Perspektivenwechsel

BLOG: Pictures of the sky

Eine fotografische Reise durch's All
Pictures of the sky

Perspektivenwechsel

 

Der Blog heißt zwar „Pictures of the Sky“, aber ich habe mir gedacht, es sei doch einmal schön, einen kurzen Perspektivenwechsel durchzuführen. Dabei will ich ausnahmsweise mal nicht den Himmel fotografieren, sondern von hoch oben herunter auf die Erde.

Dafür verwende ich eine Stratosphärensonde, welche an einem großen Wetterballon gehängt wird. Die Idee dafür hatte ich bereits vor einigen Jahren, doch wegen dem Lernen für das Abitur, dem Einstieg ins Studium und wegen anderen Projekten gab es bei der Durchführung dieser Idee immer wieder lange Pausen.

Jetzt ist es aber soweit und wir können am Samstag dem 6.9.2014 endlich starten.

Doch zurück auf Anfang:

 

Als Felix Baumgartner seinen Rekordsprung aus 39 km Höhe ausführte kam mir die Idee wieder sehr greifbar und vergleichsweise einfach durchführbar vor. Nach einigen Berechnungen bestätigte sich die Durchführbarkeit. Man braucht nur einen großen Wetterballon, eine Flasche voll Helium und natürlich eine Sonde, in der sich z.B. eine Kamera und ein GPS-Tracker befindet. Alles ist machbar und sogar für unter 200 € zu haben.

Nach weiteren Recherchen stellte sich heraus, dass man noch dringend eine Flugverkehrskontrollfreigabe der Deutschen Flugsicherung DFS benötigt.

Bevor ich aber anfing, irgendetwas für das Projekt zu kaufen, oder zu bauen, fragte ich bei der DFS an. Nach einer Wartezeit von einigen Wochen kam dann im September 2013 die Zusage, dass ein solches Projekt freigegeben werden kann. Das war also der Startschuss!

 

Der erste Plan sah eine Sonde mit Kamera, GPS-Tracker und, weil nur Videomaterial vielleicht etwas langweilig wäre, einem billigen Datenlogger für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck vor. Insgesamt sollte die Sonde ca. 450 g wiegen.

Zusätzlich zu diesem Gewicht kommt dann noch das Gewicht des Fallschirms und des Radarreflektors.

Der Radarreflektor ist nicht zwingend notwendig, aber er erleichtert es Flugzeugen ungemein, die Sonde mit Radar zu orten und ihr im Zweifelsfall rechtzeitig auszuweichen, weil der Reflektor durch seine Geometrie einfallende Strahlen ähnlich einem „Katzenaugenreflektor“ beim Fahrrad wieder genau zum Sender zurückreflektiert. Er besteht lediglich aus etwas Draht (die dünne E-Saite einer Gitarre ;-)) und dickerer Alufolie auf selbstklebender Folie. Mit 27 g ist er die leichteste Komponente des Sondengespanns.

 

Radarreflektor
Radarreflektor

Als nächstes habe ich den Fallschirm hergestellt. Er besteht aus speziellem Heißluftballongewebe und ist ebenfalls mit 56 g sehr leicht. Der Durchmesser beträgt ca. 40 cm. Zum Stabilisieren des Abstieges befindet sich in der Mitte des Schirms ein Loch. Die dort hindurch strömende Luft verhindert starkes Aufschaukeln des Schirmes.

 

Fallschirm
Fallschirm

Dieser Schirm hat seinen Jungfernflug im Rahmen des physikalischen Grundpraktikums am 27.11.2013 mit einem Dummygewicht erfolgreich vollbracht.

 

Test des Fallschirms
Test des Fallschirms

 

Als nächstes wurde die Sonde gebaut. Sie besteht aus Styrodur, einer Art festem Styropor, welches dennoch eine ähnlich geringe Dichte wie Styropor hat. Verklebt wurde das ganze mit Silikon. Zudem hatte das erste Sondenmodell eine Stabilisatorfinne, sodass sie sich nicht ununterbrochen dreht. Dadurch wird die Qualität der Filmaufnahmen deutlich verbessert.

