Supernova mit Ansage: Bingo!

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… aber nicht einfacher
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Ich hatte Mitte November schon dazu gebloggt: Zu der Supernova mit Ansage, die sich in diesen Jubiläumsmonaten zur Allgemeinen Relativitätstheorie bzw. Anfang 2016 ereignen könnte.

Jetzt ist es offenbar soweit: das neue Bild von SN Refsdal ist sichtbar.

Es ging um diesen Galaxienhaufen hier (Abbildung: Hubble-Weltraumteleskop), genauer gesagt um das im Ausschnitt näher gezeigte Objekt:

Galaxy cluster MACS j1149.5+223 and a supernova four times over
Lage der Vierfach-Supernova im Galaxienhaufen MACS J1149.5+223. Bild: NASA, ESA, S. Rodney (John Hopkins University, USA) and the FrontierSN team; T. Treu (University of California Los Angeles, USA), P. Kelly (University of California Berkeley, USA) and the GLASS team; J. Lotz (STScI) and the Frontier Fields team; M. Postman (STScI) and the CLASH team; and Z. Levay (STScI)

Die Pfeile in dem kleinen Bildausschnitt zeigen nicht auf vier separate Objekte, sondern auf Bilder ein und desselben Objekts. Wobei Objekt es nicht ganz trifft, denn eigentlich geht es um ein Ereignis, nämlich um eine Sternexplosion, eine Supernova. Die ist am Himmel an den dort gezeigten vier verschiedenen Orten zu beobachten. (Hier war die Pressemitteilung der Astronomen, hier der Fachartikel.) In der Pressemitteilung, auch das hatte ich damals schon wiedergegeben, war auch ein schönes Schemabild, das zeigt, was da passiert:

heic1505d-bottom
Auschnitt aus diesem Bild. Bildnachweis: NASA & ESA

Die Supernova hat in der ganz hinten rechts gezeigten Galaxie stattgefunden, die von uns noch merklich weiter entfernt ist als der Galaxienhaufen, der sich auf Höhe des Bildes in der Abbildungsmitte befindet: Das Licht des Galaxienhaufens samt der gezeigten ablenkenden Galaxie benötigt 5 Milliarden, das der Supernova ganze 9 Milliarden Jahre, um zu uns zu gelangen. Das uns das Licht auf vier unterschiedlichen Wegen erreicht, abgelenkt durch die Masse der Galaxie, die ebenfalls in dem Bildausschnitt in der Mitte zu sehen ist, ist der von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagte Effekt der Lichtablenkung. Eine solche Anordnung mit Mehrfachbildern durch Lichtablenkung heißt Gravitationslinse.

Die Astronomen hatten ihre Entdeckung “SN Refsdal” getauft, nach Sjur Refsdal, dem lange Zeit in Hamburg tätigen norwegischen Astronomen, der in den 1960er Jahren vorhergesagt hatte, wie man aus Mehrfach-Messungen an einer Supernova Rückschlüsse auf kosmologische Parameter ziehen könnte.

Wie im letzten Blogbeitrag dazu ebenfalls schon erwähnt, war das Vierfach-Bild dabei nur eines von insgesamt drei deutlich weiter auseinanderliegenden Bildern bzw. Bildkomplexen desselben Systems, wie hier schematisch gezeigt:

Illustration showing gravitational lensing producing four supern
Schematische Darstellung der Refsdal-Supernova. Bild: NASA, ESA

Schon das Schemabild zeigt, dass die Lichtwege unterschiedlich lang sind. Das heißt aber auch, dass wir ein Ereignis wie den Ausbruch einer Supernova in der Regel nicht gleichzeitig in den verschiedenen Himmelsregionen sehen, sondern erst hier, dann dort, dann dort. Mitte November hatten die beteiligten Astronomen vorhergesagt, im ersten Drittel des Jahres 2016 sollte die Supernova bei dem zweiten Lichtweg von oben ebenfalls sichtbar werden – eine Supernova mit Ankündigung also.

