Wie sähe eine freiheitliche, (neo-)liberale Familienpolitik aus?

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Normalerweise wird im Internet ja vor allem geschimpft. Umso mehr habe ich mich über eine ermutigende Rückmeldung des Biologen und Bloggers @HansZauner gefreut, der sehr genau ausdrückte, worum es mir geht: Dazu einzuladen, in Themen tiefer einzudringen und hinter der Oberfläche Neues zu entdecken!

HansZaunerTwitterLob122014

Nehmen wir den Begriff des Liberalismus

Ursprünglich bezeichnete der Liberalismus eine breite und vielgestaltige Freiheitsbewegung, die seit dem 18. Jahrhundert greifbar wird und Themen wie Religions-, Meinungs- und Gewissensfreiheit, Vertrags-, Reise- und Berufsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, demokratische Wahlen, die Abschaffung der Sklaverei und später auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau vertritt. Selbstverständlich war – und ist – der Liberalismus sehr vielgestaltig und trat sowohl in Verbindung mit konservativ-monarchistischen Elementen (z.B. in Großbritannien) wie auch mit rationalistisch-revolutionären Anklängen (z.B. in Frankreich) auf. Manche Liberale speisten ihre Überzeugungen aus religiösen Quellen – oft als Angehörige in Europa verfolgter Minderheiten wie Baptisten und Quäker -, andere – insbesondere aus katholisch dominierten Ländern – forderten als Reaktion auf “staatskirchliche” Repressionen die Verbannung der Religion(en) aus dem öffentlichen Leben.

Doch gerade seine Vielgestaltigkeit macht(e) den Liberalismus nicht nur erfolgreich, sondern auch angreifbar – und im 20. Jahrhundert geriet er schließlich zwischen sozialistischen und konservativen Kritikern in eine bis heute anhaltende Krise. So wird der Begriff “liberal” in den USA heute eher als staatsgläubig-fast-sozialistisch verstanden, in Deutschland dagegen als marktradikal und egoistisch.

Die Umwidmung des Begriffes “neoliberal”

Besonders schlimm hat es im Deutschen den Begriff “neoliberal” erwischt, der heute fast in sein Gegenteil verkehrt gebraucht wird. So schreibt der “Duden Wirtschaft” bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu Recht:

Die Ideen des Neoliberalismus, dessen führender Vertreter in Deutschland Walter Eucken (*1891, †1950) war, basieren zum großen Teil auf den negativen Erfahrungen mit dem ungezügelten Liberalismus des Laissez-faire im 19.Jahrhundert, als der Staat die Wirtschaft komplett dem freien Spiel der Marktkräfte überließ. Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft sind deshalb aus Sicht des Neoliberalismus dann gerechtfertigt und notwendig, wenn sie z.B. das Marktgeschehen fördern und die Bildung von Monopolen oder Kartellen verhindern, Konjunkturschwankungen ausgleichen oder dem sozialen Ausgleich dienen. Die deutsche Variante des Neoliberalismus wird auch als Ordoliberalismus bezeichnet. Die angelsächsische Variante mit ihrem Hauptvertreter Friedrich August von Hayek (*1899, †1992) setzt mehr auf die Selbststeuerung der Marktwirtschaft.

Die meisten Wirtschaftsordnungen der westlichen Industrienationen, so auch die soziale Marktwirtschaft in Deutschland, basieren heute auf den Prinzipien des Neoliberalismus.

Konkretes Beispiel: Familienpolitik

Den Unterschied kann man beispielsweise an den Diskussionen um Familienpolitik ausmachen. Für marktradikale Homo oeconomicus-Denker sind Kinder Investitions- und Konsumgüter wie Autos oder Kühlschränke, die Eltern sich nach rationalen Kosten-Nutzen-Abwägungen “anschaffen”, oder nicht. Neoliberale wie der erwähnte F.A. von Hayek erkannten dagegen die Bedeutung von Gefühlen, von auch irrationalen Überzeugungen und kulturellen Traditionen – was es ihm gegen Ende seines Lebens erlaubte, das demografische Potential von Religionsgemeinschaften zu entdecken, das sich in den letzten Jahren empirisch bestätigt hat. Neoliberale sind “evolutionär”, da sie sich weniger an abstrakten Modellen orientieren, sondern an Versuch und Irrtum und der Erforschung der menschlichen Natur, Kultur und also (Evolutions-)Geschichte.

Im deutschen Sprachraum wissen wir von all dem fast gar nichts – wenn wir über Familienpolitik sprechen, orientieren wir uns an staatszentrierten (“etatistischen”) Modellen wie Frankreich oder Schweden, teilweise sogar an sachlich falschen Annahmen über vermeintliche “demografische Erfolge” der DDR oder sozialdarwinistischen NSDAP. Dass aber gerade auch “liberalere” Staaten wie die USA oder Großbritannien ohne massiven Staatseinsatz dennoch hohe Geburtenraten erzielen, ist bei uns kaum bekannt und wird noch seltener bedacht.

