Fühlst du den Mond da stehen?

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Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

Nicht sehr überraschend fand ich die Meldung der Max-Planck-Gesellschaft nach der der Mond unseren Schlaf nicht beeinflusst. Die Blogger-Kollegin Ute Gerhard gab mir dazu auf Twitter recht: “Warum sollte er auch? Ich hab das eh’ nie verstanden.” Ja, wie soll der Mond den Schlaf von Menschen beeinflussen?

Dass das Mondlicht, wenn es direkt auf das Kopfkissen scheint, uns den Schlaf rauben kann, ist trivial. Aber dieser Effekt, der sich durch geeignete Verdunklung leicht ausschalten lässt, ist in der Regel nicht gemeint, wenn Leute über Einflüsse des Mondes auf den menschlichen Organismus spekulieren.

Es gibt nur zwei physikalische Kräfte, über die die Mondphase einen Einfluss auf der Erdoberfläche haben könnte: Die elektromagnetische Kraft und die Gravitation. Die anderen beiden fundamentalen Kräfte reichen zu kurz. Von diesen fällt die elektromagnetische aus. Der Mond hat weder ein Magnetfeld, das der Rede wert wäre, noch ist er stark geladen. Licht von der Mondoberfläche lässt sich, wie gesagt, gut abschirmen. Bleibt die Gravitation.

Den Gravitationseinfluss des Mondes kennen wir Küstenmenschen1 gut. Nur haben Ebbe und Flut gar nichts mit Mondphasen zu tun. Ebbe und Flut wiederholen sich alle 12 Stunden, denn schließlich dreht sich die Erde in etwa 24 Stunden unter dem Mond hindurch und so schnell laufen auch die zwei Flutberge um die Erde, einer unter dem Mond und einer der Fliehkraft wegen gegenüber. So greift also das Argument “Weil der Mond das Wasser beeinflusst, kann er auch den menschlichen Körper beeinflussen” zu kurz.

Die Mondphasen die sich alle 29½ Tage wiederholen, ergeben sich nicht aus der Mondbewegung allein, sondern aus dem sich ändernden Winkel zwischen Mond und Sonne. Sind die beiden Himmelskörper auf derselben Seite, haben wir Neumond. Bei Vollmond stehen sie einander gegenüber. Alle etwas mehr als 14 Tage verursacht das die so genannte Springtide, einen besonders großen Tidenhub zwischen Ebbe und Flut.

Die Gravitationsunterschiede, die durch den Mond verursacht werden, sind extrem klein. Er ist um den Faktor 80 leichter als die Erde und 60 mal weiter weg als der Erdmittelpunkt. Wir alle sind im Schlaf weit größeren Umwelteinflüssen ausgesetzt als diesen winzigen Schwerkraftunterschieden, die ohnehin einen 12-Stunden-Rhythmus haben.

Die einzigen plausiblen Einflüsse des Mondes sind psychischer und wissenschaftstheoretischer Natur. Wer besorgt ist, der Mond könne den Schlaf stören, könnte allein aufgrund dieser Sorge schlechter einschlafen. Hier geben die Studienauswertungen der Max-Planck-Arbeitsgruppe Entwarnung: Es ist nichts zu befürchten. Auch Springtiden sind kein Grund zur Besorgnis, im Vergleich zu Sturmfluten sind sie harmlos.

Der wissenschaftstheoretische Effekt wird in der Pressemitteilung ebenfalls erwähnt: Wenn es keinen Einfluss des Mondes auf den Schlaf gibt, dann findet jede Studie mit etwa gleicher Wahrscheinlichkeit positive wie negative Einflüsse. Die negativen lassen sich jedoch besser publizieren. Leider ist keine rein empirische Studie frei von diesem publication bias. Ich bin deshalb immer sehr vorsichtig, wenn kleine Effekte für irgendwas gemeldet werden, für das es keinen plausiblen Wirkungsmechanismus gibt.

Anmerkungen:
1. Ich bin aus Hamburg, das zwar nicht direkt an der Küste liegt aber an dem Teil der Elbe, der gerade noch Gezeiten kennt.
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Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

7 Kommentare

  1. Was es leider auch gibt, ist etwas, das man als “science churnalism bias” bezeichnen könnte: die gedankenlose Übernahme von – auch oder gerade – seltsamen Behauptungen, wenn sie nur in einer Fachzeitschrift oder Pressemitteilung aus edlem Hause stehen. Das war bei der überwiegend inkompetenten Reaktion auf das letzte Vollmond-“Wirkungs”-Paper vor einem knappen Jahr beispielhaft zu beobachten. Und sicher auch als Spätfolge seines allgemeinen Abfeierns in den Medien glauben inzwischen selbst manche Mediziner dran, wie letztens erst beim TV-Auftritt eines solchen in einer – öffentlich-rechtlichen – ‘Ratgeber’-Sendung zu bestaunen war …

  2. Da ist ein ziemlicher Widerspruch im Text:
    “Nur haben Ebbe und Flut gar nichts mit Mondphasen zu tun.”
    und später berichtest Du über die Springtiden, die ja gerade
    bei Voll- und Neumond entstehen. Prinzipiell ist die Gezeitenwirkung
    bei Voll- und Neumond stärker als bei Halbmond, der Tidenhub
    ist größer..

  3. Pingback:Mond und Schlafstörungen: kein Zusammenhang @ gwup | die skeptiker

  4. Pingback:Ist Fliehkraft Mumpitz? › Quantenwelt › SciLogs - Wissenschaftsblogs

  5. Der Vollmond hat zumindest einen Einfluß auf Korallenriffe/ die Paarung der Korallen. Und es gibt meines Wissens noch weitere Beispiele aus dem Tierreich bzgl. eines Vollmondeinflusses.

  6. Das beste ist immer noch den Mond mit ordentlichen Geräten zu beobachten. Ich kann auch bei Vollmond bestens pennen wenn kein Licht im Schlafzimmer ist.

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