Leuchtende Zellen im Land der aufgehenden Sonne

BLOG: Reactions

Der BASF-Forschungsblog
Reactions

Gerade haben wir die polnische Ostseeküste überflogen, und ich nutze die Meilen bis Frankfurt, um die ersten Blogzeilen aufs Papier zu bringen. Eigentlich wollte ich mit meinem Auftaktartikel erst einmal mein Forschungsfeld umreißen. Aber Blogs haben immer auch Tagebuchcharakter – deshalb ist mir mehr danach, von unserer Reise nach Japan zu erzählen, in die Wiege der Unterhaltungselektronik und die Spielstube der organischen Elektronik.

Im vergangenen Jahr hat die BASF den Baseler Chemiekonzern Ciba übernommen, und damit sind wir in Asien mit neuen Forschungsstandorten vertreten. Einer davon ist das japanische Amagasaki im Industriedreieck zwischen Osaka und Kobe – bekannt für Stahl-, Chemie- und Textilproduktion. Vor ein paar Tagen habe ich mich zum ersten Mal mit den neuen Kollegen in Amagasaki getroffen, um unsere Entwicklungsrichtungen zu diskutieren und die Partner an den japanischen Hochschulen kennenzulernen. Wir arbeiten zwar alle an dem gemeinsamen Thema organische Photovoltaik (OPV), aber Herangehensweise und Fokus sind doch von dem jeweiligen Forschungsumfeld geprägt. Während in Japan ein deutlicher Schwerpunkt auf den farbstoffsensibilisierten Solarzellen liegt, verteilen sich in Europa und USA die Aktivitäten mit einem leichten Übergewicht für organische Heterojunction-Zellen.

Japan hat bereits vor einigen Jahren ein ambitioniertes Programm aufgelegt, dessen Ziel es ist, die Stromgestehungskosten durch Photovoltaik (PV) bis zum Jahr 2030 unter 10 Yen/kWh oder umgerechnet 8 Cent/kWh zu senken. Das sind die Kosten, die man aufwenden muss, um eine andere Energieform in elektrischen Strom umzuwandeln. Zum Vergleich: derzeit liegen die Kosten in Europa für Strom aus fossilen Energieträgern noch bei 25 Cent/kWh, in Japan sogar bei 35 ct/kWh. Ende 2009 hat das japanische Wirtschaftsministerium die staatliche Förderung mit einem neuen Einspeisetarif verlängert – mit dem Resultat, dass sich der Photovoltaik-Absatz zum Vorjahr verdoppelte.(1)

Sieht man einmal von den Förderprogrammen ab, dann lassen sich die Ziele nur erreichen, wenn man entsprechend kosteneffiziente PV-Technologien entwickelt.(2) Organische Solarzellen sind ein Hauptthema des Programms und werden in Japan von über 200 Firmen mit unterschiedlicher Intention und Intensität beforscht. Dabei spielt nicht nur die Entwicklung von Materialien, Bauteilen und Prozesstechnologie eine wichtige Rolle, sondern auch die Anwendung in Systemen außerhalb der klassischen Anwendungsgebiete  (Dach, Farm und Fassade). Solche Anwendungen wie z.B. in Sensoren oder zur Zusatzversorgung mobiler Kleingeräte bieten Anreize für Elektronikfirmen, die Vorteile der organischen Solarzellen in diesen Märkten zu nutzen. Für uns als Entwickler von Materialien für organische Solarzellen sind diese Märkte interessant. Hier sammeln wir Erfahrungen mit der Technologie und überbrücken die Phase bis zur Reife für den Einsatz in und auf Gebäuden.

Einer der aktivsten und am besten vernetzten Forscher auf dem Gebiet ist Professor Satochi Uchida von der University of Tokyo, den ich bereits von meinem Besuch in 2006 kenne. Damals noch an der Tohoku-Universität in Sendai, hat er sich weitgehend auf eigene Kosten in das Gebiet der organischen Photovoltaik eingearbeitet und in 2006 einige der effizientesten farbstoff-sensibilisierten Solarzellen (DSC) publiziert. Danach haben viele Firmen Mitarbeiter zu ihm gesandt, denen er die Geheimnisse des Zellenbaus beigebracht hat – unter anderem auch den Kollegen in Amagasaki. Heute arbeitet er erfolgreich an neuen Zellkonzepten, bei denen besonders die starke Licht-Absorption organischer Farbstoffe genutzt wird. Im Pausenhof seines Instituts an der University of Tokyo stehen ein paar Hocker, in deren Sitzfläche DSC-Module der Firma Aisin-Seiki eingelassen sind. Wenn keiner darauf sitzt, produzieren die Module die Energie für LEDs, die aus den Seiten der Hocker Licht spenden. So kann es auch mal spät werden im Labor, und man stolpert nicht im Dunklen in diese Raucherecke.

Was heute noch Laborkult ist, könnte in zehn Jahren in Privathaushalten stehen: Nach bisherigen Prognosen ist die organische Photovoltaik 2020 soweit, dass wir sie in buchstäblich jeder Oberfläche anwenden können – was das heißt, folgt in einem der nächsten Blogs.

Im Sommer kommen die Kollegen aus Amagasaki zum Gegenbesuch. Bis dahin wird  gechattet und über Telefon und Video-Konferenzen zusammengearbeitet.

(1) “Japan evaluiert Photovoltaik-Einspeisetarife.” photovoltaik-Magazin online, Februar 16, 2010.

(2) Eine traditionelle 3.5 kilowatt Solaranlage kostet in Japan im Durchschnitt 2.25 Million Yen (ca. 18.300 Euro). Horiuchi, Kyoko. “Subsidies for home solar panels drying up fast.” The Asahi Shimbun, August 26, 2009.

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Dr. Peter Erk studierte Chemie an der Universität Würzburg und promovierte zu metallisch leitfähigen organischen Radikalanionensalzen. Nach einem Forschungsjahr an der Stanford University bei Prof. James P. Collman arbeitete er mehrere Jahre im Bereich Pigmentforschung der BASF mit dem Schwerpunkt auf Polymorphie und Grenzflächeneigenschaften von Lackpigmenten. Seit 2001 gestaltet er die Projekte der BASF zu OLEDs und zu Organischen Solarzellen mit und leitet zurzeit die Gruppe Bauteil-Entwicklung für beide Technologien im Joint Innovation Lab Organic Electronics der BASF. Als technischer Projektleiter und Research Director ist er global für die Forschung an organischen Solarzellen zuständig.

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