Der featured scientist – viel mehr als nur ein warm up

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Wissenschaft im Rampenlicht
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Ein Problem, das beinahe alle Slammer gleichermaßen vor dem Slam drückt, ist der erste Startplatz. Das Publikum wärmt sich zum Teil noch die Hände, sucht vielleicht noch nach einem Platz mit passabler Sicht auf die Bühne oder versucht verzweifelt, rechtzeitig an einen Drink zu kommen. Das erste Bier geht noch etwas quer runter und auch am Wein wird eher vorsichtig genippt. Der Moderator betritt die Bühne und bringt das Publikum mit seiner Einführung ein wenig in Wallung, aber das ist noch kein rechter Vergleich zu der Stimmung, die später herrschen wird, wenn der Slam gut läuft. Und das ist ein Nachteil für den ersten Slammer, gegen den man etwas tun muß.

Keine Frage, der erste Startplatz ist nur bei denen beliebt, die die Sache schnell hinter sich bringen wollen, doch das ist nur ein verschwindender Bruchteil der Mutigen, die beim Science Slam auftreten, um ihre Arbeiten einem bunten Publikum zu präsentieren. Das gros der Slammer wird sich lieber später im Programmablauf wiederfinden, idealerweise sogar in der zweiten Hälfte, wenn nicht gar als letzter. Denn, das zeigt die Erfahrung, nicht nur das Bier geht dann besser runter, sondern auch die Pointen, und wahre Begeisterungsstürme sind auch eher im weiteren Verlauf des Abends anzusiedeln. Das spiegelt sich im gewissen Rahmen auch in der Abstimmung wieder, und der erste Slammer wird selten für seinen Mut belohnt. Für eine zufriedenstellende statistische Betrachtung ist es viel zu früh, aber bei insgesamt sieben Berliner Science Slams traten nur zwei Sieger in der ersten Hälfte auf – Pfarrer Jochen Wagner beim WM Slam mit seinen philosophischen Betrachtungen über Fußball und Kilian Oberleithner von der TU Berlin mit seinem Slam zur Strömungsmechanik. Keiner von ihnen hatte den ersten Startplatz.

Um dieses Problem in den Griff zu kriegen haben wir beim 5. Science Slam Berlin im Oktober den featured scientist eingeführt. Das feature ist dem Poetry Slam entlehnt, wo es häuft einen featured poet gibt. Der featured poet ist meist ein alter Hase auf der Bühne, bekannt wie ein bunter Hund und heizt dem Publikum nach allen Regeln der Kunst ein. Natürlich tritt jeder feature poet außerhalb des Wettbewerbs auf.

Für die Premiere durfte es beim Berliner Science Slam natürlich kein geringerer sein, als unser Nachbarblogger und Leibnizpreisträger Günter Ziegler. 2008 hat er den Communicator-Preis erhalten, der von der DFG und dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft für besondere Verdienste bei der öffentlichen Vermittlung der eigenen Forschung verliehen wird. Auf der Bühne hat Günter Ziegler dann auch schnell klar gemacht, warum er den Preis erhalten hat. Er hat nach allen Regeln der Kunst die Bühne gerockt, sämtliche Tricks aus der Kiste gezogen, die Mathematikern zur Verfügung stehen, und wohl keinen Mathematiker-Witz ausgelassen. Das Publikum war entsprechend begeistert, der Moderator beeindruckt von dem präzisen Timing. Denn auch das ist uns wichtig: der featured scientist spielt nach denselben Regeln wie die Slammer, auch wenn er nicht im Wettbewerb steht. Er präsentiert eigene Forschung, und hat genau zehn Minuten Zeit dafür.

Science Slam Berlin – Prof. Dr. Günter Ziegler als featured scientist from Science Slam on Vimeo.

Wie haben es die Slammer den featured scientist aufgenommen? Einstimmig äußerst positiv. Der Informatiker Christopher Özbek von der FU Berlin war begeistert von der lockeren Art, mit der Günter aufgetreten ist. Geholfen habe er ihm durch den leicht improvisierenden Charakter und eine Lockerheit, die nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Somit war es überhaupt kein Problem für ihn, im Anschluss den Wettbewerb zu eröffnen. Ohne Günters Steilvorlage wäre es seiner Einschätzung nach ungleich schwieriger gewesen. Auch die anderen Slammer waren sehr angetan von der Neuerung, Probleme, nach einem Profi die Bühne zu betreten, hatte keiner.

Dass wir den Nachteil des ersten Platzes ein wenig ausgleichen können, ist uns wichtig, denn welcher gute Slammer will sich schon dafür abwatschen lassen, dass er zufällig als erster am Start ist? Somit dient das feature zugleich auch der Qualitätssicherung bei der Bewertung, denn mögliche Ungerechtigkeiten bei der Abstimmung werden eingeschränkt.

Das Aufwärmen des Publikums und wohl auch der Slammer selbst ist aber nur ein Ziel, das wir verfolgen. Auch soll das feature als etablierter Wissenschaftler mit der entsprechenden Bühnenerfahrung den Nachwuchswissenschaftlern zeigen, was auf der Bühne alles möglich ist und wie es laufen kann. Der eine oder andere Slammer wird sicherlich nachahmenswerte Tricks für sich entdecken können. Damit dient der featured scientist langfristig auf der Qualitätssicherung der Präsentationen selbst.

Für uns heißt das, wir werden uns in Zukunft immer um etablierte Wissenschaftler bemühen, die Spaß daran haben, einem breiten Publikum in ungewohnten locations von ihren Forschungen zu berichten und wir wollen das feature zu einem festen Bestandteil des Science Slams ausbauen.

Der Communicator Preisträger von 2010, der Bochumer Zellphysiologe Prof. Dr. Hanns Hatt, wird am 20.12. als featured scientist bei der Premiere des Science Slam Bochum in der Christuskirche seine Ergebnisse zum besten geben. Der 1. Science Slam Bochum wird auch als livestream auf www.luups.net übertragen.

Veröffentlicht von

www.policult.de

Gregor Büning ist Inhaber der Veranstaltungsagentur policult und gründete 2010 das Netzwerk ScienceSlam.Net. Seitdem baut er den Science Slam international aus.

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