Super-GAU oder Klimakollaps

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Umwelt sind Du und ich
Öko-Logisch?

Kompass (Foto: Harald Lapp/Pixelio)

Meine regelmäßigen Leser wissen es: Ich bin kein Freund der Atomenergie, zu groß sind die Konsequenzen, wenn doch ein Unfall eintritt, zu groß sind die Unklarheiten bei der Lagerung des Atommülls. Trotzdem gibt es auch Umweltschützer, die warnen, ein Klimakollaps sei nicht besser.

Es ist eine Diskussion, die nicht nötig wäre. Verschiedene Studien zeigen, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien ohne neue Kohlekraftwerke bei gleichzeitigen Ausstieg aus der Atomenergie möglich ist, wenn vorübergehend der Anteil der Gaskraftwerke steigt und die Politik die ökologische Stromerzeugung forciert.

Doch danach sieht es nicht aus. Kohlekraftwerk um Kohlekraftwerk wird geplant und genehmigt. 120 Milliarden würde der Ausbau der nötige Solarenergie in Deutschland kosten, verteilt über viele Jahre. Wer sieht, welche Beträge die Bundesregierung in Folge der Finanzkrise aus dem Boden stampft, der hat keinen Zweifel – mit entsprechendem politischen Willen müsste sich niemand zwischen Super-GAU und Klimakollaps entscheiden.

Aber zurück zu meiner Ausgangsfrage. So ungeliebt Atomkraftwerke bei mir und der Mehrheit der Deutschen sind, so unstrittig ist, dass sie die beste CO2-Bilanz haben. Und das führt mich zu einer interessanten Güterabwägung:

Der Klimawandel betrifft die ganze Erde. Die Horrorszenarien, die uns alle erwarten, wenn wir die Erwärmung nicht auf weniger als zwei Grad begrenzen können, wurden oft genug ausgemalt. Billionenkosten, Kranke, Tote – all das wird es geben. Betrachtet man hingegen den Super-GAU, dann ist – bei allem Schrecken – regional begrenzt. Zehntausende Menschen wären unmittelbar betroffen, Millionen indirekt; weit weniger als von einem Klimakollaps. Und auch eine Belastung des Grundwassers durch undichte Atommülllager wäre letztlich regional begrenzt. Schade um die paar Städte, die umsiedeln müssen.

Es ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera – aber wie würden Sie sich entscheiden? Das atomare Risiko mit den – relativ – begrenzten Folgen hier und jetzt vor der Haustüre, oder der zeitlich eher ferne, globale Klimawandel, gegen den sich vielleicht noch neue Strategien in zwanzig Jahren finden lassen, der aber im Zweifelsfall weltweit katastrophale Folgen hätte?

Foto: Harald Lapp/Pixelio

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Björn Lohmann ist freier Wissenschaftsjournalist und Trainer für Onlineredakteure. Sein Anliegen ist es, die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zu hinterfragen, die unser aller Leben maßgeblich beeinflussen - denn nicht immer sind die Prioritäten von Forschern, Unternehmern und Politikern die besten im Interesse der Gesellschaft. In seiner Freizeit rettet Björn Lohmann die Welt, weil er findet, dass es sich mit ihr einfach netter lebt.

22 Kommentare

  1. Atomkraft

    Vorsicht!
    Ist das nicht das, was viele Atomkraftgegner (inkl. mir) vorausgesagt haben! Im Glauben etwas für die Umwelt und unser Gewissen zu tun lassen wir uns zur Atomkraft hinreißen. Das ist aber auch alles, was bei der zweijährigen Diskusion von Merkel, Gabriel und Co. rausgekommen ist. Da liegt ja fast der Verdacht nahe dass die Wissenschaft für politische Ziele missbraucht wird

  2. Der Gedanke einer Güterabwägung ist vernünftig, ist an der Ökofront aber ein eher seltener Vorgang. Bezüglich der Kohlekraftwerke ist eher der Wirkungsgrad entscheidend. Der mittlere Wirkungsgrad über die Welt beträgt heute ca. 30%, moderne Kraftwerke hohlen aus der gleichen Kohle 66% mehr Strom heraus und schonen damit die CO2-Bilanz, vermeiden auch andere Verschmutzungen und Strecken die Kohlevorräte. Bei der Kernenergie ist es eher sinnvoll die vorhandenen bewährten Anlagen weiter zu betreiben, der Stein der Weisen für die Zukunft ist sie wegen der Brennstoffversorgung aber auch nicht. Die Risiken von Krankenhausinfektionen, Unfällen, Alkohol, Malaria usw. sehe ich höher, als die der deutschen Kernkraft.
    Bezüglich der CO2-Vermeidung wäre es am sinnvollsten, wenn der Staat die Besteuerung des Stroms aufgibt und dafür direkt die CO2-Menge ordentlich besteuert und es dann dem Markt überlässt, sinnvolle Alternativen zu finden. Solarstrom in Deutschland wird wohl kaum dabei sein, dafür gibt es günstigere Weltgegenden.

