Sprachbrocken 10/2012

BLOG: Sprachlog

Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus
Sprachlog

Auf vielfachen (genau genommen: vierfachen) Wunsch kehrt heute die Presseschau ins Sprachlog zurück, in der wir auf mehr oder weniger wichtige sprachbezogene Meldungen der vergangenen Woche zurückblicken. Die verwirrende Nummer 10 im Titel bezieht sich dabei auf die Kalenderwoche.

Felix Magath hat den Grund für die schlechte Leistung seines VfL Wolfsburg identifiziert: Die Sprachbarrieren zwischen den Spielern aus immerhin 15 verschiedenen Ländern sind Schuld. Wie Eurosport meldet, wird Magath in Zukunft seine Mannschaft nach der Muttersprache der Spieler sortiert aufstellen. Ob diese Strategie Früchte trägt, werden wir dann schon heute Nachmittag erfahren.

Weniger offen für Fremdsprachen zeigt sich laut Hamburger Abendblatt die Gastronomie in meiner Ex-Wahlheimat, dem Hamburger Stadtteil Ottensen. Dort will man sich auf die deutsche Sprache zurückbesinnen: Statt zur Happy Hour würden Cocktails immer häufiger zur Frohen Stunde angeboten. Die deutsche Alternative klinge einfach nicht so billig und abgenutzt wie das englische Lehnwort, heißt es zur Begründung. Dabei geht es doch bei der Happy Hour genau darum — ums Billige. Aber passnder als das seinerzeit von der längst verblichenen „Aktion Lebendiges Deutsch“ vorgeschlagene Blaue Stunde ist der Ausdruck Frohe Stunde allemal.

Wer froher Hoffnung ist und noch keinen Namen für den Familienzuwachs hat, sollte die Finger nicht nur von billigen Cocktails lassen, sondern auch von Sophie, Maximilian, Alexander, Marie/a, Mia, Paul und den übrigen Top 10 der Mädchen- und Jungennamen, die die Gesellschaft für deutsche Sprache gerade für 2011 ermittelt hat (und die fast identisch zu den Top 10 für 2010 sind). Wer das nicht tut, kann das eigene Kind auf dem Spielplatz nicht zur Ordnung rufen, ohne dass sich ein großer Teil der anwesenden Kinder gleich mit angesprochen fühlt. Lieber sollte man dem Vorbild von Jessica Simpson folgen, die dem Klatschportal E!Online verriet, dass ihre Tochter einen „unkonventionellen“ Namen bekommen werde — allerdings keinen, den man „dem Wörterbuch hinzufügen“ müsse.

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Nach Umwegen über Politologie und Volkswirtschaftslehre habe ich Englische Sprachwissenschaft und Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg studiert und danach an der Rice University in Houston, Texas in Allgemeiner Sprachwissenschaft promoviert. Von 2002 bis 2010 war ich Professor für Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bremen, im August 2010 habe ich einen Ruf auf eine Professur für anglistische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg angenommen. Mein wichtigstes Forschungsgebiet ist die korpuslinguistische Untersuchung der Grammatik des Englischen und Deutschen aus der Perspektive der Konstruktionsgrammatik.

16 Kommentare

  1. Babel-Fußball

    Das kommt davon: Alles Geld in teure Transfers investiert, und jetzt fehlt der Zaster für den VHS-Sprachkurs …

  2. Vielfacher Wunsch

    Hätte ich die Presseschau vorher gekannt, könnten Sie sich auf einen fünffachen Wunsch beziehen.
    Danke für die Wiedereinführung, die mir diese Neuentdeckung möglich macht.

  3. Ich hatte die Presseschau ganz vergessen, bin aber dennoch sehr froh, daß sie wieder da ist. Besonders die Meldung über Wolfsburg ist superklasse. Danke.

  4. Weniger offen für Fremdsprachen

    …ist natürlich Hamburg, Pardon, Humbug. Und “Happy Hour” ist billig, stimmt. Das haben nun anscheinend auch andere bemerkt.
    Hamburg ist eine der verdenglisiertesten Städte Deutschlands. Und ist darin schon immer führend gewesen, in Hamburg darf noch nicht einmal der Hafenmeister mehr Hafenmeister heißen. Nun hat aber die Ablehnung von Denglisch oder überflüssiger Anglizismen nichts mit einer Fremdsprachenphobie zu tun und seit wann darf man sprachliche Irrwege oder Albernheiten nicht mehr korrigieren?

    Die sich abzeichnende Entwicklung ist sehr erfreulich. Neue Frisörläden heißen nun “Haarklein” oder “Haarfein”, den “Kaffee zum Gehen” gibt es nun auch wieder zum Mitnehmen, eine Modenmarke für Handtaschen hat sich den Namen “Liebeskind” gegeben und ein Parfüm von Joop heiß “Freigeist”.
    Allesamt schöne Wörter, die ich gegen keinen Anglizismus (des Jahres) eintauschen möchte.

