Danebenliegende Sprachnörgelnde

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Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus
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Ein kurzer Nachgedanke, der im Beitrag vom Freitag keinen Platz mehr hatte. Joffe geißelt in seiner Kolumne die „Sprach-Verschlingungen durch ‚Gender-Mainstreaming‘“ und verweist auf Max Goldt, der diese Verschlingungen „anhand der Phrase ‚sterbende Studierende‘ (nach einem Uni-Massaker)“ aufzeige: „Wie kann man gleichzeitig sterben und studieren?“

Max Goldt ist ein interessantes Phänomen. Er hat brilliante Momente (hier dürfen Verweise auf Katz und Goldt und Ich und mein Staubsauger nicht fehlen), aber wenn er sich dem Thema Sprache zuwendet, wie in der von Joffe angerissenen Passage, bleibt von seiner Brillianz nichts übrig:

Menschen, die an einer Universität einem Studium nachgehen, heißen Studenten. Möglicherweise gibt es noch ganz vereinzelte Studiengänge, die als klassische Männerfächer gelten, z.B. an den Bergbau-Universitäten in Freiberg (Sachsen) und Clausthal-Zellerfeld. Wenn man in diesen Ausnahmefällen darauf hinweisen möchte, daß auch Frauen dort studieren, muß man Studenten und Studentinnen sagen. Wie lächerlich der Begriff Studierende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende. Oder nach einem Massaker an einer Universität: Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren. [Goldt 2002: 56].

Das ist Bastian-Sick-Niveau. Zum Vergleich:

Nicht jeder, der sein Brot in Forschung und Lehre verdient, hält es durch, ständig von „Studentinnen und Studenten“, von „Doktorandinnen und Doktoranden“, von „Assistentinnen und Assistenten“ zu sprechen. So machte man sich auf die Suche nach Pluralwörtern, die bereits beide Formen enthalten – und wurde auch fündig: Kurzerhand machte man aus „Studentinnen und Studenten“ die „Studierenden“. Das war deutlich kürzer und trotzdem noch politisch korrekt. Leider allerdings ein grammatikalischer Missgriff: „Studierend“ ist nur, wer im Moment auch wirklich studiert, so wie der Lesende gerade liest und der Arbeitende arbeitet. Ein Leser kann auch mal fernsehen, und ein Arbeiter Pause machen. Der Lesende aber ist kein Lesender mehr, wenn er das Buch aus der Hand legt, und so ist auch der Studierende kein Studierender mehr, wenn er zum Beispiel auf die Straße geht, um gegen Sparmaßnahmen zu demonstrieren. [Sick 2004]

Wenn Sick und Goldt mit Ihrem sprachlichen Argument Recht hätten, wäre das zwar noch kein Grund, Studentinnen die maskuline Form Student überzustülpen und ihnen mitzuteilen, dass sie eben mitgemeint seien. Aber es wäre möglicherweise ein Grund, eine andere geschlechtsneutrale Form zu finden. Nur haben sie eben nicht Recht: Ein nominalisiertes Partizip I muss keineswegs jemanden bezeichnen, der die durch das Partizip ausgedrückte Tätigkeit im Moment des Sprechens ausführt.

Wenn das so wäre, würde die Goldt-Sicksche Logik nämlich auch für folgende analog zu Goldt konstruierte Passage funktionieren:

Menschen, die einem Vorstand vorsitzen, heißen Chef. Möglicherweise gibt es noch ganz vereinzelte Firmengruppen, bei denen Frauen normalerweise nur niedere Arbeiten erledigen, z.B. alle deutschen Großkonzerne. Wenn man in diesen Ausnahmefällen darauf hinweisen möchte, dass eine Frau sich in die Chefetage verirrt hat, muss man Chefs und Chefinnen sagen. Wie lächerlich der Begriff Vorsitzende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Hotelbar sitzen zigarrenrauchende Vorstandsvorsitzende. Oder nach einem Massaker bei einer Aktionärsversammlung: Die Bevölkerung beweint die sterbenden Vorstandsvorsitzenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und einem Vorstand vorsitzen.

Die Passage funktioniert aber nicht. Jeder weiß, dass jemand einem Vorstand vorsitzen kann, ohne in jedem einzelnen Moment mit den Tätigkeiten eines/r Vorstandsvorsitzenden beschäftigt zu sein. Und ebenso kann man studieren, ohne Tag und Nacht in Hörsäälen und Bibliotheken herumzusitzen. Wenn mich früher jemand gefragt hat „Und was machst du?“, habe ich selbstverständlich geantwortet „Ich studiere Sprachwissenschaft“, auch wenn ich tatsächlich gerade biertrinkend in der Kneipe saß. Und niemand würde behaupten, dass daran irgendetwas merkwürdig oder unlogisch wäre, nicht einmal Goldt oder Sick. Wenn ich aber biertrinkend in der Kneipe sitzen und von mir sagen kann, dass ich „studiere“, kann ich auch sagen, ich sei ein „Studierender“.

Ebenso kann jemand ein/e Alleinerziehende/r sein, auch wenn er/sie sich einen Moment lang erschöpft zurücklehnt und das erziehen sein lässt oder wenn sich kurzfristig mal die Oma in die Erziehung einmischt. Reisende können auf dem Bahnhof auf einen verspäteten Zug warten ohne den die Reise gar nicht beginnen kann. Und ein/e Vorsitzende/r ist auch dann Vorsitzende/r, wenn er/sie eigentlich gerade Golf spielt oder schläft.

