Google versteckt Teleskope

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… aber nicht einfacher
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Mysteriös. Gerade war ich auf Google Maps unterwegs, um mir die Beobachtungsstation Sutherland des South African Astronomical Observatory anzuschauen, wo ich letzte Woche das erste Mal einen nicht durch Lichtverschmutzung beeinträchtigten südlichen Sternenhimmel genießen durfte. In Sutherland steht unter anderem SALT, das Southern African Large Telescope, aber beispielsweise auch Monet Süd, eines von zwei 1,2-Meter-Teleskopen der Universität Göttingen, mit denen Schüler per Fernsteuerung astronomische Beobachtungen vornehmen können.

Hier ist der Link auf die Google-Maps-Ansicht von SALT, und hier, etwas südlicher, sind die anderen Teleskope. Offenbar ist da jemand mit einem Graustift über die (z.T. sehr formschönen) Teleskopkuppeln gegangen. Ich erinnere mich, schon einmal über zensierte Teleskope gestolpert zu sein, nämlich, als ich hier virtuell die Deutsch-Spanische Sternwarte Calar Alto besichtigen wollte, die mein Heimatinstitut, das Max-Planck-Institut für Astronomie, mit aufgebaut hat.

Ich hatte zwar schon vor einiger Zeit gelesen, dass Google besonders gefährdete Orte auf seinen Satellitenbildern verwischt oder übermalt. Auf der englischsprachigen Wikipedia gibt es eine Liste einiger entsprechender Orte. Dazu gehören etwa die Residenz der niederländischen Königsfamilie, Luftwaffenstützpunkte, Hauptquartiere diverser Militärs. Alles einigermaßen verständlich – zumindest ist verständlich, dass sich da offenbar jemand mit Google in Verbindung gesetzt und eine Verschleierung erwirkt hat. Aber Observatorien?

Das Hale-Teleskop auf dem Mount Palomar scheint nur etwas überbelichtet zu sein. Bei diesem benachbarten Teleskop ist das auch noch eine mögliche Erklärung. Die Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der ESO sind wunderbar zu erkennen, und auch die Kuppeln der  Hamburger Sternwarte und des Astrophysikalischen Instituts Potsdam, die Teleskope auf dem Mauna Kea in Hawaii, das Large Binocular Telescope in Arizona, und das Jodrell Bank Observatory, bei dessen Radioantenne man alle Speichen zählen kann, sind gut zu sehen.

Bei der Landessternwarte auf dem Königstuhl, hier,  bin ich mir schon nicht mehr so sicher, ob da nicht jemand etwas geweißelt haben könnte. Das gigantische Radioteleskop Effelsberg scheint aber wohl nur etwas überbelichtet zu sein.

Was ist los mit Calar Alto oder Sutherland? Selbst, wenn da jemand bei Google in Eigeninitiative irrtümlich militärische Installationen vermutet und drauf los zensiert haben sollte – das scheint mir momentan noch die naheliegendste Erklärung -, fände ich das recht bedenklich. Solch vorauseilende Selbstzensur ist ja doch noch etwas anderes, als auf die Anfrage (Anweisung?) von Regierungen hin bestimmte gefährdete Gebäude oder Strukturen unkenntlich zu machen. Zumal bei Calar Alto deutlich dabeisteht, dass es sich um ein astronomisches Institut handelt. Und bei Google ja, wie man hört, nicht die dümmsten Köpfe arbeiten.

Weiß jemand näheres? Eine Google-Suche nach diversen Variationen über “Google censors observatories” hat mir jedenfalls nicht weitergeholfen. Für sachdienliche Hinweise wäre dankbar

Markus Pössel

 

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

3 Kommentare

  1. Wenn man nach “Google maps graue Flecken” sucht, findet man auch andere Objekte und ganze Gegenden, die ausgegraut sind. Das hat nichts mit Observatorien zu tun.

    Die Gemeinde Ganderkesee ist 2006 fast komplett unter einem solchen grauen Fleck verschwunden – und heute wieder da.

    Es dürfte sich schlicht um Bildfehler oder -mängel handeln, die da ausgegraut werden, wenn man sich die Berichte unter dem Googletreffer genauer ansieht, ist das ziemlich eindeutig.

    Die Überstrahlungen bei Teleskopen durch die Reflektion von Sonnenlicht hast Du ja selbst beschrieben. Die grauen Flecken sollen das nur überdecken.

    Vom Southern African Large Telescope gibt es auf Google Earth sogar Fotos, die die gesamte Anlage im 360°-Panorama zeigen.

    Also nicht immer gleich Verschwörungstheorie rufen und vor allem: Beim Suchen nicht die Interpretation eingeben (“censors”), sondern die Fakten – dann findet sich die Lösung leichter!

  2. Deutsch-Spanische Sternwarte Calar Alto

    Zurzeit jedenfalls sieht es hier eher nach einer Überbelichtung aus. Eine Zensur ist deswegen auszuschließen, weil man Fotos einblenden kann, die die Gebäude in Ihrer beschriebenen Formschönheit zeigen. Nur zu einem Gebäude fehlt die Zufahrtsstraße (veraltetes Material oder Fehler)?

    Ganz anders als z.B. der Osten des Badestrands Yalong Bay der chinesischen Insel Hainan. Hier zeigt die Karte wesentlich weniger als das Sat-Bild. Wenn man sich heranzoomt, kann man auch ahnen, warum. Es ist möglicherweise gar kein besseres Krtenmaterial verfügbar.

  3. @Holger

    Danke für den Erklärungsvorschlag. Ich sehe zwar nicht, warum ein grauer Fleck einer reflektierenden Teleskopkuppel vorzuziehen wäre, aber nehmen wir solche nicht ganz logischen grafischen Nachbearbeitungsregeln mal in die Liste möglicher Erklärungen auf.

    P.S.: Unter meinen “diversen Variationen” der Google-Suche war auch “Google maps grey spots” – aber da sah ich nur Erklärungen, die hier nicht greifen: Ladefehler für Bildsegmente und die Ecken, an denen Satellitenbilder sich nicht überlappen.

    P.P.S.: Huch, hat hier irgendjemand Verschwörungstheorien gestrickt?

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