Theorien, Modelle, Experimente 2/3: Naturgesetze [Updated]

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… aber nicht einfacher
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Das hier ist der zweite Teil einer dreiteiligen Kurzserie zu Grundbegriffen der Wissenschaft – mit besonderem Augenmerk auf die Physik. Im ersten Teil dieser hatte ich den Zusammenhang von Phänomenen und ihren vereinfachten Abbildern, den Modellen beschrieben. Von den Modellen führt ein Weg hin zu allgemeineren Aussagen über die Natur: zu Naturgesetzen und wissenschaftlichen Theorien.

Naturgesetze und Theorien

regenbogenModelle sind zunächst einmal situationenspezifisch und spiegeln Eigenschaften eines ganz bestimmten Phänomens wieder. Aber von dort ist es nur ein kleiner Schritt zur Verallgemeinerung auf ganze Klassen von Phänomenen, wie wir ja auch beim Reden von Phänomenen selbst fast automatisch auf das Reden über Phänomenklassen übergehen: Wir denken uns nicht für, sagen wir mal: jeden Regenbogen ein eigenes Wort aus, sondern reden von Regenbögen allgemein.

Wenn ich ein einfaches physikalisches Modell für einen Regenbogen konstruiere, dann stehen die Chancen gut, dass sich damit auch andere Regenbögen beschreiben lassen. Die beiden Umstände, dass das Modell in seiner Einfachheit nicht jedes Detail des Regenbogens wiedergibt, dass es aber andererseits die Details sind, in denen sich Regenbögen voneinander unterscheiden, können hier ineinandergreifen.

Können, müsssen aber nicht – wenn jedes Modell nur Teilaspekte eines Phänomens beschreibt, könnte man sich auch Modelle ausdenken, die gerade diejenigen Teilaspekte abbilden, die sich nicht einfach auf ganze Phänomenklassen verallgemeinern lassen; beim Regenbogen etwa die Lage am Himmel und den Helligkeitsverlauf entlang des Bogens. Aber physikalische Modelle sind typischerweise so gestrickt, dass sie gleich eine ganze Klasse von Phänomenen beschreiben – und das ist gewollt.

Erfolgreiche physikalische Modelle lassen sich an viele verschiedene Situationen anpassen. Ein Beispiel ist der in Teil V von Einstein verstehen eingeführte harmonische Oszillator – die Feder, bei der die Rückstellkraft direkt proportional zur Auslenkung ist (Hooke’sches Gesetz). Diese Modellvorstellung beschreibt nicht nur eine ganz bestimmte Feder, sondern – zumindest in der Näherung kleiner Auslenkungen – so gut wie alle Federn, außerdem verwandte Systeme wie Torsionspendel, bestimmte Systeme in Elektrodynamik und Quantenmechanik, und so weiter.

Wenn Modelle gleich für ganze Klassen von Systemen passen – wenn wir also alle Phänomene mit bestimmten Eigenschaften durch ein und dieselbe Art von Modell beschreiben können -, dann liegt die Vermutung nahe, dass in diesen Modellen eine Aussage stecken könnte, die für alle Phänomene mit den erwähnten Eigenschaften gilt, weil sie direkt mit diesen Eigenschaften verknüpft sind, nicht mit dem speziellen Einzelfällen.

Vom Abstrakten zum Konkreteren: Wenn man feststellt, dass Steine, Eisenkugeln, Holzscheite und eine unübersehbare Vielfalt weiterer Körper, so man sie vom Erdboden abhebt und dann loslässt, zu Boden fallen, dann ist das zu-Boden-fallen offenbar eine allgemeine Eigenschaft.

Der Allgemeinheitsanspruch drückt sich auch in der Wortwahl aus: Die allgemeinen Beziehungen, die für eine Vielfalt von Situationen und Objekten gelten, werden auch als physikalische Gesetzmäßigkeiten, als physikalische Gesetze oder Naturgesetze bezeichnet. Das ist in einiger Hinsicht missverständlich, denn die von Menschen aufgestellten Gesetze in den Gesetzbüchern der Juristen haben nun einmal die Eigenschaft, dass ein Mensch auch gegen das Gesetz verstoßen kann (und zwar sowohl bewusst als auch in Unkenntnis des betreffenden Gesetzes). Naturgesetze sagen dagegen aus, dass ein bestimmtes Verhalten immer auftritt. Das ist eine Beschreibung der uns umgebenden Welt, keine aufgeprägte Verhaltensnorm, zu der man die Natur mit geeigneten Sanktionen erziehen müsste.

Einschub zu Verifikation und Falsifikation

Das immer an dieser Aussage ist natürlich nicht unproblematisch. Karl Popper hat alle, die über Wissenschaft nachdenken, mit der Nase auf diesen Umstand gestoßen: Wir können wissenschaftliche Theorien nie vollständig verifizieren, also als wahr beweisen. Wir können nur mit unseren Experimenten möglichst umfassend versuchen, sie zu falsifizieren, also zu zeigen, dass die Theorie falsch ist. Wenn eine Theorie auch die ausgeklügelsten Versuche, sie experimentell zu widerlegen, heil übersteht, dann können wir als bewährt betrachten.

Sparsamkeit und Konsequenz

[Dieser Abschnitt neu am 30.1.2014, 10:30]

Zu wissenschaftlichen Theorien gelangen wir auf dem Umweg zu Modellen, und damit über Vereinfachungen. Vereinfachungen heißt in diesem Zusammenhang, dass das Modell nicht alle Eigenschaften des modellierten Phänomens wiedergibt, sondern eben nur einen Teil der Eigenschaften. Umgekehrt können Modelle ihrerseits Eigenschaften haben, die dem modellierten Phänomen fehlen. Ein Beispiel ist das folgende Orrery, also ein mechanisches Modell des Umlaufs der Planeten um die Sonne (Bild: Sage Ross unter CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons):

putnam-planetarium

Dieses Modell hat viele Eigenschaften, die das wirkliche Sonnensystem nicht hat: Die metallenen Verbindungsstangen, die verwendeten Materialien für die Körper, das metallene Basisgehäuse und die darin versteckten Zahnräder, die für das richtige Übersetzungsverhältnis und damit für die richtigen relativen Bahngeschwindigkeiten der Modellplaneten sorgen, und so weiter. Mit jeder dieser Eigenschaften gehen Willkürlichkeiten einher: Die Metallstangen könnten auch ganz anders geformt sein, runden oder eckigen Querschnitt haben, sie und die anderen Modellbestandteile könnten aus ganz anderem Material bestehen, die Zahnräder sämtlich ein gemeinsames Vielfaches an Zähnen besitzen, und so weiter.

Am Anfang, wenn ein Phänomen noch nicht richtig verstanden ist, mag man auch in der Wissenschaft solche Modelle mit zusätzlichen, nicht zur Phänomenerklärung nötigen Eigenschaften verwenden. Aber eine Zielvorgabe in der Wissenschaft besteht darin, bei der Naturbeschreibung so wenig zusätzliche Eigenschaften, Hilfskonstruktionen, Dinge, Zusammenhänge, Ereignisse einzuführen wie möglich. Für das in der langen Liste des letzten Satzes (“Eigenschaften, Hilfskonstruktionen, …”) Aufgezählte ist der gemeinsame allgemeine Begriff jener der Entität. Und die Zielvorgabe, auch bekannt als Sparsamkeitsprinzip oder (wohl etwas ahistorisch) Ockhams Rasiermesser, lautet in Bezug auf wissenschaftliche Modelle und Theorien: Entitäten sollten nicht ohne Notwendigkeit vermehrt werden. Anders gesagt: Modelle und Theorien sollten nicht mehr Entitäten (Konzepte, Zusammenhänge zwischen diesen Konzepten, Gesetzmäßigkeiten…) enthalten, als notwendig.

Noch einmal anders gesagt: Modelle und Theorien sollten so einfach sein wie möglich. Von zwei konkurrierenden Theorien, welche dasselbe Erklärungsvermögen haben, ist die einfachere vorzuziehen.

In aller Allgemeinheit ist das Sparsamkeitsprinzip gar nicht so einfach zu fassen – so ist gar nicht allgemein definierbar, was denn mit “einfacher” gemeint ist. In den meisten praktischen Fällen besteht darüber, welche Entitäten überzählig sind, aber durchaus Konsens. Die Materialeigenschaften und mechanische Umsetzung des Orrery, deren Einzelheiten das Beschreibungsvermögen dieses materiellen Modells nicht beeinflussen, sind Beispiele dafür; man vergleiche sie mit der Newtonschen Mechanik und Gravitationstheorie, aus der man nicht einfach einen Begriff (Kraft, Masse, …) fortlassen kann, ohne das Erklärungsvermögen der Theorie empfindlich einzuschränken. Das heißt nicht, dass Newtonsche Mechanik und Gravitationstheorie nicht Eigenschaften hätten, die sich nicht in der Wirklichkeit wiederfinden dürften – die unendlich feine Teilbarkeit von Abständen und Zeitintervallen ist ein Gegenbeispiel. Aber ohne diese unendlich feine Teilbarkeit und die auf dieser Grundlage mögliche Mathematik (Infinitesimalrechnung) ließe sich das der Theorie zugrundeliegende mathematische Modell beileibe nicht so einfach formulieren.

Theorie: Alltagsbedeutung vs. Fachbegriff

[25.1.2014, 18:10: In diesem Abschnitt einige Änderungen – dank an M. Holzherr für die Kommentare]

Das Wort Theorie mehr als eine Bedeutung. Zum einen bezeichnet das Wort eine in sich schlüssige Sammlung von physikalischen Größen und allgemeineren Konzepten und allgemeinen Aussagen darüber, wie diese miteinander zusammenhängen. In dieser Bedeutung wäre auch ein Naturgesetz so etwas wie eine kleine Theorie. In der Praxis ist das Wort Theorie üblicherweise für größere und komplexere Gebilde reserviert.