Die Nominalisierung von Partizipien ist eine hervorragende, mit den Regeln der deutschen Sprache voll konforme Art, geschlechtsneutral verwendbare Bezeichnungen für die Ausübenden von Berufen und anderen Tätigkeiten zu schaffen. Ob diese Tätigkeit im Augenblick oder gewohnheitsmäßig ausgeübt wird, ergibt sich im Zweifelsfall aus dem Gesprächszusammenhang oder der Art der Tätigkeit selbst. Wer anderes behauptet, ist dabei kaum von der Sorge um die deutsche Sprache getrieben, sondern von der Angst vor der sprachlichen Gleichbehandlung einer traditionell an den Rand gedrängten Mehrheit.

 

Goldt, Max (2002) Wenn man einen weißen Anzug anhat. Rowohlt Verlag.

Joffe, Josef (2010) Neusprech und Gutdenk, Zeit Online, 16. April 2010. [Link]

Sick, Bastian (2004) Liebe Gläubiginnen und Gläubige. Zwiebelfisch/Spiegel Online vom 2. Juni 2004. [Link]

© 2010, Anatol Stefanowitsch
Dieser Beitrag steht unter einer Creative-Commons BY-NC-SA-3.0-(Deutschland)-Lizenz.

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Nach Umwegen über Politologie und Volkswirtschaftslehre habe ich Englische Sprachwissenschaft und Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg studiert und danach an der Rice University in Houston, Texas in Allgemeiner Sprachwissenschaft promoviert. Von 2002 bis 2010 war ich Professor für Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bremen, im August 2010 habe ich einen Ruf auf eine Professur für anglistische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg angenommen. Mein wichtigstes Forschungsgebiet ist die korpuslinguistische Untersuchung der Grammatik des Englischen und Deutschen aus der Perspektive der Konstruktionsgrammatik.

50 Kommentare

  1. Tja, die verarmte deutsche Sprache. Nicht nur besitzt sie gerade mal 4 Fälle, von denen mindestens einer auch noch unter ständiger Attacke der Faulen steht, es fehlen ihr Verlaufsform und Gerundium. Loben wir uns das Englische, denn dort gibt’s das alles!

    Zu meiner Unizeit – wenige Jahre vor dem des Autors – gab es noch dieses unsägliche Binnen-I. Konnte ich mich nur zu Zwecken sarkastischer Satire für erwärmen. Aber ‘Studierende’ fand ich immer gut, auch wenn es sich erst nach meinem Abschluss durchgesetzt hat.

    Übrigens, inwieweit, nach Meinung Goldts, Sicks und Joffes, wäre ‘Student’ eigentlich besser? Meinen die ernstlich, der Bierkrug Schwingende bemühe sich gerade um Wissen – ich habe den Eindruck er strebt mehr, seinen Durst zu löschen.

  2. Leiser Widerspruch zu den wartenden Reisenden: Ich würde nicht sagen, dass ein Reisender nicht reist, während er auf den verspäteten Zug wartet, sondern empfinde es vielmehr so, dass der Frame ‘Reise’ durchaus die Handlung “auf ein verpätetes Verkehrsmittel warten” mit einschließt.

    Ansonsten: Brilliant!

  3. nicht ganz einverstanden

    Der Text klingt mal wieder sehr unterhaltsam und nachdenklich zugleich.

    Trotzdem möchte ich hier einen Widerspruch einwerfen. Die Gleichsetzung der Argumentation geht mir hier zu weit. Die Argumentation “ich studiere”=”ich bin Studierender” auch in der Kneipe entkräftet in der Tat Sicks Argumentation.
    Jedoch geht Goldt ja über die Pausenargumentation hinaus, da ja in der Tat die Tätigkeit des Studierens mit dem Ableben klar beendet ist. Allerdings macht es bei Goldt auch keinen Sinn, wenn er von den “sterbenden” Studierenden/Studenten spricht, da sie im Moment der Trauer ja weder sterben noch studieren. Also auch nicht zu Ende gedacht.

    Allerdings ist auch mein Sprachgefühl bei “toten Studierenden” nicht ganz einverstanden, aber verständlich ist es allemal.

    Ablschließend noch eine Bitte:
    Lieber Herr Stefanowitsch. Bitte lassen sie sich nicht auf Debatten ein, was nach den “Regeln der Deutschen Sprache” geht und was nicht. Die Stärke der Sprachwissenschaft sollte es doch gerade sein hier deskriptiv vorzugehen und aufzuzeigen, dass diese Ausdrücke erstens verwendet und zweitens verstanden werden und nicht vorschreibend mit Regelbüchern zuwinken.

  4. Die sterbenden Studierenden sind in der Tat ein wenig problematisch. Die gehen nur dann, wenn man “Studierender” bereits als Substantiv lexikalisiert hat. Wer es aber nach produktiven Regeln immer als Nominalisierung eines Partizips auffasst, der wird die sterbenden Studierenden komisch finden. Ich gehöre anscheinend auch zur letzteren Gruppe.

  5. Schön argumentiert.

    +1 für den Nachtritt in “Möglicherweise gibt es noch ganz vereinzelte Firmengruppen, bei denen Frauen normalerweise nur niedere Arbeiten erledigen, z.B. alle deutschen Großkonzerne.”, hihi.

  6. “Wer anderes behauptet, ist dabei kaum von der Sorge um die deutsche Sprache getrieben, sondern von der Angst vor der sprachlichen Gleichbehandlung einer traditionell an den Rand gedrängten Mehrheit.”

