Astronomisches Grundwissen 5: Das Leben der Sterne

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Dieser Blogbeitrag ist Teil einer zehnteiligen Serie, die astronomisches Grundwissen vermitteln soll. Alle Beiträge auf einen Blick:

  1. Nachthimmel, Lichtverschmutzung, Beobachtungen
  2. Bilder, Spektren, Einfluss der Atmosphäre, Entfernungen
  3. Unser Sonnensystem
  4. Die Sonne und andere Sterne
  5. Das Leben der Sterne
  6. Exoplaneten
  7. Die Milchstraße und andere Galaxien
  8. Kosmische Strahlung, Gravitationslinsen, großräumige Struktur
  9. Kosmische Expansion und Urknall
  10. Galaxienentwicklung, Dunkle Energie und Ausblick

Näheres zur Motivation der Serie und dazu, was ich unter astronomischem Grundwissen verstehe, findet sich hier in Teil 1.


Stern- und Planetenentstehung

altEntwicklung und Schicksal der Sterne hängen von ihrer Masse ab. Sterne entstehen im Inneren von Wolken, die vorwiegend aus Wasserstoffmolekülen bestehen, aber auch andere Gase und Staub enthalten. Wenn sie so dicht geworden sind, dass neue Sterne entstehen können, sind solche Wolken undurchsichtig. In dem Bild rechts sieht man eines der berühmtesten Beispiele: die “Säulen der Schöpfung”, aufgenommen vom Weltraumteleskop Hubble (Bild: NASA/ESA/STScI/J. Hester und P. Scowen [Arizona State University]). Die undurchsichtigen Wolken schirmen das Licht dahinterliegender Sterne ab und erscheinen daher als dunkle Himmelsregionen.

Die äußeren Wolkenregionen und insbesondere deren Staubteilchen schirmen auch das Wolkeninnere von der umgebenden Strahlung ab, so dass es bis auf etwa 10 bis 20 Grad über dem absoluten Nullpunkt (10-20 K) abkühlen kann. Bilden sich in solchen Wolken Regionen höherer Dichte, kann es zum Kollaps kommen: Die dichteren Regionen haben automatisch eine leicht höhere Schwerkraft als umliegende Gebiete, ziehen daher noch mehr Materie an, erhöhen ihre Dichte und ihre Schwerkraft, und so weiter. Die beim Kollaps freigesetzte Energie wird dabei in Wärmeenergie umgesetzt. Die kann zunächst noch abgestrahlt werden, führt später aber zur starken Aufheizung der kollabierenden Region. Ein Protostern, ein Sternvorläufer ist geboren.

Verdichtet sich das Gas dagegen soweit, dass Dichte- und Temperaturwerte auftreten, in denen es zur Kernverschmelzung von normalem Wasserstoff (d.h. einzelnen Protonen) kommen kann, in der Astronomie auch “Wasserstoffbrennen” genannt, dann ist in der Tat ein neuer Stern geboren. Für astronomische Verhältnisse spielt sich der gesamte Vorgang vom Einsetzen des Kollapses bis zum Beginn des Wasserstoffbrennens sehr rasch ab – für einen Stern wie unsere Sonne dauert er nur rund 100.000 Jahre.

Rund um den jungen Stern entstehen dabei im Laufe des Kollapses einige interessante Strukturen. Insbesondere führt das Zusammenspiel von Schwerkraft und innerer Reibung des Gases während der Protosternphase zur Ausbildung einer rotierenden Scheibe rund um den Stern. Im Zusammenspiel von Magnetfeld, Scheibenrotation und dem Einfall weiterer Materie von außen bilden sich sogenannte Jets, in denen Materie eng fokussiert in eine bestimmte Richtung (und in die Gegenrichtung) senkrecht zur Scheibe nach außen geschleudert wird.

In der Scheibe um den jungen Stern herum verklumpen winzige zu immer größeren Staubteilchen. So entstehen größere und größere Klumpen. Um die Größe von einem Meter herum ist derzeit noch nicht klar, wie es weiter geht – spielen dabei Turbulenzen in der Scheibe einer Rolle? Organische Moleküle als Klebemittel? Das wird noch aktiv erforscht. Bei größeren Objekten ist weiteres Wachstum dann nicht mehr problematisch. Sie finden sich aufgrund ihrer Gravitationskräfte zusammen und werden zu Planeten – Gesteinsplaneten oder, wenn der Brocken ab einer gewissen Größe große Mengen von Gas anzieht und bei sich halten kann, Gasplaneten.

