Atomstrom ist teuer

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BMU Plakat Atomausstieg (Foto: Denis Apel)Sie war einer der wenigen Aspekten im Fernsehduell von Merkel und Steinmeier, in denen die Positionen der beiden Kontrahenten weit auseinander gingen: die Atomenergie. Weil auch in Kommentaren in diesem Blog immer wieder das Argument zu lesen ist, dass wir ohne deutsche Atomkraftwerke billigen Atomstrom aus Frankreich importieren würden, möchte ich an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Atomstrom ist verdammt teuer.

165 Milliarden Euro haben die deutschen Atomkonzerne seit 1950 aus Steuermitteln erhalten, so das jüngste Ergebnis einer Studie im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Weitere 92,5 Milliarden werde es noch kosten, bis das letzte Atomkraftwerk zurückgebaut ist. Richtig ist der Einwand der Atomkonzerne, dass Greenpeace zu den Subventionen auch Forschungsgelder für die Kernfusion zählt; darüber kann man sicher streiten. Falsch ist jedoch, dass es weniger als 200 Millionen Euro seien. Nicht nur, wo Subvention drauf steht, ist auch Subvention drin. Denn was sind Steuervergünstigungen oder staatliche Bürgschaften anderes als Förderungen mit staatlichen Geldern? Müssten Atomkraftwerke gegen einen GAU versichert werden, läge der Strompreis je Kilowattstunde bei 2,70 Euro und wäre unbezahlbar.

Doch genug der alten Geschichten, bis auf diese jüngste Studie habe ich das im Grundsatz hier schon diskutiert. Neu ist viel mehr, dass die Behauptung, dass Atomstrom teuer ist, nun mit harten Fakten aus eben dieser Branche, ja sogar aus dem für seinen billigen Atomstrom berühmten Frankreich belegt wird. Pierre Gadonneix, Chef des (Atom-)Energiekonzerns Electricité de France, wollte unlängst eine Erhöhung des Strompreises um 20 Prozent durchsetzen. Nach einem Aufschrei der Franzosen machte der Premierminister daraus schnell 1,9 Prozent, doch an wirtschaftlichen Fakten kann die Politik nichts ändern: Der Preis müsse eigentlich sogar um 40 Prozent angehoben werden, damit der Konzern wirtschaftlich arbeiten könne, sagt Gadonneix. 45 Euro kostet die Erzeugung jeder Megawattstunde Atomstrom. Die französischen Verbraucher zahlen bloß 35 Euro.

Staatlich regulierte Preise mögen günstig sein. Atomstrom ist es ganz und gar nicht.

Foto: Denis Apel

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Björn Lohmann ist freier Wissenschaftsjournalist und Trainer für Onlineredakteure. Sein Anliegen ist es, die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zu hinterfragen, die unser aller Leben maßgeblich beeinflussen - denn nicht immer sind die Prioritäten von Forschern, Unternehmern und Politikern die besten im Interesse der Gesellschaft. In seiner Freizeit rettet Björn Lohmann die Welt, weil er findet, dass es sich mit ihr einfach netter lebt.

8 Kommentare

  1. Atommüll

    Wie verhält es sich da mit dem Atommüll? Der strahlt ja “ein paar” Jahre munter vor sich hin. Den kann man ja nicht einfach in eine Grube kippen und dann verschließen. Die Lager müssen ja noch über “ein paar” Jahre auch noch betreut werden. Was wird das nur in der Summe kosten?

  2. Endlagerung von Atommüll

    Nicht zu den Kosten, aber zur aktuellen Situation der Endlager-Problematik gibt es ein neues Papier das BUND: http://www.bund.net/…dlagersuche_forderungen.pdf

    Interessant wäre sicherlich auch die Frage, wer die Kosten trägt, wenn eine Endlagerstätte plötzlich das Grundwasser verseucht. Oder wenn jemand Atommüll entwendet und z. B. aus terroristischen Motiven nutzt, um Nahrung/Wasser/Menschen zu verstrahlen.

  3. Auch CO2 wird global endgelagert!

    Strom aus Kernkraftwerken ist sicherlich nicht das, wovon wir immer geträumt haben.

    Geht man davon aus, dass die Temperaturerhöhung von uns Menschen verursacht wurde, dann müssen wir aber ehrlicherweise zugeben, dass wir beim Verbrennen von Kohle und Öl und Gas das CO2 bisher einfach in der Atmosphäre “endgelagert” haben.

    Die vielen Milliarden, die nun an Schäden durch Hochwasser, Stürme, Verwüstung etc. entstehen, bitte ich dann als GAU-Kosten den fossilen Brennstoffen zuzurechnen.

    Dann kostet die kWh aus einem Kohlekraftwerk sicherlich auch mehr, wenn man überschlägt, wie viele Milliarden es kosten würde (wenn es so einfach ginge), das CO2 wieder aus der Luft herauszuholen.

    Nur: Die Folgen der Klimaveränderung tragen nicht wir, sondern – sollen wir uns drüber freuen – die Menschen in deutlich ärmeren Regionen der Erde.

    Wenn aber ein Endlager in die Luft fliegt, dann würde es ja UNS direkt betreffen. Da ist es dann leicht, gegen Kernkraft zu sein – weil die Öko-Zeche bisher die anderen zahlen.

    Von Quecksilber und anderen Giften, die bei der Kohleverbrennung frei werden, haben wir dabei noch gar nicht geredet.

    Also: Endlagerung findet so oder so statt. Doch bisher können wir es uns leisten, dieses Problem zu globalisieren.