    … oder er will einfach irgendetwas besser wissen und sich als Besserwissender (der er auch bleibt wenn er denn mal biertrinkt, den Bietrinkende sind oftmals großartige Besserwissende) vermarkten. Damit wird er denn auch zu einem Vermarktenden, denn er vermarktet sich selbst und gleichzeitig die nie totzubekommende Vorstellung, unsere Sprache verarme, wenn nicht jeder Deutsche schulmeisterlich daherrede und die Grammatiken normativ betrachte… danke für diesen Artikel

  7. Brillant …

    … hat ja schon wer gesagt. Ich schließe mich an.

    Nur marginal zum Thema: Ich lerne grade für eine Klausur zu deutscher Wortbildung und habe diese Woche die interessante Meinung gelesen, dass das Partizip I keine verbale Flexionsform (mehr) sei, sondern vielmehr ein Wortbildungsmuster für Adjektive. (Bei Eisenberg, “Das Wort”.)

  8. @Kristin: den Gedanken hatte ich auch – schön, dass er so – äh – belegt ist. Also dass das Partizip I prinzipiell keine Tätigkeitsbeschreibung ist (fußte auf meinem Sprachgefühl). Zudem ist es vermutlich eine rein theoretische Überlegung – ich meine auch, dass wenn wir sterbende Studierende sehen würden, dass auch eine Beschreibung von “der sterbende Student” oder “die sterbende Studentin” denkbar wäre.

    Ich persönlich mag “Studierende” nicht besonders – nun mag ich einerseits ein Querdenker oder andererseits ein Reaktionär sein, aber gut; ich mag die lange Form “Studenten und Studentinnen” persönlich lieber. Außerdem frage ich mich, ob “Studierende” wirklich so genderneutral ist: wenn ich sage “Ich bin Studierende” ist das weiblich, “Ich bin Studierender” ist es männlich. Auch als “wirkliches” Substantiv im Singular ist der Ausdruck doch generell maskulin, wenn nicht eine weibliche Person gemeint ist (“Der Studierende”), oder?

  9. studens

    wo ist das Problem? “Student” heißt doch exakt “Studierender”. Was bringt der Ersatz des Einen durch das Andere? Man vermeidet noch nicht einmal ein Fremdwort (was bei der Tradition des Hochschulwesens sicher auch nicht erwünscht wäre). Im Gegenteil ist “Studens / Studentes” sogar geschlechtsneutral.

    Ich mache diesen Quatsch nicht mit.

  10. @suz: Der Vorteil an Studierende/r ist, dass die Pluralform geschlechtsneutral ist. Außerdem erscheint es mir auch bei den geschlechtsspezifizierten Singularformen vorteilhaft, dass die feminine Form keine Markiertheitsmerkmale aufweist.

    @Kai Hiltmann: In wiefern ist es weniger Quatsch, wenn man statt eines deutschen Partizip Präsens ein lateinisches verwendet?

  11. Jetzt frägt sich bloß, ob es evtl. auch hier und da schon Studierendinnen und Studierende gibt.

    So wie ich neulich tatsächlich irgendwo die Formel “Kinderinnen und Kinder” (hörte sich allerdings an wie “Kindernkinder”) miterleben durfte.

  12. StudierendInnen

    @Gerhard: Es findet sich eine Reihe von Treffern für StudierendInnen, die meisten davon sind scherzhaft verwendet.

    Diese hier könnte aber versehentlich entstanden sein:

    D: In Vereinbarung mit der Medizinischen Fakultät der Universität Bern findet in meiner Praxis der Unterricht von StudierendInnen in der Grundversorgung statt. Aus diesem Grund wird zeitweise ein(e) MedizinstudentIn (zur Zeit Frau Viviane Brauer) in meiner Sprechstunde anwesend sein. [Link]

  13. Generisches Maskulinum

    Hätte »Studierende« einen wirklichen soziopsychologischen Effekt, dann hätte Whorf ja doch recht gehabt.
    Mich stört das Wort vor allem deswegen, weil es nicht nur gestelzt wirkt, sondern inzwischen auch für den Singular adaptiert wird, wo es genauso gut oder schlecht funktioniert wie »Studenten«: »Lieber Studierender, liebe Studierende« ist einfach Sprachmüll, der absolut keinen Vorteil gegenüber »Lieber Student, liebe Studentin« (oder »Liebe Studenten«) hat.

    Letztlich ist das Genusproblem (sowie das verwandte Pronomenproblem) der politkorrektisierten Sprache nicht, dass es ein grammatisches Geschlecht gibt, das beide biologischen Geschlechter bezeichnen kann, sondern dass es daneben nicht für beide Sexus einen eigenen Genus gibt. Wenn wir also neben dem weiblichen Suffixen (-in/-innen) auch männliche hätten, könnten wir die sogenannte »maskuline« Version ohne Anhängsel bequem für die viel häufiger vorkommenden allgemeinen Fälle benutzen, in denen das biologische Geschlecht nicht näher spezifiziert wird, weil es implizit, unbedeutend oder unbekannt ist. Texte blieben lesbarer und Redner würden sich nicht lächerlich machen, wenn sie in Ansprachefloskeln das »-innen« verschlucken.

    Linguisten sind somit die eigentlichen Sexisten, weil sie den Genera Namen gegeben haben, die nach Sexus klingen.

    PS: Ich weiß nicht, wie solch ein Suffix aussähe: de Student, die Studentin, der *Studenton/*Studentan/*Studenter; die Studenten, die Studentinnen, die *Studentonnen/*Studentannen/*Studenterren?