  3. CO2 Bilanz

    Hallo Björn,
    bitte denken Sie noch weiter in die Zukunft:
    wenn ein Atomkraftwerke eine gute CO2 Bilanz hat, dann hat ein Sonnenkraftwerk in der Sahara ebenfalls eine gute Bilanz.

    Im Übrigen kann man bei einer Technik, die die Abfallentsorgung nicht gelöst hat, gar keine Bilanzen erstellen.

    Grüße Roland Minde

  4. Super-GAU oder Klimakollaps

    Wenn man den Artikel “Schwarz (2006): Die menschliche Zivilisation und das globale Energiegleichgewicht, Praxis der Naturwissenschaften 8/55, S. 2 – 6” liest, kommt die Atomenergie mit 10% Wirkungsgrad besonders schlecht weg. Die CO2-Debatte erscheint vorgeschoben, aber auch die “erneuerbaren Energien” sind bei regelmäßigem “Wirtschaftswachstum” nicht unproblematisch.

  5. Pest oder Cholera

    Diese Wahl stellt sich überhaupt nicht, weil man mit Atomkraft die Klimakrise gar nicht verhindern kann. Derzeit trägt die Atomenergie weltweit mit rund 440 Kraftwerken nur ca. 3% zur Energieversorgung bei, tendenz sinkend (die meisten Atomkraftwerke sind Jahrzehnte alt). Selbst ein utopisch massiver Ausbau – sagen wir 500 neue Atomkraftwerke bis 2020, das wären jeden Monat 4 neue am Netz – würde diesen Prozentsatz kaum erhöhen. Die Atomkraft bleibt daher auf jeden Fall ein Nischenprodukt und ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu den nötigen globalen Emissionsreduktionen (25-40 % bis 2020 laut Bali Road Map). Die Erneuerbaren müssen dagegen nur noch wenige Jahrzehnte ihre tatsächlichen Wachstumsraten der letzten 20 Jahre durchhalten, um die Vollversorgung mit Strom zu übernehmen. Windkraft lässt sich einfach viel schneller in Massenfertigung ausbauen als die Atomenergie.

  6. Es gibt keine Wahlmöglichkeit

    Da schau her, eine Güterabwägung!

    Das allerdings ist man vom ökologistischen Lager eher weniger gewohnt.

    Nun muß man diesen klugen Gedanken nur noch zu Ende führen, und nicht auf halbem Wege, wo sich die scheinbar unangenehmen Wahrheiten abzuzeichnen beginnen, stehenbleiben.

    Eine Güterabwägung ist ökonomisches Denken, und da gibt es keine emotionale Bedürfnisbefriedigung hinsichtlich von Technologien, die man „mag“ – oder „nicht mag“ (besser: „versteht“ oder „nicht versteht“).

    Jede Technologie der Energieumwandlung, die sich am Markt etablieren kann, hat offensichtlich ihre Existenzberechtigung.

    „Gut“ oder „schlecht“ sind Standpunkte, die sich nur reiche, satte und über viel Freizeit verfügende Menschen der westlichen Welt wirklich leisten können – und die daher global gesehen glücklicherweise keinerlei Relevanz aufweisen.
    Die Realität ist, daß wir – die gesamte Menschheit – immer mehr Energie in Form von Wärme und Elektrizität umsetzen und daher auch immer mehr Bedarf an entsprechenden Technologien besteht. Dabei werden vorhandene Systeme nicht substituiert, sondern ergänzt. Wir verbrennen heute mehr Holz als je zuvor in der Menschheitsgeschichte, gleiches gilt für Öl und Kohle. Wir erzeugen auch mehr Strom aus Wasserkraft als jemals vorher. Und dies wird sich weiter fortsetzen. Der Anteil aber von herkömmlichen Energieträgern am Energiemix wird fallen. Denn neue Energieträger treten hinzu, sie ergänzen, sie fangen Zuwächse auf, aber sie ersetzen nicht.