 

Prototyp 1
Prototyp 1

 

Die Außenhaut der Sonde aus Rettungsfolie stellte sich als Unsicherheitsfaktor für den GPS-Tracker heraus. Zwar funktionierte der Tracker, welcher mittels Mobilfunknetz angesteuert wird und dann eine SMS mit Positionsangaben versendet, aber die Signalstärke, besonders in dünn besiedeltem Landegebiet, könnte durch die Metallbedampfte Folie abgedämpft werden. Daher lassen wir sie bei der aktuellen Sonde weg.

 

Der Ballon ist ein militärischer Wetterballon aus Restbeständen der USA, den ich netter Weise von einem Mitglied der AAW-Darmstadt gesponsort bekommen habe. Leider findet man zu dem Modell keine genauen Angaben, aber soviel steht fest: Er wird bei einem Durchmesser von 8-12 m platzen. Durch Recherchen habe ich herausgefunden, dass er sich wie der Ballontyp „Pawan 1200“ verhalten soll. Daher sind Vorhersagen mit dem „Landing Predictor CUSF“ grob möglich.

Da der Ballon eigentlich für große Lasten konzipiert wurde, besitzt er eine Lastverteilungsschürze. Diese benötigen wir allerdings nicht. Durch das Entfernen dieser Schürze haben wir nochmal 800 g an Gewicht eingespart. Somit wiegt der Ballon, genau wie der „Pawan 1200“, 1200 g.

 

Dichtetest des Ballons
Dichtetest des Ballons

 

Hier ist noch eine Darstellung des Sondengespanns:

 

Sondengespann
Sondengespann mit dem ersten Prototypen

 

 

Nachdem ich das Projekt bei einem Treffen des Vereines AAW-Darmstadt vorgestellt habe, bekam ich promt Unterstützung von einem weiteren Mitglied.

 

Der Kollege entwickelte einen Datenlogger für Außentemperatur, Innentemperatur der Sonde, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit mit gekoppeltem GPS-Empfänger. Damit kann man den Daten noch eine genaue Position zuweisen.

Dies ist die Experimentierplattform, eine fest verlötete Platine befindet sich dann in der Sonde:

Datenlogger Prototyp
Datenlogger Prototyp

 

Bei einem weiteren Treffen des Vereins bekamen wir noch zusätzlich Unterstützung von einem Funkexperte, der uns freundlicher Weise eine Empfangsstation zur Verfügung stellte. Mit dem Datenlogger ist es möglich, alle Daten live zu übertragen. Somit können wir den Flug auch live mitverfolgen und sind hinterher hoffentlich nicht allzu überrascht, wo der Landepunkt liegt, wenn der GPS-Tracker wieder Mobilfunknetz-Empfang hat. Auch bekommen wir die Messergebnisse direkt übertragen, um die Funktionalität der Sensoren zu überprüfen.

 

Nach zahlreichen Tests (der letzte Test ist der Reichweitentest, der morgen erfolgt), haben wir uns vergewissert, dass der Datenlogger und die Kamera die gesamte Flugzeit (ca. 4 Stunden) und die tiefen Temperaturen von ca. -55°C überstehen. Die verwendete Kamera ist übrigens eine sogenannte Actioncam, die bezüglich der Akkuleistung stark modifiziert wurde.

 

Da nun aber der Datenlogger etwas mehr Platz verbraucht, wurde die Sonde von Grund auf neu konzipiert.

 

aktuelle Sonde (noch nicht ganz fertig)
aktuelle Sonde (noch nicht ganz fertig)

 

Zuerst war sie wegen eines Antennenhalters und der doppelten Isolierung viel zu schwer, doch das wurde mittlerweile durch Gewichteinsparungsmaßnahmen korrigiert. Die Antenne hängt nun an der Sonde und ist aufgrund der Abstrahlungscharakteristik besonders gut geeignet für ein solches Vorhaben. Zudem wurden die Stabilisatoren, die nun ebenfalls aus Styrodur bestehen, neu geformt und längs halbiert. Auch die Isolierung wurde etwas abgetragen. Somit konnten wir über 150 g an Gewicht einsparen. Alles ist nun wieder im Rahmen. Die Nutzlast wiegt nun insgesamt ca. 680 g.