  14. aktive und passive Regeln

    @ Carsten: er hat recht, dass man sich als Muttersprachler nicht an den Regeln dieser Sprache messen lassen muss.

    Denn als Physiker weiß ich sehr gut, dass es zwei Arten von Regeln gibt: diejenigen, die man meint, in einer gegebenen Struktur erkennen zu können (bei der physischen Welt beschäftigt sich damit die Physik), und diejenigen, die man festsetzt, um die Welt damit zu beeinflussen (damit bechäftigen sich die Juristen).

    Die sprachlichen Regeln gehören zur ersten, zur beobachteten Gruppe. Sie sind keinesfalls fest, weil sich das beobachtete Objekt ständig ändert.

  15. Qui bono?

    Für wen werden diese geschlechtsneutralen Bezeichnungen eingentlich eingeführt? Ich kenne haufenweise Akademikerinnen, denen es völlig egal ist, solange man sie fachlich ernst nimmt. Und waren es nicht die Frauen selbst, die eine der letzen Berufsbezeichnungen, die nicht aus maskuliner Form plus Suffix “in” abgeschafft haben – Friseuse?

  16. Die Diskussion ist deshalb interessant und relevant, weil sie schlicht müßig und verlogen ist. Es geht hier allem Anschein zum Trotz keine Sekunde um die Ablehnung des Konstrukts, es geht um den Sinn und Unsinn gewaltsam festgelegter “korrekter” Formulierungen, deren Notwendigkeit nur in den Köpfen derer ent- und besteht, die selbst in ihrer Persönlichkeit so unsicher sind, dass sie sie nötig zu haben glauben. In anderen Ländern (z.B. in Frankreich) hat der Versuch, weibliche Berufsbezeichnungen einzuführen, zu einem regelrechten Aufstand der weiblichen Bevölkerung geführt, die Begriffe wie “Kommissarin, “Autorin” usw. als Beleidigung empfand: Man wolle Frauen also unterstellen, sie seien in diesen Berufen anders als Männer, sprich: nicht gleichwertig, also schlechter, hieß es. Dass ein Wort in der maskulinen Form als Oberbegriff diskriminierend sein soll und nicht als das genommen werden kann, was es tatsächlich ist, nämlich nur ein Sammelwort ohne geschlechtsspezifische Bedeutung, ist eine Perversion unserer Zeit, die jedem und allen diskriminierende Absichten unterstellt, und sollte nicht auf sprachlicher, sondern auf soziologisch-psychologischer Ebene diskutiert werden. “Studierende” ist nicht besser oder schlechter als “Studenten und Studentinnen” oder “StudentInnen”, es ist gleichermaßen dumm und überflüssig. Solche Wortbildungen spiegeln nicht die Notwendigkeiten einer sich verändernden Zeit wider (es gab vor 30 Jahren auch mehr Studentinnen als Studenten und niemand hat sich um den Begriff geschert), sie spiegeln die Überempfindlichkeit einer verunsicherter Gesellschaft wider, die aus Angst, etwas Verfängliches zu sagen, einfach lieber gar nichts mehr sagt. Es gibt keine Hunde- und Hündinnenzwinger, keine Kater- und Katzenfutter, keine Hammel- Mutterschafs- und Lammwolle, und es hat keine Lobby verlangt, dass das Holz und der Wald umbenannt werden, weil DIE Esche und DIE Eiche sonst diskriminiert würden. Es ist mir als Frau vollkommen egal, wie meine Berufs- oder Gruppenbezeichnung lautet und ob ihr “der”, “die” oder “das” vorangeht. Gleiche Rechte und Bezahlung wären mir wichtiger. Die Diskussion auf sprachlicher Ebene führen zu wollen verleiht iht eine Bedeutung, die sie nicht haben dürfte. Es ist Jargon, und somit nicht Sprache.

  17. @Martine: Das kommt daher, dass sich Tiere und Pflanzen an solchen Diskussionen nicht beteiligen können, bzw. man sie nicht nach deren Meinung gefragt hat.
    Vorschlag: In allen Jahren mit gerader Jahreszahl werden immer nur die weiblichen Formen verwendet, in allen anderen Jahren die männlichen. 😉

  18. Eigentlich wollte ich einen längeren Kommentar zu diesem Thema schreiben, da ich eine sehr dezidierte Meinung dazu habe. Besonders als taz-Leser wird man mit diesem Thema sehr viel häufiger konfrontiert als einem lieb ist. Zum zum Glück hat Martine meine Meinung allerdings bereits exakt wiedergegeben. Und das so eloquent, daß ich es wohl kaum genausogut hinbekommen hätte. Vielen Dank dafür.

  19. Studierende und Lehrende…

    Mindestens in den von meiner Hochschule erstellten Satzungen (Prüfungsordnungen etc.) ist durchgängig von “Studentinnen und Studenten” die Rede, im Sg. dann als “hat die Studentin oder der Student es versäumt…” usw. Auch nicht so besonders toll.

    Meine in Schweden lebende Kusine legt Wert darauf, “lärare” zu sein und nicht “lärarinna”. Letzteres evoziert bei Schweden offenbar das Bild einer ältlichen Dame mit Dutt. Deckt sich mit dem Hinweis von Martine.

    Aus meinem Studium erinnere ich mich noch daran, dass Demonstrativpronomina und Artikel im Plural bei gemischten Gruppen ins Neutrum gesetzt wurden.