Dabei gibt es zum Teil durchaus ein Missverhältnis zwischen dem wissenschaftlichen und dem Alltags-Sprachgebrauch. Wenn im Alltag jemand äußert, etwas sei “nur eine Theorie” oder “reine Theorie”, dann ist das gleichbedeutend damit, eine bestimmte Behauptung sei reine Spekulation, eine bloße Vermutung, womöglich ohne großen Realitätsbezug (zu letzterem siehe “graue Theorie”).

In der Wissenschaft kann eine Theorie aber durchaus eine grundlegende Sammlung von Naturgesetzen, Konzepten, Ideen und Feststellungen über die Welt sein, die eine Vielzahl von Phänomenen schlüssig beschreiben und sich zudem bewährt, also bereits eine beachtliche Vielzahl von Überprüfungen ihrer Gültigkeit durch Experiment und/oder Beobachtungen überstanden hat – sprich, das beste, was wir an Weltbeschreibung haben.

Vieles von dem, was man im Alltag meint wenn man sagt, man “habe da so eine Theorie” würde man in der Wissenschaft eher als Hypothese bezeichnen (oder eben als Vermutung – es muss ja nicht immer ein Fachbegriff sein).

Wichtige Theorien der Physik sind die klassische Mechanik (siehe eben Einstein verstehen Teil IV und Teil V), die Spezielle Relativitätstheorie als grundlegende Theorie von Raum und Zeit in Abwesenheit von starker Gravitation (dahin arbeitet sich Einstein verstehen vor), die Allgemeine Relativitätstheorie als Theorie von Raum, Zeit, Gravitation und dem Zusammenhang zwischen diesen dreien, sowie die Theorie der klassischen Elektrodynamik auf Basis der von James Clerk Maxwell gefundenen Gleichungen, die beschreibt, wie elektrische Ladungen zu Wechselwirkungen führen und auf solche Wechselwirkungen reagieren. Diese Theorien sind gut geprüft und gelten innerhalb ihrer (wohlbekannten) Gültigkeitsgrenzen als zuverlässige Beschreibungen dessen, was in der Welt passiert. Ein Beispiel für eine Theorie, die noch keine direkten experimentellen Tests überstanden hat und dementsprechend noch nicht gesichert ist, ist die Stringtheorie.

Mathematische Modelle und Verallgemeinerung

Dass in der Physik mathematische Formulierungen und insbesondere mathematische Modelle verwendet werden – also Abbildungen von Phänomenen auf mathematische Strukturen -, bringt bestimmte Verallgemeinerungsmöglichkeiten zwangsläufig mit sich.

Wann immer wir die Entwicklung einer bestimmten Größe durch eine mathematische Funktion beschreiben, hat diese Beschreibung zwei Aspekte: einen funktionalen Zusammenhang und Parameterwerte.

Ein einfaches Beispiel: Wir betrachten das Phänomen des radioaktiven Zerfalls. Atome einer Sorte A zerfallen radioaktiv in Atome einer anderen Sorte B. Wenn wir feststellen, dass das Zerfallsgesetz

zerfallsgesetz

in guter Näherung beschreibt, wieviele Atome N(t) bei ursprünglich zur Zeit t=0 vorhandener Anzahl N0 zur Zeit t noch vorhanden sind, mit λ einer für die Atomsorte charakteristischen Konstante (der in diesem Zusammenhang korrekte Fachbegriff für “Sorte” ist “Isotop”), dann gibt allein diese Form schon eine Richtung für die Verallgemeinerung vor. Dort, wo in der Funktion konkrete Zahlenwerte wie N0 und λ stehen, kann man sicherlich auch andere Werte einsetzen. Solche Parameter in einer Beschreibung durch mathematische Funktionen können, wenn es alleine nach der Mathematik geht, unendlich viele unterschiedliche Werte annehmen.

Eine spezielle Wertewahl ist nötig, um eine spezifische Situation zu modellieren – aber alleine die Tatsache, dass es noch viele andere mögliche Werte gibt, legt nahe, dass der Funktionalzusammenhang selbst, also die Tatsache, dass wir es mit einer Exponentialfunktion der Zeit zu tun haben, allgemeiner ist – oder zumindest sein kann.

Und tatsächlich: Die oben genannte Formel lässt sich, je nach Wahl der Parameterwerte, zur Beschreibung ganz unterschiedlicher Mengen ganz unterschiedlicher Atomsorten verwenden.

Gesetze und Anfangsbedingungen

Die Situationenvielfalt haben mathematisch formulierte Naturgesetze in der Physik noch auf andere Weise eingebaut. Die grundlegenden Naturgesetze, beispielsweise die Newton’schen Axiome der Mechanik, schreiben nicht im Einzelnen vor, wie die Dinge ablaufen, sondern sie treffen typischerweise Aussagen über Änderungsraten.

Änderungsraten nun aber liefern für sich genommen keine eindeutige Vorschrift dafür, was passiert. Ein primitives Beispiel: Angenommen, ich führe mit meinem Fahrrad mit 20 Kilometern pro Stunde in Richtung Süden. Das definiert meine Geschwindigkeit (in der Physik gehört die Bewegungsrichtung zur Definition der Geschwindigkeit dazu), aber noch nicht meine Bahn (wann ich an welchem Ort bin).

Wenn ich vor dem Zaun des Bundeskanzleramts losfahre, bin ich nach einer Dreiviertelminute an der Kreuzung Scheidemannstraße/Yitzak-Rabin-Strasse/Heinrich-von-Gagern-Straße. Wenn ich in Hamburg am Klosterstern losradele, dann bin ich nach knapp viereinhalb Minuten vor dem Museum für Völkerkunde. Und wenn ich hier in Heidelberg direkt vor dem Bunsengymnasium losfahre, erreiche ich in etwas mehr als einer Minute eine der Neckarbrücken.

Wie genau meine Bahn verläuft, hängt eben nicht nur von meiner Geschwindigkeit ab – von der Änderungsrate meines Orts – sondern zusätzlich noch von Anfangsbedingungen, in diesem Falle von meinem Ausgangsort. Meine vorgegebene Geschwindigkeit beschreibt die Situation erst dann vollständig, wenn wir Anfangsbedingungen vorgegeben haben – und umgekehrt heißt das: Das Vorgeben einer Geschwindigkeit lässt viele verschiedene Bahnen zu, je nach Anfangsbedingung.

Wenn physikalische Theorien Vorgaben für Änderungsraten machen – typischerweise nicht Geschwindigkeiten, sondern Beschleunigungen verschiedener Art -, dann ist damit noch nicht eindeutig festgelegt, wie sich das gegebene System mit der Zeit weiterentwickelt. Erst, wenn man zusätzlich noch geeignete Anfangsbedingungen festlegt (bei vorgegebenen Beschleunigungen sind dies: Anfangsgeschwindigkeiten und -Orte), gelangt man zu einem eindeutigen Modell für die betreffende spezifische Situation. Die Freiheit, Anfangsbedingungen vorzugeben, heißt automatisch, dass die Naturgesetze gleichzeitig eine große Vielzahl möglicher Situationen regieren. Die Verallgemeinerbarkeit von Modellen ist in dem Umstand, dass wir mathematische Modelle verwenden, also zu einem guten Teil bereits angelegt.

Dass mathematische Modelle sich in unserer Welt als so erfolgreich erweisen, ist, wenn man genauer nachdenkt, durchaus bemerkenswert. Der mathematische Physiker Eugene Wigner hat diesem Umstand ein lesenswertes Essay The Unreasonable Effectiveness of Mathematics in the Natural Sciences gewidmet. Der Physiker Max Tegmark hat sogar die Frage in den Raum gestellt, ob die Erfolge mathematischer Modellierbarkeit letztlich heißen, dass die physikalische Welt selbst eine mathematische Struktur ist.

Theorien: Konsequenzen und Überprüfung

Ich hatte weiter oben bereits davon gesprochen, Theorien zu überprüfen. Das ist zentraler Bestandteil der Wissenschaft – Theorien sollen nicht einfach schöne Geschichten sein, sondern sollen alle Prüfungen bestehen, die wir uns für sie ausdenken können.

Solche Prüfungen fangen damit an, dass man sich bestimmte Konsequenzen der Theorie überlegt. Dabei sind alle Konsequenzen wichtig, die sich aus der Theorie logisch erschließen lassen. Oft ist es sinnvoll, erst einmal Extremfälle zu betrachten – die häufig besonders einfach sind – und ansonsten möglichst viele mögliche Szenarien durchzuspielen und zu schauen, was die Theorie dazu sagt. Dieses “was wäre wenn” ist ein theoretisches Erkunden der Konsequenzen, die sich aus der Theorie in einer Vielzahl denkbarer Situationen ergeben.

Ein solches theoretisches Erkunden mit Hilfe hypothetischer Situationen wird auch als Gedankenexperiment bezeichnet. Gute Gedankenexperimente leisten wertvolle Beiträge zum Verständnis der Struktur und der Aussagen einer Theorie. Auch wenn eine Theorie logische Widersprüche enthält, lässt sich dieser Umstand mit kreativen Gedankenexperimenten herausarbeiten. Dann ist die Theorie entweder im Ganzen widerlegt, oder man hat zumindest die Grenzen des Gültigkeitsbereichs einer Theorie nachgewiesen.