Braune Zwerge

Erreicht so eine überdichte Region nicht die nötige Masse, dass in ihrem Zentrum die Wasserstoff-Kernfusion einsetzt, entsteht ein Brauner Zwerg – ein “gescheiterter Stern”, eine Art Mittelding zwischen Stern und Planet. Die Massen solcher Braunen Zwerge liegen etwa zwischen dem Zehnfachen und dem Siebzigfachen der Jupitermasse.

Ein paar andere Kernfusionsreaktionen, etwa zwischen Deuteriumkernen, können in solch einem Braunen Zwerg kurzfristig ablaufen; ohne das Wasserstoffbrennen wird er aber kein auch nur annähernd so hell leuchtendes Gebilde wie ein Stern. Längerfristig zieht sich ein Brauner Zwerg langsam immer weiter zusammen und strahlt die dadurch freigesetzte Energie insbesondere als Infrarotstrahlung ins All.

Sternhaufen

Die Wolken, in denen neue Sterne entstehen, enthalten Material mit Gesamtmassen zwischen einigen hundert und einigen Millionen Mal der Sonnenmasse. In sehr kleinen Wolken oder in isolierten Regionen von größeren Wolken (“Globulen”) entstehen dabei typischerweise nur ein oder ein paar eher massearme Sterne, mit weniger als doppelt soviel Masse wie die Sonne. Kollaiberen größere Wolkenregionen, so entstehen typischerweise gleich ganze Gruppen von Sternen, die dann einen offenen Sternhaufen bilden, in dem sich dann auch ein paar massereiche Sterne finden. Massereiche Sterne strahlen deutlich stärker als massearme, regen vor allem mit ihrer Ultraviolettstrahlung das verbliebene Wasserstoffgas zum Leuchten an (Emissionsnebel) und pusten es nicht selten ganz aus der Region heraus, in der die Sterne entstanden sind. Das Resultat sieht dann aus wie bei diesem Sternentstehungsgebiet hier, NGC 3603, aufgenommen wiederum vom Weltraumteleskop Hubble (Bild: NASA/ESA/Hubble Heritage [STScI/AURA]-ESA/Hubble Collaboration):

alt

In diesem Falle ist direkt erkennbar, dass die Sterne zusammengehören und einen im Zentrum deutlich dichteren Haufen bilden. Weniger stark gebundenen Ansammlungen, sogenannten Sternassoziationen, sieht man die Zusammengehörigkeit oft auf den ersten Blick gar nicht an. Bei einigen Sternhaufen lässt sich nur anhand der Tatsache, dass sich die betreffenden Sterne in ungefähr die gleiche Richtung bewegen, feststellen, dass sie zusammengehören (“Bewegungshaufen”).

Im Laufe von ein paar Millionen bis hunderten von Millionen Jahren laufen die Sterne eines Haufens auseinander – bei lose gebundenen Haufen reichen dabei schon die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Sterne aus; bei stärker gebundenen Haufen, weil darin immer wieder Sterne so nahe aneinander vorbeifliegen, dass mindestens einer davon aus dem Haufen geschleudert wird. Stärker gebundene Kugelsternhaufen, deren (zahlreiche!) Mitglieder nicht auseinanderlaufen, sondern über Milliarden Jahre hinweg beisammenbleiben, werden wir später noch kennenlernen.

Hauptreihensterne und der Zusammenhang Farbe-Temperatur

Ein Stern, der die turbulenten frühen Phasen hinter sich gelassen hat, “brennt” recht stabil vor sich hin weiter. Als “Hauptreihenstern” (benannt nach der Einordnung des Sterns im sogenannten Hertzsprung-Russel-Diagramm, einer grafischen Darstellung in der Sterne ihrer Helligkeit und Temperatur entsprechend platziert werden) hat er ein mehr oder weniger langes Leben vor sich.

Näherungsweise gilt dabei: Je größer die Masse eines Hauptreihensterns, desto größer ist auch sein Radius, desto mehr Strahlung sendet er aus, und desto höher ist die Temperatur derjenigen äußeren Sternschicht (“Photosphäre”), aus denen uns der Löwenanteil der Strahlung erreicht. Die Wertebereiche sind dabei durchaus weit gefasst: Hauptreihensterne können weniger als ein Zehntel der Sonnenmasse haben, aber auch mehr als hundert Sonnenmassen – massereichere Sterne sind dabei im Vergleich mit denen geringerer Masse ungleich seltener. Ihre Radien können zwischen einem Zehntel Sonnenradius und mehreren Dutzend Sonnenradien liegen.