  20. N. Pl.

    öh – bei den Artikeln im Plural ging es um Altisländisch. Nur so der Vollständigkeit halber…

  21. @martine: Genau andersrum wird ein Schuh draus. die Diskussion gibt es nur, weil Leute wie Sie sich gegen Formulierungen bzw. Vokabeln wehren, die Ihnen eigentlich völliggleichgültig sein könnten. Wem das Wort Studierende nicht gefällt, benutzt es eben nicht, Ende der Geschichte.
    Die Probleme fangen (wie bei eigentlich aller Sprachnörgelei) dann damit an, dass sie dieses Wort als sprachlichen Vertreter ihnen missliebiger Geisteshaltungen ansehen, die es zu bekämpfen gilt. Das ist aber nur ein Taschenspielertrick, weil man die eigentliche Diskussion (z.B. über Sinnd und Unsinn von LGleichberechtigung, Feminismus, political correctness etc.) auf ein Niveau herunterzieht wo man schon recht haben kann wenn man sagt dass es sich Scheisse anhört. Und sowieso, diese verdammten Linken!

  22. >>Martine + Konsorten: Traurig, daß es in der Mitte der Bevölkerung immer noch Sympathiepunkte bringt, sich über political correctness zu mokieren. Natürlich reicht es nicht, sich an die Bezeichnungen zu halten – die Einstellungen und Erwartungen müssen sich ändern. Aber ich halte das unbedingte Festhalten an alter Terminologie nicht für wünschenswert: es ist einfach ein Proxy für die mangelnde Wertschätzung der benötigten Veränderung.

  23. “Wem das Wort Studierende nicht gefällt, benutzt es eben nicht, Ende der Geschichte.”

    Dann ist man aber doch Reaktionär.

    Danke im Übrigen für dieses schöne Beispiel eines freien Interrogativsatzes!

  24. Vorstandsvorsitzender

    Hat sich jemand schon mal daran gestoßen, daß ein Vorstandsvorsitzender eigentlich ein stehender Sitzender ist?

  25. @Daniel: Ganz so einfach ist es ja nicht. Wenn man von Studenten spricht, bilden sich Leute, die „Studierende“ oder „Studenten & Studentinnen“ gewohnt sind, ja mitunter auch ein Bild von einem. Man erscheint damit eventueller schlechter, als es eigentlich gemeint ist.

    Und wenn man eine solche Angewohnheit schon aufgeben soll, sollte das doch wenigstens gut begründet sein. Gute Gründe finde ich dafür im Plural nicht, da für mich der Plural ohne -in eher generisch als maskulin ist.

  26. @Daniel und Leviathan
    Es geht wohl kaum um die grundsätzliche Ablehnung von Neologismen, um das krampfhafte Festhalten an alter Terminologie oder um eine kritische Haltung gegenüber politisch-soziologischen Denkmustern. Es geht um die Tatsache, dass die Diskussion über den Begriff “Studierende” keine Diskussion um Sprachliches ist, sondern höchstens eine Diskussion über die Berechtigung zum Missbrauch eines Jargons als Alltagsgegenstand. Jede sprachbezogene Diskussion über Diskriminierung ist deshalb müßig, weil sie nicht um die Begriffe geführt wird, sondern um die Inhalte. Soziolekte (juristische, technische …) sind aus rein sprachQUALITATIVER Sicht nicht relevant. Die Diskussion um den Begriff “Studierende” ist in keiner Form eine Diskussion über Sprachqualität, denn Jargons haben per se keine. Es ist eine Diskussion über politisch-soziologische Tendenzen und Meinungen – und hat als solche in einem Sprachblog nichts zu suchen – es sei dann, man würde hier auch Dinge wie “Inaugenscheinnahme” oder “Aufmaß” untersuchen wollen. Dies findet nicht statt, denn solche Jargons berühren nur marginal den Alltag. Bei “Studierende” ist es eben anders. Nichtsdestotrotz: Bespricht man hier solche Begriffe, führt man keine Diskussion über Sprachqualität, sondern man schenkt einem Jargonbegriff aus dem soziologischen und politischen Bereich eine Bedeutung, die er nicht haben sollte.
    (Dass niemand gezwungen ist, Begriffe wie “Studierende” zu verwenden, ist übrigens nicht ganz korrekt, Daniel. Sie sind in der Verwaltungsarbeit einiger Universitäten Vorschrift und in der akademischen Veröffentlichungspraxis mehr als nur gern gesehen.)

  27. Geschlechtsneutrale Plurale…

    … im Spracherwerb – eine Anekdote vom Frühstückstisch:

    Ich heute morgen zu meinem achtjährigen Sohn: Wer ist denn eigentlich zur Zeit dein Lieblingslehrer?

    Er: Also, Lehrer kann ich dir da eigentlich nur einen sagen, nämlich Herrn XYZ.

    Ich: Das ist dein Lieblingslehrer?

    Er: Na, es gibt ja nur einen Lehrer.
    (Zur Erläuterung: Er geht auf eine Grundschule – mit sehr vielen Lehrerinnen, aber eben nur einem Lehrer.)

    DAS hat mich wirklich ein wenig überrascht, denn bis gestern habe auch ich noch geglaubt, wenn man “Lehrer” sagt, dann meint man auf jeden Fall beide Geschlechter, und so habe ich das Wort in meiner Frage ja auch gebraucht. Auch ich hätte bisher gesagt, dass es mir als Frau nichts ausmacht, bei maskulinen Pluralen mitgemeint zu werden – und im Prinzip macht es mir auch weiterhin nicht viel aus – aber die Annahme, dass man tatsächlich automatisch mitgemeint ist, die finde ich jetzt eindeutig weniger plausibel als vorher.
    Insofern, Martine:
    “Dass ein Wort in der maskulinen Form als Oberbegriff diskriminierend sein soll und nicht als das genommen werden kann, was es tatsächlich ist, nämlich nur ein Sammelwort ohne geschlechtsspezifische Bedeutung, ist eine Perversion unserer Zeit, die jedem und allen diskriminierende Absichten unterstellt” – diskriminierende Absicht vielleicht nicht (immer), aber ein Sammelwort ohne geschlechtsspezifische Bedeutung eben wohl auch nicht, jedenfalls nicht für alle.