    Es gibt also keine „Wahl“ zwischen Kohle und Kernenergie. Es gibt nur beides. Jetzt und in Zukunft.

    Die Landschaft der Energieumwandlung wird vielfältiger und komplexer, das ist allerdings wahr. Für jede Technologie gibt es eine bestimmte Nische, eine spezielle Anwendung, in der sie sich rechnet, in der sie Wertschöpfung ermöglicht. Und wenn man beachtet, welche Entwicklung große Märkte in Asien und Südamerika in der Zukunft nehmen können, welche Bedarfe entstehen werden, so ist auch jede Technologie erforderlich. Dabei wird sich der Energiemix je nach Land, je nach Region, natürlich unterscheiden. Denn jeder Standort bringt andere Voraussetzungen mit.

    Ich persönlich erwarte global steigende Anteile am Energiemix insbesondere für Kernenergie und Photovoltaik. Denn beide haben ein enormes, nicht ausgeschöpftes Innovationspotential. Dies bedeutet zukünftige Wertschöpfungsmöglichkeiten, denn beide Technologien versprechen von Investitionen in die Forschung und Entwicklung den größten Umsatz- und Gewinnsprung.

    Den beschworenen Super-GAU kann man dabei technisch bereits mit heutiger Technologie ausschließen, man kann einen Reaktor so konstruieren, daß eine unkontrollierte Kernschmelze im Rahmen der bekannten Physik nicht möglich ist.

    Und der beschworene Klimakollaps, Herr Lohmann, ist ja nun ebenfalls keine globale, sondern eine regional differierende Herausforderung. Unvorhersagbar im übrigen. Denn letztendlich äußert er sich ja im Wetter, Statistiken sind für den Menschen und seine Umwelt nicht erfahrbar, das Wetter aber sehr wohl. Und so wird es hier und da mehr regnen und mehr schneien, dort weniger, woanders scheint die Sonne, und wieder woanders nicht. Es wird Regionen geben, die Probleme bekommen, es wird solche geben, die profitieren. Auch 40 Jahre Ökologismus haben nicht verhindern können, daß diese einfache Erkenntnis nun auch der breiten Bevölkerung bewußt wird.

    Global bleibt den Apokalyptikern also nur noch der Verweis auf den möglichen Anstieg des Meeresspiegels, wohlweislich vergessend, daß auch dieser sich regional völlig unterschiedlich auswirken wird.

    Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Klima, oder es bleibt wie es ist.

    Wichtig ist nur, daß alle Menschen auf diesem Planeten möglichst rasch über eine sichere, bezahlbare Versorgung mit Strom und Wärme verfügen. Dabei irgendeine Option auszuschließen, allein begründet durch eine Betroffenheitskultur religiösen Anstriches, ist verantwortungslos.

    Es besteht also keine Wahl und die Alternativen, die Sie oben eröffnen, sind künstlich konstruiert und existieren in der Realität nicht.

  7. Kernenergie gehört die Zukunft?

    Herr Heller, Sie schreiben

    “Es gibt also keine „Wahl“ zwischen Kohle und Kernenergie. Es gibt nur beides. Jetzt und in Zukunft.”

    Aber wie lösen die weiterhin nicht geklärte Frage nach der Endlagerung des dabei anfallenden Atommülls? Selbst wenn es eine Möglichkeit wäre “sauberen und sicheren Strom” zu erzeugen, werden Sie wohl genausowenig wie ich unsere Vorgärten dafür zur Verfügung stellen möchten…

  8. @sdl, Endlagerung

    Nun, ich würde es nehmen. Aber mir gibt es ja keiner.

    Ernsthaft: Ich erkenne einfach kein ungelöstes Problem der Endlagerung. Ich verstehe dieses Argument nicht, es ist nach meiner Auffassung auch wieder nur konstruiert.

    Ich möchte dazu mal folgende Denkanstöße in die Debatte werfen.

    1.) Es handelt sich um äußerst geringe Mengen.

