Fetzenlogik

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Ich wollte zum Vorsitzenden des Rechtschreibrates und dessen abstrusen Phantasien vom Zusammenhang zwischen Analphabetismus und der „Fetzenliteratur“ auf Twitter eigentlich nichts schreiben — ich kann schließlich nicht jeden Blödsinn kommentieren, den irgendein Laiensprachnörgler von sich gibt. Aber da ihr nicht aufhört, mir Links auf diese Geschichte zu schicken, muss ich es wohl doch tun.

Die Geschichte begann eigentlich schon Ende November 2011, als der Rechtschreibrat in einer Presseerklärung eine allgemeine Besorgnis um die schriftsprachlichen Fähigkeiten der Jugendlichen in Deutschland. Der Rat habe in einer Sitzung festgestellt,

dass der Sprache und insbesondere ihrer Rechtschreibung hohe Bedeutung beigemessen, aber im Umgang mit ihr nachlässig verfahren wird. In dieser Haltung ist mit eine Ursache dafür zu sehen, dass ungefähr zwanzig Prozent eines Jahrgangs der 15-Jährigen als Analphabeten gelten müssen; ein Zustand, der nicht hingenommen werden darf. [Presseerklärung des Rechtschreibrates, 29. November 2011 (PDF)]

Kernstück der Presseerklärung ist dann die Forderung nach einer besseren, benutzergruppenadäquaten Vermittlung der deutschen Rechtschreibung im deutschen Schulsystem: „Rechtschreibung muss eine stärkere Rolle in Schule und Lehrerausbildung einnehmen“, lautet das Rezept.

Was genau der Rechtschreibrat darüberhinaus meint, wenn er sagt, dass im „Umgang“ mit der deutschen Sprache und ihrer Rechtschreibung „nachlässig verfahren“ würde, blieb in dieser Pressemeldung unklar. Der Ratsvorsitzende, der ehemalige stellvertretende bayrische Ministerpräsident Hans Zehetmair, äußerte sich dazu erst Anfang Januar 2011 gegenüber der dpa:

Twitter und Abkürzungen wie „HDL“ sind dem Chef des deutschen Rechtschreibrates, Hans Zehetmair, ein Dorn im Auge. Diese „Fetzenliteratur“ gefährde die Sprachkompetenz ganzer Generationen, meint er. Eine junge Generation schreibe heute — um eine Liebe zum Ausdruck zu bringen – keine Briefe mehr, sondern „HDL“ — „Hab Dich lieb“. Eine Schwierigkeit sei auch die steigende Zahl an Anglizismen, die die deutsche Sprache überflute. Nach Angaben von Linguisten müssten rund 20 Prozent der 15-Jährigen heute als Analphabeten bezeichnet werden, sagte Zehetmair. [dpa, 1. Januar 2012]

Wenn man aus diesem Unfug überhaupt etwas lernen will, muss man sich zwei Fragen stellen: Erstens: Wie steht es mit dem Analphabetismus in Deutschland? Und zweitens: Ist Twitter Schuld?

Zum Analphabetismus gibt es zwei wichtige und relativ aktuelle Quellen: Den Bericht „Education at a glance“ der OECD, die regelmäßig den Alphabetisierungsgrad der Weltbevölkerung untersucht und das Forschungsprojekt „leo.“ der Universität Hamburg.

Die OECD liefert Zahlen speziell für die 15-Jährigen, die Zehetmair erwähnt, allerdings verwendet man dort relativ grobe Kategorien. Die niedrigste Stufe (Stufe 1) gilt für Menschen mit sehr schwachen Fähigkeiten, die (so das Beispiel der OECD) nicht in der Lage sind, die richtige Dosierung eines Medikaments von der Verpackung abzulesen. Stufe 2 bezeichnet Menschen, die nur mit einfachen, klar strukturierten Materialien zurecht kommen und in Tests schlecht abschneiden. Stufe 3 bezeichnet Menschen, die im Lebens- und Berufsalltag einer komplexen Gesellschaft gut zurechtkommen (sie entspricht den Fähigkeiten, die für die Aufnahme eines Studiums vorausgesetzt werden). Stufen 4 und 5 bezeichnen fortgeschrittene Kompetenzen bei der Verarbeitung schriftlicher Informationen.