  28. Hätte er das wohl auch so gesagt, wenn die Frage gewesen wäre, wer denn zur Zeit seine Lieblingslehrer sind?

    Ich wage, zu behaupten: Er hätte auch die Namen von ein paar Lehrerinnen genannt.

  29. Lieblingslehrer

    @ Jens:

    Zugegeben, ich habe in diesem Fall (glaube ich rückblickend) nicht mal einen Plural benutzt, weil ich sogar den maskulinen Singular in diesem Fall als “geschlechtsneutral” betrachtet hatte, möglicherweise weil “LieblingsX” eine Menge an Xen, aus denen man auswählen kann, voraussetzt. Aber ich hätte den Kommentar trotzdem “Geschlechtsneutrale Berufsbezeichnungen” nennen sollen.

    Die Behauptung ist jetzt also, dass die Frage “Wer SIND zur Zeit deine Lieblingslehrer?” eine grundsätzlich andere Antwort elizitieren kann als “Wer IST zur Zeit dein Lieblingslehrer?” Eine interessante Hypothese, aber als Empiriker würde ich nicht “wagen zu behaupten”, sondern überprüfen. Vielleicht mache ich das, ich brauche natürlich eine Reihe geeigneter Versuchspersonen – nämlich solche, die auf die Frage nach EINEM LieblingsX (-lehrer, -politiker, -musiker, -schauspieler) auf jeden Fall NUR eine männliche Person nennen, auch wenn sie eigentlich Fans von weiblichen Personen sind. Denen könnte man dann die Frage mit einem Verb in Pluralform stellen.

    Ich muss noch einmal über ein mögliches Design nachdenken. Ich werde jedenfalls das Ergebnis hier berichten.

  30. Ich erinnere mich an eine Rede (ich glaube von einer Bildungspolitikerin), welche mit den Worten
    “Liebe Studierende und Studierendinnen” begann.
    In einer Rede vor dem Bundestag in der letzten Woche sprach eine Politikerin der Linken von “Krankenschwesterinnen”
    Immer wieder stoße ich auf ähnliche Beispiele. Gerade in der Politik scheinen die Menschen so sehr darum bemüht zu sein, politisch korrekt zu sein, dass sie der deutschen Sprache unnötige Qualen aufbürden. Versuchen Sie sich in “korrekten” Deutsch (im Sinne Sicks), werden die Sätze unverständlich, lang und unnötig kompliziert. Dazu ein Beispiel aus einem Leitfaden für Schulleitungen im Lande Bremen zum Thema”Delegation und Koordination”:”Der Schulleiter oder die Schulleiterin überträgt im Benehmen mit seinem oder ihrem Stellvertreter oder seiner oder ihrer Stellvertreterin durch Geschäftsverteilungsplan
    einzelne ihm oder ihr zugewiesene Aufgaben seiner oder ihrer Stellvertretung.”
    Die Prüfungsordnungen der Universität Bremen sind zum Teil durchgängig in der weiblichen Form geschrieben. Dies erhöht die Lesbarkeit und bisher habe ich noch niemanden nach generischem Maskulin oder geschlechtsneutraler Schreibweise rufen hören.

  31. @jgo

    Man könnte auch sagen, das Bestehen auf die getrennten Formen, lässt die Kinder diese Formen eben als klar getrennt lernen.
    Da aber wohl in der Umgangssprache immer noch vorzugsweise die einfachere, grammatikalisch männliche Form verwendet wird statt einer Nennung beider Seiten, kann man durchaus bezweifeln, dass das explizite Nennen der weiblichen Mitglieder einer Gruppe, um den “male bias” zu bekämpfen insgesamt von Vorteil ist.

    Man darf mich ruhig reaktionär nennen, aber ich halte nichts davon zu versuchen, Sprache zu verändern um damit Politik zu machen. Eine Änderung des “male bias” (um das mal zu erklären, die Tatsache das bei Personenbezeichnungen meist von einer männlichen Person ausgegangen wird), muss, bzw. kann nur gesellschaftlich erfolgen, ich verweise dafür auch mal auf den Beitrag hier zum “McJob”.

    Gibt es/gab es zu diesem “male bias” eigentlich auch im deutschen Sprachraum Studien? Meines Wissens stützt sich die feministische Linguistik im Deutschen ja vorallem auf Studien aus dem englischsprachigen Raum.

  32. Max Goldt diskreditiert?

    Herr Stefanowitsch, Ihre Argumentation ist mal wieder voll und ganz überzeugend. Nur eine Sache hat mich doch sehr gestört, nämlich die sehr pauschale Aussage:

    “aber wenn er [Goldt] sich dem Thema Sprache zuwendet, wie in der von Joffe angerissenen Passage, bleibt von seiner
    Brillianz nichts übrig”

    Das behandelte Beispiel ist Sick-Niveau, das steht außer Frage, und es gibt von Goldt auch ziemlich unsägliche Passagen zu echten oder vermeintlichen Anglizismen. Dennoch: Dass er niemals brillant sei, wenn er sich dem Thema Sprache zuwende, ist eine meines Erachtens viel zu starke Stigmatisierung. Kennen Sie seinen Essay “Mein Nachbar und der Zynismus”? Eine virtuose Meditation über die begriffliche Abrenzung der Worte “Zynismus” und “Sarkasmus”. Das ist weit über Sick-Niveau! Bitte seien Sie Herrn Goldt gegenüber fair!

