Significant Details: Die tapfere Begonie

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Gespräche mit forschenden Frauen
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Die Begonie in Sabine Hofmeisters Büro ist zäh. Obwohl sie kaum gegossen und nie gedüngt wird, produziert sie immer wieder neue Ableger – seit über dreißig Jahren. „Das fasziniert mich. Wie so eine Pflanze das schafft, Prioritäten zu setzten. Also lieber auf ein Blatt oder auf eine Blüte verzichtet, aber sich immer wieder neu hervorbringt. Ich bin zwar die Tochter eines Gärtners“, lacht Hofmeister, „aber ich habe wahrscheinlich wirklich keinen grünen Daumen.“

Zur Umweltplanung kam sie über einen ganz anderen Weg – als Aktivistin in der Umweltbewegung in den Achtzigern. Damals fuhr sie Taxi in Berlin, um sich ihr Studium zu finanzieren. Am liebsten nachts. Inzwischen ist sie Professorin und leitet das Institut für Nachhaltigkeitssteuerung an der Leuphana Universität Lüneburg.

Auf die Forscherlaufbahn ist sie dabei mehr aus Neugier geraten, nicht aus strategischen Überlegungen. „Das versuche ich auch den Studierenden weiterzugeben“, sagt sie. „Viele kommen ja doch und sagen: Naja, also wenn ich jetzt dieses oder jenes Thema wähle, für die Bachelor- oder Masterarbeit, wer nimmt mich denn dann? Und da sage ich immer: denk nicht drüber nach! Das ist sowieso in einem Bereich wie Umweltwissenschaften so unklar, weil es so vielfältig ist. Sich da strategisch zu verhalten, das ist einfach furchtbar riskant. Ich denk immer, der risikoärmste Weg ist der, dass die Leute ihren Interessen nachgehen.“ Für die Forschung hat Sabine Hofmeister allerdings auch viel geopfert, einiges davon bereut sie jetzt. Um so wichtiger ist es ihr, junge Wissenschafterlinnen und Wissenschaftler zu fördern, vor allem auch, wenn sie Kinder haben.

Mein Name ist Kerstin Hoppenhaus. Ich habe Biologie studiert und später Wirtschafts- und Wissenschaftsfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. Neben zahlreichen Beiträgen für Wissenschaftsmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (SWR, 3sat, ZDF) habe ich Dokumentarserien für Arte und die ARD als Regisseurin realisiert. Seit dem Frühjahr 2011 bin ich außerdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leuphana Universität Lüneburg tätig. Die Aluscheibe am Schlüsselbund im Profilbild ist mein eigenes "signifikantes Detail": eine Spindmarke aus dem VEB Braunkohlekombinat Bitterfeld, die ich vor fast zwanzig Jahren gefunden habe, als ich als Werksstudentin am Bauhaus Dessau gearbeitet habe. Damals war ich noch Biologin und in meiner Arbeit ging es eigentlich um die Wasserkäferfauna in der Muldeaue. Aber die Muldeaue ist eingebettet in eine großartige Landschaft voller Widersprüche, mit Gärten und Parks, riesigen Braunkohlerestlöchern und Seen, Abraumhalden und zahllosen alten, oft sehr traditionsreichen Industrieanlagen. Und diese Landschaft interessierte mich mindestens so sehr wie die Käfer. Als ich anfing in Dessau zu arbeiten, waren die meisten der Industriebetriebe schon geschlossen. Übrig waren nur noch stillgelegte Maschinen, verlassene Werkhallen und kilometerlange Rohrleitungen in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Tagelang bin ich mit Kollegen vom Bauhaus durch diese "stalkereske" Szenerie gezogen und ich glaube, dass ich in dieser Zeit angefangen habe, mich für das Dokumentarische zu interessieren. Seltsamerweise habe ich aus dieser Zeit kaum Fotos und so ist die kleine Spindmarke eins meiner wenigen greifbaren Erinnerungsstücke aus dieser Zeit. Ich halte sie in Ehren.

1 Kommentar

  1. Risiko

    “Ich denk immer, der risikoärmste Weg ist der, dass die Leute ihren Interessen nachgehen”.

    Liebe Sabine (falls Du das liest): Genau das habe ich den Studenten auch immer gesagt. Wo haben wir das her? Ist es erwiesen? Für mich war es einfach Lebenserfahrung. Gruß Ludwig

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