Grafik aus Blume, M. (2014): "Freiheit, Religion und Kinder. Warum Glaube versetzt und für Nachwuchs sorgt", ef 148, S. 38 - 40 (kostenfrei online)
Credit: Blume, M. (2014): “Freiheit, Religion und Kinder. Warum Glaube Berge versetzt und für Nachwuchs sorgt”, ef 148, S. 38 – 40 (kostenfrei online)

Nun habe ich in der streitbar-libertären Zeitschrift eigentümlich frei mal wieder einen Artikel veröffentlicht, in dem ich dafür werbe, die tatsächlich neoliberalen (nicht: marktradikalen!) Klassiker in den Blick zu nehmen und das auch demografische Potential von Freiheit und insbesondere auch Religionsfreiheit in den Blick zu nehmen.

Wenn Sie also Lust haben, setzten Sie sich doch einen Moment mit mir auf “den spitzen Zaunpfahl” der Liberalismus-Definitionen und lassen Sie uns “in beide Richtungen” schauen…

* Blume, M. (2014): “Freiheit, Religion und Kinder. Warum Glaube Berge versetzt und für Nachwuchs sorgt”, ef 148, S. 38 – 40

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

105 Kommentare

  1. Die beiden Extremfälle wären:
    nur die Eltern finanzieren nur ihre eigenen Kinder,
    und alle Menschen finanzieren alle Kinder.

    Man kann in diesen beiden Aussagen nun den Begriff “finanzieren”
    zur weiteren Betrachtung auch durch die Begriffe “erziehen”, “schulen”,
    oder “schützen” ersetzen, um diese Aussagen genauer zu bewerten.

    • @Karl Bednarik

      Die Fokussierung auf die Kernfamilien scheint mir historisch und soziologisch zu einfach zu sein – Menschenkinder wurden und werden in weiteren Netzwerken versorgt und erzogen. Und der Clou am neoliberalen Ansatz nach Smith & von Hayek ist ja die Wertschätzung nichtstaatlicher Gemeinschaften und Einrichtungen. Wo wären nach Ihrer Dichotomie z.B. je die Amish oder Hutterer anzusetzen? Sie organisieren Kinderbetreuung auch gemeinschaftlich – die Hutterer sogar das gesamte Aufwachsen & Wirtschaftsleben -, aber eben staatsfern.

  2. Der rein wirtschaftliche Wert von Kindern (eigenen) kann sehr wohl sehr “marktradikal und egoistisch” berechnet werden. Eine solche sozial und Generationen-gerechte Berechnung würde zu krassen Umverteilungen innerhalb der deutschen Bevölkerung führen. Es würde plötzlich deutlich werden, dass kinderarme Menschen auch wirtschaftlich sehr arm da stehen und dass kinderreiche Menschen auch wirtschaftlich sehr reich sind. Denn eigene Kinder stellen einen riesigen rein marktwirtschaftlichen Wert dar, wenn sie das 18. Lebensjahr erreicht haben.

    Doch produziert wurde dieser Wert durch Eltern, die den wirtschaftlichen Gegenwert des von ihnen produzierten nicht rückerstattet bekommen von der Gesamtgesellschaft.

    Schon Gerhard Mackenroth hat unter Adenauer begonnen, auf diesen Umstand hinzuweisen und hat parallel zur damaligen Rentenreform einen Familienlastenausgleich gefordert. Was der gute Herr Adenauer mit seinem bekannten dümmlichen Kommentar zur Demographie-Debatte ignorierte.

    Die Autoren des 4. Familienberichts der Bundesrepublik Deutschland unter der Leitung von Annemarie von Schweitzer haben einmal erneut auf diesen Umstand hingewiesen. Was erneut und penetrant von allen bisherigen deutschen Regierungen fast vollständig ignoriert wird. Vielleicht sprichst Du das mal an, wenn Du wieder mal im Bundeskanzleramt bist, Michael.

    Es ist derzeit allein die Familienpartei Deutschlands, die hier die Zusammenhänge richtig sieht. Leider kennt sie kaum einer.

    • @Ingo Bading

      (Auch) im Bundeskanzleramt kennt man die demografischen Realitäten sehr genau. Und die politischen: Kinderreiche Familien sind längst zu einer vernachlässigbaren Größe geworden, Wahlen entscheiden in Deutschland die älteren Jahrgänge. Und warum sollten diese Familienförderung als zentraleres Anliegen als z.B. Umweltschutz aufgreifen?