 2600 K   –   VB 10 (Roter Zwergstern)
 3500 K   –   Beteigeuze (Roter Riesenstern)
 4500 K   –   Pollux (Roter Riesenstern)
 5800 K   –   Sonne (Hauptreihenstern)
 6700 K   –   Prokyon A (Hauptreihenstern)
 9900 K   –   Sirius A (Hauptreihenstern)
12300 K   –   Rigel A (Überriese)

Die Temperatur der Photosphäre bestimmt ganz allgemein, wieviel Licht der Stern bei welchen Wellenlängen aussendet. Ein grobes Maß für das entstehende Lichtgemisch und damit für die Temperatur ist die Farbe des Sternenlichts. In der Physik der Strahlung ist es dabei gerade umgekehrt als in unserer Alltagserfahrung, die ja blau mit Kälte und rot mit Hitze assoziiert.

Die Aufstellung rechts zeigt eine Auswahl von Sternfarben, als RGB-Farben umgesetzt entsprechend dem Schema auf dieser Seite von Mitchell Charity. Außer der Temperatur ist jeweils ein Beispielstern aufgeführt. Die unterschiedlichen Farben kann man zumindest erahnen, wenn man die betreffenden Sterne mit dem bloßen Auge am Himmel beobachtet.

Hauptreihensterne können Temperaturen zwischen rund 2000 K (kältere Rote Zwergsterne) und 50.000 K (O-Sterne, die dann entsprechend bläulich leuchten) aufweisen.

Spätere Phasen des Sternlebens

Wie lange der Wasserstoffvorrat eines Sterns vorhält, wie lange das Wasserstoffbrennen in seinen Zentralregionen also weitergehen kann, hängt direkt von der Sternmasse ab. Ein Stern mit mehr Masse hat zwar viel Wasserstoff, aber seine Dichte und Temperatur sind auch viel höher, so dass die Fusionsreaktionen deutlich schneller ablaufen – ab bestimmten Temperaturen sind dies zudem andere, effektivere Reaktionen (“CNO-Zyklus”) als bei Sternen niedrigerer Temperatur. Für sehr massereiche Sterne dauert die Hauptreihenphase (“Lebensdauer”) daher deutlich weniger lange als für massearme Sterne. Das folgende Diagramm zeigt den ungefähren Zusammenhang:

altFür einen Stern mit der Masse von 10 Sonnen dauert das Wasserstoffbrennen im Kern nur einige Millionen Jahre. Man vergleiche dies mit unserer Sonne, die schon für rund 5 Milliarden Jahre am brennen ist und damit ungefähr die Hälfte ihrer Lebensdauer erreicht haben dürfte.

altNach Ende des Wasserstoffbrennens im Kern hängt das Sternenschicksal wiederum von der Masse ab. Sterne wie unsere Sonne können noch eine weitere Kernfusionsphase zünden; das Helium, das während des Wasserstoffbrennens erzeugt wurde, fusioniert dann zu schwereren Kernen. Das Wasserstoffbrennen geht in einer äußeren Schale weiter; dabei bläht sich der Stern dann um den Faktor hundert auf; seine äußeren Regionen werden dabei kühler: der Stern wird zum Roten Riesen. Nach erlöschen des Heliumbrennens im Kern kann sich dieser Prozess übrigens noch einmal wiederholen.

Vor allem in den spätesten Rote-Riesen-Stadien treten bachtliche Sternwinde auf, in denen Teilchen der äußeren Hüllenregionen ins All abströmen. Wo die Sonne pro Jahr nur rund ein hundertstel billionstel ihrer Masse (10-14) als Sonnenwind ins All pustet, können es bei Roten Riesen eine Million mal soviel oder noch mehr, zwischenzeitlich vielleicht sogar bis zu einer zehntausendstel Sonnenmasse pro Jahr sein. Auf diese Weise verliert so ein Stern die Hälfte seiner Masse oder noch mehr. Sind auf diese Weise die heißen inneren Regionen des Sterns freigelegt, regen sie das ausgeworfene Material zum Leuchten an. Das ergibt einen sogenannten planetarischen Nebel – die Bezeichnung hat historische Gründe; mit Planeten haben solche Nebel direkt nichts zu tun. Einige planetarische Nebel gehören zu den schönsten astronomischen Beobachtungsobjekten überhaupt; ein Beispiel, den Helixnebel, zeigt das Bild oben (Quelle: ESO).

