Publikationen sind nur ein Teil wissenschaftlicher Produkte

BLOG: Quantensprung

Versuch einer Aufklärung
Quantensprung

Die rund 50.000 Wissenschaftler und Ingenieure, die alljährlich bei der US-amerikanischen National Science Foundation, NSF, Anträge auf Förderung einreichen, sind vom heutigen Montag an gefordert mehr als Publikationen in den biographischen Informationen zu listen. Dies ist ein klares Signal und zeigt, welchen Stellenwert weitere Möglichkeiten wissenschaftlicher Reputationsbildung inzwischen haben. Vor allem Online-Werkzeuge könnten und werden hier eine wichtige Rolle spielen.

Biographical Sketch(es), has been revised to rename the “Publications” section to “Products” and amend terminology and instructions accordingly. This change makes clear that products may include, but are not limited to, publications, data sets, software, patents, and copyrights.

So lauten profan die einleitenden Zeilen für das schmale Kapitel II.C.2.f(i)(c) in der 173 Seiten starken Anleitung ‚Proposal and Award Policies and Procedures Guide’.

Wichtig ist der NSF aber, dass die ‚Produkte’ zitierbar und zugänglich sind, wobei eben unter Produkten ausdrücklich mehr als Publikationen, Daten oder Patente verstanden werden.

Acceptable products must be citable and accessible including but not limited to publications, data sets, software, patents, and copyrights.

Mit diesem Schritt wird die NSF meiner Meinung nach langfristig befördern, was auch mit den alternativen Metriken, Altmetrics, zu erfassen versucht wird. Vom Poster oder Datensatz auf figshare.com über Diskussionen in Blogs oder in einer der Social Media-Plattformen für Wissenschaftler. Da bekommt eine lebenslange verlässliche Nummer wie ORCID, die ich hier bereits vorgestellt habe, nochmals eine andere Bedeutung.

Stiftungen und Förderer, die treibenden Kräfte
Unabhängig davon, wie schnell solche vermeintlich kleinen Zeichen tatsächlich den wissenschaftlichen Alltag und am Ende gar wirklich die Reputationsmessung von Forschern beeinflussen, ist es bemerkenswert, welche Rolle vor allem Stiftungen und Organisationen im Bereich der digitalen Medien für wissenschaftlichen Austausch spielen.

Mit diesem Januar hat etwa erst die Open Access Publikationsplattform für Biologie und Medizin F1000Research ihre beta-Phase beendet. Viele der bislang dort eingereichten Forschungsarbeiten wurden laut eigener Meldung insbesondere von den Großen wie NIH, WHO, NIHR oder Wellcome Trust unterstützt.  Auf F1000 Research kann alles, was zu einer wissenschaftlichen Arbeit zählt, veröffentlicht werden. Vieles, das es in klassische Publikationen nicht schaffen würde, zählt explizit dazu: Datensätze, negative Resultate oder Nullresultate, Fallberichte oder rein widerlegende Artikel etwa.

Ein weiteres Beispiel ist das gerade erst Mitte Dezember gestartete Open Access Journal eLife.  Das Journal rund um Life Sciences und Biomedizin wurde 2011 von drei großen Organisationen ins Leben gerufen. Die Max-Planck-Gesellschaft baut hier gemeinsam mit dem Wellcome Trust und dem US-amerikanischen Howard Huges Medical Institute auf die ‘neuen’ ergänzenden Formen: Videos, 3-D-Animationen, Datensätze, Messungen der Downloadzahlen etc.

Mir erscheinen diese Entwicklungen als logische Schlussfolgerungen aufgeklärter Wissenschaftler, deren Ziel es ist, sich möglichst effektiv und offen über Erkenntnisse auszutauschen. Wenn gedruckte Publikationen nur mehr einen Bruchteil dessen wiedergeben können, was über andere Medien vermittelt werden kann, so ist dieser Wandel im Sinne der Wissenschaft wichtig und richtig.

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Beatrice Lugger ist Diplom-Chemikerin mit Schwerpunkt Ökologische Chemie. Neugierde und die Freude daran, Wissen zu vermitteln, machten aus ihr eine Wissenschaftsjournalistin. Sie absolvierte Praktika bei der ,Süddeutschen Zeitung' und ,Natur', volontierte bei der ,Politischen Ökologie' und blieb dort ein paar Jahre als Redakteurin. Seither ist sie freie Wissenschaftsjournalistin und schreibt für diverse deutsche Medien. Sie war am Aufbau von netdoktor.de beteiligt, hat die deutschen ScienceBlogs.de als Managing Editor gestartet und war viele Jahre Associated Social Media Manager der Lindauer Nobelpreisträgertagung, des Nobel Week Dialogue in 2012/2013 und seit 2013 berät sie das Heidelberg Laureate Forum. Kommunikation über Wissenschaft, deren neue Erkenntnisse, Wert und Rolle in der Gesellschaft, kann aus ihrer Sicht über viele Wege gefördert werden, von Open Access bis hin zu Dialogen von Forschern mit Bürgern auf Augenhöhe. Seit 2012 ist sie am Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation, NaWik - und seit 2015 dessen Wissenschaftliche Direktorin. Sie twittert als @BLugger.

2 Kommentare

  1. Gute Nachrichten!

    Liebe Beatrice,

    vielen Dank für diese guten Nachrichten! Sicherlich liegt noch ein Stück Weg vor uns, aber gerade auch Dein Blog zeigt doch m.E. recht überzeugend auf, dass sich Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation gerade auch durch die vielfältigen Möglichkeiten des Web zum Besseren, Offeneren hin entwickeln.

    Vielen Dank also fürs Mutmachen von “Nebenan”! 🙂

  2. Interessante Entwicklung

    Das ist tatsächlich eine sehr interessante Entwicklung! Das würde ja bedeuten, dass ein herrschender wissenschaftlicher Diskurs es in Zukunft schwerer haben wird, andere Sichtweisen zu ‘überhören’. Für die Wissenschaft kann das ja nur gut sein, Transparenz im weitesten Sinne also. Trotzdem braucht es wohl Qualitätsstandards, die ja an Publikationen gesetzt werden, damit die Wissenschaft nicht zu inflationär wird.

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