      Die “große Umverteilung”, von der Du träumst, hat auf Jahrzehnte keine Chance – zumal der dringendste Arbeitskräftebedarf durch Einwanderung gestillt werden kann. (Und nach Deiner Gerechtigkeitslogik müssten wir dies ja als Nettogewinn begrüßen bzw. die Eltern und Herkunftsstaaten entschädigen…)

      Persönlich wäre ich schon mit der Einführung eines steuerlichen Familiensplittings sehr zufrieden. Aber auch dafür gibt es keine Mehrheiten – wie auch die Wahlergebnisse der Familienpartei zeigen…

      • Richtig, die Wahlergebnisse der Familienpartei …

        Ich würde viele beklemmende Gefühle verlieren beim Blick auf die Wahlergebnisse der CDU, wenn sie die Ergebnisse des 4. Familienberichts der Bundesrepublik Deutschland (schon aus dem Jahr 1994) bei ihrer Familienpolitik mehr berücksichtigen würde, bzw. die sozialpolitischen Reformvorschläge eines Gerhard Mackenroth.

        Aber Wahlergebnisse werden von Stimmungslagen beeinflußt. Und familienpolitische Stimmungslagen bestimmen in Deutschland Leute wie Julius B. Kerner und jene Gruppierungen in den Aufsichtsräten, die Leute wie Julius B. Kerner agieren lassen. Das ist ein sehr stabiles System. Wie stabil es ist, höre ich ja auch aus Deinen Worten heraus! 🙂

        Der engste Berater von Margret Thatcher, der Regierungschefin, die aus der CDU-Schwesterpartei in Großbritannien hervorgegangen ist und mit Helmut Kohl doch vergleichsweise gut konnte, meinte ja jüngst im britischen Fernsehen, ein solches System wie das eben Geschilderte würde destabilisiert werden, wenn Kinderschänderringe in Parlamenten aufgedeckt würden. Ich weiß nicht, ob das zum Thema hier paßt. Immerhin geht es auch irgendwie um Kinder …. Und mich beschleicht ein dumpfes Gefühl, DASS es zum Thema hier dazu gehört. Denn die Jimmy Savile’s und ihre Hinterleute im Medienwesen etc. gibt es ja doch wohl in Deutschland auch …

        (Und schon die Abschaffung von Verjährungsfristen für Pädokriminalität finden ja in deutschen Parlamenten keine Mehrheiten bislang, wofür die Überlebenden wenig Verständnis zeigen.)

  3. So wird der Begriff “liberal” in den USA heute eher als staatsgläubig-fast-sozialistisch verstanden, in Deutschland dagegen als marktradikal und egoistisch.

    In der Tat lustig, wie es einigen gelang den Liberalismus begrifflich zu kapern, bzw. wenn dies nicht gelang, ihn herabzusetzen…

    Der amerikanische Libberräll ist in der Tat ein Linker, der sich von strengen Linken, von sogenannten Progressiven dadurch absetzt, dass er nicht den Sozialismus will, er ist sozusagen Sozialdemokrat, bei dem man spätestens seit Tucholsky weiß, dass die Revolution nie kommen wird.

    In der BRD mit ihrer geringen Zahl “echter” Liberaler ist es dagegen hauptsächlich von linker Seite gelungen die pejorative Konnotation durchzusetzen, es gelang den Leutz Angst vor dem Liberalismus zu machen, was aber nicht schwer fiel, denn die beiden großen Sozialismen sind nicht nur von Deutschland ausgehend erfunden, sondern auch implementiert worden, was seine Gründe hatte.
    Die, wie manche meinen, historisch im Obrigkeitsdenken verankert sind, den Rest hat dem Liberalismus wohl der real existierende Parteiliberalismus, die FDP, gegeben, die immer, die bereits genannte geringe Zahl “echter” deutscher Liberale berücksichtigend, scheinliberal war, mal mehr links, gelegentlich auch mal rechts (“konservativ”).
    Die FDP-Performance zwischen 2009 und 2013 war bspw. desolat.


    “Liberale Familienpolitik” heißt wohl, dass es sie nicht gibt, dass stattdessen eine geringe Abgaben- und Steuerbelastung durchgesetzt wird, dass Privates privat bleibt.

    MFG
    Dr. W

      • @Webbaer

        Ja, das mit “libertarian” beobachte ich auch, wobei sich dieser Begriff (statt des früheren anarchistisch) auch in Deutschland durchzusetzen beginnt.

        Und, nein, eine wirklich liberale Familienpolitik würde sich m.E. gerade nicht auf Steuersenkungen beschränken, sondern das Recht auf auch gemeinschaftliche Selbstorganisationen hoch halten. Die einseitig individualistische und auf Kernfamilien zielende Sicht erfasst ja gar nicht z.B. den immensen Bedarf an Betreuung und Bildung der Kinder. Ironischerweise war da schon der liberale Klassiker Adam Smith weiter als der heutige, deutschsprachige Liberalismus, der sich am Homo oeconomicus statt am Homo sapiens orientiert.

