrigen “Planeten” der aktuelle Stand von Interesse ist. 4. Wenn bestimmte Charakteristika signifikant von der Jahreszeit der Geburt abhängen, gilt das dann nur für die Nordhalbkugel oder auch für die Südhalbkugel? Es ist eigentlich naheliegend, dass die mittlere Tageslänge nach der Geburt den Charakter eines Menschen latent beeinflussen kann.

    mfg
    Luchs

  4. Super Beitrag, Luchs, Danke!

    Mir selbst fallen da auch noch viele sachliche Fragen ein. Trotzdem fällt es mir und anderen in der Öffentlichkeit stehenden Personen stets schwer, mit dieser Sachlichkeit irgendwen zu überzeugen.

    Ist also die Astrologie ein Glaube? Oder gar eine Religion?

    an adenosine:
    Ökonomie schärft auch die intellektuellen Fähigkeiten durch Nutzung von Mathematik.

  5. Astronomie-Philosophie

    Hallo Frau Hoffmann,

    Danke für das Lob. Da werde ich doch gleich mal ein bisschen kecker.

    Zunächst zu Ihrer Frage: „Ist also die Astrologie ein Glaube? Oder gar eine Religion?“

    Eine Religion ist sie nicht, weil ihr Menschen ganz unterschiedlicher Religionen angehören. Ob Christ, Hinduist, Buddhist, Taoist oder Schamanist, sie alle können die Astrologie befürworten oder ablehnen. Aber ein Glaubenssystem ist die Astrologie schon. Wenn Aberglaube der Glaube wider besseres Wissens ist, dann ist die Astrologie m.E. ein Aberglaube.

    Was halten Sie als bewusst philosophische Astronomin von den verschiedenen Schöpfungsmythologien? Nehmen wir z.B. die germanische Schöpfungsmythologie:

    http://members.tripod.com/~ingheim/nmyth.htm

    „Am Anfang gab es nur Ginnungagap (AN mit Kräften/Magie erfüllter Raum), das man sich als Schlucht des Nichts und der Windstille vorstellte.“

    Hört sich das nicht nach einem Vektorfeld an? Oder eher nach unendlichem Bewusstsein, der PRIMA CAUSA?

    “Im Süden von Ginunngagap entstand später Muspelheim (AN Reich des Muspel => Der Feuerriese Muspel (=Surtur) herrschte über diese Welt.), die Welt des Feuers und der Hitze.“

    Ein Planetensystem entsteht. Oder ist eine Zeit noch viel früher gemeint, die Zeit sehr großer Energiedichte, aber schon kondensierender Materie und emittierenden Lichts?

    “Nach Muspelheim entstand nördlich von Ginnungagap Niflheim (AN Nebelwelt), die Welt des Nebels und des Eises, wo Finsternis und Kälte herrschten.“

    Finsternis und Kälte?! So sieht der allergrößte Teil des Universums wohl aus.

    „Im Zentrum von Niflheim befindet sich der Brunnen Hvergelmir (AN brodelnder Kessel). Aus dieser Quelle entsprangen 12 Flüsse, die alle zusammen Elivagar genannt werden.“

    Alle Flüsse zusammen haben einen Namen?! Sind 12 Dimensionen gemeint, die den Raum bilden?

    Oder gehen wir mal in die Kabbala:

    http://www.saar.de/~luci/Zahlraum/Kabbala.html

    „Über der obersten Sephira befinden sich die drei Schleier “negativer” Existenz. Negative Existenz zu definieren ist unmöglich, denn sobald sie definiert wird, geht sie in Beschaffenheit über. Die drei Schleier heißen Ain, Ain Soph und Ain Soph Aur. Ain läßt sich als Nichts übersetzten; Ain Soph ist das rotierende Nichts und Ain Soph Aur ist entweder das selbstleuchtende oder beleuchtete Nichts. Eine andere Lesart transponiert das Ain als negativ existierendes Prinzip, Ain Soph als grenzenlose Expansion und Ain Soph Aur als grenzenloses Licht. Ain Soph Aur ist das einzig negativ existente Prinzip, von dem der Mensch sich wenigstens eine unklare und schwache Vorstellung machen kann. An diesem Punkt beginnt Ain Soph Aur in Kether überzugehen und Existenz zu werden.“

    Sagt Ihnen dieser Text etwas? Interessant finde ich den Hinweis auf das „rotierende Nichts“. Könnte das rotierende Nichts vielleicht eine Erklärung für die Dunkle Energie liefern? Und mit Ain Soph Aur , als selbstleuchtendes oder beleuchtetes Nichts könnte m.E. ein fluktuierendes Quantenfeld gemeint sein.

    Mit freundlichen Grüßen
    Luchs

  6. Danke der Nachfrage, Luchs, aber leider verstehe ich sie nicht ganz. Vielleicht haben wir auch ein unterschiedliches Verständnis von Philosophie? Nach meiner Interpretation heißt Philosophie keineswegs ‘freies assoziieren’ – obwohl man das bei manchen Philosophen gewiss meinen könnte, gehört dies eigentlich eher den Kompetenzbereich von KünstlerInnen. Stattdessen ist meine Lesart der Philosophie eher das korrekte und präzise und mithin notwendigerweise wortgewandte Aufschreiben von Theorien und Hypothesen. Ich halte mich dabei aber an Newtons weisen Satz “hypotheses non fingo”.

    Die Frage “Was halten Sie von Schöpfungsmythen” ist für mich als Physikerin in etwa äquivalent mit der Frage “Was halten Sie von der Geschichte von Hänsel und Gretel”. Die Dichterin und Autorin (sagen wir vielleicht “Textkünstlerin”?) in mir könnte vielleicht zu dem einen oder anderen Text sagen “hübsch geschrieben”. Aber was hat das mit Wissenschaften wir Physik oder Philosophie zu tun, wenn die Ideen fingiert sind, sich also mit physikalischen Experimenten und Beobachtungen widerlegen lassen?

  7. Susanne M. Hoffmann

    Antipodus
    Hervorragend geschrieben und formuliert!
    Es ist egal in welcher Ecke unserer Erde man sich befindet, überall glauben die Menschen an irgendeinen übernatürlichen Hokuspokus, sämtliche großen Religionen eingeschlossen. Gegen Dummheit kämpfen selbst Götter vergebens sagt man, deshalb muss auch jeder Versuch daran etwas zu ändern, scheitern. Wahrscheinlich liegt das schon in unseren Genen, oder wir saugen es mit der Muttermilch ein. Aber seien wir doch mal ehrlich, man überrascht sich doch manchmal selber, wenn am Freitag den 13ten oder wenn einem eine schwarze Katze über den Weg läuft, sich ein mulmiges Gefühl einschleicht. Hinterher muss man dann selber darüber lachen, aber das liegt wohl in der Natur der Sache. Die Astronomie bzw. Astro-Physik ist doch in einigen Teilen selbst schon zur Religion geworden und erinnert mich immer mehr an das Märchen “Des Kaisers neue Kleider”. Seit meiner Jugend habe ich mich dafür interessiert, jetzt als Rentner habe ich richtig Zeit und Muße mich damit intensiver zu beschäftigen und leider musste ich feststellen, dass sie für viele zu einem Dogma erstarrt ist. Denen kann man mit Fakten und Logik auch nicht mehr beikommen, die glauben nur wie nach einer Gehirnwäsche, was sie einmal gelernt haben.
    Deshalb und weil die Gedanken frei sind nenne ich mich jetzt Astro-Philosoph

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