Die Europäische Astronomie-Woche hat begonnen

BLOG: Promotion mit Interferenzen

Auf dem Weg zum Profi-Astronomen
Promotion mit Interferenzen

Gestern hat in Lissabon die "European Week of Astronomy and Space Science" begonnen. Dies ist die größte Astronomie-Konferenz Europas, zu der dieses Jahr 550 Teilnehmer aus aller Welt gekommen sind. Die Konferenztage sind unterteilt in Plenar-Sitzungen, die im großen Hörsaal der "Faculdade de Ciências da Universidade de Lisboa" (Fakultät der Wissenschaften der Uni Lissabon) stattfinden und Spezial-Sitzungen, in denen die Themen in der Tat sehr speziell sind.

In der gestrigen Plenarsitzung hielt Lodewijk Woltjer, ehemaliger Direktor der ESO und einflussreicher Astronom, die neu nach ihm benannte Vorlesung über "The changing fate of Astronomy". Einen recht allgemeinen Rahmen setzend, fing er an aufzuzählen, weshalb die Gesellschaft Astronomie unterstützt. Da sei zunächst der direkt nützliche Aspekt der Astronomie ("Astronomical engineering"), wie Kalenderberechnungen oder Warnungen vor uns zu nahe kommenden Asteroiden. Dieser Aspekt habe zwar keine oder nur geringe philosophische Implikationen, sei aber dafür wirtschaftlich interessant. Darüberhinaus gibt es aber eben viele philosophisch relevante Fragestellungen, zu denen die Astronomie beigetragen hat (unser Weltmodell, der Energieinhalt des Universums, …), die allerdings kaum wirtschaftliche Bedeutung haben. Zuletzt gebe es noch den erzieherischen Aspekt: Astronomie ist durch die vielen eindrucksvollen Bilder die am einfachsten zugängliche Naturwissenschaft und bringt dadurch viele junge Leute dazu sich mit weniger zugänglichen (aber wirtschaftlichen nützlicheren) Naturwissenschaften und der Mathematik zu beschäftigen.

Dies Bemerkungen scheinen umso angebrachter zu sein, als Portugal als einer der "PIIGS"-Staaten, unter der Wirtschaftskrise besonders litt und auch jetzt noch Probleme mit den Staatsschulden hat. Zuvor regte Joachim Krautter, Präsident der astronomischen Gesellschaft Europas (European Astronomical Society, EAS), in seiner Eröffnungsansprache an, Portugal möge doch ein nationales Astronomie-Institut gründen, um die junge aber sehr erfolgreiche Astronomie in Portugal nachhaltig zu unterstützen. Portugal ist erst seit 10 Jahren bei der ESO und ESA und hat erst vor etwas 20 Jahren mit professioneller Astronomie (wieder) angefangen! Dies ist insbesondere erstaunlich wenn man weiß, dass portugiesische Seefahrer unter den ersten (neuzeitlichen Europäern) waren, die Astrolabien bauten und für die Navigation auf hoher See nutzten.

Beim Mittagessen wurde mir wieder klar, dass man als (angehender) Berufsastronom eben einen unkomplizierten Zugang zu den einflussreichen Astronomen dieser Tage hat: Rechts von mir saß Roberto Gilmozzi, der Projektleiter des European Extremely Large Telescope (E-ELT), mir gegenüber Prof. Ward, Dekan der Physik-Fakultät der Universität von Durham und zwei links von mir Andreas Kauffer, Chef des LaSilla-Paranal-Observatoriums. Beim Mittagessen erfuhr ich so unter anderem auf Nachfrage, dass die angeblich schlechter werdenden Bedingungen am Paranal (das am VLT gemessene Seeing wird von Jahr zu Jahr schlechter) eigentlich gar nicht so schlimm sind, denn die Verschlechterung ist vor allem das "Ground Layer Seeing", das unterhalb von ein paar Metern zwar die kleinen "Auxiliary Telescopes" beeinflusst, aber die großen 8m-Teleskope nicht beeinflusst. Dies ist beruhigend, denn das 42m-E-ELT soll ja auf dem nahegelegenen Cerro Armazones gebaut werden.