Theorien mit einem hartnäckigen Abklopfen auf was-wäre-wenn zu begegnen, ist für Wissenschaftler etwas so gewohntes, dass sie bisweilen auch im Alltag so vorgehen. Das kann, wenn man sich außerhalb der Wissenschaften befindet, durchaus zu Kulturkonflikten und zu Verstimmungen führen. Ich kenne das aus Diskussionen über Religion, die ja üblicherweise nicht im Rahmen theologischer Wissenschaft, sondern auf alltäglicherem Niveau stattfinden. Wenn mir zur Behauptung eines allmächtigen Gottes gleich das Paradoxon “Kann Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht heben kann?” einfällt, entsteht bei meinem Gegenüber in vielen Fällen der Eindruck, ich würde da etwas ins lächerliche ziehen und sein Weltbild nicht ganz ernstnehmen – während es in Wirklichkeit gerade umgekehrt ist: Konsequenzen zu prüfen ist in der Wissenschaft Ausdruck davon, dass man eine Theorie oder, allgemeiner, eine Behauptung ernstnimmt. Aber im Alltags-Gesprächsmodus sind viele Aussagen eben viel vager gemeint als in der Wissenschaft – wenn mein Gegenüber von Allmacht und Allwissenheit des Gottes spricht, an den er oder sie glaubt, dann sind das keine wissenschaftlichen Aussagen, sondern Versuche, einer Vorstellung von einem Gott Form zu geben, der weit über allen menschlichen Fähigkeiten steht.

Überprüfung, Experimente und noch einmal Modelle

Aber zurück zu wissenschaftlichen Aussagen. Die Physik als ein Wissenschaftsgebiet, in dem Theorien weitgehend mathematischer Natur sind und in Form von Gleichungen formuliert werden, profitiert davon, dass Mathematik geradezu die Wissenschaft von dem ist, was sich eindeutig an Konsequenzen einfacher Grundannahmen ableiten lässt. Insbesondere bietet sie dafür, wie sich Gleichungen kombinieren, umformen und sich daraus andere Gleichungen ableiten lassen, verlässliche Regeln. Das ermöglicht ein höchst effektives und stringentes Was-wäre-wenn.

Hat man erst einmal bestimmte Konsequenzen der Theorie abgeleitet, kann man die Theorie daran überprüfen, ob sich diese Konsequenzen auch in der Wirklichkeit zeigen. Das geht allerdings nicht direkt, sondern nur auf dem Umweg über Modelle – Modelle der Situation, die wir zur Überprüfung der Theorie heranziehen wollen ebenso wie etwaiger Messanordnungen, die wir im Zuge der Überprüfung benutzen.

Fallende Körper als Beispiel

Betrachten wir als einfaches Beispiel die Newton’sche Gravitation im Rahmen der klassischen Mechanik. Die Theorie beschreibt in diesem Falle den Zusammenhang von Bewegung und Kräften, konkret der Newton’schen Gravitationskraft mit ihrer charakteristischen Abhängigkeit von den Massen, die sich da anziehen, und ihrem gegenseitigen Abstand.

Eine Konsequenz der Theorie ist, dass Dinge auf der Erde nach unten fallen. Die Aussage selbst lässt sich an vielen Beispielen bestätigen – wenn ich beispielsweise eine Stahlkugel in der Hand halte und loslasse, fällt die Kugel in der Tat nach unten. Aber das schöpft die Vorhersagekraft der Kombination klassische Mechanik-Newton’sche Gravitationskraft natürlich bei weitem nicht aus.

Wenn ich genauer hinschauen will, muss ich die Situation modellieren, und das heißt: gezielt und sinnvoll vereinfachen. Dass die Stahlkugel letztlich aus Atomen mit Elektronen und Atomkernen besteht, die in einem Kristallgitter angeordnet sind, hat auf ihre Falleigenschaften im Schwerefeld der Erde so gut wie keinen Einfluss. Ebenso wenig muss ich jedes Detail der Erdkugel kennen; aus den Größenordnungen von Erdradius und -masse und dem Homogenitätsgrad der Erde folgt, dass ein Fall über wenige Meter nahe der Erdoberfläche in guter Näherung durch die Formel

fallformel

beschrieben wird, mit z als Koordinate für die vertikale Richtung, h0 der Höhe, aus welcher der Körper fallengelassen wird und auf welcher er zur Zeit t0 zu Beginn seines Falls in Ruhe war, und g der (lokalen) Gravitationsbeschleunigung, die von Ort zu Ort etwas variieren kann, aber immer bei etwa 9,81 m/s2 liegt. Auch hier übrigens wieder eine Beschreibung mit zwei Aspekten: Mit einer funktionalen Form (quadratische Abhängigkeit von der Zeit) und situationsspezifischen Parameterwerten.

Die Vereinfachungen, die uns zu diesem Modell führen, sind vielfältig. Die ersten Vereinfachungsschritte werden oft gar nicht explizit benannt, denn sie betreffen all diejenigen Einflüsse, die wir in diesem Falle beiseite lassen: Atomaren Aufbau und Details der Erde hatte ich bereits erwähnt, aber auch alle anderen möglichen Wechselwirkungen muss man bei maximal sorgfältigem Vorgehen in Betracht ziehen und prüfen, dass man sie vernachlässigen kann: Elektrische und magnetische Kräfte, die Gravitationseinflüsse aller anderen Massen im Universum, die Effekte der Erdrotation (Trägheitsbeschleunigungen wie Coriolis- oder Zentrifugalkraft) sowie die Auftriebs- und Reibungskräfte aufgrund der den Körper umgebenden Luft.

In diesem Sinne gilt: Jedes Mal, wenn wir einen spezifischen Teil einer unserer physikalischen Theorien testen wollen, steht die gesamte restliche Physik still im Hintergrund. Und die Physiker können sich glücklich schätzen, dass sie in einer Welt leben, deren Teilaspekte sich weitgehend voneinander isolieren und getrennt untersuchen lassen – zweifellos eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir die Physik soweit verstehen können, wie es in der Tat der Fall ist.

Warum Modelle?

Ein Teil der Notwendigkeit für vereinfachte Modelle ergibt sich bereits aus den Theorien selbst. Deren Aussagen dazu, was in einer gegebenen Situation passiert, sind oft in ganz bestimmter Weise indirekt, wie oben schon erwähnt: Anstatt vorzugeben, welche Werte bestimmte physikalische Größen wie z.B. die Position eines bestimmten Teilchens zu jeder gegebenen Zeit annehmen, geben die physikalischen Gesetze oft nur Änderungsraten für solche Größen an. Aus den Axiomen der klassischen Mechanik (wie in Einstein verstehen Teil IV beschrieben) erhält man, wenn man alle Wechselwirkungen (sprich: Kräfte) berücksichtigt, zunächst einmal die Beschleunigung der betrachteten Teilchen, also die Änderungsrate der Geschwindigkeit mit der Zeit. Das ergibt sogenannte Bewegungsgleichungen für ein System, bei denen es sich um Differentialgleichungen handelt – das ist der mathematische Ausdruck für “Gleichungen für Änderungsrate einer interessierenden Größe”.

Oben hatte uns der Umstand beschäftigt, dass auf diese Weise mit den Anfangsbedingungen automatisch die Freiheit ins Spiel kommt, eine Vielzahl von Situationen mit einem einzigen Gesetz zu beschreiben – jede konkrete Situation entspricht dabei einer möglichen Wahl für die Anfangsbedingungen.

Dass nur Änderungsraten vorgegeben sind, hat aber noch eine andere Konsequenz. Es bedeutet, dass man erst noch Arbeit leisten muss, um aus den Bewegungsgleichungen und gegebenen Anfangsbedingungen die Bahnen der betrachteten Teilchen zu bestimmen. Dieser Arbeitschritt wird “eine Lösung für die Bewegungsgleichung finden” genannt. Eine ähnliche Situation – gegeben sind verallgemeinerte Beschleunigungen, gesucht Lösungen der entsprechenden Bewegungsgleichung – ergibt sich ganz allgemein aus den physikalischen Naturgesetzen für die Entwicklungen wechselwirkender Systeme.Lösungen zu finden ist im allgemeinen Falle alles andere als einfach. Oft genug kann man Lösungen nur für ganz einfache Fälle in Form mathematischer Funktionen hinschreiben und muss darüber hinaus z.B. zu Computersimulationen übergehen. Und damit spielen Modelle bereits auf der Ebene der Theorien eine Rolle – denn sich aus solchen einfachen Fällen oder aus Computersimulationen eine Beschreibung einer gegebenen Situation zu konstruieren, ist ebenfalls eine Form des physikalischen Modellbaus.

Zurück zu allgemeineren Aussagen: Das Beispiel des fallenden Körpers illustriert die wichtige Rolle, die Modelle als Bindeglied zwischen den allgemeinen Aussagen von Theorien und denjenigen konkreten Situationen spielen, in denen wir solche Theorien durch Beobachtungen bzw. Experimente testen können. Ohne dieses Bindeglied wären weder Prüfungen der Theorien noch die technischen Anwendungen möglich, bei denen wir unsere physikalischen Erkenntnisse in der Praxis umsetzen.

In der Wissenschaftstheorie wird dabei durchaus lebhaft diskutiert, wie es sich mit dieser und einigen anderen möglichen Rollen von Modellen in Bezug auf Theorien verhält – vgl. den Abschnitt Models and Theory in dem genannten Stanford Encyclopedia-Artikel. Wenn ich vom Sprachgebrauch unter Physikern ausgehe, also unter meinen Kollegen, in den Vorlesungen, die ich als Student besucht habe und in der physikalischen Fachliteratur, dann ist die Art und Weise, wie ich den Begriff hier verwendet habe, zumindest unter Physikern recht weit verbreitet.

Nach diesen Vorbereitungen, bei denen Modelle noch einmal in einer anderen Rolle ins Spiel kamen als vorher, sind wir bei den gezielten Experimenten angekommen, mit denen sich wissenschaftliche Theorien, Behauptungen, Hypothesen überprüfen lassen. Dazu mehr in Teil 3.

Weiter mit Teil 3

[Die Originalversion dieses Beitrags wurde am 25.1.2014 auf den SciLogs veröffentlicht.]

