Das neue Open Access Journal PeerJ ist jetzt offen für erste Mitglieder

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Versuch einer Aufklärung
Quantensprung

Die Open Access Bewegung hat in kaum einem Jahr so viel neuen Schwung erfahren, wie in diesem. Open Access steht primär dafür, Publikationen vom Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung an, frei zugänglich zu machen. Jeder kann sie lesen – das kostenfreie Pendant kostenaufwändiger Fachjournale, die nur gegen Abonnements erhältlich sind. Mit dem bereits angekündigten Open Access Publikationsportal PeerJ, das heute offiziell online ging, könnte ein weiterer großer Schritt folgen. Dahinter stecken immerhin Experten der wissenschaftlichen Online-Szene, die mir vorab ein paar Fragen beantwortet haben.

Peter Binfield und Jason Hyot

Die beiden Co-Founder von PeerJ: Peter Binfield und Jason Hoyt

Rund 1,5 Millionen wissenschaftlicher Artikel werden Schätzungen zufolge jährlich veröffentlicht – in etwa 25.000 Zeitschriften. Die Zahl professioneller und anerkannter Open Access Journale ist dabei noch überschaubar. Bisher kosten es Forscher gute 1000 USD, einen Artikel in einem anerkannten Open Access zu publizieren. Das neue OA-Portal PeerJ verspricht gegen eine einmalige Zahlung von derzeit 99 USD ein lebenslängliches Recht auf eine Publikation pro Jahr auf dem hauptsächlich auf Biologie und Medizin ausgerichteten Portal. Für 169 USD sind lebenslänglich zwei Publikationen pro Jahr möglich. Mit zunächst 259 USD sogar eine unlimitierte Anzahl! Allerdings müssen Co-Autoren ebenfalls Mitglieder sein. Ein Paper mit fünf Co-Autoren könnte also für weniger als 500 USD veröffentlicht werden.

Selbstverständlich sollen die Fachartikel einen ordentlichen Peer-Review-Prozess durchlaufen. Als Reviewer werden auch Mitglieder herangezogen werden. Jedes Mitglied soll mindestens einmal im Jahr ein PeerJPrePrint oder PeerJ Paper reviewen. Wer dies nicht tut, riskiert seine Mitgliedschaft. Angelehnt an das EMBO-Journal wollen Binfield und Hoyt erreichen, dass die Autoren erfahren können, wer ihre Reviewer sind und dass sie den gesamten Reviewprozess öffentlich machen (können). Das alles soll auch noch schneller ablaufen, als herkömmlich.

Das klingt sehr ambitioniert. Hinter dem Projekt stecken zwei Köpfe, die durchaus nicht für Luftnummern bekannt sind: Peter Binfield, der vorher das PLoS One Journal der Public Library of Science managte, und Jason Hoyt, der zuvor Chefentwickler bei Mendeley war. Sie wollen mit PeerJ nicht einfach ein weiteres Open Access Journal auf den Markt bringen, sondern sie wollen die Entwicklungen in Richtung Open Access für alle Inhalte beschleunigen und ein neues Geschäftsmodell entwickeln.

Aus Publizierenden werden Mitglieder einer Gemeinschaft. Seit heute können Forscher also Mitglieder werden. Ab Sommer können sie Fachartikel einreichen. Die ersten Artikel sollen im Dezember erscheinen. Damit bekommt die Open Access Bewegung weiteren Aufschwung in diesem Jahr. Über 25.000 Unterzeichner zählt inzwischen eine White-House-Petition, die verlangt, dass jede von Steuergeldern finanzierte Forschung Open Access publiziert werden müsse. Die Harvard University hat im April ihre Forscher aufgerufen doch besser OA zu publizieren. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Open Access. Selbst hart gesottene Vertreter herkömmlicher wissenschaftlicher Verlage, deren Artikel üblicherweise nicht für jedermann zugänglich sind, wie der Chefredakteur von Nature, Philip Campbell, bezeichnen Open Access inzwischen als unvermeidlich. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Wer nachlesen will, findet im Folgenden Auszüge meiner Fragen und der Antworten von Peter Binfield. Ich lasse dies ausnahmsweise Englisch stehen. Einige zentrale Aussagen habe ich oben mit einfließen lassen.

 


BL: What makes the difference between well known Open Access publishers and your model?

Peter Binfield: Importantly, we have had the freedom to set up PeerJ with a ‘blank slate’, unencumbered by prior business decisions, legacy systems, or established product lines. As a result, we believe that there are several differences between us and other Open Access publishers.

PeerJ offers authors a genuine alternative to other Open Access publishers. Most importantly, we have a very different business model (lifetime memberships for individuals compared to payments per publication) which means that there is now a clear choice in how authors can pay for their Open Access publications. As well as being a different payment model, it is also significantly cheaper to publish with PeerJ than to publish with most other OA journals (for example, a paper with 5 co-authors can be published with us for less than $500 and subsequent papers can then be free for those individuals).

Another differentiator is that we will be encouraging Open Peer Review – specifically as with The EMBO Journal, we will encourage reviewers to identify themselves to authors and we will give authors the option of publishing their full peer review history alongside their published article.

PeerJ will aim to be faster than comparable journals, it will possess superior functionality (in bothe the submission and publication processes), and it will provide a rounded publishing experience. One example of the ‘rounded’ experience is in our preprint server (PeerJ PrePrints) – this is something that few other publishers are doing, but by using PeerJ PrePrints authors will be able develop their publication from start to finish with us, gaining valuable feedback along the way – yet another reason to choose PeerJ.