Ich ging dann in die Spezialsitzung über die Entstehung von und den Einfluss der Umgebung auf Galaxien. Darin ging es unter anderem über die "morphology-density relation", die besagt, dass gasreiche Spiralgalaxien eher in weniger galaxienreichen Regionen vorkommen, während (gasarme) elliptische Galaxien zumeist in Clustern von Galaxien vorkommen. Dies liegt im wesentlichen daran, dass Spiralgalaxien in der Nähe von massiven elliptischen Galaxien verändert werden: Sie werden fallen beispielsweise durch die große Galaxie durch. Dabei kommt es zwar nicht zu Sternkollisionen (weil Galaxien hauptsächlich leer sind), aber das Gas der kleinen Spiralgalaxien wird entfernt, dadurch gibt es keine neue Sternentstehung und die Galaxien (genauer: deren Sterne) altern.

JENAM Plenar-Sitzung Dienstag

Plenarsitzung am Dienstagmittag (5 Minuten vor dem Abschicken des Blog-Posts! ;-)). Bruno Leibundgut (ESO) stellt aktuelle Entwicklungen bei der ESO vor.

 

Zu dieser Beziehung und deren Modellierung gibt es unzählige Papers, die verschiedenste Spezialaspekte beleuchten. Beispielhaft sei hier erwähnt, dass in der Spezialsitzung über Galaxienentwicklung eine längere Diskussion stattfand über die "boxiness" vs. "diskyness" von Galaxien (nach einem Vortrag von Boris Häußler von der Uni Nottingham). Die Frage war: Gibt es mehr eckig aussehende als scheibenförmige Galaxien in Galaxienclustern? (Es scheint nicht der Fall zu sein). Diese Frage, auch wenn sie fast komisch wirkt, ist ein möglicher Indikator für die Vergangenheit der Galaxie: Eckige Galaxien hatten in der Vergangenheit wahrscheinlich mehr Galaxienkollisionen als scheibenförmige.

Nun geht es aber auch schon weiter mit der nächsten Plenarsitzung, bei der verschiedene ESO-Leute den Stand der ESO-Projekte ALMA, E-ELT und der derzeitigen Teleskope beleuchten… Bis später!

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www.ileo.de

Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

3 Kommentare

  1. Seeing

    “das am VLT gemessene Seeing wird von Jahr zu Jahr schlechter”

    Da fragt man sich doch unweigerlich: Warum ist das so? Und warum sollte man sicher sein, dass das auf die lange Sicht nicht doch zum Problem wird? Wobei ich die Begründung mit dem “Ground Level Seeing” nicht verstanden habe.

  2. …und Seeing

    …und läßt sich vor allem nicht auf den Cerro Armazones übertragen. Der ist 30km weit weg, da liegt ein ganzes Tal dazwischen. Auf dem Cerro Armazones wird man mit einem ganz anderen Problem kämpfen müssen, nämlich mit starkem Wind.

    Daß das Ground-Level-Seeing auf dem Paranal derzeit im Durchschnitt schlechter ist als auf La Silla, ist eine gemessene Tatsache. Was dahintersteckt? Das können auf der einen Seite Arbeiten in nahegelegenen Minen sein, die Staub aufwirbeln, aber auch die Möglichkeit mehrjähriger Schwankungen klimatologischer Art.

    Daß dadurch aber nur die kleineren Teleskope beeinflußt werden, kann ich mir aber nicht recht vorstellen, zumal Ground-Level-Seeing gerne mal viel weiter oben aufhört als wie die 8m-Teleskope angebracht sind. Ich hatte schonmal ein Seeing von knapp 3 auf dem Paranal – einhergehend mit dem entsprechenden Einfluß auf die Qualität meiner Beobachtungsdaten.

  3. Re: Seeing

    Hi Jan,
    das Seeing am Paranal hängt sehr stark von der Windrichtung ab: Kommt der Wind aus dem Westen, gibt es eine laminare (turbulenzfreie) Strömung über dem flachen Meer, die erst hinter dem Paranal Wirbel erzeugt. Kommt der Wind dagegen aus nordöstlichen Richtungen, so bläst er über hügeliges Gelände dahin, das eine laminare Windströmung in eine turbulente verwandelt. Das Problem ist, dass der Wind immer häufiger aus dem Nordosten kommt. Woher das kommt ist meines Wissens nach nicht bekannt. Es mag eine Folge globaler Klimaveränderungen sein oder auch nur ein vorübergehendes Phänomen.

    @Caro: Ja, 3 Bogensekunden Seeing sind natürlich keine schöne Sache und da lässt es sich natürlich nicht mehr ordentlich beobachten… 🙁

    Viele Grüße!
    Leo

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