Das Projekt „leo.“ verwendet eine genauere Kategorisierung in sogenannte „Alpha-Levels“: Alpha 1 ist die völlige Abwesenheit von Lesefähigkeiten, auf Alpha 2 können zwar Wörter, aber keine Sätze lesend verstanden werden. Alpha 3 bedeutet, dass jemand zwar kurze Sätze, aber keine Texte lesen kann, auf Alpha 4 können Texte gelesen werden, aber es wird „fehlerhaft“ geschrieben (die Rechtschreibung wird nicht korrekt beherrscht).

Welche dieser Kompetenzniveaus als „Analphabetismus“ bezeichnet werden sollten, ist Definitionssache. Unserem Alltagsverständnis nach ist wohl Alpha 1 „echter“ Analphabetismus, aber auch Alpha 2 und 3 werden in der Forschung als sogenannter „funktionaler“ Analphabetismus bezeichnet — die Betroffenen können zwar theoretisch lesen, aber praktisch nützt ihnen dies nichts, da sie diese Fähigkeit nicht in angemessenem Umfang umsetzen können. Alpha 4 ist kein Analphabetismus nach irgendeiner Definition. Die OECD-Stufen sind nur grob vergleichbar, aber Alpha 1 entspricht wohl der OECD-Kategorisierung „unterhalb Stufe 1“, Alpha 2 und 3 liegen innerhalb von OECD-Stufe 2. Für Alpha 4 gibt es keine genaue Entsprechung — je nachdem, wie falsch hier geschrieben wird, dürfte dieses Niveau wohl zwischen OECD-Stufe 2 und 3 liegen. Auf jeden Fall ist OECD-Stufe 1 also „Analphabetismus“ im engeren, alltagsprachlichen Sinne, und Stufe 2 ist „funktionaler Analphabetismus“, wobei dieser Begriff dann etwas weiter gefasst ist als bei der leo.-Studie.

Nach dieser Vorrede nun die Zahlen. Laut OECD käme man bei den 15-Jährigen auf zehn Prozent Analphabet/innen im engeren Sinne und weitere 13 Prozent funktionale Analphabet/innen — also etwa auf die zwanzig Prozent, die Zehetmair pauschal als „Analphabeten“ bezeichnet.

Alphabetisierung der 15-Jährigen in Deutschland

Dass wir uns als Gesellschaft mit dieser Zahl nicht zufrieden geben können, dürfte klar sein; trotzdem sollte man hier zwischen der grundsätzlichen Lesefähigkeit und der Fähigkeit, mit Texten umzugehen, unterscheiden.

Über Zehetmairs Ursachenforschung kann man dagegen nur den Kopf schütteln. Die These, dass ausgerechnet Twitter für die schlechten Schreib- und Lesefähigkeiten der Jugendlichen verantwortlich sein soll, ist ja schon a priori nicht plausibel, und zwar aus mindestens drei Gründen: Erstens sind Fünfzehnjährige auf Twitter kaum vertreten — nur etwa 4,5 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 24 verwenden den Kurznachrichtendienst. Zweitens sind Twitter-Nutzer/innen überdurchschnittlich gebildet: so haben z.B. fast 80 Prozent von ihnen Abitur. Drittens, und das ist das entscheidende Argument, meiden Analphabet/innen soweit wie möglich jede Art von Texten und schriftlicher Kommunikation. Analphabeten im engeren oder weiteren Sinne werden deshalb grundsätzlich in allen sozialen Netzwerken unterrepräsentiert sein.

Tatsächlich brauchen wir aber über die Rolle von Twitter beim Analphabetismus in Deutschland gar nicht ausfühlich zu sinnieren, denn wir haben solide Hinweise darauf, wo die eigentlichen Ursachen liegen.