  33. Mit den eigenen Waffen geschlagen. Geschickt argumentiert sage ich da nur! Die Bezeichnung Studierende ist mir noch nie unangenehm aufgefallen und Herrn Goldts Texte mag ich zum Teil sehr. Daher finde ich diesen Beitrag sehr interessant und einmal mehr bringt er mehr Ruhe in das Thema Sprachnörglerei.

  34. Die Königin und der Prinz

    Man mag es mit dem generischen Maskulinum halten, wie man mag, man kann die Konstruktionen, die zu seiner Vermeidung so bemüht werden, auch unästhetisch finden, denn über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Indes zu behaupten, das Nachdenken darüber sei ganz und gar überflüssig, weil doch Frauen seit jeher im generischen Maskulinum aufgehoben wären, ist der Wirklichkeit nicht angemessen.

    So wies das Schweizer Bundesgericht im Jahre 1887 die Annahme, dass der Artikel 4 der Bundesverfassung (“Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich”) sich per genereschem Maskulinum auch auf Frauen beziehe, als “ebenso neu als kühn” zurück. Aber das nur als Episode am Rande.

    Interessanter wird es, wenn man sich sprachliche Verschiebungen ansieht, die stattfinden, wenn Männer in klassische Frauenberufen auftauchen. Es gibt keine männlichen Hebammen, sondern Geburtshelfer. Männliche Krankenschwestern heißen Krankenpfleger und das Pendant der Hure wahlweise Stricher, Eintänzer, Call-Boy, niemals aber Hure, wobei meine Wahrnehmung da doch eine sehr entfernte ist. Natürlich kann man auch weibliche Studierende als Studenten bezeichnen, aber eigentlich hätte auch der Hebammenberuf noch Platz für Männer gehabt, oder?

    Dass das alles nicht so egal ist zeigen auch die Bezeichnungen bestimmter, sprachlich und real besonders behandelter Personen: Prinzen und Prinzessinnen, Fürsten und Fürstinnen, Könige und Königinnen lassen sich zu keinem generischen Plural zusammenfassen, zumindest empfänden das wohl die meisten Leute als irgendwie seltsam. Warum? Ich vermute, dass das daran liegt, dass einer Königin einfach zusteht, als solche auch genannt zu werden und nicht einfach hinter einem maskulinen Sammelbegriff zu verschwinden.
    Dass sich hier eine bestimmte soziale Realität auf sprachlicher Ebene zeigt, ist kaum zu leugnen. Die Annahme, das erste sei durch Korrektur des zweiten zu verändern, darf getrost bezweifelt werden. Dass allerdings veränderte soziale Realitäten sich irgendwie sprachlich niederschlagen werden, darf ebenso getrost angenommen werden.

  35. Die doofe Software hat leider meinen längeren Kommentar geschluckt, hier also die Kurzversion:

    @Ottmar Kaiser
    Meiner kurzen Recherche nach wies das Gericht keineswegs die Klage ab, weil der Gleichheitsgrundsatz Frauen nicht einschließt, sondern weil die aktuellen Regelungen diesem Gleichheitsgrundsatz nicht widersprechen würde.
    Dass das generische Maskulinum zumindest üblich war wird schon daraus ersichtlich, dass die Klägerin eben das Gesetz auch auf Frauen bezogen hat – das Gericht hat dem keineswegs wiedersprochen.

  36. Die Nominalisierung von Partizipien

    ” … ist eine hervorragende […] Art, geschlechtsneutral verwendbare Bezeichnungen für die Ausübenden von Berufen und anderen Tätigkeiten zu schaffen.”

    Tatsächlich? Bei der nächsten Jahreskonferenz der Bäcker-Innung heißt es im Grußwort also “Liebe Backende”? Diese Methode funktioniert nur in Ausnahmefällen und führt meistens zu lächerlichen Ergebnissen oder ist gar nicht anwendbar, weil das Substantiv kein verwandtes Verb hat, das man für diese Notlösung missbrauchen kann.

    Ich halte es auch für Blödsinn, immer alle Geschlechter runterzuleiern. Komplexere Sätze mit geschlechtsabhängigen Bezügen zu Relativpronomina etc. werden dadurch bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Bei rassistischem Sprachgebrauch (“Neger”) stehe ich auf Ihrer Seite, aber da muss man ja nur einzelne Begriffe ersetzen. Beim Sexismus (oder was man dafür hält) kollidiert man aber mit der Grammatik, die es nun mal nicht zulässt, ein Substantiv ohne Festlegung des Geschlechts auszusprechen.

    Ich verwende weiterhin das Maskulinum als pars pro toto und habe dabei überhaupt kein schlechtes Gewissen, weil ich mir sicher bin, dass das -Innen-Mantra nicht die geringste Auswirkung auf Position und Verhältnis der Geschlechter in unserer Gesellschaft hat. Außerdem gibt es doch eine ganz einfache Lösung: wir nennen das Maskulinum Utrum, machen es also offiziell zum Bezeichner für beide Geschlechter. Dann sind Frauen sogar ein wenig im Vorteil, weil sie ein Genus nur für sich haben. Ich bin gern bereit, dieses kleine “Opfer” zu bringen, wenn ich dafür nicht ständig von X-en und X-innen sprechen muss.