    2.) Bringt man die Dinge in ein Bergwerk, oder versenkt sie im Meer, muß man sich im Prinzip um nichts mehr kümmern. Nur wenige hundert Meter Tiefe, und die Deckschichten über der Lagersrätte weisen mehr natürliche Radioaktivität auf, als die gelagerten Brennelemente. Man kann das Endlager also nicht einmal mehr nachweisen. Man muß dabei natürlich berücksichtigen, daß die Strahlung, die von den Brennelementen ausgeht, nicht sehr gefährlich ist. Ein Problem mit den Abfällen hat man nur, wenn man sie verspeist, möglichst pur.

    3.) Eigentlich sind es keine Abfälle, sondern wertvolle Rohstoffe, die in Kernkraftwerken erzeugt werden. Einerseits kann man sie fats vollständig wiederaufbereiten, und damit erneut zur Energieumwandlung nutzen. Kernbrennstoffe sind damit eigentlich der einzige wirklich erneuerbare (d.h. aktiv recyclebare) Energieträger, den wir kennen. Andererseits sind die “Abfälle” aus interessanten Isotopen zusammengesetzt, die so in der Natur nicht vorkommen. Und ich bin ziemlich sicher, daß irgendwann irgendjemand Kluges etwas höchst spannendes mit diesen Stoffen anzufangen weis. Ich würde die Dinge also nicht zu tief vergraben. Wir sollten die Chance haben, sie jederzeit wieder verwenden zu können.

    4.) Ich bin ebenfalls ziemlich sicher, daß der menschliche Erfindungsgeist irgendwann noch einen ganz anderen Weg findet, die Isotope in den verbrauchten Brennelementen so umzuwandeln, daß keine Gefährdung mehr besteht. Wir sind eigentlich ziemlich gut darin, “Abfälle” aller Art zu vernichten.

    Es ist also eine Frage der Einstellung: Fürchten wir uns und haben wir Angst? Oder gehen wir die Problematik rational an und sind kreativ, um Chancen zu entdecken und zu nutzen?

    Letztlich erzeugen die “Abfälle” aus den Kernkraftwerken in aller erster Linie einmal Wärme. Und da kann ich mir sehr gut vorstellen, mit ein paar thermoelektrischen Elementen, nanotechnisch aufgemotzt, daß selbst ein Endlager noch ein Kraftwerk sein kann. Zugegeben, nicht sehr ergiebig, aber besser als nichts. Vielleicht eine spinnerte Idee, aber die meisten guten Dinge haben als Spinnereien angefangen (wer braucht schon einen Computer?). Ich kann mir bspw. auch vorstellen, daß man CO2 aus Kohlekraftwerken nicht in Kavernen lagert, sondern direkt in große Treibhäuser einleitet. Ich kann mir vostellen, daß wir enorm profitieren, wenn die Arktis endlich abgetaut ist. Ich kann mir vostellen, mein Auto mit einer Radionuklidbatterie und meine Heizung mit einem kleinen Reaktor im Keller zu betreiben.

    Ich kann mir einfach vieles vorstellen, weil ich zum Verrecken nicht dazu in der Lage bin, Angst vor Elektronen, Photonen und Quarks zu empfinden. Von daher dürfen die Brennstäbe gerne in ein Wasserbecken, oder in den Castor-Behältern in einer einfachen Halle bleiben. Und die Halle darf auch gerne bei mir stehen, gegen entsprechende Gebühr. Aus meiner Sicht ist eine solche Halle oder ein solches Wasserbecken ein geeignetes “Endlager”.

    Und um die Halle herum darf gerne ein kerntechnisches Forschungszentrum mit 100 oder mehr Wissenschaftlern entstehen. Habe ich gar kein Problem damit. Schafft viele weitere Jobs.

    Das ist mein voller Ernst: Ich habe keine Angst, ich sehe lieber die Chancen und Möglichkeiten.

  9. seltsame Güterabwägung

    Ja, Herr Heller, ich habe hier eine Güterabwägung zur Diskussion gestellt; wohlgemerkt eine, von der ich hoffe, dass sie nicht nötig wird, weil die Vernunft doch noch die Politik erreicht.

    Aber mir ist nicht klar, auf welche Weise Sie eine Güterabwägung betreiben. Sie plädieren für Kohle- und Atomstrom, in beiden Fällen mit der Begründung, keine Angst vor den Risiken zu haben, sondern die Chancen zu sehen. Gewichten Sie da nicht Güter etwas seltsam? Zum Einen bestehen die “Chancen” im Wesentlichen darin, die Risiken irgendwann eliminieren zu können (Fall Atomkraft) bzw. zu den Glücklichen zu gehören, die lokal begrenzt positiv Betroffen sind (Fall Kohle/Klimawandel). Zum Anderen ist das Ergebnis Ihrer Abwägung, Risiken in Kauf zu nehmen anstatt… ja, anstatt was? Anstatt Investitionen von einer alten, problematischen Energieerzeugung hin zu einer modernen, risikofreien Energieerzeugung zu verlagern? Lasst uns weiter Asbest verbauen statt Wollastonit oder Keramikfasern, die Medizin wird schon irgendwann Krebs heilen können?