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

59 Kommentare

  1. Nur eine Kleinigkeit anmerkend wie hoffentlich nicht störend:
    Sogenannte Naturgesetze bleiben, im d-sprachlichen auch recht klar, ‘gesetzt’; es kann bezogen auf diese auf eine sozusagen stabile Empirie verwiesen werden, aber nicht auf eine allgemeine, “letztliche” Gültigkeit.
    MFG
    Dr. W

      • Statt ‘Naturgesetze sagen dagegen aus, dass ein bestimmtes Verhalten immer auftritt.’ wäre ‘Naturgesetze sagen dagegen aus, dass ein bestimmtes Verhalten immer auftrat.’ eine Spur cooler, wobei hier auch die Prädiktion eine gewisse Vorsicht walten müsste, wobei wiederum die Historisierung bisheriger Ereignisse womöglich nicht umfänglich war..
        Wie bereits “angedeutet”, eine Naturgesetzgebung kommt womöglich nicht bei allen Ihrer Kommentatoren gut an.
        MFG
        Dr. W (der’s aber auch nicht vertiefen wird)

        • Nein, das wäre eine missverständliche Umformulierung. Die Bedeutung von Naturgesetz, so, wie das Wort in der Wissenschaft verwendet wird, schließt durchaus den Anspruch ein, dass das betreffende Verhalten auch in Zukunft auftritt.

          Dass man das nicht belegen (verifizieren) kann ist, wie gesagt, klar. Und dass es bei den Einzelheiten, was “in Zukunft (immer) auftritt” noch viele Fallen lauern, auch – dass zwischen Naturgesetz und Experiment noch Modelle dazwischengeschaltet sind, ist ja ein wesentlicher Teil dessen, um das es mir in meiner Beitragsreihe geht. Aber der Anspruch der Allgemeingültigkeit ist ein wesentlicher Teil des Begriffs; den kann man nicht einfach weglassen.

          • Die Bedeutung von Naturgesetz, so, wie das Wort in der Wissenschaft verwendet wird, schließt durchaus den Anspruch ein, dass das betreffende Verhalten auch in Zukunft auftritt.

            Der Anspruch [1] ist begründet, aber nicht die zuverlässige Prädiktion.
            MFG
            Dr. W (der konstruktivistische Sichten vertritt, die sich auch ändern können – macht den Braten aber idR nicht fett, außer in Grenzbereichen)

            [1] “Naturgesetze” sind empirisch besonders gut untermauert, auch plausibel, die Plausibilität spielt hier eine wichtige Rolle

  2. In der Physik sind auch Hypothesen schon als Theorien (Aussagen über Aspekte der phys. Realität) formuliert. Dies zu den obigen Sätzen:

    Wissenschaftliche Theorien sind das genaue Gegenteil – diese Bezeichnung bekommt eine Beschreibung der Welt erst, wenn sie ausgiebig überprüft wurde und diese Prüfungen auch überstanden hat.

    Man spricht von der Stringtheorie obwohl diese Theorie nur hypothetische Aussagen über die Struktur von Elementarteilchen macht. Dennoch – obwohl sie in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt nur eine Hypothese ist – ist die Stringtheorie eine Theorie. Wie andere physikalische Theorien ist sie konsistent, besitzt mathematische Formalismen und macht auch Prognosen, die sich in Experimenten überprüfen liessen, wenn auch die erforderlichen Bedingungen für solche Experimente bis jetzt nicht hergestellt werden konnten. Ich würde Theorie also so definieren wie im Duden: “System wissenschaftlich begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen oder Erscheinungen und der ihnen zugrunde liegenden Gesetzlichkeiten”

    Damit können auch Hypothesen Theorien zugrundeliegen – und in der Physik spricht man meist erst über Hypothesen wenn es eine Theorie gibt. Sonst wäre ein arxiv-Papier wie Failed theories of superconductivity falsch betitelt. Auch der Satz aus der Wikipedia: ” Eine experimentelle Bestätigung der Theorie fehlt bisher.” wäre falsch, wenn sich Hypothese und Theorie gegenseitig ausschliessen würden.Statt dessen müsste es heissen: Eine experimentelle Bestätigung der String-Hypothese fehlt bisher.

    Im übrigen ein sehr gelungener Artikel. Besonders was die Bedeutung der mathematischen Formulierung von physikalischen Gesetzen angeht wo sich zeigt, dass man bereits aus mathematischen Eigenschaften der Formeln Schlüsse über den Allgemeingültigkeitsanspruch der Formel ziehen kann. Es ist ja auch erstaunlich, dass Fields-Medaillen für die Aufklärung von bereits lange bekannten physikalischen Gleichungen wie der Boltzmann-Gleichung vergeben werden oder das Clay-Institut sogar eine Million Dollar demjenigen versprochen hat, der die Mathematik der Navier-Stokes-Gleichung aufklärt.

  3. Markus Pössel schrieb (25. Januar 2014):
    > Wir können wissenschaftliche Theorien nie vollständig verifizieren, also als wahr beweisen. Wir können nur mit unseren Experimenten möglichst umfassend versuchen, sie zu falsifizieren, also zu zeigen, dass die Theorie falsch ist.

    Wer in seinem Spachgebrauch darauf besteht, ausgerechnet Theorien als “falsifizierbar” bzw. als “experimentellen Tests unterwerfbar” zu charakterisieren (anstatt das, was so charakterisiert wird, “Hypothese” oder “Modell” zu nennen),
    der beraubt sich des Wortes, mit dem ansonsten Systeme aus (begrifflichen) Axiomen, Definitionen (unter Verwendung der axiomatischen Begriffe) und den daraus formulierbaren Sätzen bzw. (pardon!) Theoremen benannt werden könnten.

    Derjenige hätte anscheinend auch gar keinen Bedarf dafür, solche Systeme zu benennen.

      • Markus Pössel schrieb (25. Januar 2014 23:38):
        > Soll das vereinfacht heißen, dass meine Definitionen mathematische Theorien außen vor lassen,

        Weder das Zitat von K. Popper, das ich beispielhaft anführte, noch mein Kommentar (25. Januar 2014 22:58) insgesamt, enthielten irgendwelche erkennbaren Einschränkungen auf “mathematische” Betrachtungen.

        Was die o.g. SciLogs-“Kurzserie” offenbar insgesamt außen vor lässt, ist eine Anerkennung und Betrachtung von “selbstverständlichen” Begriffen (sowie Definitionen, Sätzen usw., die unter Verwendung solcher Begriffe formuliert werden können), sofern diese eben nicht (experimentell) falsifizierbar sind; sondern die insbesondere erforderlich sind, um “Rohdaten” überhaupt zu gewinnen und zu behalten, und um irgendeine bestimmte “Datenreduktion” überhaupt nachvollziehbar darauf anwenden zu können; ganz egal ob und welches konkrete (Mess-)Ergebnis Fall zu Fall erhalten würde.

        Ein anderer Ausdruck dieses Defizits scheint, dass in den drei Teilen der “Kurzserie” offenbar auch jegliche Erwähnung des Begriffs “Erwartung” (“erwarten”, “erwartet” usw.; oder andererseits “überraschend” o.Ä.) fehlt.

    • Es scheint doch eher bedarfsorientiert Theorien (“Sichten”) wie gehabt zu zerlegen und bestimmte Teile derselben einer möglichen Falsifikation zuzuführen, statt die Theorie selbst unzerlegt auf den Prüfstand zu stellen.
      Das Theoriewesen ist (auch: modern wissenschaftlich) frei, wichtich eigentlich nur, dass über die Begrifflichkeit Klarheit herrscht, dass Erkenntnissubjekte Theorien pflegen und dass dies über n:m-Beziehungen verwaltet werden kann.
      Wobei naturwissenschaftliche Theorien gerne auch empirisch adäquat sein dürfen, wobei aber auch angenommen werden darf, dass empirisch adäquate Theorien aus der o.g. Verwaltung nach und nach verschwinden können.
      Nichts spricht auch gegen Theorien über Theorien, Theorien sollen ja zumindest beschreiben, erklären und die Prädiktion erlauben, wobei aus Sicht einiger ein Merkmal genügt.
      Sie sind eher aus dem mathematischen Lager, gell?

      MFG
      Dr. W

      • Dr. Webbaer schrieb (26. Januar 2014 10:25):
        > Es scheint doch eher bedarfsorientiert […] (“Sichten”) wie gehabt zu zerlegen und bestimmte Teile derselben einer möglichen Falsifikation zuzuführen, statt die […] selbst unzerlegt auf den Prüfstand zu stellen.

        Meine Bitte ist aber, den Teilen, sofern sie tatsächlich unterscheidbar wären, auch deutlich verschiedene Namen (“unique identifyers”) zu verpassen.

        Und übrigens:
        in welchen Teil der “Sicht” ist “Prüfstand” einzuordnen, bzw. das “Daraufstellen“?

        p.s.
        > über n:m-Beziehungen verwaltet

        Nachdem mir das nun schon zum *zigsten Male vor die Nase gehalten wurde, habe ich das mal gegoogelt und begonnen, eine meiner vielen Bildungslücken zu entfernen.
        Das kann ja nicht ausbleiben, wenn man sich (angebotsorientierter Weise) diversen Dampfmaschinen gegenüber “erstmal janz dumm” stellt.

        • Die Wer-Der-Konstruktion zusammen mit der Feststellung ‘Derjenige hätte anscheinend auch gar keinen Bedarf dafür, solche Systeme zu benennen.’ kam halt nicht so-o gut an.
          Es ist manchmal OK und anscheinend auch erforderlich wie von Ihnen beschrieben aufzulösen, die Theorie aufzulösen, aber nicht allgemein pflichtig. Wichtich bleibt es den Veranstaltungscharakter (“n:m-Beziehungen”) moderner Wissenschaftlichkeit im Auge zu behalten.

          ‘Prüfstand’ meinte die Welt als Prüfstand und es heißt ‘Unique Identifiers’,
          MFG
          Dr. W

          • PS:
            ‘In welchen Teil der “Sicht” ist “Prüfstand” einzuordnen, bzw. das “Daraufstellen”?’

            Sowohl der deskriptive, als auch der explanatorische als auch der prädiktive Teil einer Theorie kann der Welt gegenüber geprüft werden – wenn es also nicht um Tautologie geht.