Im Inneren des Nebels bleibt ein Objekt zurück, das nur noch etwa so groß ist wie die Erde und lange Zeit eine recht hohe Temperatur besitzt – ein Weißer Zwerg(stern). Vor dem Kollaps wird solch ein Stern nur noch durch ein grundlegendes Gesetz der Quantenmechanik, das besagt, dass sich quantenmechanische Teilchen (in diesem Falle Elektronen) nicht alle am gleichen Ort befinden können. Viel passiert nicht – der Stern strahlt weiter Licht ab, kühlt dabei immer mehr ab, wird so auf langen Zeitskalen (länger als die bisherige Lebensdauer des gesamten Kosmos) immer dunkler und letztlich ein Schwarzer Zwerg.

Sterne unterhalb etwa einer halben Sonnenmasse können das Endstadium Weißer Zwerg übrigens auch ohne das dazwischenliegende Heliumbrennen erreichen.

Das dramatische Ende massereicher Sterne

Für deutlich massereichere Sterne geht das Leben dramatischer weiter. Ich habe bereits bei den massearmeren Sternen eine Reihe von Details übersprungen und will dies auch hier tun; wichtig ist, dass die Verschmelzung von Atomkernen zu immer schwereren Varianten irgendwann ein Ende hat. Ab einer bestimmten Kernmasse wird bei der Verschmelzung keine weitere Energie freigesetzt, sondern gebunden! Ist für einen massereichen Stern das Stadium erreicht, indem keine weitere Kernfusion möglich ist, kommt es zu einem katastrophalen Kollaps. Dabei entsteht aus den Kernregionen ein sogenannter Neutronenstern, eine Art gigantischer Atomkern, stabilisiert durch den schon erwähnten Effekt der Quantentheorie, nach dem sich Teilchen (in diesem Falle Neutronen) nicht alle am gleichen Ort aufhalten können. Neutronensterne haben eine enorme Dichte. Eine Materiemenge mit dem Volumen eines Teelöffelvolls würde soviel Masse besitzen wie ein ganzer irdischer Gebirgszug.

Bei der Entstehung des Neutronensterns werden die äußeren Sternregionen nach außen geschleudert. Das geschieht zum einen, weil sich das Material beim Übergang zur Neutronenmaterie so verändert, dass es plötzlich viel mehr Druck ausübt als vorher – dieser Druck verlangsamt den Kollaps und kann ihn sogar umkehren. Zum anderen entstehen bei diesem Übergang große Mengen an Neutrinos. Diese Elementarteilchen, die bereits in Teil 4 als Boten aus dem Sonneninneren vorkamen, sind zwar eigentlich dafür bekannt, dass sie auch große Mengen an Materie ungehindert durchdringen können. Unter extremen Verhältnissen wie in bestimmten Regionen des hier beschriebenen Sternkollapses kommt es zumindest soweit zu einer Wechselwirkung, dass die Neutrinos einen Bruchteil ihrer Energie an die “normale” Sternmaterie abgeben und so dazu beitragen können, dass sich der Kollaps in eine Explosion umkehrt.

Was da passiert, ist noch nicht im Detail verstanden. Dass es zur Explosion kommt, genauer zur Kernkollaps-Supernova(explosion), kurz Supernova, ist unstrittig, denn hier kommen direkte Beobachtungen ins Spiel: Durch die Explosion leuchtet der sterbende Stern ein letztes Mal auf, und zwar so hell, dass er im Extremfall seine gesamte Heimatgalaxie überstrahlen kann. Daher rührt auch ein Teil des Namens für dieses Phänomen: von dem neuen Stern, dem “stella nova”, den Astronomen in historischer Zeit plötzlich am Himmel sahen, wenn eine Supernovaexplosion stattgefunden hatte. Übrig bleibt neben dem erwähnten Neutronenstern ein Supernovaüberrest, ein expandierender Nebel: die herausgeschleuderte Materie, die sich immer weiter ausdehnt und sich immer weiter mit den interstellaren Medium vermischt. Das Bild unten zeigt ein bekanntes Beispiel: den Krebsnebel, Überrest einer Supernova, deren Aufleuchten auf der Erde im Jahre 1054 beobachtet wurde (Bild: ESO).