  10. Güterabwägung

    Vielleicht habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt.

    Also zur Erläuterung: Die Güterabwägung besteht nicht zwischen Kohle und Kernenergie, das ist nach meiner Auffassung Spiegelfechterei. Die Güterabwägung besteht zwischen der Produktion von mehr elektrischer Energie zu geringeren Kosten und höherer Verfügbarkeit und der Produktion von weniger elektrischer Energie zu höheren Kosten und geringerer Verfügbarkeit.

    Vor dem Hintergrund, daß derzeit, also in einer Epoche, in der der Mensch auf dem Mond gelandet ist und bald wieder landen wird, mehrere hundert Millionen, wenn nicht sogar mehr als 1 Milliarde Menschen auf diesem Planeten überhaupt keine Stromversorgung haben, entscheide ich mich klar für erstere Variante.

    Davon ausgehend ergibt sich zwangsläufig, daß wir nicht nur mehr Kern- und Kohlekraftwerke benötigen, sondern eben auch alles andere. Es gibt einfach keinen Modus der Stromerzeugung, auf den wir verzichten können. Ich halte also einen Ausbau von Alternativen für ebenso zwingend, wie Sie, aber nach meiner Auffassung werden diese die konventionellen Systeme nicht ersetzen, sondern ergänzen.

    Das gilt global. Für das einzelne Land, für die einzelne Region ist die optimale Versorgung jeweils individuell an den Standort anzupassen. Die einen können halt viel Wind nutzen, die anderen viel Sonne. Wieder andere verfügen über Ressourcen wie Kohle oder auch Uran.

    Global ist das Ergebnis der Güterabwägung also: Mehr machen , alles nutzen, alles ausbauen. Lokal gilt: Die jeweils optimal an den Standort angepasste Technologie nutzen.

    Das ganze ist nicht als einfacher, statischer Zustand, sondern als komplexer, dynamischer Prozeß zu sehen. Wenn wir heute 80% unseres Stromes konventionell erzeugen, dann wird dieser Anteil in einigen Jahren vielleicht auf 50% sinken. Da wir aber dann vielleicht doppelt so viel Strom produzieren, wie heute, entspricht dieser 50%-Anteil einem Wachstum der konventionellen Energieträger.

    Noch zwei Anmerkungen.

    Sie schreiben:

    “…einer alten, problematischen Energieerzeugung…”

    Was soll das denn sein? Das oberschlächtige Wasserrad aus dem Mittelalter? Mal ernsthaft: Kohle und Kernenergie sind so modern, wie sie nur sein können. Denn auch an diesen Technologien ist der menschliche Erfindergeist nicht spurlos vorübergegangen. Klar, der ökologistische Zeitgeist verhindert derzeit noch, daß die entsprechenden Kraftwerke modernisiert bzw. neu gebaut werden können (was eigentlich nach 20-30 Jahren üblich sein sollte). Sie würden ja auch nicht ein Neufahrzeug als “alt und unmodern” bezeichnen, nur weil es Autos schon vor hundert Jahren gab. Das wäre ebenso unzulässig, wie bei Kohle- und Kernenergie.

    (Gerade unsere Kernkraftwerke sind sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand, sie werden ständig modernisiert – es ja nicht so, daß in einem 20 Jahre alten Kraftwerk auch noch 20 Jahre alte Computer- oder Sensortechnik eingesetzt würde…)

    Sie schreiben weiter:

    “modernen, risikofreien Energieerzeugung”

    Risikofrei? Na, das glauben Sie doch sicher nicht wirklich, oder? Risikofrei existiert nicht, das sollte eigentlich klar sein.

    Zum Asbest: Es macht tatsächlich keinen Sinn, einen Stoff nicht mehr einzusetzen, dessen Risiken man kennt und daher beherrschen kann. Gut, ich werde sicher nicht für Asbest kämpfen, so wichtig ist das nicht. Man kann sich sehr wohl entscheiden, Asbest nicht zu verwenden, es gibt ja ausreichend Alternativen. Der Verzicht auf Asbest bedeutet nicht den Verzicht auf Möglichkeiten, wie das allerdings bei Kohle- und Kernenergie der Fall wäre.