Dazu müssen wir zunächst verstehen, dass Analphabetismus kein neues Phänomen ist, und keines, das besonders die Jugend in Deutschland charakterisiert. Wie die leo.-Studie zeigt, gibt es bei Alpha 1-3 keine großen Unterschiede in den Altersgruppen zwischen 18 und 64 Jahren:

Alphabetisierung in Deutschland nach Alter

Wie man sieht, liegen die Zahlen zwischen ca. 12 und 16 Prozent und sind bei den 18- bis 29-Jährigen sogar am niedrigsten. Die 15-Jährigen sind hier nicht erfasst; die Diskrepanz zu den OECD-Daten, die ja in dieser Gruppe auf 23 Prozent funktionalen Analphabet/innen hinweisen, kann zwei Gründe haben: Erstens dürfte die Textkompetenz zwischen 15 und 18 Jahren noch zunehmen, zweitens sind die schwammigen OECD-Definitionen, wie oben erwähnt, weiter gefasst als die präziseren Kategorien der leo.-Studie.

Eine Erklärung des Analphabetismus auf der Grundlage von Kommunikationstechnologien oder -angewohnheiten bietet sich angesichts der annähernden Gleichverteilung des Problems über die Altersgruppen hinweg schlicht nicht an.

Die eigentliche Erklärung ist auch viel einfacher, und sie zeigt, dass wir uns zur Bekämpfung von Analphabetismus um eine „stärkere Rolle“ der Rechtschreibung „in Schule und Lehrerausbildung“ genausowenig Gedanken machen müssen, wie um Kurznachrichtendienste.

Stattdessen sollten wir dafür sorgen, dass mehr Menschen überhaupt einen Schulabschluss und eine vernünftige (Aus-)Bildung erhalten, denn zwischen Bildung und Alphabetisierung besteht ein starker Zusammenhang:

Alphabetisierung in Deutschland nach Bildung

Außerdem müssen wir für eine bessere sprachliche Förderung von Zuwanderer/innen sorgen, denn auch zwischen Muttersprache und Alphabetisierung besteht in Deutschland ein starker Zusammenhang:

Alphabetisierung in Deutschland nach Muttersprache

Beide Zusammenhänge sind nur bedingt überraschend — außer vielleicht für einen konservativen, kulturpessimistischen und technologiefeindlichen ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten von Bayern, dessen Qualifikation im Bereich Bildung hauptsächlich darin liegt, dass er den Religionsunterricht in Bayern auf drei Wochenstunden aufgestockt und das Schulgebet eingeführt hat, dafür aber das Kapitel „Zeugung“ aus den Biologiebüchern streichen ließ und der Lehrern verbieten wollte, den Schülern staatskritisches Denken zu vermitteln.

Aber ein Bildungssystem, das die Schüler mitnimmt, statt sie auszusortieren, kostet viel Geld. Eine ernsthafte Sprachförderung innerhalb und außerhalb der Schule kostet viel Geld.

Aber gegen die „Fetzenliteratur“ auf Twitter zu wüten, ist schön billig.

 

GROTLÜSCHEN, Anke und Wibke RIEKMANN (2011): leo. – Level-One Studie. Presseheft, Universität Hamburg. [Link (PDF)]

OECD (2003) Education at a glance: OECD indicators 2003, Organisation for Economic Co-operation and Development, Paris. [Google Books (Voransicht)]


[Erklärung zu Interessenkonflikten: Ich bin derzeit, und noch bis April 2012, Professor an der Universität Hamburg. Es bestehen keine Kontakte zwischen dem Forschungsprojekt leo. oder den beteiligten Forscher/innen und mir.]

© 2011, Anatol Stefanowitsch

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Nach Umwegen über Politologie und Volkswirtschaftslehre habe ich Englische Sprachwissenschaft und Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg studiert und danach an der Rice University in Houston, Texas in Allgemeiner Sprachwissenschaft promoviert. Von 2002 bis 2010 war ich Professor für Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bremen, im August 2010 habe ich einen Ruf auf eine Professur für anglistische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg angenommen. Mein wichtigstes Forschungsgebiet ist die korpuslinguistische Untersuchung der Grammatik des Englischen und Deutschen aus der Perspektive der Konstruktionsgrammatik.

32 Kommentare

  1. Viertens

    Ausgerechnet Twitter – und ähnlich SMS – verlangen eine recht hohe Sprach- uns Schriftkompetenz. Immerhin werden dort regelmäßig komplexere Sachverhalte runtergebrochen auf weniger als 140 Zeichen. Die Schreiber sind gezwungen auf mehreren Ebenen Entscheidungen zu treffen, die ihre Tweets kurz halten, dabei aber für die Empfänger – meist Fremde! – verständlich bleiben.