Jetzt ist es sogar noch vor 2016 soweit: Heute morgen wurde ein Astronomen-Telegramm verschickt, in dem die Entdeckung einer Supernova angekündigt wurde, konsistent mit den Vorhersagen zum Sichtbarwerden des neuen Bildes der SN Refsdal. Früher waren solche Telegramme tatsächlich Telegramme, nämlich eine schnelle Möglichkeit, Astronomen weltweit auf wichtige Ereignisse aufmerksam zu machen, auf die sie tunlichst ihre Teleskope richten sollten. Heute werden die Astronomen-Telegramme per E-Mail geschickt. (Die Einzelheiten, warum neben den altehrwürdigen IAU-Circulars, die offenbar deutlich seltener verschickt werden, ein neuer Service eingerichtet wurde, sind mir nicht bekannt.)

Diese mit dem Hubble-Weltraumteleskop aufgenommenen Bilder hat Patrick Kelly, der auch Erstautor des Fachartikels mit der Vorhersage war, auf seine Webseite gestellt. Das obere ist am 10. Dezember aufgenommen und zeigt das mit SX markierte neue Bild der Supernova, das untere Bild, vom 30. Oktober, zeigt es noch nicht:

refsdal_redux
Bild: Patrick Kelly et al. mit dem Hubble Space Telescope

Jetzt dürften vermutlich auch einige andere Astronomen sich diese Supernova anschauen. Allerdings geht es um einen sehr kleinen Himmelsausschnitt. Man beachte die 2″ in den Bildern, zwei Bogensekunden. Bei einem typischen deutschen Himmel wie hier in Heidelberg kann man Objekte, die 2 Bogensekunden auseinanderliegen noch nicht einmal auseinanderhalten – geschweige denn soviele sub-Bogensekunden-Details zeigen.

Die genaueren Untersuchungen laufen jetzt erst an. Aber es sieht ganz so aus, als wäre das Geschenk zum 100. Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie sogar noch rechtzeitig in diesem Jahr angekommen.

Auch am 80. Geburtstag von Sjur Refsdal – der aber leider bereits 2009 verstorben ist -, also am 30. Dezember 2015, dürfte die Supernova noch leuchten.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

5 Kommentare

  1. Das von einem Astronomen in Eigeninitiative gestartete Astronomer’s Telegram ist ein schon seit vielen Jahren etabliertes Kommunikationsmedium in der beobachtenden Astrophysik, vor allem bei “explosiven” Ereignissen. Auch die Entdeckung der ersten vier Bilder der Supernova wurde dort 2014 zuerst gemeldet (parallel zu einem Paper auf ArXiv).

    • …und die IAU Circulars waren zu schwerfällig o.ä.? Die hätten ja auch das Potenzial gehabt, sich zu so einem schnell und einfach nutzbaren Online-Service zu entwickeln.

  2. Scheint so als hätte sich Kelly vor lauter Vorfreude nicht zurückhalten können 😀 Die offizielle Verlautbarung soll doch erst morgen stattfinden! Aber bei einer solch tollen Entdeckung ist es natürlich schwierig ruhig zu bleiben.

    • Naja, er hat ja soweit ich sehen kann nur das entsprechende Astronomer’s Telegram eingetragen. Das man das sofort macht, ist doch eigentlich selbstverständlich; wer weiss welche Chance auf weitere Sofortbeobachtungen und Mitbeobachtungen man bei einem so vergleichsweise kurzlebigen Ereignis wie einer Supernova sonst vertut!

  3. Lensed Supernovas sollten über die Häufigkeit/Charakteristik von frühen Supernovas Auskunft geben. Mehrfach gelinste Supernovas wie hier, aber auch mehrfach gelinste gewöhnliche Sterne sollten Schlüsse auf das Gravitationsfeld der Gravitationslinse ermöglichen. Davon gehen mindestens Patrick Kelly und Coautoren aus.
    “The longer the path length, or the stronger the gravitational field through which the light moves, the greater the time delay,

    Kelly hopes that measuring the time delays between the phases of the supernova in the four images will enable constraints on the foreground mass distribution and on the expansion and geometry of the universe. If the spectrum identifies it as a Type Ia supernova, which is known to have a relatively standard brightness, it may be possible to put even stronger limits on both the matter distribution and cosmological parameters.

    Allerdings scheinen gelinste Supernovas äusserst seltene Ereignisse zu sein. Entweder weil sie wirklich selten sind oder weil die systematische Beobachtung noch nicht so weit entwickelt ist um die meisten von hier aus sichtbaren Ereignisse auch zu registrieren.