alt

Der Neutronenstern macht sich unter geeigneten Umständen in interessanter Weise bemerkbar. Typischerweise rotiert solch ein Sternenrest sehr schnell (hier ist der Sternenrest, dessen Materie sich beim Kollaps zusammengezogen hat, analog zu einer Eisläuferin, die ihre Arme anzieht und so aus einer langsamen Drehung eine schnelle macht). Ein vergleichbarer Effekt, freilich ohne alltägliche Entsprechung, lässt die Magnetfelder beim Kollaps stark wachsen. Die Wechselwirkung zwischen starken Magnetfeldern und schneller Rotation des Neutronensterns führt dazu, dass eine Reihe solcher Sterne eng gebündelte Radiostrahlung aussenden, und zwar in zwei entgegengesetzte Richtungen. Damit kann ein ähnliches Phänomen auftreten wie auf der Erde altbei einem Leuchtturm, dessen gebündelte Strahlen rotieren; für ein Schiff, das den Leuchtturm beobachtet, scheint sein Licht aufzublinken, immer dann, wenn der Strahl über das Schiff streicht. Analog sind eine ganze Reihe von Neutronensternen Pulsare, deren Strahlungsbündel die Erde überstreichen und die deswegen ebenfalls regelmäßig zu blinken scheinen. Übrigens nicht nur im Radiobereich, sondern zum Teil auch im sichtbaren Licht oder bei noch deutlich hochenergetischerer Strahlung. Das Bild rechts zeigt den Vela-Pulsar, von dem wir in kurzen Abschnitten hochenergetische Gammastrahlung empfangen (Bild: NASA/DOE/Fermi LAT Collaboration).

Für sehr massereiche Sterne kann es sein, dass selbst der Neutronenstern-Zustand nicht stabil ist. Sie dürften zu Objekten werden, die so kompakt sind, dass ihrer Schwerkraft noch nicht einmal Licht entkommen kann: Schwarzen Löchern, abgekapselten Raumbereichen, aus denen nichts, was einmal hineingeraten ist, je wieder hinausgelangen kann. Schwarze Löcher, die als Endzustand massereicher Sterne entstanden sind, heißen dementsprechend auch stellare Schwarze Löcher. Den Modellrechnungen nach ist zu erwarten, dass sie Massen zwischen dem dreifachen und einigen Dutzend Mal der Sonnenmasse haben. (Wohlgemerkt sind dies die Massen der Schwarzen Löcher selbst; die Masse des ursprünglichen Sterns, aus dem das Schwarze Loch entstanden ist, muss deutlich höher gelegen haben.)

Sogenannte Hypernovae (singular: Hypernova), Explosionen von besonders massereichen Sternen, sind deutlich schlechter verstanden als Supernovae. Eine Variante davon, ein sogenannter Kollapsar, dürfte stattfinden, wenn auf den in Entstehung befindlichen Neutronenstern soviel Materie zurück fällt, dass die Kernregion dann doch zu einem Schwarzen Loch kollabiert. Im Laufe dieses Prozesses können zwei Jets entstehen, zwei entgegengesetzte Strahlenbündel, in denen große Mengen an Teilchen und elektromagnetischer Strahlung ausgestoßen werden. Dass ein solches Strahlenbündel direkt auf irdische Beobachter zeigt, gilt als Erklärung für eine Variante der sogenannten Gammablitze oder Gammastrahlenausbrüche (nämlich die Langzeit-Gammablitze): ein extrem energiereiches Aufblitzen unter anderem im Bereich hochenergetischer Gammastrahlung, das so hell ist, dass es selbst dann nachweisbar ist, wenn das entsprechende Ereignis am anderen Ende des beobachtbaren Universums stattgefunden hat.

Schwarze Löcher (und bereits einige der Phänomene im Zusammenhang mit Neutronensternen!) lassen sich mit dem üblichen, auf Isaac Newton zurückgehenden Gravitationsgesetz nicht mehr beschreiben. Sie werden im Rahmen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie modelliert, die in der Astrophysik zur Beschreibung und Modellierung von Situationen mit starker Gravitation unverzichtbar ist.

Dass Materie von weither auf ein kompaktes Objekt zufällt – und dafür sind Schwarze Löcher nun einmal Extrembeispiele! – ist einer der effektivsten Energiefreisetzungsmechanismen überhaupt. Die einfallende Materie muss freilich irgendwoher kommen. Am einfachsten ist die Lage, wenn da außer dem Schwarzen Loch noch ein anderes Objekt ist. Wie praktisch, dass Sterne oft in Paaren oder noch größeren Lebensgemeinschaften vorkommen!

Doppel- und Mehrfachsterne

Wie erwähnt entstehen Sterne oft gleich zu mehreren. Rund zwei Drittel aller Sterne sind auch heute noch nicht allein, sondern umkreisen sich mit einem Partner (Doppelsternsystem oder kurz Doppelstern) oder gleich mit mehreren (Mehrfachstern).

