Wie uns unsere Kinder erziehen

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Sauber machen, putzen und Ordnung halten. Wer hätte je gedacht, dass klinisch rein und hygienisch sauber zu den Attributen zählen würden, die auf meine gesamte Wohnung zutreffen? Gar kein Zweifel, auf Reinlichkeit bedacht war ich schon immer. Doch seit kleine Zauberwesen über die Dielen und unseren Nachbarn toben, hat das Wort Sauberkeit für mich eine neue Bedeutung erlangt.

Mit der Aufforderung „Mama, Chips“ oder auch wahlweise „Chips, Mama“ aktiviert mein Sohn sämtliche Hygienegene. Die so genannten Chips sind zahlreiche Spielsteine des fernöstlichen Brettspiels Go und verteilen sich regelmäßig mit dem freudigen Ruf „Auskippen“ malerisch über den gesamten Boden bis in jede kleinste Ritze. Dort warten Staubflusen und bösartige Kleinstpartikel auf die Kinderhände.

Die Herausforderung besteht nun darin, alle, aber auch wirklich alle Chips, wieder einzusammeln, um das Spielen mit ihnen zu verhindern. Denn jeder herumliegende Stein aktiviert wiederum bei meinem Sohn die Erinnerung an die Freude mit und das Verlangen nach den „Chips“. Und trotz meiner Bemühungen findet er in den Ecken hier und da doch noch ein Steinchen und der Teufelskreis beginnt von vorn.

Dass wir unsere Kinder erziehen, steht außer Frage: Ein siebenjähriges Kind und sein Vater spazieren nebeneinander die Straße entlang als es laut sagt: „Papa, ich will das überall Krieg ist.“ Der Vater packt das Kind und schreit es an: „Kevin, wie oft hab’ ich dir schon gesagt, dass Krieg nicht gut ist. Also lass den Scheiß, klar?“*

Die Ratgeberschwemme für irritierte Eltern betrachtet Erziehungsprobleme naturgemäß aus der Elternperspektive. Doch allzu oft wird vergessen, wie sehr unsere Kinder uns erziehen und wie viel sie uns lehren.

Quelle: *irgendwo aufgeschnappt

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Veröffentlicht von

Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

7 Kommentare

  1. Da gebe ich dir hundertpro Recht. Der Clip funktioniert bei mir auch nicht mehr,nur, damit die Alten nicht in die geheimen Erziehungsmethoden der Kleinen reinschauen dürfen.

  2. Oh, Go! Ich sollte mehr Go spielen… Ist die Gefahr, dass die Chips für eine besonders hübsch polierte Form von Smarties gehalten werden nicht sehr hoch?

    Jedenfalls bin ich froh, dass die Entwicklungspsychologie (was wohl v.a. der Säuglingsforschung zu verdanken ist) nicht mehr glaubt, dass der Säugling autistisch-passiv (da hat die Psychoanalyse ziemlich viel “versaut”…) auf Stimuli seiner Umwelt reagiert sondern seinerseits bereits sehr früh sehr viel an Kommunikation anregt. Erziehung als rekursive Interaktion – wie sollte es eigentlich anders sein?

  3. Schimpfwörter

    Sehr gut läßt sich das am Sprachverhalten beobachten, wenn ein Paar ein Kind bekommen hat. Jeglicher Schimpfwortgebrauch wird drastisch eingeschränkt und wenn man bei der Familie zu Gast ist muß man ungemein aufpassen, was man von sich gibt, sonst wird man übel zurecht gewiesen. Nutzt aber nicht viel, denn Schimpfwörter hat jeder in seinem Repertoire. Das Verhalten ist aber wohl dennoch richtig, denn von den Eltern muß man das nicht lernen. Die Eltern sind immer gut, lieb, verständnisvoll usw. 😉

  4. Naja, die Eltern dürfen schon auch mit all ihren Facetten wahrgenommen werden (nicht nur die guten, verständigen…). “Good enough parenting” fällt mir dazu ein (Winnicott).

  5. Mehr Schein als sein

    Ich denke, es ist gut für die Kinder, wenn sie die Eltern etwas idealisierter betrachten können. Die wollen bestimmt nicht alles wissen oder sollen Mami und Papi mit ihren Jugendgeschichten anfangen?

    “Ja, Kinder, früher war der Papi mit seinem Moped der tollstes Hecht von der Herbertsstraße. Ich habe alle unter Tisch gesoffen und dann dem besten Kumpel seine Braut ausgespannt, haha, da gings hoch her.”

    “Liebe Kinder, Mutti war früher ein Kunstwerk. Als ich 16 1/2 war habe ich diesen interessanten, unwiderstehlichen Feingeist kennengelernt, der so anders als alle anderen waren. Er war ein Künstler und er wollte mich unbedingt in meiner reinsten Form zeichnen. Das Werk ist so toll geworden, daß ich mich fragte, wie ich ihn am besten meine Dankbarkeit zeigen kann und da habe ich mich ihm vollends hingegeben.
    Hach, war das aufregend …”

    😉

  6. Ich verstehe schon, worauf Sie hinaus wollen – und da haben Sie auch ganz sicher einen Punkt. Ganz generell ist es für Kinder aber eher hilfreich, wenn sie im Laufe ihrer Beziehung zu den Eltern eine “vollständige” Sicht auf den Menschen entwickeln können, seine Stärken und Schwächen sehen. Stellen Sie sich vor, wie schlecht Sie weg kommen, wenn die Mutter immer gutmütig, verständig, fröhlich, freundlich, nett, glücklich ist (ich überspitze absichtlich) und Sie bei sich plötzlich Züge entdecken, die zu einem solchen Bild eines Menschen gar nicht passen. Wenn Sie feststellen, dass Sie manchmal wütend sind oder traurig. Oder ungerecht und gemein. Was bleibt Ihnen da, außer sich schuldig zu fühlen?

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