    Aber: Nach erkannter Gefahr eine sogenannte “Asbestsanierung” durchzuführen und damit aus dem potentiellen Risiko ein tatsächliches erst zu machen, das allerdings ist Irrsinn. Jede rationale Güterabwägung hätte zu dem Schluß geführt: Laßt den Asbest da, wo er ist (ggf. zusätzlich versiegeln) und verwendet keinen neuen mehr.

  11. Zu kurz gedacht

    “Ich bin ja auch …, aber man muss doch”. In diese Satzkonstruktion wird häufig großer Unsinn gezwängt. Erneuerbare Energien und Kernkraftwerke sind technisch nicht kompatibel, Kernenergie ist daher als Übergangstechnologie untauglich. Das Endlagerproblem ein relativ begrenztes Risiko? Die Gefahren des Klimawandels zeitlich eher fern? Ich bitte Sie!

  12. @Volmer

    Zitat:

    “Erneuerbare Energien und Kernkraftwerke sind technisch nicht kompatibel…”

    Richtig. Kernenergie ist grundlastfähig. Alternative Energien sind dies allesamt nicht.

    Zitat:

    “Kernenergie ist daher als Übergangstechnologie untauglich.”

    Jede Technologie ist eine “Übergangstechnologie”. Kernenergie ist ganz offensichtlich tauglich. Etwa 17% der weltweiten Stromproduktion stammen aus Kernenergie (weniger als 4% aus alternativen Energien). Sie wird also eingesetzt. Seit Jahrzehnten. Sie ist tauglich.

    Zitat:

    “Das Endlagerproblem ein relativ begrenztes Risiko?”

    Jedes Risiko ist “relativ begrenzt”. Hier wird leider nicht mit Risiken, sondern mit Ängsten, mit emotionalen Befindlichkeiten diskutiert.

    Zitat:

    “Die Gefahren des Klimawandels zeitlich eher fern?”

    Das einzig stetige am Klima ist der Wandel. Die Risiken des Klimawandels sind daher nicht fern, sondern Alltag. Schon immer. Seit es Leben auf der Erde gibt, muß es sich an den ständigen Wandel des Klimas anpassen. Und das müssen wir natürlich auch. Das haben wir seit 100.000en von Jahren auch sehr erfolgreich getan. Warum also damit aufhören? Never change a winning strategy.

    Aber Sie meinen sicher etwas anderes. Nämlich die apokalyptischen Szenarien der “globalen Erwärmung”.

    Da sollte doch jeder von uns einmal beschreiben, was ihm denn die “globale Erwärmung” bislang angetan hat. Möglichst detailliert und umfassend.

    Ich fange mal mit mir an: Nichts.

    Ich vermute, Sie könnten jeden einzelnen der 6 Mrd. Menschen auf diesem Planeten danach fragen und jedesmal wäre die Antwort dieselbe: Nichts.

  13. Betroffen vom Klimawandel?

    Ich glaube, Herr Heller, Sie machen es sich mit Ihrer Frage nach den vom Klimawandel bisher Betroffenen etwas einfach. Die heutigen Folgen des Klimawandels lassen sich nicht eindeutig monokausal der Erwärmung zuordnen, Sie könnten also jedem Einzelnen widersprechen: Extreme Tropenstürme mit Toten in den USA; Alpenregionen ohne Schnee und Touristen; diverse Regionen, in denen plötzlich zu wenig Regen fällt und Hunger die Folge ist; diverse Regionen, in denen zu viel Regen fällt und Überschwemmungen auslöst (inklusive Erosionsfolgen); Regionen, die aus den zuvor genannten Regionen Flüchtlinge aufnehmen müssen.

    In Deutschland mögen wir die Folgen noch nicht unmittelbar spüren, aber das heißt nicht, dass es sie nicht gibt, und dass sie uns nicht in einigen Jahren erreichen werden.

    Ein Punkt zur Grundlast: Wasserkraft ist durchaus grundlastfähig, und selbst Windstille herrscht immer nur lokal. Was die Sonnenenergie betrifft, die fällt dann aus, wenn sie keiner braucht (nachts) bzw. ist dann am stärksten, wenn am meisten Strom gebraucht wird (heiße Sommertage -> Klimaanlagen).