Dabei kann es durchaus vorkommen, dass die Sterne sich nicht nur gegenseitig umkreisen, sondern noch auf andere Weise miteinander in Wechselwirkung stehen. Wenn beispielsweise ein Weißer Zwerg und ein größerer Begleiterstern ein hinreichend enges Paar bilden, kann es sein, dass sich Materie des Begleiters (vor allem Wasserstoff) auf dem Weißen Zwerg sammelt. Ab einer bestimmten Menge setzt auf der Oberfläche des Weißen Zwergs abrupt Wasserstoff-Kernfusion ein – zumindest ein paar Wochen lang, während derer der Weiße Zwerg hell aufleuchtet; das kosmische Analogon zur Explosion einer Wasserstoffbombe. Diese Erscheinung wird als Nova bezeichnet (wiederum, weil Astronomen vergangener Zeiten dabei einen vorher nicht sichtbares Objekt als neuen Stern, stella nova, aufleuchten sahen). Der Prozess kann sich übrigens mehrmals wiederholen!

Zu einer noch größeren Explosion kann es kommen, wenn der Weiße Zwerg soviel Masse ansammelt, dass nicht nur der Wasserstoff, sondern gleich ein Großteil der Materie des Weißen Zwergs (die hier in Form von Kohlenstoff vorliegt) mit Kernfusionsreaktionen beginnt. Dieser Vorgang wird als Supernova vom Typ Ia beobachtet (nicht zu verwechseln mit den schon erwähnten Kernkollaps-Supernovae). Solche Supernovae werden für uns später noch eine Rolle spielen.

altHaben wir es mit einem Doppelstern zu tun, dessen eine Komponente ein sehr kompaktes Objekt ist, nämlich ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch, so wird besonders viel Energie freigesetzt. Rechts ist eine künstlerische Darstellung einer solchen Situation zu sehen [Bild: ESA/NASA/Felix Mirabel (French Atomic Energy Commission and Institute for Astronomy and Space Physics/Conicet of Argentina)]. Die Materie stammt von dem Stern rechts. Typisch ist, dass sie nicht direkt in das kompakte Objekt (z.B. direkt in das Schwarze Loch) fällt, denn dazu müsste der Stern unrealistisch genau “zielen”. Stattdessen sammelt sich die Materie zunächst rund um das kompakte Objekt in einer “Akkretionsscheibe”.

Die Bewegungsenergie, die die Materie beim Sturz in Richtung kompaktes Objekt  gesammelt hat, wird in dieser Scheibe durch Zusammenstöße in Wärmeenergie umgesetzt. Die Scheibe heizt sich auf Millionen Grad (Kelvin oder Celsius macht da keinen Unterschied) auf und strahlt dadurch, wie jeder so heiße Körper, extrem hell – nicht nur im sichtbaren Licht, sondern bis hinauf zum hochenergetischen Röntgenlicht. So entsteht in unmittelbarer Umgebung eines kompakten Objekts eine der hellsten Strahlungsquellen im Kosmos. Durch Magnetfelder in der Scheibe tritt außerdem das Phänomen auf, dass wir ebenfalls von jungen Sternen kennen: dass nämlich Materie aus der unmittelbaren Nähe des Schwarzen Lochs wieder nach außen geschleudert wird – als sogenannter Jet (wie wir ihn schon kurz im Zusammenhang mit Kollapsaren und Gammablitzen kennengelernt hatten), nämlich als eng gebündelter Teilchenstrahl in zwei entgegengesetzte Richtungen senkrecht zur Scheibe. Ein solches Objektpaar mit starker Röntgenstrahlung heißt auch Röntgen-Doppelstern;  ist das kompakte Objekt ein Schwarzes Loch, so heißt das Objekt auch Mikroquasar. Die Großversion um deutlich massereichere Schwarze Löcher werden wir später noch kennenlernen.

Die Physik der Scheibenbildung und der Entstehung von Jets ist übrigens für die hier geschilderte Situation die gleiche wie für die Scheiben und Jets um gerade entstehende Sterne und für die Jets von Kollapsaren, die wir oben bereits kennengelernt haben; bei den massereichen Schwarzen Löchern und den aktiven Galaxien wird uns die Kombination Scheibe-Jet dann noch ein weiteres Mal begegnen. Ein schönes Beispiel dafür, wie sich mit ein und derselben Sorte physikalischer Prozesse Situationen auf ganz unterschiedlichen Größenskalen beschreiben lassen.