        • @ Herr Dr. Michael Blume :

          (…) der heutige, deutschsprachige Liberalismus, der sich am Homo oeconomicus statt am Homo sapiens orientiert (…)

          Das scheint Ihrem Kommentatorenfreund ein Trugbild zu sein: Der Liberale ist im Sinne der Aufklärung, die sich im “westlichen” [1] Raum durchgesetzt hat, definitorisch, sonst wäre dieser nicht “westlich” zu nennen, der Liberale hat sozusagen umfänglich gewonnen, unterwegs, immer den Homo Sapiens meinend und in Wirtschaftsfragen punktuell dann dessen Abkömmling, den Homo Oeconomicus, als Untermenge sozusagen.

          Sie selbst weisen ja liberale Züge auf und würden es sicherlich ebenfalls nicht schätzen ungünstig reduziert zu werden,
          MFG
          Dr. W

          [1] “westlich” meint bekanntlich diejenigen Systeme, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend gesellschaftlich implementieren konnten, die Richtungsangabe ist hier irreführend, womöglich dem seinerzeitigen “Ostblock” geschuldet, der einstmals für den Kollektivismus schlechthin stand – der Liberalismus im Sinne der Westlichkeit ist der BRD übrigens aufgedrängt worden ohne je wirklich angenommen zu werden, wie der Schreiber dieser Zeilen findet

          PS:
          Das mit dem ‘Recht auf auch gemeinschaftliche Selbstorganisationen’ ist hier angekommen, wurde als nette Formulierung goutiert, scheint aber “nicht ganz” liberal zu sein.

          • @Webbaer

            Doch, genau die Über-Fokussierung auf das Individuum meine ich.

            Dem klassischen Liberalen – selbst einem Alleinlebenden wie Adam Smith – war auch die emotionale und soziale Natur des Menschen gegenwärtig.

            Doch der moderne, westliche Liberale denkt vom rational Nutzen maximierenden Individuum her, wie dann im Homo oeconomicus zum Standardmodell erhoben.

            Sie sehen es auch an den bisherigen Kommentaren hier: Praktisch unmittelbar wird “Familienpolitik” aus der Perspektive von Finanzen kalkulierenden Eltern gesehen.

            Mentalitäten, Großeltern, Gemeinschaften, Institutionen der Betreuung und Bildung u.v.m. blenden wir unmittelbar aus, kriegen sie mit unserer Wahrnehmung kaum mehr zu fassen.

            Bei Homo sapiens aber markiert das dauerhaft isolierte, gefühllose Individuum aber gerade nicht die Spitze, sondern die Sackgasse. Ein asozialer (also das Gemeinschaftliche missachtender) Liberalismus ist zum nicht nur demografischen Scheitern verdammt.

          • @ Herr Dr. Michael Blume :
            Sie haben ja recht, aber ist…

            Ein asozialer (also das Gemeinschaftliche missachtender) Liberalismus ist zum nicht nur demografischen Scheitern verdammt.

            …man bei “EiFrei” nicht in diesem Sinne oft “radikal” liberal (vs. klassisch liberal) unterwegs, in Ihren Worten: ‘asozial’?

            MFG
            Dr. W (der sich als Liberaler mit starkem Sozialbezug versteht, wie auch sonst?, als Ordoliberalen [1], der gerne auch die Bedürftigkeit staatlicherseits bearbeitet [2] sehen möchte)

            [1] vs. Suffix ‘neo’, der ‘Neoliberalismus’ scheint zwar dem ‘Ordoliberalismus’ zu entsprechen, leidet aber an “schlechtem Marketing”, ‘neo’ müsste ja in diesem Zusammenhang bedeuten, dass das vorherige Liberale suboptimal war

            [2] Die individuelle Bedürftigkeit sollte in diesem Sinne nicht rein privat bearbeitet werden, sondern bspw. über ein Bürgergeld, das auch den Vorteil hätte den Sozialapparat klein zu halten, auch dessen pol. Lenkungsmöglichkeit.

          • Mir scheint “eifrei” eher ein Sammelbecken also eine klare Haltung (z.B. zur USA, zum Islam o.ä.) darzustellen. Und sie hatten nach einem Vortrag von mir den Artikel angefragt, in dem ich den individualistischen Liberalismus sehr hart als zukunfts-untauglich kritisiert hatte…

          • @ Herr Dr. Michael Blume :
            Es müsste gut sein auch dort hinzugehen, wo es weh tun kann, wo insgesamt nicht so gefolgt wird, wie es einigen politisch richtig erscheint, insofern bleiben Sie gebeten das diesbezügliche Nagen Ihres Kommentatorenfreundes nur als ergänzend aufzufassen, bspw. PSL, Bahr und andere sind auch immer dahin gegangen, wo bestimmte Fragen anders beantwortet wurden als politisch für einige richtig, insofern nur Respekt!

            MFG + einen schönen Sonntag noch,
            Dr. W (der diesen kleinen Austausch nun als abgeschlossen betrachtet, dankt)

  4. Margaret Thatche soll gesagt, ich kenne keine Gesellschaft, ich kenne nur Individuen, das ist bezeichnend für den marktradikalen, finanzradikalen Turbokapitalismus, den sie mit angestoßen hat.