  14. Ein Zitat

    Für Sie herausgesucht, Herr Lohmann (leicht zu finden in der Wikipedia):

    “[…]um sechs Uhr am abend fing Gott der Herr aus dem Osten mit Wind und Regen zu wettern, um sieben wendete er den Wind nach dem Südwesten und ließ ihn so stark wehen, daß fast kein Menschen gehen oder stehen konnte, um acht und neun waren alle Deiche schon zerschlagen […] Gott der Herr ließ donnern, regnen, hageln, blitzen und den Wind so kräftig wehen, daß die Grundfeste der Erde sich bewegten […] um zehn Uhr war alles geschehen.”

    So geschehen in der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober 1634 an der deutschen Nordseeküste. Die Buchardiflut mit etwa 10.000 Todesopfern.

    Ist wahrscheinlich eine Fälschung, denn natürlich kann es vor der industriellen Revolution keine Wetterextreme gegeben haben. Diese sind allein ein Produkt unserer Zeit und einzig dem Klimawandel geschuldet, oder?

    Liste der katastrophalen Sturmfluten an der Nordseeküste (man beachte die Opferzahlen, kaum noch Tote nach 1800):

    http://de.wikipedia.org/…rmfluten_an_der_Nordsee

    Fast alle im Herbst oder Winter, wenn es kalt ist…

  15. @Peter Heller: Sturmfluten

    Die Experten sitzen ein paar Blogs weiter, aber ich glaube nicht, dass je ein starker Zusammenhang zwischen Sturmfluten in der Nordsee und dem Klimawandel postuliert wurde. Natürlich erhöht ein steigender Meeresspiegel die Problematik. Bei Überschwemmungen in Bangladesch mag das sogar bereits ein Faktor sein. Dort haben Sie auch die hohen Zahlen bei den Todesopfern, die Ihnen in den Nordseestaaten heute nicht mehr begegnen werden, weil wir a) milliardenteure Deiche haben und b) rechtzeitig die Flucht ergreifen können.

    Wenn Sie dagegen zu den Hurrikanen schauen (http://de.wikipedia.org/wiki/Hurrikan), deren Entstehung an die Wassertemperatur gekoppelt ist, finden Sie sechs “nennenswerte” Hurrikane zwischen 1780 und 1969 und allein 13 solche Exemplare seit 2004.

  16. Prozente

    @ Peter Heller

    “Etwa 17% der weltweiten Stromproduktion stammen aus Kernenergie (weniger als 4% aus alternativen Energien)”

    Ich weiß ja nicht, wie du “alternative Energien definierst, aber du hast mit Sicherheit übersehen, dass aus Wasserkraft von eh und je immer schon mehr Strom produziert wurde als in AKWs. Und diese Schere öffnet sich weiter.

    Deine 17% sind inzwischen längst Geschichte, die sind inzwischen auf 15% geschrumpft und die Tendenz ist weiter fallend, allein schon deshalb, weil der Ausbau der Erneuerbaren Energien immer stärker voran geht, während Atomenergie zurzeit stagniert und in wenigen Jahren stark schrumpfen wird, weil immer mehr alte AKWs vom Netz gehen, ohne dass sie durch neue ersetzt werden können.

    Wie Stefan Rahstorf zutreffend bemerkt, ist der Anteil von Atomstrom an der Weltendenergieversorgung mit 3% (ich gehe sogar eher von 2,5% aus), dermaßen gering, dass die “Alternative” Atomenergie vs. Erneuerbare Energien gar keine ist.

    Jeder Euro allerdings, der heute noch an die Atomenergie verschleudert wird, ist ein Euro, der bei der notwendigen Erneuerung unserer Energieversorgung fehlt.

    Bestes Beispiel für die Notlage der Atomindustrie: Olkiluoto 3, DAS Vorzeigeprojekt der europäischen Atomindustrie. Stand heute: Fertigstellung vorerst von 2009 auf frühestens 2012 verschoben, Baukosten bereits um 50% überschritten, im Endeffekt werden es wohl mindestens 100% sein. Durch Pfusch am Bau ist jetzt schon die Sicherheit der ganzen Anlage in Zweifel zu ziehen.

    Möglicherweise geht das Ding wegen der eklatanten Mängel am Ende gar nicht ans Netz, dann sind mal wieder 5 Milliarden Euro in den Sand gesetzt.