Neutronen-Doppelsterne

Auch zwei Neutronensterne können sich gegenseitig als Komponenten eines Doppelsterns umkreisen. Da sie sehr kompakte Objekte sind, spielen die Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie dabei eine große Rolle, denn die beteiligten Gravitationskräfte sind sehr stark. Wenn mindestens einer der beiden Neutronensterne ein Pulsar ist, von dem uns in höchst regelmäßigen Abständen Strahlungspulse erreichen, dann liefern diese Pulse und die genau messbare Art und Weise, in der sich die Pulsfolge mit der Zeit verändert, präzise Informationen über die Eigenschaften des Systems – und ermöglichen es, Effekte wie die gravitative Zeitdehnung, die Lichtablenkung und die sogenannte Periheldrehung von Umlaufbahnen, wie sie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt werden, mit sonst nicht erreichbarer Genauigkeit nachzuweisen.

Einer dieser Effekte ist etwas Besonderes: Wenn sich so kompakte Objekte wie die Neutronensterne umkreisen, dann regen sie den sie umgebenden Raum zu einer Art Schwingung an. Dabei entstehen Gravitationswellen, winzige Störungen der Raumgeometrie, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Weil das System dabei Energie verliert, kommen die Neutronensterne sich dabei im Laufe der Zeit immer näher, und ihre Umlaufzeit nimmt in charakteristischer Weise ab. Das wiederum lässt sich nachweisen; für diesen ersten indirekten Nachweis von Gravitationswellen bekamen Russell Hulse und Joseph Taylor 1993 den Physik-Nobelpreis.

Am Ende geht die Umkreisung dadurch, dass der Abstand zwischen den Neutronensternen immer weiter schrumpft, in eine Verschmelzung über. Kurz vor und während der Verschmelzung werden gewaltige Energiemengen in Form von Gravitationswellen ausgesandt – ein interessantes Signal für die derzeit an mehreren Orten auf der Erde betriebenen Gravitationswellendetektoren, die sich (bislang noch ohne Erfolg) bemühen, Gravitationswellen, die uns aus der Tiefe des Weltraums erreichen, direkt nachzuweisen. Eine solche Verschmelzung gilt außerdem als Verursacher der Kurzzeit-Gammablitze; wie schon erwähnt handelt es sich bei Gammablitzen oder Gammastrahlenausbrüchen jeweils um ein extrem energiereiches Aufblitzen unter anderem im Bereich hochenergetischer Gammastrahlung, das so hell ist, dass es selbst dann nachweisbar ist, wenn das entsprechende Ereignis am anderen Ende des beobachtbaren Universums stattgefunden hat.

Die chemische Evolution

In der Frühzeit des Universums, auf die wir im Abschnitt Kosmologie noch zurückkommen werden, gab es an Atomkernen nur Wasserstoff (ein Wasserstoffatomkern = ein Proton), Helium (ein Heliumatomkern = zwei Protonen, zwei Neutronen) und Spuren anderer Atomkernsorten (Deuterium, Lithium).

Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Eisen, die für die Chemie von Lebewesen entscheidende Rollen spielen, sind erst später entstanden: Bei der Kernfusion im Inneren von Sternen. Durch Sternwinde (abströmende äußere Sternschichten), die Entstehung planetarischer Nebel (wie weiter oben beschrieben: das passiert bei masseärmeren Sternen) und insbesondere durch Supernovaexplosionen (das Ende massereicher Sterne) gelangen diese Elemente dann in den Weltraum hinaus, genauer: Sie reichern das interstellare Medium an, die Materie, die zwischen den Sternen umhertreibt.

Die allererste Generation von Sternen muss sich aus Gaswolken gebildet haben, die fast ausschließlich aus Wasserstoff und Helium bestanden. Solch eine chemische Zusammensetzung ist ungünstig, soll durch den Kollaps von Materie ein Stern entstehen. Dazu  muss sich die Materie nämlich hinreichend dicht zusammenziehen, und geht nur, wenn es ihr gelingt, gehörige Mengen an Energie abzustrahlen. Beim Abstrahlen wiederum sind Wasserstoff und Helium nicht sehr effektiv. In späteren Sterngenerationen helfen die (geringen) Anteile an Molekülen wie z.B. Kohlenmonoxid bei der Abstrahlung. Bei den ersten Sternen muss zum Ausgleich besonders viel Masse vorhanden sein, damit es überhaupt zum Kollaps kommen kann. Die ersten Sterne dürften hundert oder noch mehr Sonnenmassen besessen haben. Dementsprechend dauerte es nicht lange (vgl. oben die Aussagen zum Verhältnis der Masse von Sternen zu deren Lebensdauer), bis sie als Supernovae explodierten, wahrscheinlich sogar als solche, die alle heutigen derartigen Explosionen in den Schatten stellen würden.