    Ich zweifle sehr ernsthaft, dass jemand, der Probleme damit hat ganze Sätze zu verstehen, in der Lage ist Aphorismen* zu schreiben oder auch nur per SMS Treffen in Abkürzungen zu auszumachen.

    *Die beiden vergessenen literarischen Genres: Aphorismen und Essays.

  2. Verwechslung mit SMS

    Herr Zehetmair hat wahrscheinlich Twitter mit SMS verwechselt, da man ja eine ähnliche Anzahl von Zeichen verwenden kann und beides über ein Handy laufen kann.

    So was kann einem digitalen Analphabeten schon mal passieren.

  3. falsches Jahr?

    “äußerte sich dazu erst Anfang Januar 2011 gegenüber der dpa” aber vorher “begann eigentlich schon Ende November 2011”

  4. Danke!

    Die Verteufelung von Twitter, oder allgemein die fehlerhaft begründete Ablehnung von Kommunikationsplattformen und sozialen Netzwerken darf öffentlich kritisiert werden! Hans Zehetmair und Kollegen müssen ihre Behauptungen schon belegen können.

    Es könnte auch alles anders sein: Wenn von Schülern noch nie soviel getextet wurde wie heutzutage, verbessern diese Dienste vielleicht sogar die Schreib- und Lesekompetenz?

    Ohne genaue Untersuchung wissen wir es einfach nicht.

  5. Realitätsverlust

    Ein weiteres Beispiel für einen Politiker, der scheinbar in einer anderen Welt lebt und der sich scheinbar rationale Argumenten nicht öffnet. Dadurch wird Politik(er/innen)-verdrossenheit und Frust gefördert und gestärkt.

    Polemik an:
    “…dass der Politik und insbesondere ihrem Stellenwert für die Gesellschaft hohe Bedeutung beigemessen, aber im Umgang mit ihr nachlässig verfahren wird. In dieser Haltung ist mit eine Ursache dafür zu sehen, dass ungefähr 40-60 Prozent der Wähler/innen sich nicht mehr an politischen Wahlen beteiligen; ein Zustand, der nicht hingenommen werden darf….”

  6. Kathrin Passig

    Bei solchen Texten weise ich gerne immer pauschal auf den Artikel von Kathrin Passig hin:

    http://www.eurozine.com/…09-12-01-passig-de.html

    Kurz zusammengefasst:

    “Macht dumm” ist ein Standardvorwurf gegen neue Technologien und ist in dieser Pauschaulitaet praktisch immer genauso pauschal falsch. Dazu kommt dass Vorwürfe in dieser Form von der ernsthaften Beschäftigung mit Technologie und Ihren Auswirkungen abhalten.

    Geradezu komisch find ich grade dass seine Kritik an der Verkürzung durch Twitter durch Verkürzung auf Pressemitteilungsformat sinnlos wird. Findet er aber wahrscheinlich nicht.

  7. wat denn dat

    Lesen und Schreiben sind Fähigkeiten, die recht wichtig sind. Aber sind sie der Kern für ein glückliches und erfülltes Leben? Wie im Leben, so auch in diesem HandKopfwerk auf den Inhalt kommt es an. Und ich persönlich habe das Gefühl, dass Menschen, die die Form vor den Gehalt stellen, vor allem in die Schublade gehören. Nur so ist es zu verstehen, dass man Anstoß an HDL nimmt. – Mir geht dabei das Herz auf.

  8. Vielleicht …

    … sollte man Herrn Zehetmair besser gar nicht auf diese Zusammenhänge hinweisen. Am Ende fordert er zur Bekämpfung des Analphabetismus mindestens die Ausweisung von Nicht-Muttersprachlern ohne Schulabschluss, wenn nicht gleich die all derer, die Deutsch nicht in die Wiege gelegt bekamen.

  9. Analphabetismus in Deutschland

    Herr Zehetmair wurde ja schon vor Jahren wegen seiner verschrobenen Ansichten verlacht. Hier ein Spiegelartikel aus dem Jahre 1991: http://www.spiegel.de/…gel/print/d-13491902.html

    Außerdem dürfte er sich vielleicht noch daran erinnern, dass man auch früher gerne abkürzte, wo immer es möglich war. So z.B. bei Telegrammen, da dort jedes einzelne Zeichen teures Geld kostete. Obendrein musste, bevor die Diktiergeräte aufkamen, in den Büros noch mitstenographiert werden, d.h. es wurde eine Kurzschrift benutzt.