    Ich finde es auch nicht ersprießlich, dass sich die Emanzipationsbewegung in Deutschland anscheinend vorrangig mit grammatikalischen Endungsfragen und dem als Hinterfragen von Geschlechterrollen titulierten Nivellieren von Geschlechterrollen beschäftigt, anstatt sich mit den wichtigeren Familienfragen. Das liegt vielleicht mit daran, das Alice Schwarzer als Ideal der emanzipierten Frau in der kinderlosen Frau in beruflicher Selbstverwirklichung sieht. Das ist aber kein verallgemeinbares Modell.

    Ist “eifrei” ein absichtliches Wortspiel? 🙂

    • @Paul Stefan

      Also, ich hatte bei “eifrei” keine Hintergedanken, habe es guten Willens vom unermüdlichen Webbaeren übernommen! 🙂

      Aber Sie haben m.E. mit Bezug auf Thatcher Recht: Auch individualistische Liberale selbst haben zu dem Zerrbild des Freiheitsgedankens beigetragen, in dem z.B. “Neoliberslismus” völlig zu Unrecht zu einem Schimpfwort werden konnte!

      Ob sich das je wieder einfangen lässt? Oder schlagen Gesellschaften kaum noch zu korrigierende Denkpfade ein? #Grübel

      • Ich denke, die Gesellschaften als Ganze schlagen sehr wohl noch korrigierende Denkpfade ein, aber eine herschender Oberschicht hat da etwas gegen. Die wollen weiter ihr eigenes Süppchen kochen, und auch nach dem Prinzip “Teile und Herrsche” der restlichen Bevölkerung mehr oder weniger subtil vorschreiben, was sie zu denken hat. Nur kappt das nicht mehr überall so, wie die es gern hätten und jetzt wundern/ärgern die sich darüber, dass das so ist.

        Was den Begriff des Neoliberalismus angeht, so denke ich, dass es zum Teil auch an den Kritikern aus dem linken Lager lag/liegt, die den Begriff mehr oder weniger mit Marktradikalismus gleich gesetzt haben. So jedenfalls meine Erfahrung, denn als ich begann, mich für diese Zusammenhänge zu interessieren, hab ich den Begriff des Neoliberalismus in genau der Bedeutung von Marktradikalismus kennen gelernt.

        • @ Hans :

          Was den Begriff des Neoliberalismus angeht, so denke ich, dass es zum Teil auch an den Kritikern aus dem linken Lager lag/liegt, die den Begriff mehr oder weniger mit Marktradikalismus gleich gesetzt haben.

          Der Liberalismus, der auf den Ideen und Werten der Aufklärung basiert, ist per se sozial; der sogenannte Ordo- oder Neoliberalismus, bei dem natürlich nicht umfänglich mitgegangen werden muss, beim Liberalismus selbst schon nicht, es genügt z.B. in der BRD nicht die sogenannte FDGO zu belasten, betonte dieses Soziale noch einmal, insofern haben sich linke Kräfte herausgefordert gesehen zu agitieren, was ja recht “gut” gelang…

          MFG
          Dr. W

        • Wissenschaftlich gesehen zeichnet sich der Neoliberalismus vor allem durch seine Lernfähigkeit aus: Wenn Modelle empirisch bzw. sogar historisch scheitern, können und sollen sie durch bessere Thesen ersetzt werden. Beim naturwissenschaftlich orientierten v. Hayek bedeutete das zum Beispiel einen lebenslangen Dialog mit der damaligen Evolutions- und Hirnforschung.

          Homo oeconomicus-Modelle werden dagegen von vornherein gegen Widerlegungen immunisiert und erfüllen damit eigentlich nicht den Standard empirischer Wissenschaftlichkeit. Inzwischen begehren ja auch Studierende gegen diese verhängnisvolle Engführung auf, die nicht nur dem Fach zutiefst geschadet hat…
          https://www.plurale-oekonomik.de/home/

          Während in den USA jedes neoliberale Weiterdenken sofort unter “Linksverdacht” gestellt wird, ist es in Deutschland umgekehrt: Der Vorwurf des Neoliberalismus implizert, man vertrete überholte Modelle und sei aus Ignoranz oder Berechnung gar nicht bereit, aus Fehlern zu lernen.

          Und so bleibt eine der wichtigsten, geistigen Strömungen der letzten Jahrhunderte unter Zerrbildern und Vorurteilen weitgehend verschüttet… Ich hoffe, in dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen – und will auch meinen kleinen Beitrag dazu tun…

          • Homo oeconomicus-Modelle werden dagegen von vornherein gegen Widerlegungen immunisiert und erfüllen damit eigentlich nicht den Standard empirischer Wissenschaftlichkeit.