          • Dr. Webbaer schrieb (28. Januar 2014 9:2*):
            > Die Wer-Der-Konstruktion zusammen mit der Feststellung ‘Derjenige hätte anscheinend auch

            gar keinen Bedarf dafür, solche Systeme zu benennen.’ kam halt nicht so-o gut an.

            Immerhin: die Formulierung scheint zitier- und wiedererkennbar.

            > es heißt ‘Unique Identifiers’

            Danke — wenn man allmählich schusselig wird, dann schreibt’s sich eben besser auf einem Whiteboard.

            > Sowohl der deskriptive, als auch der explanatorische als auch der prädiktive Teil […]
            kann der Welt gegenüber geprüft werden – wenn es also nicht um Tautologie geht.

            Also etwa all das was hier (
            http://en.wikipedia.org/wiki/Conceptual_framework#Types_of_conceptual_frameworks
            ) genannt ist;
            aber den “definitorischen Teil” bzw. “categorical research” oder “conceptual research” nicht
            (?).

          • Das wissenschaftlich wohlerzogene Individuum erregt sich nicht, wenn im Einzelfall versucht wird eine ganze Theorie zu widerlegen, auf dem Prüftstand (der Welt), sondern eher, wenn anderswie gehumpelt wird.
            Insgesamt scheint im hiesigen Web-Biotop kein besonderer Beratungsbedarf; bei anderen, nehmen Sie mal beispielhaft Dr. Blume oder “Dr.” Haasis sieht es schon anders aus.

            MFG
            Dr. W

          • Dr. Webbaer schrieb (28. Januar 2014 15:17):
            > Das wissenschaftlich wohlerzogene Individuum erregt sich nicht, wenn […]

            … wenn jemandes (öffentliche) Äußerung “nicht mal falsch” wäre.
            Denn: s. Wittgenstein.

            Wenn jemandes Äußerung aber zumindest, und insbesondere, falsch erscheint (was an sich gewiss schon eine erhebliche, anerkennenswerte Leistung darstellt, gegenüber all dem, was sonst noch daherhumpeln mag), dann erregt sich das wissenschaftlich wohlerzogene Individuum nun mal, und sucht nach öffentlicher Berichtigung.

            D.h. auch ganz wohlerzogen Ergebnis-offen: Berichtigung der fraglichen Aussage; oder Berichtigung des vom besagten Individuum vorgebrachten Gegenentwurfs; oder Berichtigung beider.

            > wenn im Einzelfall versucht wird eine ganze Theorie zu widerlegen

            Weil es dabei offenbar auch (wenn nicht sogar ausschließlich) darum ginge, Begriffe, Axiome und Definitionen (also “den definitorischen Teil einer bestimmten Sicht”) “widerlegen” zu wollen,
            kann man als wissenschaftlich wohlerzogenes Individuum dem entgegensetzen:

            Falsch! — man widerlegt Begriffe, Axiome und Definitionen nicht;
            sondern man weist bestimmte vorgegebene Begriffe, Axiome und Definitionen (bzw. Definitionsversuche) allenfalls von vornherein als nicht nachvollziehbar zurück.
            (Und auch nur dann, falls es sich dabei nicht ausgerechnet um jene Begriffe und Axiome handelte, die man schon selber benötigt um “Nachvollziehbarkeit” zu definieren.)

            (Und zur genaueren oder alternativen Benennung des entsprechenden “Prüfstandes (der Welt) ” mag z.B. auch Ludwig Trepl noch Etliches beizutragen haben.)

          • Dr. W an Wappler:
            Es soll einmal ein Beispiel genommen werden und zwar ein torkelndes Huhn.
            “Das Huhn torkelt.” bildet hier den deskriptiven Teil der Sicht.
            “Das Huhn torkelt weil, es bestimmtes Fallobst verzehrt hat.” wäre der explanatorische Teil.
            “Das Huhn wird weitertorkeln.” den prädiktiven.

            Sollte das Huhn sich aber nur ungünstig an einer Eichel vergriffen haben und wäre dies nachgewiesen, dann wäre der explanatorische Teil widerlegt. Sollte es sich sofort von der Eichel am Ständer (Jägersprache) befreien, wäre die Prädiktion unzulässig oder das prädiktive Element der Sicht widerlegt.
            Sollte das Huhn gar nicht torkeln (sondern der Beobachter), der deskriptive Teil (denn das Torkeln wäre dann wahlfrei oder falsch festgestellt).

            Wenn Sie verstanden werden wollen, bleiben Sie gerne am Huhn.

            MFG
            Dr. W

  4. Es ist natürlich unbestritten, dass zum Beispiel die Formel für die fallenden Körper richtige Ergebnisse liefert.

    Ein sehr einfacher Algorithmus zur iterativen Integration in kleinen Zeitschritten, der im wesentlichen nur aus Additionen besteht, liefert ebenfalls richtige Ergebnisse.

    Die Formeln für die Naturgesetze trefen zwar auf die Ergebnisse zu, aber ich wage zu behaupten, dass die Natur selbst nur die iterative Integration verwendet.

    • Ein Beispiel, die Wurfparabel, nur durch schrittweises Addieren erzeugt:

      px=0; // startposition x
      py=0; // startposition y
      vx=0.01; // startgeschwindigkeit x
      vy=0; // startgeschwindigkeit y
      ax=0; // beschleunigung x
      ay=0.0000002; // beschleunigung y
      for(t=0; t(kleiner als)70000; t=t+1) { // zeitschritte
      // das kleiner-als-Zeichen stoert im Internet
      x=(int)floor(20.5+px); // bild x
      y=(int)floor(20.5+py); // bild y
      SetPixel(hdc, x, y, RGB(0,0,0)); // punkt zeichnen
      vx=vx+ax; // geschwindigkeit x
      vy=vy+ay; // geschwindigkeit y
      px=px+vx; // position x
      py=py+vy; // position y
      } // naechster zeitschritt

      Ich glaube, dass die Natur keine komplizierteren Formeln verwendet.

      • Da ist natürlich die Frage, was in dem relevanten Sinne einfach ist. Eine Architektur, die Formeln wie die hier beschriebenen umsetzt, ist wahrscheinlich gar nicht so einfach. Zumal der Umstand, dass die Energieerhaltung in der Natur doch sehr gut gewährleistet ist, zeigt, dass es in der Natur keine großen Rundungsfehler durch Diskretisierung zu geben scheint.

        • Hallo Markus Pössel, danke für Ihre Antwort.

          Wenn die Diskretisierung in den Schritten von Planck-Zeit, Planck-Länge, und Planck-Energie erfolgt, dann zeigen sich die Rundungsfehler durch die zeitliche, räumliche, und energetische Unschärfe, die ja nachweislich vorhanden ist.

          Natürlich habe ich keine Ahnung, was die Natur wirklich macht, aber ein zellulärer Automat mit ganz einfachen Nachbarschaftsregeln wäre eine denkbare Möglichkeit.

          • Eine kleine Korrektur:

            Mit Planck-Energie war eigentlich die sinnvolle Anwendung des Planckschen Wirkungsquantums gemeint.

            Die Planck-Energie würde ziemlich große Iterationsschritte liefern.

      • Fuer klassische Mechanik kann man auf diese Art zu genaeherten Loesungen kommen, aber in der Quantenmechanik braucht Sie fuer die zeitliche Evolution schon den Hamiltonoperator und der ist etwas komplizierter.

        • Hallo schnablo,

          jede noch so komplizierte Formel lässt sich in eine Reihe von Additionen und Subtraktionen (die ja nur negative Additionen sind) umwandeln.

          Die Formeln sind abkürzende Beschreibungen für Menschen, während Computer eher die explizite Vorgangsweise verwenden.

          Das Wort “acht” bedeutet immer noch “1+1+1+1+1+1+1+1”.

          In der Natur kommt “acht” nicht vor, aber “1+1+1+1+1+1+1+1” kommt schon vor.

          • Nachbemerkung:

            Natürlich ist auch “1+1+1+1+1+1+1+1” eine abkürzende Beschreibung für Menschen, weil in einer Textbotschaft nur Beschreibungen vorkommen können.

            Was ich mit “1+1+1+1+1+1+1+1” sagen will ist, dass man sich eine Ansammlung von acht Objekten vorstellen soll, die nur in unserer Denkweise mit dem Wort “acht” beschrieben werden.

            Das Einzige was diese Objekte machen können, ist nach einfachen Regeln mit ihren Nachbarn zu interagieren.

            Schon ganz einfache Nachbarschaftsregeln erzeugen komplizierte Strukturen und kompliziertes Verhalten.

            Das sieht man an Kristallstrukturen, und auch am Spiel “Life” in dieser Animation:

            http://members.chello.at/karl.bednarik/CONWAY-3.gif

  5. Verehrter Herr Pössel,
    Sie haben sich viel Mühe gemacht, den Zusammenhang zwischen Modell, Theorie, Experiment und Naturgesetzen zu beschreiben, das verlangt Respekt, und den zolle ich Ihnen. Aber ich verstehe nicht, was Sie im Endeffekt sagen wollen. Welche Ratschläge wollen Sie geben ? Wollen Sie sich von irrigen Vorstellungen abgrenzen ? Von welchen ?
    Vielleicht von diesen:
    Meines Wissens ist eine Theorie eine Menge von mathematischen Formeln, mit denen ein Ereignis oder ein Zustand vorhergesagt werden kann, wenn man geeignete Rand- und Anfangsbedingungen voraussetzt. Genauer: Man fixiert bestimmte Grössen im mathematischen Formalismus und betrachtet, welchen Wert bestimmte andere Grössen des Formalismus annehmen, wenn man andere quantitativ oder operational verändert (einfachstes Beispiel: den Zeitparameter). Der mathematische Formalismus, die Theorie, sagt also ein Ereignis oder einen Zustand (einen messbaren Wert) voraus – aber einen gedachten Wert, in einer gedachten Situation, die auch noch vereinfacht ist – also in einem Modell.
    Danach würde eine Theorie nichts in der Wirklichkeit beschreiben (wie immer man diese definiert), sondern nur einen kausalen oder regulären Zusammenhang zwischen Ereignissen oder Zuständen von Modellobjekten.
    Ob – und vor allem wie – man damit für die Beschreibung von dem, was in der Wirklichkeit stattfindet, anfangen kann, ist eine andere, getrennt zu betrachtende Frage.
    Grüsse
    Fossilium

    • Zur allgemeineren Motivation sage ich ganz hinten in Teil 3 etwas.