    Die Süddeutsche Zeitung sieht daher auch eine Reihe anderer Gründe für das Dilemma: http://www.sueddeutsche.de/…zu-schwierig-1.23156

    Vielleicht bräuchte es für die moderne Jugend aber auch einen neuen Duden, der sämtliche Anglizismen enthält und PlayStationkompatibel ist. 🙂
    http://h11.abload.de/…_of_duden_modern_rqj2f.jpg

  10. Rechtschreibung?

    Wo schlägt der Rechtschreibrat eigentlich den Bogen vom Analphabetismus zur Rechtschreibung? Ursächlich habe die beiden Sachen ja wenig miteinander zu tun.

    (Übrigens finde ich es auf Twitter sehr spannend, wenn Nachrichten anscheinend ein klein wenig zu lang waren und gekürzt werden – welche Zeichen lässt man weg, um noch maximale Verständlichkeit zu behalten?)

  11. Herr Zehetmair (ich bin eigentlich kein Analphabet, musste aber trotzdem zweimal hochscrollen, um die Schreibweise seines Namens zu überprüfen) kann sicher auch Dyslexie mit der Einführung von Kurznachrichten erklären. Schade dass man solchen Pappnasen überhaupt ein Forum bietet. Wie ist dieser Mann eigentlich Vorsitzender des Rechtschreibrats geworden? Hat er das große Fernsehdiktat auf RTL gewonnen?

    In seiner Position müsste der gute Herr eigentlich auch wissen, dass Rechtschreibfehler meist nicht willkürlich auftreten, sondern ihnen oft eine systematische Schwäche zugrunde liegt. Wer bei Twitter wahr ohne schreibt, tut das aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, weil sein Tweet sonst 141 Zeichen gehabt hätte. Und genug Rechtschreibfehler im Deutschen haben doch gerade den umgekehrten Effekt, nämlich das Hinzufügen von Buchstaben (überflüssiges nach langen Vokalen, statt etc).

  12. Der Mann ist 75, Urbayer, Erzkatholik und gelernter Deutschlehrer – was will man da erwarten? Da kann man nur hoffen, dass der Rest des Rechtschreibrates mit besser geeigneten Personen besetzt ist.

  13. Oh, ich hatte die Buchstaben h, ss und ß in kleiner/größer-als-Zeichen (da gibt es sicher einen schöneren Ausdruck, der mir gerade nicht einfällt – zu viel getweetet) gesetzt, um Grapheme anzudeuten, aber das Kommentarfeld scheint dies als nonexistente HTML-Codes interpretiert zu haben und hat sie daher gleich komplett aus meinem vorigen Kommentar gelöscht. Gut zu wissen, dass hier nicht nur kyrillische Buchstaben unerwünscht sind. 😉 Jedenfalls meinte ich “wahr ohne h” und “ss statt ß“…

  14. Rechtschreibrat ungleich Zehetmair

    Die vom Rechtschreibrat geäußerte Position ist keinesfalls mit Zehetmairs skurriler Privatmeinung gleichzusetzen. Das macht eine erneute Lektüre sofort deutlich.

  15. Fetzenlogik

    Was erwartet man von einer Bildungspolitik, deren Folgen sich derartig zeigen, daß Abiturienten im Fernsehen meinen, Bukarest ist die Hauptstadt von Thailand, oder Realschüler gemeinsam in der 9.Klasse ein Comik lesen können.
    Dafür sind Expertenkommissionen dann da, im übrigen die selben, die diese Schul-u.Lernpolitik beschlossen und auch durchgedrückt haben.Klipp-u.Wippschulniveau lass dich grüßen. Macht nur weiter so mit dieser Durchschnittlichkeit der Dummheit.

  16. mfg, Twitter

    Zwei Punkte:

    Wenn der gute Herr solche Probleme mit HDL hat hoffe ich er wettert auch gegen mfg am Ende von emails und sogar Postkarten und Briefen. So viel Zeit muss sein.