  4. @ Lohmann

    In dem Artikel vom BUND steht, was mir sowieso durch den Kopf geht. Der Atommüll strahlt über so eine lange Zeit hinweg, dafür kann kein Mensch eine Garantie übernehmen. Wenn man ein Verfahren hätte, daß die Radioaktivität weiter nutzen könnte bis es keine bzw. schwache Strahlung mehr gibt, kann man sich das nochmal überlegen. Aber so wie es bisher ist, ist es der reinste Wahnsinn. Das ist eine Technik, die für uns Menschen ein paar Nummern zu groß ist. Was wissen wir denn, was in hundertausend Jahren passiert? Wir müssen so schnell wie möglich da aussteigen.

    Auch überzeugt es mich nicht, wenn andere Nationen wieder mehr auf Kernenergie setzen sollen. Wo ist das Argument? Strahlt der Atommüll deswegen kürzer?

  5. @Michael Kraus: Klima- und Atomprobleme

    Ich finde Ihre Sichtweise des “CO2-Endlagers in der Atmosphäre” interessant. Anders als Atommüll ist die Atmosphäre für CO2 allerdings kein Endlager für Jahrhunderttausende, sondern befindet sich in einem Kreislauf. Sprich: Produzieren wir weniger, sinkt der Anteil in der Atmosphäre auch wieder.

    Davon ab ist es sicher richtig, dass wir dringend auch aus den fossilen Energieträgern aussteigen müssen. Bloß: Je länger Atomkraftwerke laufen, desto langsamer wird in erneuerbare Kraftwerke investiert. Zum einen, weil es nicht nötig und zudem teurer ist, zum anderen, weil Atomkraftwerke durch ihre mangelnde Flexibilität in der Grundlast schon heute Ökostrom verdrängen.

    Es gibt eine seriöse Studie im Auftrag von Greenpeace, dass wir gleichzeitig bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 Prozent senken und den Atomausstieg auf 2015 vorziehen können: http://www.greenpeace.de/…ikationsarchiv/2007/3/

  6. Von der Vielfalt zur Einfalt

    Mir völlig unerklärlich, wieso wir immer noch Atomstrom brauchen. Auch erinnere ich mich noch gut, dass es bei uns früher viele kleine Wasserkraftwerke gab, diese mussten auf Druck der Energieversorger alle verschwinden. Warum kann man sich denken.

  7. Und wie begann es?

    Die USA waren sich sicher, dass Atomkraft nur militärisch effektiv sei – und demonstrierten es.
    In der Sowjetunion wurde im Sommer 1954 in Obminsk bei Moskau das erste Atomkraftwerk (AKW) für friedliche Zwecke in Betrieb genommen. Also mussten die USA u. a. möglichst schnell nachziehen. Hier liegen auch Gründe für eine staatliche Förderung. Damals haben wohl spätere Probleme noch keine Rolle gespielt – es war auch ein Problem des Kalten Krieges! So manches Mal standen AKW´s vor einem GAU.
    Die A-Bombe „verbrennt“ den Kernbrennstoff hochgradiger – in Hiroschima und Nagasaki ging mehr oder weniger das Leben nach den A-Bomben 1945 weiter. In Tchernobyl fand keine atomare Explosion statt – aber viel radioaktives Material des Reaktors entwich – und das Leben erlosch für Jahrzehnte.
    Damit werden die schon erwähnten hohen Kosten für ein Endlage klar. Es soll das lange strahlende „ausgebrannte“ radioaktive Material der Reaktoren für sehr viele Generationen sicher verwahren.
    In Analogie zum Bau von AKW´s sollen die Kosten vergesellschaftet und die Gewinne privatisiert werden.
    Man hört auch immer wieder, dass in der Nähe von AKW´s die Krebshäufigkeit höher ist. Offiziell überschreitet die Strahlendosis keinen Grenzwert. Sehen wir aber weiter, dann ist ein Atomreaktor ein dynamisches System – und die schwingen. Diese Schwingungen können in der Nähe besonders junge und kranke Menschen gefährden. Ein Stichwort für neue Untersuchungsansätze könnte Global Scaling sein.

  8. Grundlast und EE – ein Systemkonflikt

    Technical or economical barriers?
    (Kasten auf S. 28)
    http://www.greenpeace.de/…gie/renewables24-7.pdf
    http://www.unendlich-viel-energie.de/…flikt.html

    Kleines Beispiel: ein AKW habe variable Kosten von 20 EUR/MWh. Nun sind beim AKW diese variable Kosten aber mehr oder weniger fix, da unabhänig von der Last einmal im Jahr die Revision ansteht, d.h. das Wartungsintervall lässt sich nicht verlängern. Das Personal wird auch nicht teilweise nach Hause geschickt, nur weil das Kraftwerk bei 50-70% läuft. Sogar die Brennstoffkosten lassen sich nicht verringern, da sich im Teillastbetrieb der Abbrand verschlechtert.

    Wenn nun vorgeschlagen wird, das AKW nachts und am Wochenende bei nur 45% zu betreiben und tagsüber einen Lastfolgebetrieb im Bereich 80-100% einzustellen, dann kommt als Jahresauslastung statt 8000h nur angenommene 4000h heraus. Damit erhöhen sich die variablen Kosten auf 40 EUR/MWh – das macht dem Betreiber zum aktuellen Börsenpreis keinen großen Spass, und ich an seiner Stelle wäre in Anbetracht der Gefahr von Stranded Assets auch nicht so begeistert auf zügigen Windausbau.

    Grüße, Gunnar Kaestle

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