  37. Politische Korrektheit

    Was machen wir eigentlich mit dem Begriff ‘der Mensch’, der ja leider die Hälfte der Menschheit ausschließt. ‘Die Person’ geht nicht, denn das schließt die andere Hälfte aus.
    Analog zu ‘der/die Studierende’ fällt mir dazu ein: ‘Der/die Lebende’

    “Lebende aller Länder, vereint euch!”

    Klingt doch super.

  38. lebende

    moin, feminist.

    “lebende” find ich im ansatz gut, vefüge aber über eine lebenden hund. der ist nun weder mensch noch person. außerdem nenn ich einen gummibaum – lebend – mein eigen.

  39. Rehabilitierung Max Goldt

    Leute, es gibt da einen Unterschied. Die Begriffe “Vorsitzender” und “Reisender” sind Ausweichslösungen, weil “Vorsitzer” und “Reiser” offensichtlich nicht gehen. Es würde doch auch keine(r) von sich behaupten, er/sie sei “Brieftragende(r)” oder “Taxifahrende(r)”.

  40. Nun ja

    Stimmt schon, “Studierende” ist nicht sprachlich falsch. Nur halt einfach ein überflüssiges und unschönes Synonym für “Studenten”. Und das aus dem simplen Grund, daß das Wort “Studierende” deutlich komplexer aufgebaut und länger ist.
    Dabei wäre das Wort ansich noch nich das Problem. Es ist die Häufung solcher “politisch korrekten” Wörter die einen Text schwere lesbar machen.
    Wer es nicht glaubt lese mal eines der Studentenpamphlete aus der “Innen”-Zeit. Die Texte waren schlußendlich zweimal so lang wie nötig und unlesbar.

    Ich hab genau in dieser “Innen”-Zeit studiert und nur noch die Augen verdreht – wie viele Studentinnen ebenfalls.

    Daraus nährt sich auch meine Abneigung gegen solche Begriffe. Sprachliche Korrektheit ist mir nämlich egal, solange Sprache gut funktioniert!

  41. student

    “Wenn Sick und Goldt mit Ihrem sprachlichen Argument Recht hätten, wäre das zwar noch kein Grund, Studentinnen die maskuline Form Student überzustülpen und ihnen mitzuteilen, dass sie eben mitgemeint seien. Aber es wäre möglicherweise ein Grund, eine andere geschlechtsneutrale Form zu finden.”

    Sie schreiben doch in anderen Artikeln über den recht zügig vostatten gehenden Bedeutungswandel von Begriffen und befürworten diesen. Wieso sollte der Begriff “Student” sich nicht dahingehend wandeln, dass er Männer und Frauen MEINT. Nicht aber Frauen mit-meint. Heutzutage weiß jeder, dass in einem Studentenwohnheim nicht nur Männer wohnen und in der Studentenkneipe nicht nur Männer feiern. Wieso lehnen Sie hier das Akzeptieren eines Bedeutungswandels zu Gunsten eines unnatürlichen Wortungetüms “Studierende”, dass seine Legitimation allein aus der politcal correctness generiert, ab?

  42. “Studierende” sind etwas anderes als “Studenten”.
    Studenten müssen an einer Universität eingeschrieben sein. Studierende sind Studenten, die an anderen Institutionen studieren. Beispielsweise darf sich ein Student für Dolmetschen an einer Fachakademie offiziell nicht Student nennen, sondern er ist ein Studierender.
    Damit gehen auch andere Rechte einher. Beispielsweise ist es nur Studenten erlaubt, Hochschulsport in Anspruch zu nehmen, aber nicht Studierenden.
    Es ist also keine Wortklauberei und kein Synonym, sondern es sind zwei verschiedene Sachen, die ihre jeweilige Bezeichnung brauchen.

  43. Grammatisches u. biologisches Geschlecht

    Das mag ja alles richtig sein, und dennoch halte ich Partizipial-Ungetüme für überflüssig und unschön. Macht man sich von Zeit zu Zeit bewußt, daß grammatisches und biologisches Geschlecht nun einmal nicht identisch sind, kann man sich an der politisch korrekten Front auch wieder lockermachen. Oder hat sich je ein Mädchen beschwert, man hielte es allen Ernstes für ein Neutrum?

  44. Was für ein Hin und Her. Gut – man kann sagen, dass ein Studierender nicht unbedingt in diesem Moment auch tatsächlich studieren muss. Der Vorstandsvorsitzende ist schließlich auch ein Vorstandsvorsitzender, wenn er gerade nicht einem Vorstand vorsitzt.

    So weit, so gut.

    Aber was ist mit dem Sterbenden? Ist er auch ein Sterbender, wenn er gerade nicht stirbt? Wohl kaum … also ist diese Argumentation unbrauchbar. Ich gebe jedenfalls zu bedenken, dass diese Partizipien nicht nur unschön sind, sondern letztlich auch nur im Plural funktionieren. Außerdem haben wir bekanntermaßen schlechte Erfahrungen damit gemacht, wenn Sprache »verordnet« wird. Das hat einen unschönen Beigeschmack.

    Witzigerweise wurde ja die StVO »politisch korrekt« formuliert … aber inkonsequent. Die Überschrift zu § 25 lautet beispielsweise »Fußgänger«. Im Text dazu ist dann plötzlich von »zu Fuß Gehenden« die Rede. Auch heißt es mal »Radfahrer« und mal »Rad Fahrende«. Was denn nun?

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