    Es deutet sich auf jeden Fall an, dass die Atomenergie bereits zum großen Teil Geschichte ist, jedenfalls werden in 15 bis 20 Jahren deutlich weniger (wenn überhaupt noch, man weiß ja nie, welche Super-GAUs uns noch bevorstehen!) Anlagen noch am Netz sein als heute.

  17. Atomstrom hat keine bessere CO2-Bilanz. Der ganze Abbau, die Aufarbeitung, …. , rechnet man dies alles zusammen, kann man wirklich nicht von klimafreundlicher Energie sprechen.
    Und der Wirkungsgrad dieser Technologie ist ebenfalls nicht glänzend. Ein Großteil der überschüssigen Wärmeenergie geht in die Flüsse und in die Atmosphäre.
    Und der Strom wird über weite Strecken im Land verteilt, wobei ebenfalls ein ordentlicher Teil der Energie verlohren geht.

    Am energieeffizientesten scheinen derzeit moderne Blockheizkraftwerke zu sein, bei denen Strom und Wärme direkt vor Ort erzeugt wird. Also kein großer Verlust durch lange Transportstrecken.
    Würden diese auch noch mit Bio-Gas betrieben, ist dieses u.a. die Technologie der Zukunft.

    Doch ohne Zweifel, es ist in der Tat der fehlende politische Wille. Werden Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke nicht endlich runtergefahren, kann die regenerative oft nicht einspeisen, wenn zu wenig Strom benötigt wird.
    Denn die unflexiblen Grundlastkraftwerke blockieren hier den Weiterausbau.

  18. Gutes Argument!

    Herr Lohmann,
    ein sehr gutes Argument! Nur: der GAU (so er denn eintritt) wäre bei UNS, sozusagen um die Ecke.

    Der GAU wegen des CO2 betrifft aber in erster Linie die anderen, die ärmeren und die, die weit weg von uns wohnen.

    Und es ist anzumerken, dass durch unsere Energiesparbemühungen kein einziger Liter Öl weniger aus der Erde geholt wird – er wird halt nur für die Länder billiger, die sich nicht ums Energiesparen kümmern.

    Ein lesenwertes Buch ist hierzu das von Prof. Sinn “Das grüne Paradoxon”.

  19. CO2-Endlagerung ebenfalls ungelöst!

    Die Endlagerfrage wird immer gerne diskutiert.

    Hierbei wird gerne übersehen, dass wir das CO2 bisher auch einfach so in die Luft blasen und sozusagen über den Planeten verteilt “endlagern”.

    Zum “Glück” betrifft die hiervon verursachte Temperaturerhöhung aber eher die ärmeren Länder und Menschen.

    Wir könnten ja diese Menschen mal Fragen, was ihnen lieber wäre: Stürme und Hochwasser oder bei uns ein Endlager, an dessen Folgen wir in erster Linie alleine zu knabbern hätten.

  20. @Michael Kraus: Klima- und Atomprobleme

    Ich finde Ihre Sichtweise des “CO2-Endlagers in der Atmosphäre” interessant. Anders als Atommüll ist die Atmosphäre für CO2 allerdings kein Endlager für Jahrhunderttausende, sondern befindet sich in einem Kreislauf. Sprich: Produzieren wir weniger, sinkt der Anteil in der Atmosphäre auch wieder.

    Davon ab ist es sicher richtig, dass wir dringend auch aus den fossilen Energieträgern aussteigen müssen. Bloß: Je länger Atomkraftwerke laufen, desto langsamer wird in erneuerbare Kraftwerke investiert. Zum einen, weil es nicht nötig und zudem teurer ist, zum anderen, weil Atomkraftwerke durch ihre mangelnde Flexibilität in der Grundlast schon heute Ökostrom verdrängen.

  21. Klimakolllaps NO!

    Gleich zu Beginn, ich habe keine Zuwendungen von iregend einer Seite bekommen.
    Der Klimakollaps kommt nicht.
    Der Eisbär ersauft nicht.
    Leider bist Du Opfer eines Dogmas geworden.
    Moderne Kohlekraftwerke sind entstaubt, entschefelt und entstickt (NOx) und können für ca. 400€ pro KW installiert werden, alles andere ist Ideologie und Klientel-Politik. Kapiert?
    Der Mensch ist im Klima ein kleines Rädchen. Gruß Gerhard Schweickhardt

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