 

Heute haben wir dann noch eine „neue“ Empfangsmethode erprobt. Dabei wurde ein DVB-T-Dongle am Laptop angeschlossen. Mittels des Programmes SDR# und dl-fldigi kann man die Funksignale der Sonde auf dem Laptop darstellen und den Morsecode, den die Sonde absendet, decodieren.

 

Hier ein Test:

 

Funktest mittels DVB-T
Funktest mittels DVB-T

 

Zudem kam heute die offizielle Flugverkehrskontrollfreigabe der DFS, dass der Start am 6.9.2014 im Zeitfenster von 10:00 – 11:00 Uhr auf dem Gelände des Modellflugclubs MFC-Riedstadt stattfinden kann. Jetzt muss nur noch das Wetter passen.

 

Der Ballon wird dann mit 2100 l Helium gefüllt, welches ich dankenswerter Weise von der TU-Darmstadt zur Verfügung gestellt bekommen habe.

Nach dem Befestigen und anstellen der Geräte wird die Sonde dann nach einem Anruf im Service Center Langen gestartet. Wir werden eine Aufstiegsgeschwindigkeit von ca. 3-4 m/s erreichen.

Zunächst durchquert die Sonde die Troposphäre, in der sich das Wetter abspielt. Dabei nimmt die Temperatur fast linear ab, bis in ca. 10 km Höhe die Tropopause beginnt. Hier findet der meiste Flugverkehr statt. Die Temperatur bleibt in der Tropopause konstant niedrig bei ca. -55°C. Nach der Tropopause, in einer Höhe von ca. 14 km erreicht die Sonde dann die Stratosphäre. Hier nimmt die Temperatur dann wieder etwas zu, da das Ozon die UV-Strahlung der Sonne absorbiert und Wärme freisetzt. Unter anderem wollen wir diesen Temperaturanstieg nachweisen.

In einer Höhe von ca. 35 km Höhe wird dann der Ballon platzen, weil das Helium, welches in der Ballonhülle gefangen ist, aufgrund des sinkenden Druckes in diesen Höhen (verläuft übrigens exponentiell und soll ebenfalls nachgewiesen werden) immer stärker von innen gegen die Hülle „drückt“. Dadurch bläht sich der Ballon immer stärker auf, bis er seinen Platzdurchmesser von ca. 8-12 m erreicht und letztendlich platzt.

 

Danach fällt die Sonde trotz geöffnetem Fallschirm fast ungebremst, da die Luftdichte in 35 km sehr gering ist (ca. 150 mal geringer). In geringeren Höhen zeigt der Fallschirm dann Wirkung und bremst die Sonde auf die Endgeschwindigkeit von ca. 4 m/s ab. Mit dieser wird das Gespann dann am Boden auftreffen.

 

Hier ist mal eine Simulation für Samstag mittels CUSF:

 

Simulation mittels CUSF Landing-Predictor 2.5
Simulation mittels CUSF Landing-Predictor 2.5

 

Sobald der „Sichtkontakt“ durch Berge, Bäume oder Häuser abbricht, bricht auch der Funkkontakt ab (sehen wird man die Sonde in diesen Höhen nicht mehr und wir werden sie auch recht bald aus den Augen verlieren) und wir sind auf den GPS-Tracker angewiesen. Dieser wird angerufen und sendet dann (hoffentlich) seine GPS-Position auf ca. 5 m genau per SMS.

Danach beginnt dann die Suche. Wir erwarten zurzeit Entfernungen von ca. 40-70 km Luftlinie vom Startpunkt zum Landepunkt.

 

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Ich bin 1992 geboren und besuchte bis zum Abitur das "Gymnasium Gernsheim". Dort war ich in den Leistungskursen Mathe und Physik. Zur Zeit studiere ich Physik an der Technischen Universität in Darmstadt. Ich interessiere mich schon sehr lange für allerlei Wissenschaften, was wohl auch die Studienfachwahl begründen dürfte. Seit Ende 2006 beschäftige ich mich aktiv mit der Astronomie, worauf bald die Mitgliedschaft bei der Arbeitsgemeinschaft Astronomie und Weltraumtechnik Darmstadt folgte. Kevin Gräff

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