  5. Allerlei

    “Die deutsche Alternative klinge einfach nicht so billig und abgenutzt wie das englische Lehnwort, heißt es zur Begründung. Dabei geht es doch bei der Happy Hour genau darum”.
    Bringen Sie da nicht zwei etwas verschiedene Bedeutungen von “billig” durcheinander?
    Und: Ist “happy hour” wirklich schon ein Lehnwort – gehört also in die gleiche Gruppe wie “Sport” und “Adresse” – und nicht einfach ein im Deutschen häufiger gebrauchtes fremdsprachiges Wort? Reicht es dafür bereits, ein paar Jahre in mancher Kreisen üblich zu sein? “74@028F0” ist ja auch in manchen Kreisen sehr verbreitet, und doch würde man es kaum als Lehnwort bezeichnen.

    Zu “Maximilian”: War das nicht einer der Namen, die, wie auch “Hubertus”, vor kurzem noch als Alternative zu “Kevin” empfohlen wurden? Mit dem man also was werden kann?

  6. Nachtrag

    das Programm kann offenbar keine russischen Buchstaben. “74@028F0” ist das russische Wort für “prost” oder “prosit”.

  7. Hafenmeister

    Selbstverständlich darf ein Hafenmeister in Hamburg „Hafenmeister“ heißen. Der „Hafenmeister“ des Hamburger Hafens — immerhin dem achtgrößten Containerhafen der Welt — heißt aber natürlich „Hafenkapitän“ — um einen Hafenmeister zu finden, muss man sich in einen der kleineren Sport- oder Segelhäfen begeben. Der Hafenkapitän in Hamburg leitet übrigens — was auch immer die Sprachnörgler behaupten mögen — das ganz traditionell benannte Hafenamt (in Hamburg heißt es „Oberhafenamt“).

  8. Hafenmeister

    …und das Oberhafenamt ist seit 2005 der “Port Authority” untergeordnet. Sind Sie sicher, dass der Hafenkapitän nicht schon längst “Captain of the Port” genannt wird?

  9. Hafenkapitän

    @Klausi: Das Oberhafenamt heißt nach wie vor gutdeutsch „Oberhafenamt“. Die Hamburg Port Authority ist eine neu geschaffene Organisation, für die keine Institution ihren gutdeutschen Namen aufgeben musste. Da sie den achtgrößten Containerhaften der Welt betreibt (falls ich das noch nicht erwähnt habe), ist es nicht ganz unsinnig, dass sie einen international verständlichen Namen trägt, oder? Es ist nur ein Gerücht, aber ich habe gehört, dass ab und zu Seeleute in den Hafen kommen, deren Deutschkenntnisse etwas eingerostet sind. Wenn man den Hafenkapitän auf Englisch anspricht, heißt er Harbour Master, aber „Captain of the Port“ wird er vermutlich auch verstehen.

  10. Wenn jemand eine Reise tut, so kann er

    …was erzählen” (Matthias Claudius)

    Was mögen die mit den eingerosteten Deutschkenntnissen nur vor, sagen wir mal, 10 Jahren gemacht haben, beigedreht und wieder ausgelaufen?

  11. Unsicher im Hafen

    Dass das Oberhafenamt eine laut Organigramm eher kleine Untereinheit der Port Authority, also des Hafenamts, ist, empfinde ich als extrem irritierend. Welche Aufgaben das Oberhafenamt innerhalb der Port Authority wahrnimmt, lässt sich auch nicht im Entferntesten erahnen.

    Bestimmt bin ich nicht der einzige, der ohne Organigramm das OBERhafenamt für die VORGESETZTE Dienstbehörde des Hafenamts, also der Port Authority, gehalten hätte.

    Sicher ist es sinnvoll, bei der Benennung der Hafenbehörde des weltweit achtgrößten Containerhafens auch auf internationale Verständlichkeit Wert zu legen, aber wäre diesem Anliegen nicht auch dadurch Rechnung getragen, dass man die Beschilderung der Behörde zweisprachig vornimmt, einmal richtig und komplett deutsch – einmal richtig und komplett englisch.

    Port Authority, AöR

    erscheint und klingt in meinen Augen und Ohren komisch.

  12. Was mögen die mit den eingerosteten Deutschkenntnissen nur vor, sagen wir mal, 10 Jahren gemacht haben, beigedreht und wieder ausgelaufen?

    Sehr genau beobachtet!

    Ich frage mich auch immer, was diese barrierefreien Bahnhöfe jetzt allerorten sollen. Früher müssen die Behinderten ja auch so von A nach B gekommen sein, sonst wären sie ja jetzt alle in A!

  13. Rolling home to good old Hamburg

    Ick heff mol en hamborger veermaster sehn, do ham se alle englisch geschnackt.

    Mit dem Englischen dürfen die Hamburger noch nie Probleme gehabt haben.

  14. Barrierefreiheit

    Ich frage mich auch immer, was diese barrierefreien Bahnhöfe jetzt allerorten sollen. Früher müssen die Behinderten ja auch so von A nach B gekommen sein, sonst wären sie ja jetzt alle in A!

    Was für ein dummer, bornierter, zynischer, menschenverachtender Kommentar. Nein, Barrierefreiheit ist kein “Neusprech”, sondern der Versuch über Rampen, Aufzüge, Lifte, Niederflurbusse etc. Behinderten Menschen ein Mindestmaß an Mobilität und damit Würde zurückzugeben.

  15. Was für ein dummer, bornierter, zynischer, menschenverachtender Kommentar.

    Stimmt. Ich entschuldige mich dafür.