Die ersten Supernovae bliesen die ersten größeren Mengen an Elementen schwerer als Wasserstoff und Helium in den Weltraum hinaus. Im Sprachgebrauch der Astronomen heißen alle solche Elemente schwerer als Wasserstoff und Helium übrigens “Metalle”, obwohl Chemiker vermutlich ob dieser merkwürdigen Sprachregelung die Nase rümpfen. Die zweite Generation von Sternen bildete sich dann bereits aus etwas angereicherten Gaswolken. Möglich, dass die ältesten Sterne, die man bisher gefunden hat, schon in diese Generation gehören.

Das Vorhandensein schwererer Elemente ist insbesondere wichtig dafür, dass sich um Sterne späterer Generationen Planeten mit festen Kernen bilden konnten, auf denen aus Elementen wie Kohlenstoff Leben entstand. Dass es uns gibt, verdanken wir längst vergangenen Sterngenerationen. Und irgendwann lasse ich mir tatsächlich ein schönes T-Shirt drucken, auf dem steht: “Ich war eine Supernova”.

Weiter geht es mit Teil 6: Exoplaneten

 


Ich danke meinen Kollegen Carolin Liefke und Jakob Staude für hilfreiche Anmerkungen zu diesem Text.

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

3 Kommentare

  1. Schwarze Löcher

    Hallo,
    für mich als Laie klingt es so, als wäre ein Schwarzes Loch das absolute Endstadium eines Sterns. Die Löcher wachsen mit der Zeit und werden immer größer.
    Und irgendwann in Billionen von Jahren gibt es nur noch ein Paar riesige Schwarze Löcher im Universum.

    Ist das Quatsch oder kann ein Schwarzes Loch sich auch wieder “auflösen”?

    • Ich weiß nicht, ob es nach 7 Jahren noch hilft :), aber ja theoretisch ist das tatsächlich so. Der einzige Mechanismus über den sich Schwarze Löcher auflösen können ist Hawking Strahlung. Ein Prozess, den man nur mit Quantenmechanik verstehen kann, der aber im Prinzip nur aussagt, dass schwarze Löcher mit der Zeit durch eine Form der Strahlung Masse verlieren. Diese Zeit bis sich ein schwarzes Loch auflöst ist allerdings sehr, sehr groß (außer wenn es sich um sehr kleine schwarze Löcher handelt).

  2. DAS LEBEN DER STERNE

    Deklination und Rektaszension
    bestimmen die Sternposition.
    Die Parallaxe indessen
    hilft uns beim Entfernung messen.

    Mehr Erkenntnisse bringt uns dann
    das Hertzsprung-Russel Diagramm.
    Der Sterne Aufbau und Wesen
    an der Stellung abzulesen.

    Wir sehen Sterne blau und rot,
    neugeboren, auch kurz vorm Tod;
    oder uns’rer Sonne ähnlich,
    mittelalt und leuchtend gelblich.

    Da gibt es Riesen und Zwerge
    verschiedenster Leuchtstärke;
    Solisten und Mehrfachsterne,
    recht nah und in weiter Ferne.

    All dieser Sonnen Profession
    ist im Innern die Kernfusion.
    Eruption und Protuberanz
    sind nur oberflächlicher Tanz.

    Sternenheimat sind Galaxien,
    die mit ihnen durchs Weltall zieh’n.
    Meist von Planeten umgeben,
    gibt’s ohne Sterne kein Leben.

    Die Sterne sind bis zum Ende
    Geburtsort der Elemente.
    Für Elemente superschwer
    muss eine Supernova her.
    Der Mensch, ein Kind der Sterne,
    betrachtet’s aus der Ferne.

    LEBEN AUS DEN STERNEN

    Sind wir im Universum allein,
    ist weit draußen nur totes Gestein?
    Zahllose Sterne am Himmel steh’n,
    zahllose Planeten daneben.
    Sollte man nirgendwo Leben seh’n,
    zu höchster Komplexität streben?
    Von Mikroben könnte es wimmeln
    unter herrlichen Exo-Himmeln.

    Sterne entstehen und vergehen,
    das ist im All Normalgeschehen.
    Wir alle kommen von den Sternen,
    wo die Elemente geboren.
    Kein Atom in des Kosmos Fernen
    geht im großen Zyklus verloren.
    So werden in allen Galaxien
    Lebenskeime ihre Kreise zieh’n.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus der Skatstadt

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