    Wenn man bedenkt dass Twitter bestenfalls seit zwei Jahren im Bewusstsein der weiteren Bevoelkerung angekommen ist, wie kann Twitter da Schuld an breiteren gesellschaftlichen Problemen sein?

  17. HDL

    Hach! Seit ich jetzt weiß, was das bedeutet, freu mich mich immer doppelt, wenn ich ein Paket bekomme.

  18. verlinktes LEO/Rechenfähigkeit

    Wenn ich die Tabelle 1.6 im verlinkten LEO-Material richtig interpretiere, dann haben 4% der Alpha1 und 11% der Alpha2 annähernd gar keine Lesefähigkeit. Wie kann man denn so einen höheren Abschluß schaffen? Sind das alles Zuwanderer?
    Interessant wäre auch mal die Frage, wieviele Zahlenanalphabeten es gibt. Hoffentlich bin ich nicht der einzige hier im Kommentarbereich, der erstmal durchrechnen musste, dass diese 11% Alpha2 mit höherer Bildung und die 1.5% höher Gebildeten mit Alpha1-2 die selbe Anzahl ist – mich hatte das zuerst verwundert 🙁

  19. Danke

    So bekommt man sein Gefühl/Wahrnehmung mal wissenschaftlich mit Hintergrund und Zahlen bestätigt.

    Danke für Ihre Arbeit

  20. Forschung zum Thema

    Es gibt auch eine Studie, die das Thema untersucht hat. Falls das Buch zu dick ist für Herrn Zehetmair, hier die Schlussfolgerung:

    Das Ergebnis: In keinem dieser Bereiche, haben die sprachlichen Eigenarten der digitalen Kommunikation nennenswerte Spuren in den Schultexten hinterlassen. Dürscheid ist der Meinung, dass die Schüler die Schreibwelten trennen könnten.

    Kopiert von hier: http://diepresse.com/…ink=/home/bildung/index.do

    Disclaimer: ich arbeite zwar am entsprechenden Lehrstuhl, bin aber nicht beteiligt an der Studie.

  21. Wurden Gehörlosen auch mitgeforscht?

    Forschungs-Zielgruppe der 15-Jährigen, die nicht lesen und schreiben können oder sich damit sehr schwer tun. Das sind natürlich keine 15-Jährigen Gehörlosen (gibt ja davon nur etwa 80.000). Analphabetenrate der Gehörlosen sollte angeblich bei 90 % liegen.

    Es grenzt an ein Wunder, dass in so einem Staat wie Deutschland fast 5 Prozent Analphabeten sowie 15 Prozent funktionale Analphabeten sind! (lt. Studie)

    Hat der Staat bzw. OECD diese Menschen etwa übersehen?

  22. Ich kapier die Tabelle nicht

    Und zwar die “nach Bildung”.

    Wie kann es sein, dass 1,5% der Menschen mit höherer Bildung Analphabeten nach Kategorie Alpha 1-2 sind?

    Können Sie mich aufklären?

  23. @fegalo: Zum einen gibt es immer Leute, die sich irgendwie “durchmogeln”, auch wenn das vielleicht schwer vorstellbar ist. Zum anderen ist Analphabetismus nicht notwendigerweise eine Frage von Intelligenz bzw. Bildung. Beispielsweise kann man auch trotz starker Legasthenie hochintelligent sein. Ein Kommilitone von mir konnte z.B. wegen dieser Störung kaum vernünftig lesen und schreiben – und hat trotzdem (mehr oder minder) erfolgreich studiert. Dennoch bin ich sicher, dass er nach den Studienkriterien als Analphabet (zumindest funktioneller Art) eingestuft worden wäre.

  24. Überbewertet

    Für mich stellt sich die Frage, was Analphabetismus mit korrekter Rechtschreibung, vor allem aber, was korrekte Rechtschreibung mit Intelligenz zu tun hat. Ich geb’s ja zu, ich war nie ein Meister der Orthographie, aber ich habe mich immer gewundert, warum die Fähigkeit, Rechtschreibregeln zu verinnerlichen und anzuwenden mit hoher Intelligenz gleichgesetzt wird. Meiner Erfahrung nach sind die Rechtschreib-Asse alles andere als originelle Denker. Aber zum Glück gibt es ja heute Rechtschreibprogramme…

  25. @fegalo

    Wenn ich das richtig verstanden habe, zählt ein birmesischer Arzt, der Deutsch nicht lesen und schreiben kann, aber hier lebt und womöglich als Gebäudereiniger arbeitet, im Sinne der Studie als Analphabet mit Studienabschluss.