            Das sehe ich auch so. Aber diese Homo oeconomicus-Modelle sehe ich inzwischen auch nicht mehr als ökonomische Theorienen, sondern als Machttheorien die die Ökonomie als Deckmantel benutzen.

          • Homo oeconomicus-Modelle werden dagegen von vornherein gegen Widerlegungen immunisiert und erfüllen damit eigentlich nicht den Standard empirischer Wissenschaftlichkeit.

            Das sogenannte Wahlparadoxon wäre ein Gegenbeispiel? :
            -> http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2010/04/25/bundesprasidentenwahl-in-osterreich-wahlen-gehen-ist-irrational/
            -> https://books.google.cz/books?id=jg5j6uUdypYC (S. 202-203)

            So wie der Schreiber dieser Zeilen den Homo Oeconomicus versteht, dient er der Modellierung Einzelner für wirtschaftliche Zwecke, er wird für einige Fragen, die u.a. auch ins Spieltheoretische gehen, benötigt. (Er ist nicht geeignet bspw. zur Fertilität auszusagen, da sind Sie mit Ihrer Homo Religiosus-Modellierung natürlich ganz anders und besser platziert.)

            Vom Homo Oeconomicus muss also nicht viel erwartet werden, er meint nicht allgemein die Reduktion des Menschen auf das Wirtschaftliche.

            MFG
            Dr. W

          • @Webbaer

            Sie schildern einen Teil des Problems: Selbstverständlich wurde (und wird!) der Homo oeconomicus verwendet, um Beziehungsmärkte, Kinderwünsche etc. zu modellieren. Notfalls ließen sich dafür immer “Zusatznutzen” wie Liebesgenuss oder emotionaler Kindesnutzen einführen. Und wenn es dann noch immer nicht passte, wurde eben erklärt, das Ganze sei ja “nur ein Modell” und als solches “nicht widerlegt”.

            Ebenso ging es mit der Spieltheorie, die hervorragend geeignet ist, testbare Hypothesen hervor zu bringen: Unzählige spieltheoretische Studien und Experimente zeigten, dass der Mensch gerade “nicht” gemäß dem H.o. handelt – nicht an der Börse, nicht beim Beten und nicht im Bett. Doch beinahe unverdrossen wird “das Modell” weiter angepriesen. Der Aufstand von Studierenden für eine “plurale Ökonomie” versucht ja gerade diese Denkmauern aufzubrechen.

            Dabei ist der H.o. – wie @hans richtig bemerkt – tief ideologisch, da die Grundannahmen völlig rationaler und informierter Akteure immer wieder auf die gleiche Lösung hinauslaufen: Weniger Regeln.

            Umso bitterer ist, dass die wenig informierte Öffentlichkeit meint, dieser autistisch-abgeschottete Rationalismus sei “neoliberal” – er ist schon durch die Ablehnung jeder Empirie das genaue Gegenteil!

          • @ Herr Dr. Michael Blume :

            Sie schildern einen Teil des Problems: Selbstverständlich wurde (und wird!) der Homo oeconomicus verwendet, um Beziehungsmärkte, Kinderwünsche etc. zu modellieren.

            Sittlichkeit nur bedingt, darum stand ja weiter oben, dass Sie i.p. Fertilität mit dem Homo religiosus besser aufgestellt scheinen, wenn Sie dementsprechend bearbeiten wollen.
            Dem Schreiber dieser Zeilen ist unbekannt, wie der Homo oeconomicus Nachfolge oder nachfolgende Generationen zu bearbeiten in der Lage wäre.

            Unzählige spieltheoretische Studien und Experimente zeigten, dass der Mensch gerade “nicht” gemäß dem H.o. handelt – nicht an der Börse, nicht beim Beten und nicht im Bett.

            Der Mensch handelt sozusagen nicht ökonomisch, wenn er nicht ökonomisch handelt. Deshalb ist ja auch Herr Berger mit seinem Versuch weiter oben zitiert worden.
            Auch der Homo religiosus handelt ja auch nur dann religiös, wenn das Religiöse gemeint ist.
            Die Ausschnittsartigkeit, das Näherungsweise und an Interessen Gebundenen bei derartigen Theoretisierungen und Modellierungen kann nur betont werden.
            In einem bestimmten Bereich funktionieren Homo oeconomicus und Homo religiosus, allgemein nicht.
            Also scheint Ihrem Kommentatorenfreund jeweils sinnhafte (Teil-)Theoretisierung vorzuliegen, die vom Homo sapiens, diesen nicht negierend, in Teilbereichen hilft.
            Die Wirtschaftswissenschaften, äh, müssten den Homo oeconomicus erst noch erfinden, wenn es ihn nicht gäbe, beim Homo religiosus müsste es (bei Ihnen) nicht anders aussehen.

            Umso bitterer ist, dass die wenig informierte Öffentlichkeit meint, dieser autistisch-abgeschottete Rationalismus sei “neoliberal” – er ist schon durch die Ablehnung jeder Empirie das genaue Gegenteil!

