Ich habe auch einen Traum

BLOG: RELATIV EINFACH

… aber nicht einfacher
RELATIV EINFACH

Aus Anlass des gestrigen Martin-Luther-King-Tages hier in den USA will ich damit herausrücken: ich habe auch einen Traum. (Zugegeben, seit die Zeit veröffentlichte Träume in Serie produziert ist das nicht mehr ganz so originell, aber was soll’s.)

Mein Traum ist, dass das Internet Ideal und Wirklichkeit im Wissenschaftsbetrieb näher zusammenrücken lässt.   Dass sich Forschungsblogs, in denen direkt für die Kollegen und, ja, auch für die Konkurrenten über den Fortgang der eigenen Arbeit berichtet wird, immer mehr einbürgern, und dass die Forschung dadurch offener und Zusammenarbeit begünstigt wird – und die gegenseitigen öffentlichen Kommentare der Forscher eine informelle, aber sehr effektive Instanz der Qualitätskontrolle schaffen.  Dass sich Open Access-Initiativen immer weiter durchsetzen und das bereits vorhandene Wissen damit immer breiter zugänglich wird – und dass, nach dem Vorbild von Blogs, öffentliche Kommentare zu Fachartikeln üblich werden.  Dass sich Strukturen herausbilden, das vorhandene Wissen so zu organisieren, dass alle Orte auf der Wissenskarte durch breite und komfortable Wege verbunden sind, anders gesagt: Dass eine lückenlos ineinandergreifende Sammlung von Artikeln diverser Art, Tutorien, FAQs, Lexikoneinträgen, Vorlesungsmitschriften und -mitschnitten von der Allgemeinverständlichkeit bis zum Niveau universitärer Einführungsveranstaltungen und darüber hinaus bis zur Darstellungsebene spezialisierter Fachartikel führt.

Wichtigster Teil meines Traums ist, dass solche paradiesischen Zustände sich zwanglos aus dem Status Quo entwickeln und sich beispielsweise Projekte wie Wikipedia und Living Reviews ganz natürlich in Richtung der von mir erträumten Wissenslandschaft weiterentwickeln werden.  Ohne, dass dafür soviel  Überzeugungsarbeit, Opferbereitschaft und Mut nötig wären wie zur Erfüllung des Traums aus dem Jahre 1963, der meine Träumerei angestoßen hat.

 

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

2 Kommentare

  1. Ein sehr schöner, idealistischer, dennoch nicht unproblematischer Traum. Auf jeden Fall wäre es eine wunderbare Art und Weise, dem ganzen Schund im Netz Paroli zu bieten.

    Den Traum träumt man gern mit.

  2. Ich habe auch einen Traum

    Das wäre eine sehr sehr schöne Sache den ich schon als ich den ich hatte als ich noch aktiv war und das ist lange her.
    Nur Wissenschaft ist eben für den einen die here Göttin , für den andern die Kuh die Butter ihm gibt. Und die Kuh an die Goethe dachte als er dies schrieb ist nicht die Wirtschaft von heute. Und die gibt den meisten Naturwissenschaftlern ihr Brot und zahlt ihnen Drittmittel.
    Das wäre aber etwas für Geistes-und Kulturwissenschaftler. z. B. mein Problem: Was für Bedeutung haben Figuren mit Hexadactylie der Zehen in einem 3000 Jahre altem Grab? Können es Ikone oder Idole gewesen sein, Was ist wahrscheinlicher?

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