Die Klimafrage (Spielrunde 2)

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Das menschliche Miteinander auf der Couch
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Man kann von der Lehre Freuds halten, was man will. Viele seiner Gedanken haben die Wissenschaften wegweisend beeinflusst. Noch heute werden die Anwehrmechanismen gelehrt und sie treffen erstaunlich oft den Punkt, wenn es um die Beschreibung bestimmter psychologischer Prozesse geht.

Mittlerweile wird in den Medien häufig über den Klimawandel berichtet. Der Klimaschutz ist zur Chefsache avanciert. Eine Umfrage von September 2007 ergab, dass 83 Prozent der Deutschen den Klimawandel für ein ernst zu nehmendes Problem halten, dass sie in den nächsten zehn Jahren persönlich betreffen wird. (1)

Trotzdem herrscht vor der Haustür Parkplatzmangel und die Häuser strahlen durch opulente Weihnachtsbeleuchtung. Und das, obwohl die Menschen über die Ursachen und Folgen des Klimawandels gut informiert zu sein scheinen. Bei diesem Phänomen – vielleicht noch am besten durch den Abwehrmechanismus Verdrängung im Freud’schen Sinne zu beschreiben – kommen viele Mechanismen zusammen.

Komplexe Kausalketten vom eigenen Handeln hin zum großen Thema Klima sind schwer zu fassen und lassen sich daher im Alltag umso leichter verdrängen. „Die Menschheit kann schwer mit Gefahren umgehen, die unsichtbar sind, die in der Zukunft liegen, die komplexe Ursachen und langfristige, sowie unklare Folgen haben.“ (1) Von „globaler Erwärmung“ und „Anpassung“ liest man. Diese Beschreibungen sind aber eher damit assoziiert, dass Naturkräfte unaufhaltsam wirksam sind und weniger mit persönlicher Verursachung und Verantwortung.

Und wo wir schon bei Verantwortung sind. Warum fallen die Spendenbeträge in Anbetracht der deklarierten Bedeutsamkeit des Themas so klein aus? Warum engagieren sich so wenige für den Klimaschutz? Übernimmt der Bürger tatsächlich so wenig Verantwortung für seine Umwelt wie es die Zahlen nahe legen.

Unser Klima ist ein öffentliches Gut. Und damit beginnt auch schon das Dilemma. Meier als Menschlein, welches ein soziales Wesen ist, schaut gern über den Nachbarszaun und zieht seine persönliche Bilanz. Denn wenn Schmidt sich in diesem Winter einen Zweitwagen anschafft, warum soll Meier dann bei einer beschwerlichen Radfahrt frieren?

Sozialer Vergleich, Herdentrieb, Verantwortungsdiffusion. Besonders letzteres führt zu irritierendem Verhalten: Je mehr Menschen sich in der Nähe einer hilflosen Person befinden, das heißt je mehr Menschen helfen könnten, desto unwahrscheinlicher ist es, dass jemand etwas unternimmt. Es kommt zu einer so genannten Diffusion der Verantwortung. Niemand fühlt sich ausreichend verpflichtet, um hilfreich einzuschreiten (Bierhoff, Klein & Kramp, 1990).

Das Max-Planck-Institut ging der Frage nach, welche Bedingungen kooperatives Verhalten beeinflussen und ließ seine Probanden spielen. Kooperatives Verhalten wird vor allem im Rahmen der Spieltheorie erforscht, in dem Spieler unter verschiedenen Bedingungen vor Entscheidungen gestellt werden. In einem klassischen Untersuchungsdesign bekommen die Teilnehmer ein Budget zur Verfügung gestellt, von welchem sie einen selbst gewählten Betrag in einen Gemeinschaftstopf einzahlen können, der dann vom Spielleiter verdoppelt und zu gleichen Teilen ausgezahlt wird.

In dieser Version allerdings soll der Gewinn in eine Zeitungsannonce fließen, die über klimaschädliches Verhalten und Regeln zum Klimaschutz informiert. Die Forscher ließen ihre Versuchskaninchen unter verschiedenen Bedingungen spielen. Der Betrag wurde abwechseln anonym oder unter Angabe eines Pseudonyms gespendet. Die Runden wurden manchmal von einer Spielvariante unterbrochen, in der man von anderen Spielern eher Geld bekommt, wenn die eigene Reputation hoch ist. Die Wissenschaftler variierten nicht nur die Belohnungsbedingungen, sondern auch den Grad der Information der Spielergruppen über den Klimaschutz. (2)

Grundsätzlich waren alle Teilnehmer bereit einen Beitrag für das Klima zu leisten. Die höchsten Beträge wurden erreicht, wenn beide Untersuchungsbedingungen zusammenkamen: Informiertheit über das Klima und Öffentlichkeit. Erwartungsgemäß wurden die Spieler in den Sonderrunden belohnt, welche vorher in den Gemeinschaftspool investierten. Denn Fairness ist eine hoch wünschenswerte Eigenschaft, die unter Umständen ein persönliches Verlustrisiko bergen kann. Eine wichtige Komponente der Gerechtigkeit ist der Glaube, dass jeder seinen Beitrag leistet.
 
Quelle:
(1) Geo, 12/2007, „Unser Klima: Wissen 2+, Fleiß 5“
(2) Scinexx – das Wissensmagazin, Klimaschutz: Guter Ruf als Köder
*Experiment des Plöner Max-Planck-Instituts für Limnologie und des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie

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Katja Schwab ist Diplom-Psychologin, Kommunikations- und Verhaltenstrainerin, systemische Körperpsychotherapeutin und zur Zeit in Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin.

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