      Im Hintergrund ging es mir bei diesem (wie bei vielen anderen!) Blogeinträgen darum, mir selbst über das Thema klarzuwerden.

      Außerdem spielte eine Rolle, dass ich noch etwas mehr zum Thema statistische Auswertungen machen möchte, und da schien es mir sinnvoll, die Modellbildung gesondert abgehandelt zu haben, bereit, dass darauf verwiesen werde.

  6. @Karl Bednarik

    “Natürlich habe ich keine Ahnung, was die Natur wirklich macht, aber ein zellulärer Automat mit ganz einfachen Nachbarschaftsregeln wäre eine denkbare Möglichkeit.”

    Ich erlaube mir einen Laieneinwand bzw. -frage:

    Der “zelluläre Automat” soll, wenn ich recht vestanden habe, im Prinzip alle physikalischen Phänomene (Kräfte, Bewegung etc.) bewirken bzw. erklären. Aber was teilt einer Zelle die Zustände der Nachbarzellen mit, wenn nicht wiederum ein physikalischer Vorgang?

    • Hallo Christoph Deblon, ich bestreite nicht die Existenz von physikalischen Vorgängen.

      Die Formeln und Gleichungen der Physik beschreiben die Ergebnisse der physikalischen Vorgänge völlig richtig.

      Die Formeln und Gleichungen der Physik sind abkürzende Beschreibungen für Menschen.

      Meine Vermutung ist, dass die Natur selbst mit anderen Methoden zu den selben Ergebnissen kommt.

      Während der Mensch sagt “s=(a/2)*t^2”, macht die Natur eine Iteration aus “v=v+a*z” und “s=s+v*z” in sehr vielen sehr kleinen Zeitschritten “z”, vermutlich in Planck-Zeiten.

      Während der Mensch sagt “acht”, hat die Natur einfach “1+1+1+1+1+1+1+1”.

      Während der Mensch sagt “Druck”, summiert die Natur die Impulse zahlreicher Moleküle.

      Das Einzige was physikalische Objekte machen können, ist nach einfachen physikalischen Gesetzen mit ihren direkten Nachbarn zu interagieren.

      Schon ganz einfache Nachbarschaftsgesetze erzeugen komplizierte Strukturen und kompliziertes Verhalten, zum Beispiel Moleküle.

      Der Unterschied zwischen den zellulären Automaten im Computer und der Natur ist, dass die Natur keinen übergeordneten Computer benötigt, sondern selbst alle ihre Zustände aus ihren vorigen Zuständen ermittelt.

      Auch die zellulären Automaten im Computer befolgen die Regel, dass sich der Computer in die zeitliche Entwicklung der zellulären Automaten selbst nicht einmischen darf.

      Streng genommen, soll diese Diskussion den Unterschied zwischen den Naturgesetzen in der menschlichen Schreibweise, und der tatsächlichen Vorgangsweise der Natur aufzeigen, die natürlich ebenfalls die gleichen Ergebnisse liefert.

      Wolframs eindimensionales Universum, Bild:

      http://members.chello.at/karl.bednarik/EIDU-9.jpg

      Langton’s Ameise, Bild:

      http://members.chello.at/karl.bednarik/AMEIHUND.jpg

      • Hallo Karl Bednarik,

        ich behaupte auch nicht, daß Sie die Existenz von physikalischen Vorgängen besterieten, sondern ich habe Sie so verstanden, daß sie diese durch einen zellulären Automaten erklären wollen (jedenfalls im Prinzip).

        Sie schreiben selbst, unsere zellulären Auomaten benötigen einen Computer, auch wenn dieser sich “nicht einmischt”.

        “Das Einzige was physikalische Objekte machen können, ist nach einfachen physikalischen Gesetzen mit ihren direkten Nachbarn zu interagieren.”

        Meine Frage: wie geht dieses “interagieren” – womöglich im Gleichtakt?

        • Hallo Christoph Deblon,

          der Unterschied zwischen den zellulären Automaten im Computer und der Natur ist, dass die Natur keinen übergeordneten Computer benötigt, sondern dass sie selbst alle ihre Zustände aus ihren vorigen Zuständen ermittelt.

          Ein Interagieren im Gleichtakt ist nicht erforderlich, aber es gibt eine Höchstgeschwindigkeit, die Lichtgeschwindigkeit, mit der die Interaktionen weiter gegeben werden können.

          In dichteren Medien gibt es dann noch die Schallgeschwindigkeit als mögliche Höchstgeschwindigkeit, die aber nicht so absolut gültig ist.

          Die Formeln und Gleichungen der Physik sind abkürzende Beschreibungen für die Menschen.

          Meine Behauptung ist, dass die Natur selbst mit anderen Methoden zu den selben Ergebnissen kommt.

          Ein einfaches Beispiel dafür sind die Gasgesetze mit den Begriffen wie zum Beispiel “Druck” und “Temperatur”, die abkürzende Beschreibungen für Menschen sind.

          Die Natur hingegen lässt viele einzelne Moleküle durch einander fliegen, und ab und zu von einander oder von den Molekülen der Wände abprallen, und erzeugt auf diese Weise das von den Gasgesetzen beschriebene Ergebnis.

          Die Menschen rechnen mit Formeln, und die Natur rechnet mit vielen Molekülen und den Zwischenräumen zwischen ihnen, die die Ortsveränderungen der Moleküle in der Zeit erlauben.

          Auch die Natur rechnet nicht beliebig genau, deshalb gibt es die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation.

          Für die Trägheitsbahnen gibt es hier in dieser Diskussion weiter oben eine Iteration für Wurfparabeln, die nur aus Additionen besteht.

          In der Anfangszeit der Computertechnik gab es auch die sogenannten Analogrechner, die nicht mit Zahlen digital rechneten, sondern die die physikalischen Vorgänge der Natur selbst direkt verwendeten.

          Hier ist noch ein weiteres Beispiel für die Macht der Iteration:

          Wenn man dieses einfache Bild betrachtet

          http://members.chello.at/karl.bednarik/ITERATIO.PNG

          dann denkt man sofort an die Sinusfunktion und an die Exponentialfunktion.

          Das ist aber ein Irrtum, denn diese Kurve entstand nur durch die iterative Anwendung von Addition, Subtraktion (negative Addition) und Multiplikation (mehrfache Addition).

          Mich hat besonders erstaunt, das man die Sinusfunktion ganz ohne die Verwendung der Kreisfunktion erzeugen kann.

          Dieses kleine Microsoft Visual C++ Programm erzeugt diese Kurve:

          double zeit, posi, gesc, kraf, damp;
          posi = 280 ; // Position
          gesc = 0 ; // Geschwindigkeit
          kraf = 0.000001; // Rueckstellkraft
          damp = 0.99992 ; // Daempfungsrest
          // Das (kleiner als)-Zeichen stoert die html-Darstellung
          for(zeit = 0; zeit (kleiner als) 800; zeit = zeit + 0.01)
          { // Zeitablauf
          gesc = gesc – kraf * posi; // Beschleunigung
          gesc = gesc * damp; // Bremsung
          posi = posi + gesc; // Bewegung
          SetPixel(hdc, (int)zeit, 290-(int)posi, RGB(0,0,0)); // Punkt zeichnen
          } // nächster Zeitpunkt

          Für die Windows 32 Anwendung benötigt man dann noch diese Umgebung:

          http://members.chello.at/karl.bednarik/ITERATIO.TXT

  7. Dr. Webbaer schrieb (29. Januar 2014 10:52):
    > Es soll einmal ein Beispiel genommen werden und zwar ein torkelndes Huhn.

    Sehr zuvorkommend!; und was für ein beachtliches Beispiel!

    > “Das Huhn torkelt.” bildet hier den deskriptiven Teil der Sicht. […]

    Zum “definitorischen Teil der Sicht” gehört demnach insbesondere der Begriff “Torkeln”,
    der (als Messoperator) so gefasst sein sollte, dass “das Huhn” (bzw. “Hühner im Allgemeinen”) zu seinem Definitionsbereich (bzw. seinen “Eigenzuständen”) gehören.

    (Um das an einem Gegenbeispiel zu illustrieren: man würde “Torkeln” sicherlich nicht so auffassen, dass den Aussagen “Die Farbe Gelb torkelt.” oder “Die Geschmacksrichtung Salzig torkelt nicht.” bestimmte Wahrheitswerte zukämen.)

    Zum “definitorischen Teil der Sicht” gehört demnach offenbar auch der Begriff “Huhn”;
    d.h. das Wort dient hier offenbar nicht einfach nur als “unique identifier” für irgendeinen bestimmten identifizierbaren Teil der Versuchsanordnung, sondern Der/Die/Dasjenige soll gewisse Anforderungen erfüllen, die es wiederum u.a. erlauben, dessen eventuelles “Torkeln” zu bewerten.

    > Sollte das Huhn gar nicht torkeln (sondern der Beobachter), [dann wäre] der deskriptive Teil [widerlegt] (denn das Torkeln wäre dann wahlfrei oder falsch festgestellt).

    Aber die Begriffe “Huhn” und “Torkeln” an sich wären und blieben in jedem Fall, also auch und gerade bei einem solchen “Negativbefund”, unverändert gültig und nachvollziehbar, nicht wahr?

    (Denn mir scheint, dass Popper insbesondere darüber entsetzt gewesen wäre, oder sogar war, dass angesichts eines derartigen “Negativbefundes” jemand, mit Definitionshoheit, sich die Begriffe anders zurechtgebogen und erklärt hätte: “Welcher angebliche Negativbefund denn?? Genau das, was da gefunden wurde, meinen und verstehen wir doch unter einem torkelnden Huhn!”.)