            Was die Öffentlichkeit meint, diese müsste auch erst modelliert werden, vielleicht als Menge von Homo medialis, könnte idT interessant sein.
            Korrekt bleibt natürlich, dass weder der Ordo- oder Neoliberalismus per se böse ist, noch der partiell genutzte Homo X.

            MFG
            Dr. W

          • Selbstverständlich wurde (und wird!) der Homo oeconomicus verwendet, um Beziehungsmärkte, Kinderwünsche etc. zu modellieren.

            Das ist meiner Ansicht nach ein weiteres Problem der angebotsorientierten Modelle, nämlich dass sie überall (beinahe schon krampfhaft) Märkte einführen, wo keine sind (oder keine hingehören), bzw. versuchen, alles ins Denkmuster von Angebot und Nachfrage zu pressen, obwohl die Fragen danach den handelnden Akteuren (m/w) völlig egal sind. Dazu gehört dann auch, alles unter kommerziellen Gesichtspunkten zu betrachten und zu bewerten, selbst wenn diese bei den handelnden Akteuren (m/w) nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielen.

            Umso bitterer ist, dass die wenig informierte Öffentlichkeit meint, dieser autistisch-abgeschottete Rationalismus sei “neoliberal” – er ist schon durch die Ablehnung jeder Empirie das genaue Gegenteil!

            Die Frage, die sich mir in dem Zusammenhang stellt, ist folgende: Ein Grossteil der Theorie bzw. Ideologie, der heute praktisch umgesetzt wird, (und insbesondere von deutschen Industrieverbänden und Politikern mit Klauen und Zähnen verteidigt wird) stammt aus der Chicagoer Schule von/um Milton Friedman. Ein anderer Teil, der Ordoliberalismus, aus der Freiburger Schule um Walter Eucken. Inwiefern ist es dabei eigentlich den “Chicagoboys” gelungen, die Ideen der Freiburger Schule zu vereinnahmen und nach ihren Interessen umzudefinieren? – Ich nehme an, dass das eine Ursache dafür ist, dass der Begriff des Neoliberalismus heute so anders verstanden wird, als er ursprünglich von jenen gemeint war, die ihn prägten. – Etwa vergleichbar mit der Finanzkriese von 2007/2008, die u.a. von der Bankenlobby hinterher erfolgreich zu einer Staatsschuldenkriese umdefiniert wurde und in Südeuropa das Elend produzierte, das dort derzeit herrscht.

  5. Paul Krugman, der seine Kolumnen in der NYT mit The Confession of a Liberal überschreibt ist der Prototyp des Ostküstenliberalen. Er verteidigt Obamas Gesundheitsreform, schreibt immer wieder gegen die Ungerechtigkeit in den USA an, hält viel von Thomas Piketty und damit von seiner These die postindustriellen Gesellschaften würden zunehmend von den zunehmend Wohlhabenden “regiert”.
    Obama und Krugman sind die natürlichen Erzfeinde der US-Konservativen, Evangelikalen und der Tea Party, denn sie stehen für eine sozialdemokratische, europäisch inspirierte US-Politik. Europa ist ein anderes Schimpfwort in diesen Kreisen, denn Europa steht für den überbordenden Sozialstaat, für militärische Schwäche, Feigheit, Einschränkung der individuellen Freiheit bis hin zum Verbot des Tragens von Schusswaffen (Freiheit ohne den persönlichen Colt in der Tasche, geht das?): Europa steht aber für die US-Konservativen auch für die falsche Freiheit in der Abtreibungsfrage und der abweichenden Sexualpräferenz, die in der Homoehe gipfelt.

    Wie sieht denn das Weltbild eines typischen US-Konservativen aus? Nach Wikipedia sind die zentralen Pfeiler dort der Respekt für die Tradition, die Durchsetzung des Gesetz, die christliche Religion, die Verteidigung der westlichen Zivilisation vor den (frechen) Herausforderungen der modernistischen Kultur und dem Totalitarismus vieler Regierungen. Der US-Republikaner ist anti-etatistisch und will den Staat (überspitzt formuliert) auf das US-Verteidigungsministerium reduzieren. Innenpolitisch streben sie folgendes an: small government, low taxes, limited regulation, and free enterprise und bekämpfen folgendes: world government, environmentalism, affirmative action policies (Frauen-/Minderheitenquoten)

    In vielerlei Hinsicht sind die US-Konservativen weder vergleichbar mit den europäisch Konservativen und schon gar nicht mit den europäischen Sozialdemokraten, sondern wenn schon mit einer Spielart der europäischen Liberalen. Die US-Konservativen glauben weiterhin and die Ideen des US-Pionierzeitalters (“certain continuities can be traced through American history. The conservative ‘attitude’ … was one of trusting to the past, to long-established patterns of thought and conduct, and of assuming that novelties were more likely to be dangerous than advantageous.”), doch diese Art der Konservativität hat wenig zu tun mit der europäischen Auffsassung von Konservativtät – einfach darum weil der US-Pionier, der verwegene Haudegen und Frontier-Man als Vorfahre und Idealbild eine völlig andere Auffassung der guten alte Zeit bedeutet als in Europa.

