Antique Telescope Society gratulierte 100 Jahre Hamburger Sternwarte

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Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Die Antique Telescope Society (ATS) startete ihre Deutschlandtour in der hundertjährigen Sternwarte am “Tor zur Welt”, in Hamburg. Die Wissenschaftshistorikerin Prof. Dr. Gudrun Wolfschmidt organisierte und führte die Gruppe zu einigen der faszinierendsten Teleskope hier im Land.

Nach zwei Tagen mit Vorträgen in der Bibliothek der Sternwarte Bergedorf (früherer Beitrag) reisten die Mitglieder dieser Society nach Göttingen, Jena (früherer Beitrag), Berlin und Potsdam (früherer Beitrag), bevor sie sich in alle Winde zerstreuten. Was alte Teleskope angeht, ist die Community klein und weltweit verstreut.

In Bergedorf traf man auch pensionierte Wissenschaftler, die über die von ihnen erlebte Forschung berichteten. Das ist zweifelsohne auch für Historiker interessant, wenn man Oral History schreibt oder Chroniken schreibt.

Einer diesen “alten Hasen” führte durch die Sternwarte Bergedorf und erklärte nach der Mittagspause seine Forschung, von der er jetzt alte Daten elektronisch kopiert und archiviert.

Dieses Jahr traf man sich im Herzen Europas

… denn schließlich haben wir hier einiges zu bieten!

Guckröhren im Garten der Bergedorfer Sternwarte: Hier wurde tatsächlich ausgeführt, was man Galilei vorgeworfen hatte: Das Bild ist auf die Optik gemalt und gar nicht draußen in der Natur.

Der Tagungsort war, wie gesagt, die altehrwürdige Hamburger Sternwarte, die dieses Jahr 100 Jahre alt wurde und immernoch Sitz aktiver Forschung ist.

Das Hauptgebäude der Stw. Bergedorf beherbergt nicht nur die Bibliothek und ein paar Räume des Schülerlabors “Astronomie-Werkstatt“, sondern hier ist auch das Büro des berühmten Kometen-Entdeckers Lubos Kohoutek, der mir eines Abends übern Weg lief, so dass ich auch dieser Koryphäe der Astronomiegeschichte die Hand schütteln durfte! 🙂

Die Vorträge bei der ATS-Convention hatten ein sehr breites Spektrum: Es ging von Sightseeing von und mit Gudrun Wolfschmidt über Reiseberichte wie von Hobby-Teleskop-Kenner Bart Fried bis hin zu kleineren oder größeren Forschungsprojekten, z.B. über den berühmten einarmigen Teleskopbauer Bernhard Schmidt, der nur seine letzten paar Lebensjahre in Hamburg verbracht hatte, aber das meiste im sächsischen Mittweida, die Luftteleskope von Hevelius oder die aktuellen Restaurationsarbeit (rechts im Bild) von alten Teleskopen in Bergedorf durch eine professionelle Berliner Restauratorin, die damit in Astronomietechnikgeschichte zu promovieren gedenkt.

Ich selbst hatte die Ehre, in dieser Gesellschaft über “mein” Rathenower Riesenteleskop (erster Beitrag, zweiter Beitrag 2008) vortragen zu dürfen. Hier das historische Video, das ich inzwischen auch bei YouTube reingestellt habe:

Was gibt’s noch in Bergedorf:

 … alles, das sich ein Astronom des 20. Jh. gewünscht hätte, das wurde in dieser stets aktiven Sternwarte auch für die Forschung geschaffen:

Meridian-Hütte auf dem Gelände der Bergedorfer Sternwarte.

auf diesem innovativen Beobachterstuhl kann ein Astronom ohne Assistenten allein beobachten! Die Taue auf der Rückseite ermöglichen ihm, sich auf Schienen selbst sitzend um das Teleskop zu bewegen oder abhängig von der Okularposition rauf und runter zu fahren.

Montierung eines der großen Fernrohr in Bergedorf

Fernrohre des 20. Jahrhunderts in Bergedorf: ein Refraktor und zwei Reflektoren verschiedener Generation. (klick aufs Bild vergrößert’s).

Inzwischen sind viele der internationalen Gäste aus Amerika, Australien, Asien und Europa schon wieder in ihrem zuhause angekommen und lassen die Ereignisse Revue passieren. Sie hatten das Glück, den “Tag der deutschen Einheit” in Berlin zu erleben – und waren schon vorher sehr aufgeregt. Weltpolitisch war das natürlich ein gewaltiges Ereignis, vllt ähnlich wichtig wie die frz. Revolution genau 200 Jahre zuvor.

Außerdem traf man den 90jährigen “Meister der Fernrohre”, Rolf Riekher (rechts im Bild) zum Dinner in Berlin! Sein (einziges) Buch und Lebenswerk ist weltweit das Standard-Nachschlagewerk, wenn es um Fernrohre und ihre historische Entwicklung geht.

Herzlichen Glückwunsch, Rolf Riekher, nachträglich zum 90jährigen Geburtstag dieses Jahr im Mai und zu diesem wunderbaren Kompendium, das in reiner Hobby-Leistung entstanden ist.

 


 

Insgesamt eine gelungene Zusammenstellung antiker Teleskope und derjenigen, die sich damit auskennen. 🙂

Gimmick:

Astronomischer Stadtrundgang mit Prof. Wolfschmidt…

 

…dabei haben wir ein gewaltiges Himmelsschauspiel gesehen: doppelter Halo (22° und 46°), zwei Nebensonnen und sogar einen ca. 90° Zirkumzenitalbogen!

Wunderschön! 🙂

Sagenhaft!!!

 

 

 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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