    Im Übrigen sollte der Begriff “Torkeln” natürlich so gefasst sein, dass das fragliche Huhn selbst dieser seiner Eigen-Zustands-Beschreibung zustimmen kann (bzw. sogar an dessen Ermittlung beteiligt wäre), sofern man ihm die erforderlichen allgemeinen Beobachterischen Fähigkeiten zugestände.

    (Die explanatorischen and prädiktiven Teile des Beispiels erscheinen ebenfalls kommentierenswert; bei Gelegenheit komme ich gern darauf zurück.)

    • Zum “definitorischen Teil der Sicht” gehört demnach insbesondere der Begriff “Torkeln”,
      der (als Messoperator) so gefasst sein sollte, dass “das Huhn” (bzw. “Hühner im Allgemeinen”) zu seinem Definitionsbereich (bzw. seinen “Eigenzuständen”) gehören.

      Sorry, Ihr Kommentatorenfreund hat hier bereits fertig. – Sie gehen jetzt in die Granularität [1] der Erfassung oder der Erkenntnis und diese ist nun einmal utilitaristisch zu bestimmen.
      D.h. ein Huhn ist ein Huhn, wenn es so aussieht wie ein Huhn und sich so verhält; ähnlich gilt es das Torkeln zu bestimmen.

      Aus Sicht des Konstruktivisten, der Schreiber dieser Zeilen ist einer, können Sie hier gerne feinauflösen. – Herauskommen tun dann, wenn Sie es ungünstig anstellen, oft auch Sachen wie, dass das biologische Geschlecht ein (reines) Konstrukt ist und Stalin (irgendwie) recht hatte.

      MFG
      Dr. W

      [1] -> http://apod.nasa.gov/apod/ap120312.html (philosophisch (vs. physikalisch) sind hier keine Grenzen gesetzt)

      • Dr. Webbaer schrieb (30. Januar 2014 11:56):
        > […] Erkenntnis […] ist nun einmal utilitaristisch zu bestimmen.
        > D.h. ein Huhn ist ein Huhn, wenn es so aussieht wie ein Huhn und sich so verhält; ähnlich gilt es das Torkeln zu bestimmen.

        Und ein Huhn wäre “ungestört” bzw. “frei”, wenn es irgendwem nützt zu behaupten, dass es sich “so” verhielt? (Und unabhängig davon, dass andere es opportun finden könnten, das Gegenteil zu “sehen”?)

        Und ein Huhn “erreicht Überlichtgeschwindigkeit” (gegenüber seinem Stall, z.B.), wenn’s “danach aussieht”, weil wer-auch-immer irgendwas davon haben mag??

        So nicht!

        Stattdessen gilt es, den feinen Grat zwischen Utilitarismus und Kantschem Imperativ zu
        beschreiten, den Einstein gewiesen hat:

        Alle unsere zeiträumlichen Konstatierungen laufen stets auf die Bestimmung
        zeiträumlicher Koinzidenzen hinaus.

        (Der Rest ist Variationsrechnung.)

        • Gemeint war, dass die Granularität der Sachlichkeit an den Zweck gebunden ist, die Erkenntnis ist nicht zwingend zweckgebunden.
          Stand hoffentlich auch da.
          BTW: Betreiben Sie Physikalismus?
          MFG
          Dr. W

          • Dr. Webbaer schrieb (31. Januar 2014 10:18):
            > […] dass die Granularität der Sachlichkeit an den Zweck gebunden ist,

            Der Zweck ist ja sehr einfach: unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
            Die “Granularität der Sachlichkeit” wäre demnach (nur) phantasiegebunden; bzw. eben ungebunden (?).

            > […] Physikalismus?

            Lieber $latex \Kalkulemismus $.

  8. Zu den Begriffen “Huhn” und “Torkeln”:

    Man kann Begriffe immer weiter durch viele andere Begriffe erklären.

    Auf diese Weise kann man ein umfangreiches Netz aus Begriffen aufbauen.

    Aber solange nicht einige dieser Begriffe direkt mit der Aussenwelt verbunden sind, solange hängt das ganze schöne Netz aus Begriffen im leeren Raum.

    Zum Beispiel kann man den Begriff “Tisch” mit vielen verschiedenen anderen Begriffen erklären, die man dann wieder mit vielen verschiedenen anderen Begriffen erklärt.

    Aber es ist viel besser, mit dem Finger auf einen Tisch zu zeigen, und zu sagen: “Das ist ein Tisch.”

    Die im leeren Raum schwebenden Netzwerke aus Begriffen sind im Bild rechts oben symbolisch dargestellt.

    Die an einigen Stellen an der Realität festgemachten Netzwerke aus Begriffen sind im Bild rechts unten symbolisch dargestellt.

    http://members.chello.at/karl.bednarik/abstrak7.PNG

    • Karl Bednarik schrieb (2. Februar 2014 7:05):
      > Man kann Begriffe immer weiter durch viele andere Begriffe erklären.

      Das wäre ein Missbrauch des Wortes “erklären”.
      Man mag zwar Begriffe unter Benutzung (oder durch Definition) vieler anderer Begriffe immer weiter verschieden ausdrücken.

      Einen Begriff zu erklären heißt aber:

      – entweder festzustellen, dass der fragliche Begriff selbstverständlich ist (insbesondere sofern Verständnis dieses Begriffs jedem von vornherein zugestanden werden müsste, der unterscheiden kann, wofür er schon Erklärungen gefordert hat, und wofür nicht);

      – oder den fraglichen Begriff ausschließlich unter Verwendung selbstverständlicher Begriffe auszudrücken.

      > […] Aber es ist viel besser, mit dem Finger auf einen Tisch zu zeigen, und zu sagen: “Das ist ein Tisch.”

      Das ist nicht mehr so toll, wenn man sich dazu jemanden vorstellt, der es gut fände, seinen Finger daneben zu legen und zu sagen “Das ist kein Tisch.”

        • Ob dieses eine wie-auch-immer-genannte Ding und ein bestimmtes anderes sich einander in
          bestimmtem Maße
          gleichen?.

          (Und auch falls nicht — sage keiner: “Dieses Maß ist falsch.”!)

      • “Einen Begriff zu erklären heißt aber:
        – entweder festzustellen, dass der fragliche Begriff selbstverständlich ist […]
        – oder den fraglichen Begriff ausschließlich unter Verwendung selbstverständlicher Begriffe auszudrücken.”

        Da kein Begriff selbstverständlich ist, gäbe es demnach überhaupt keine Erklärung. Was wiederum einiges erklären könnte.

        • Joker schrieb (4. Februar 2014 12:33):
          > Da kein Begriff selbstverständlich ist, gäbe es demnach […]

          Wendet sich diese Argumentation an Leser, die insbesondere mit den Begriffen “kein” (bzw. “Negation”), “Begriff” (bzw. “begreifen”) und “selbstverständlich” von vornherein etwas anzufangen wissen
          ?

          • “Wendet sich diese Argumentation an Leser […]?”

            Diese Argumentation wendet sich selbstverständlich an Schreiber. An Schreiber, die etwas erklären wollen oder etwas erklärt haben wollen. An Schreiber als Leser.

            Meine Argumentation sollte sich leicht widerlegen lassen. Sie beruht auf der Prämisse, es gibt keinen selbstverständlichen Begriff. Man müsste einfach einen solchen Begriff bereitstellen: schreiben. Ich würde ihn dann lesen. – Kein Pardon.

    • Herr Wappler hat eindeutig Probleme mit der Sachlichkeit; der näherungsweise Gebrauch von Begriffen, der jeweils in einer Schicht [1] stattfindet, scheint ihm nicht vertraut zu sein, ähnliche Probleme hat er mit der Kommunikation (“Erkennen einer Sache oder eines diesbezüglichen Verhalts, einer Information, für eine bestimmte Schicht/Kodierung der Nachricht beim Aussagenden/Nachrichtentransport/Aufnahme durch den Adressaten/Dekodieren oder Abstrahieren der Nachricht zu Information seitens des Adressaten”).

      Ohne Herrn Wappler diesbezüglich (metaphorisch) als torkelndes Huhn bezeichnen zu wollen,
      MFG
      Dr. W

      [1] -> http://apod.nasa.gov/apod/ap120312.html

  9. Joker schrieb (4. Februar 2014 16:49):
    > Meine Argumentation sollte sich leicht widerlegen lassen. Sie beruht auf der Prämisse, es gibt keinen selbstverständlichen Begriff. Man müsste einfach einen solchen Begriff bereitstellen: schreiben.

    Eben.
    Deshalb hatte ich oben (4. Februar 2014 13:56) gleich drei besonders naheliegende solche Begriffe aufgeschrieben (unter Zuhilfenahme von entsprechenden deutschen Wörtern); bzw. der Einfachheit halber sogar zitiert. Hier nochmal:
    kein[en]“, “selbstverständlich[en]“, und “Begriff“.

    Entweder ist mindestens einer dieser drei genannten Begriffe selbstverständlich (es müsste nicht mal ausgerechnet der Begriff “selbstverständlich” sein); und damit wäre die Prämisse falsch.

    Oder keiner der drei genannten Begriffe ist selbstverständlich; dann ließe sich die Prämisse zumindest in Frage stellen
    (“Stimmt es denn überhaupt, dass es keinen selbstverständlichen Begriff gibt?”;
    “Ist es überhaupt schlüssig, eine Argumentation mit “ Da kein Begriff selbstverständlich ist, […] ´´ einzuleiten, anstatt mit “Falls kein Begriff selbstverständlich ist …´´ ?”).

    > Diese Argumentation wendet sich selbstverständlich an Schreiber. […] An Schreiber als Leser.

    Also eine (nicht unbedingt leere) Teilmenge der Leser. — Auch gut.