    Aber womöglich habe ich das auch falsch verstanden. Ich habe mir die Zahl zumindest eher so als mit von Legasthenie betroffenen Hochschulabsolventinnen erklärt.

  26. “Die Geschichte begann eigentlich schon Ende November 2011, als der Rechtschreibrat in einer Presseerklärung eine allgemeine Besorgnis um die schriftsprachlichen Fähigkeiten der Jugendlichen in Deutschland.”

    I accidently a word.

  27. Schaden für Deutschland

    Leserbrief

    Der ehemalige Kultusminister Hans Zehetmair beklagt zu Recht, daß das, was
    früher einmal als Muttersprache bezeichnet wurde, heute oft nur noch bruchstückhaft über die elektronischen Medien ausgetauscht wird. So stellt er fest, daß die Sprachkompetenz vor allem bei jüngeren Leuten stark nachläßt, da sie sich fast ausschließlich über kabellose Übermittlungsträger austauschen. Abkürzungen und Teilsätze ohne Substantive sind meistens die Regel. Kritiklos übernommene Anglizismen, die Modernität suggerieren sollen, tun ein Übriges.
    So haftet den Ausdrucksformen eine Unschärfe an, die insbesondere dem Bildungs- standort Deutschland schadet, denn wissenschaftliche Arbeit wird durch unpräzisen und mehrdeutigen Sprachgebrauch zumindest sehr erschwert. Das einzig offen- sichtlich Erfreuliche ist, daß Herr Zehetmair nun endlich diese Erkenntnisse gewonnen hat und sie auch öffentlich ausspricht, nachdem er selbst als Kultusminister und als Vorsitzender des Rats für deutsche Rechtschreibung eher zweifelhafte und wenig zielführende Rechtschreibreformen mit auf den Weg brachte. Daß sich diese Lockerung vom sprachlichen Regelwerk einmal in solcher Art in Richtung Chaos entwickeln würde, hätte er wohl damals selbst nicht für möglich gehalten.

    Roland Grassl , 77815 Bühl

  28. Brief an Herrn Grassl

    Gut dass man hier nicht frankieren muss! Ich habe leider keinen blassen Schimmer, wo Bühl liegt und ob die Signalstärke dort überhaupt ausreicht, um substantivlose Sätze kabellos zu übermitteln, aber doch frage ich mich, mit welcher Verzögerung wissenschaftliche Erkenntnisse dorthin durchsickern, denn die These, dass die mittlerweile 15 Jahre alte Rechtschreibreform zu Analphabetismus führt oder zu Sätzen ohne Substantive halte ich doch für ein bisschen steil. Sie sollten die Rechtschreibregeln von 1996 einfach mal ausprobieren! Fangen Sie doch beim ß an, dann können Sie sich langsam vorarbeiten.

  29. @ Herr Grassl

    Da Sie diesen Kommentar in dem selben Wortlaut in mehreren Blogs, die über dieses Thema geschrieben haben, hinterlassen, denke ich, dass Sie zumindest wissen was Copy & Paste ist.
    Ich habe mir zudem erlaubt, den Kommentar, den Sie in meinem Blog hinterlassen haben, als Spam zu werten.

  30. Definition on Alphalevels 4 und 5

    Im Text wird Alpha 4 definiert, aber es gibt Alpha 5 in den Grafiken. Ist das Lesefaehigkeit, akademische Texte mit Verstaendnis lesen zu koennen?
    “fehlerhaft schreiben”, ist das nur orthographisch oder auch grammatisch?
    Besteht die Bevoelkerung in der leo-Studie nur aus Deutsch-Muttersprachler, die hoerend sind und in Intelligenz nicht beschraenkt?

    Ein hoher Analphabetismus bei den Deutschen ueberrascht mich sehr. Interessant wuerde sein, wenn die muendlichen Aeusserungen auch untersucht waeren mit der Frage: Sprechen die Analphabeten auch in Satzfetzen und mit grammatischen Fehlern?

    Hartmut