BL: Are there certain conditions for Members? What is your business model?

PB: PeerJ operates a ‘Lifetime Membership’ model. Unlike many Open Access publications which charge authors per publication, PeerJ provides low-cost memberships to individuals that gives them lifetime rights to publish with us, for free.

All authors on a PeerJ paper must have a ‘paid Membership’ and there are 3 Membership tiers, each conferring different rights. The three tiers are: Basic at $99 (which allows a member to publish one article per year, in PeerJ, for life); Enhanced at $169 until 1st Sept (which allows a member to publish two articles per year, for life); and Investigator at $259 until 1st Sept (which allows a Member to publish an unlimited number of articles per year, for life). Members can upgrade from one tier to another at any time.

As to PeerJ PrePrints, any paid member can publish an unlimited quantity of preprint articles (and Free members can submit one per year). In addition, Basic membership allows members to publish one ‘private’ preprint per year (meaning they can restrict who can access it) with higher tiers allowing members to publish unlimited ‘private’ preprints.

The only condition is to perform one ‘review’ per year. We understand that finding people who are willing to peer-review articles is increasingly hard, therefore we are trying to encourage people to participate, at some level, by requiring each paying member to provide one ‘review’ per year or risk their membership lapsing. For this requirement, though, a review can be as simple as a comment on a PeerJ PrePrints article, a comment on a published PeerJ article, or as substantial as a formally invited pre-publication review on a full submission to PeerJ.

BL: How is PeerJ you financed so far?

PB: Seed funding for PeerJ has come from a partnership between O’Reilly AlphaTech Ventures (OATV) and O’Reilly Media (and Tim O’Reilly, CEO of O’Reilly Media is joining the governing Board of PeerJ). Tim was instrumental in helping to block the passage of the 2012 Research Works Act in the U.S., and is a passionate advocate for open, unfettered communication in academia – we are very excited to have his involvement.

 

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Beatrice Lugger ist Diplom-Chemikerin mit Schwerpunkt Ökologische Chemie. Neugierde und die Freude daran, Wissen zu vermitteln, machten aus ihr eine Wissenschaftsjournalistin. Sie absolvierte Praktika bei der ,Süddeutschen Zeitung' und ,Natur', volontierte bei der ,Politischen Ökologie' und blieb dort ein paar Jahre als Redakteurin. Seither ist sie freie Wissenschaftsjournalistin und schreibt für diverse deutsche Medien. Sie war am Aufbau von netdoktor.de beteiligt, hat die deutschen ScienceBlogs.de als Managing Editor gestartet und war viele Jahre Associated Social Media Manager der Lindauer Nobelpreisträgertagung, des Nobel Week Dialogue in 2012/2013 und seit 2013 berät sie das Heidelberg Laureate Forum. Kommunikation über Wissenschaft, deren neue Erkenntnisse, Wert und Rolle in der Gesellschaft, kann aus ihrer Sicht über viele Wege gefördert werden, von Open Access bis hin zu Dialogen von Forschern mit Bürgern auf Augenhöhe. Seit 2012 ist sie am Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation, NaWik - und seit 2015 dessen Wissenschaftliche Direktorin. Sie twittert als @BLugger.

6 Kommentare

  1. Tolle Sache!

    In der Religionswissenschaft gibt es bereits seit einigen Jahren das Open Access-zugängliche “Marburg Journal of Religion”. In einigen Jahren sollte es m.E. Standard sein, das öffentlich geförderte Forschung auch einfach & kostenfrei zugänglich ist.

    Danke für Dein Enfagement in der Sache, Beatrice!

  2. Publikationsgebühren

    Danke für diesen schönen Beitrag!

    “Bisher kosten es Forscher gute 1000 USD, einen Artikel in einem anerkannten Open Access zu publizieren.”

    Anzumerken ist, dass sich nur etwa 30 % der Open-Access-Journals über Publikationsgebühren finanzieren. Die Mehrheit der Zeitschriften finanziert sich durch andere Strategien, wie z.B. die Trägerschaft durch eine Fachgesellschaft. In den STM-Disziplinen domentiert jedoch, wie richtig beschrieben, dass Finanzierungsmodell der Publikationsgebühr.

  3. Eine interessante Initiative. Richtig Fahrt aufnehmen wird sie aber wahrscheinlich nur dann, wenn es ihr gelingt, mit einer nennenswerten Zahl Forschungseinrichtungen Globalverträge abzuschließen.

    Denn dass jeder Autor ein Abonnement haben muss, ist ein echter Hemmschuh.
    Selbst wenn das erforderliche Geld bei dem Institut des federführenden Autors vorhanden ist, um für alle anderen (auch externe Kollaborationspartner) mitzubezahlen, könnte die Bürokratie der Institutsverwaltung so große Steine in den Weg legen, dass man lieber wieder bei einem Journal mit “traditionellem” Bezahlkonzept veröffentlicht.

  4. Gibt es veröffentlichte PeerJ-Papers?

    Das PeerJ-Portal ist laut Artikel nun bereits 6 Monate online, aber auf PeerJ.com finde ich immer noch keine veröffentlichten Artikel. Oder habe ich da etwas übersehen?

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