    > An Schreiber, die etwas erklären wollen oder etwas erklärt haben wollen.

    Darf es (auch) als selbstverständlich gelten, dass Schreiber, die etwas erklären wollen oder etwas erklärt haben wollen, von vornherein begriffen haben müssen, dass “etwas erklären wollen” und “etwas erklärt haben wollen” nicht das Selbe ist?

    • “Darf es (auch) als selbstverständlich gelten […]”

      Um es abzukürzen, ich wiederhole: Nichts gilt selbstverständlich, kein Begriff ist selbsterklärend.

      Davon auszugehen, dass Geltung, Erklärungen oder Theorien immer eines gesicherten Fundaments bedürfen, ist falsch. Wenn wir die Möglichkeit von Erklärungen nicht generell bestreiten wollen, muss demnach Erklären anders funktionieren als oben behauptet, also nicht mittels Bezug auf selbstverständliche Begriffe.

      So scheinen mir auch die (scheinbar) basalen Begriffe physikalischer Theorien (Zeit, Raum, Energie, Feld, …) durchaus nicht selbstverständlich zu sein. Selbst die Begriffe “darüberzustreuseln” und “Koordinaten” sind erklärungsbedürftig – oder?

      • Joker schrieb (5. Februar 2014 14:53):
        > […] kein Begriff ist selbsterklärend.

        Eine merkwürdige Formulierung.
        Als ließe sich ein Begriff separat von denjenigen betrachten, die ihn (schon) begreifen, oder die (zunächst) danach fragen könnten.

        Falls jemand z.B. tippen würde
        “Was hast du oben (5. Februar 2014 14:53) eigentlich mit “gesichertes Fundament´´ gemeint?” —
        besteht da ein (selbstverständlicher!) Ansatz für einen Erklärungsversuch?
        Oder ist demjenigen nur etwas Unbeschrieblich-Unverständliches übers Keyboard gepurzelt? …

        > So scheinen mir auch die (scheinbar) basalen Begriffe physikalischer Theorien (Zeit, Raum, Energie, Feld, …) durchaus nicht selbstverständlich zu sein.

        Und erst recht nicht jemandem, der das gelegentlich mit einem Einstein-Zitat zu unterlegen versucht:

        Alle unsere zeiträumlichen Konstatierungen laufen stets auf die Bestimmung zeiträumlicher Koinzidenzen hinaus.

        • “besteht da ein (selbstverständlicher!) Ansatz […] Oder ist [dort] nur etwas Unbeschrieblich-Unverständliches ”

          Ich hoffte, es wäre dort etwas übers Keyboard gepurzelt von dem in der angebotenen Alternative nicht erwähntem Dritten: nichts Selbstverständliches, nichts Unverständliches, einfach etwas Verständliches. – Schade eigentlich.

          Na egal, Hauptsache der Artikel von Herrn Pössel erklärt etwas auf verständliche Art und Weise.

          • Joker schrieb (5. Februar 2014 23:06):
            > […] nichts Selbstverständliches, nichts Unverständliches, einfach etwas Verständliches.

            So einfach wie die Einteilung, die ich schon eingangs (3. Februar 2014 9:30) skizziert hatte,
            nicht wahr?

            > Hauptsache der Artikel von Herrn Pössel erklärt etwas auf verständliche Art und Weise.

            Wenigstens, soweit das in einem Kommentar möglich ist, lässt sich bestimmten Aussagen der

            genannten Artikel, z.B. von oben:

            > […] Theorien zu überprüfen. Das ist zentraler Bestandteil der Wissenschaft

            und

            > […] mit unseren Experimenten möglichst umfassend versuchen, sie zu falsifizieren, also zu

            zeigen, dass die Theorie falsch ist.

            nochmals entgegenzusetzen:

            Axiome, Begriffe, Definitionen, Vereinbarungen und Theoreme, die sich mit der Frage “Wie sollen wir messen?” beschäftigen, lassen sich nicht dadurch widerlegen, dass wir Messungen so wie vereinbart durchführen.

            Die entsprechenden Betrachtungen mussten (bzw., was Theoreme betrifft, konnten zumindest) schon erledigt werden, bevor irgendwelche Messergebnisse vorlagen (nämlich: um überhaupt irgendwelche Messergebnisse zu gewinnen); und sie bleiben unverändert bestehen (so wie die eventuell gewonnenen Messergebnisse selbst), egal ob und welche Messergebnisse durch eine vereinbarungsgemäße Messung gewonnen wurden.

            Das, dessen Überprüfung ein zentraler Bestandteil der Wissenschaft ist, und das durch experimentell gewonnene Ergebnisse falsifiziert (widerlegt) werden kann, nennt man entsprechend nicht “Theorien”, sondern “Hypothesen”, “Erwartungen” bzw. “Modelle”.

          • “So einfach wie die Einteilung, die ich skizziert hatte”

            Ja, was Du dort geschrieben hattest ist einfach und verständlich. Aber nicht jede Erklärung, die einfach und verständlich ist, ist richtig. Für mich gilt Deine Theorie, was es heißt, einen Begriff zu erklären, bis auf Weiteres als widerlegt.

            “Das, […] das durch experimentell gewonnene Ergebnisse falsifiziert (widerlegt) werden kann, nennt man entsprechend nicht “Theorien”, sondern “Hypothesen”, “Erwartungen” bzw. “Modelle”.”

            Erwartungen werden vielleicht enttäuscht oder werden nicht erfüllt, aber werden sie widerlegt? Ich glaube, so spricht man nicht. Auch Modelle sind doch eher unzureichend, mangelhaft oder unzutreffend. Es sind jeweils die Theorien, auf denen die Erwartungen eventuell beruhen, oder denen zufolge Modelle entwickelt werden, die widerlegt werden können.

          • Joker schrieb (6. Februar 2014 13:17):
            > Aber nicht jede Erklärung, die einfach und verständlich ist, ist richtig.

            Nicht jedes Bemühen um Verständlichkeit trifft auf Verstand.

            > Für mich gilt Deine Theorie, was es heißt, einen Begriff zu erklären,

            … und ich halte es für richtig, in diesem Zusammenhang von einer Theorie zu sprechen …

            > bis auf Weiteres als widerlegt.

            Mit meiner Erwartung, dass diese Theorie jedem nachvollziehbar sein würde, der auch Worte wie z.B. “richtig” oder “gelten” ganz selbstverständlich benutzt, lag ich zugegebenermaßen falsch.

            Die besagte Theorie, einschließlich was es heißt, einen Begriff zu erklären, bleibt mir, und uns, unverändert.

          • p.s.
            In den länglichen Ausführungen von Ludwig Trepl fallen mir bisweilen Äußerungen auf wie

            Mathematik kann jeder lernen, der eine schneller, der andere langsamer, der dritte nur deshalb überhaupt nicht, weil sein Leben zu kurz ist. […] die Apriorität, die allen gemeinsam ist.

            Ob (oder in wie fern) er damit das Selbe meint, was ich oben das “Selbstverständliche” nannte und/oder das, was dir (Joker) “bis auf Weiteres als widerlegt gilt“, bleibt herauszufinden.

    • Zu Ihrem letzten Kommentar (leider sind die Ebenen zu tief, als dass ich da direkt antworten könnte):

      Da weichen Sie jetzt aber in punkto Theorie weit vom normalen Sprachgebrauch ab. Dass Theorien, wenn man sie im ganzen betrachtet, auch Anteile enthalten, die sich nicht widerlegen lassen (Definitionen aller Art), ist richtig. Aber wenn die Naturgesetze, die eine Theorie postuliert, in Experimenten, die über Modelle und Messvorschriften, wie sie ebenfalls Teil der Theorie sind, falsche Vorhersagen leisten, und (evt. dadurch, dass man mehrere Modellsituationen für dasselbe Gesetz untersucht, dass Messverfahren variiert etc.) klar wird, dass das wirklich ein Problem dieser Gesetze ist, dann ist die Theorie ab einem gewissen Punkt widerlegt.

      • Markus Pössel schrieb (6. Februar 2014 10:40):
        > Zu Ihrem letzten Kommentar […]

        … Ich erlaube mir, das auf meinen Kommentar 6. Februar 2014 10:24 zu beziehen. …

        > […] sich nicht widerlegen lassen (Definitionen aller Art)

        Versteht sich das auch einschließlich aller mathematisch/logischen Konsequenzen (Theoreme)
        aus den betrachteten Definitionen?
        (Stichworte: “Addition von Geschwindigkeiten”, oder “Feststellung der mittleren Lebensdauer einer (anderweitig experimentell definierten) Teilchensorte”).

        > Aber wenn die Naturgesetze […] in Experimenten, die über Modelle und Messvorschriften […] falsche Vorhersagen leisten

        Nun — alles, was nicht von vornherein als unwiderlegbar gilt, wäre dann (einzeln, oder insgesamt) verdächtig.

        > Messverfahren variiert […]

        Gehören “Messvorschriften” bzw. “-verfahren” nicht zu den o.g. Definitionen?
        (Stichwort: “Abschätzung der systematischen Unsicherheit(en)”.)

        > mehrere Modellsituationen für dasselbe Gesetz untersucht […]

        Versteht sich “Modell” bzw. “Modellsituation einschließlich der Erwartung/Hypothese:
        “Dieses Modell repräsentiert die Gegebenheiten in diesem experimentellen Versuch.”
        ?`

        Und:
        Ist zwischen den o.g. “Theoremen” und den erwähnten “Modellen” überhaupt noch begrifflicher Platz für sogenannte “Naturgesetze“?
        Oder könnte man da mit Ockhams Klinge gleich mal für klarere Verhältnisse sorgen?

        > […] weit vom normalen Sprachgebrauch

        Des einen “normal” ist des anderen
        http://de.wikipedia.org/wiki/Imre_Lakatos#Forschungsprogramme

  10. Pingback:Vince Eberts „Evolution“ bei 3sat – und im Skeptiker @ gwup | die skeptiker

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