    Dass die USA ein völlig anderes Land sind als Deutschland erkennt man an folgenden Zahlenverhältnissen: ” 41% of American voters identify their economic views as “conservative” or “very conservative,” 37% as “moderate,” 19% as “liberal” or “very liberal,”. Interessanterweise sind nicht etwa die reichen Bundesstaaten und Bürger besonders konservativ sondern es sind die armen und ländlichen: Conservatism appears to be growing stronger at the state level. The trend is most pronounced among the “least well-off, least educated, most blue collar, most economically hard-hit states

    Wie beeinflusst diese Haltungen des US-Konservatismus und des US-Liberalismus nun die Anzahl der Nachkommen und das Wachstum der US-Bevölkerung? Der Ostküstenliberale glaubt ähnlich wie der typische Deutsche und EU-Amtsträger an die Einflussmöglichkeiten des Staates, er will den negativen Einfluss von Frauen-Emanzipation und Gleichberechtigung durch familienfreundlichere Strukturen ausgleichen. Der Liberale ist auch offener für die (illegale) Immigration, welche von den US-Konservativen, besonders von Tea Party-Anhängern aufs äusserste bekämpft wird.
    Die US-Konservativen halten wenig von staatlicher Familienplanung und social engineering. In besonders konservativen US-Bundesstaaten gibt es mehr Kinder, wohl weil sie in eher ländlichen Regionen liegen: The South, the Great Plains, the Rocky Mountain states, and Alaska are generally conservative strongholds Die Staaten mit einer Fertilitätsrate über 2.15 sind: Utah 2.449, Alaska 2.351, South Dakota 2.270, Idaho 2.241, Northern Mariana Is. 2.185, Texas 2.159, Kansas 2.157, Hawaii 2.153. Das sind bis auf Hawaii lauter republikanische Staaten.
    Andererseits bedeutet die laxere Haltung der US-Liberalen (Demokraten), dass die USA bevölkerungsmässig insgesamt mehr wächst wegen den US-Liberalen als wegen den US-Konservativen. Imported from Mexico siegt über die Marke Home Made.
    Sogar in Deutschland ist das so. Würden sich die konservativeren Wähler in Deutschland durchsetzen gäbe es weniger Zuwanderung und damit eine noch stärkere Schrumpfung der indigenen deutschen Bevölkerung.

    • @ Herr Holzherr :

      Obama und Krugman sind die natürlichen Erzfeinde der US-Konservativen, Evangelikalen und der Tea Party, denn sie stehen für eine sozialdemokratische, europäisch inspirierte US-Politik.

      Die Liberalen, pardon: die Libertären, nicht zu vergessen – wobei der Begriff der Erzfeindschaft ein wenig hoch gegriffen wäre, Linke, pardon: Libberälls, tun ja nur das, wofür sie vorgesehen sind, sie sind sozialdemokratisch oder “links”, sie ergänzen das politische Spektrum notwendigerweise.

      Die Nobel-Bepreisung der beiden Herren entspräche aus bestimmter Sicht womöglich in etwa der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an Peter Bofinger und die des Friedensnobelpreises an Frank-Walter Steinmeier.

      MFG
      Dr. W

      • Von der politischen und gesellschaftlichen Einstellung her ist ein Vergleich von Krugman/Obama mit Bofinger/Steinmeier passend, Doch den Nobelpreis hat Krugman nicht aufgrund seiner mit “Consicence of a Liberal” überschriebenen Kolumne erhalten, sondern aufgrund einer nobelpreiswürdigen Arbeit. Bei Obama sieht es vielleicht etwas anders aus, aber Friedensnobelpreise waren schon immer politisch/gesellschaftliche Aussagen und nicht unbedingt das Resultat einer Lebensleistung.

        • @ Herr Holzherr :

          Doch den Nobelpreis hat Krugman nicht aufgrund seiner mit “Consicence of a Liberal” überschriebenen Kolumne erhalten, sondern aufgrund einer nobelpreiswürdigen Arbeit.

          Muss nicht so gesehen werden und Peter Bofinger hat, aus Sicht einiger, ebenfalls hoch geleistet.

          Ansonsten, also was das Politische betrifft, ist man in Schweden, dem womöglich sozialdemokratischsten Land überhaupt, wohl klar aufgestellt.
          Sogar die Aufteilung der Tschechoslowakei konnte “irgendwie” kandidatentauglich machen, wenn den hier vorliegenden Quellen gefolgt werden darf.

          MFG
          Dr. W

  6. Man muss bei der Reproduktion nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität berücksichtigen. Ich hoffe daher auf eine Renaissance der Eugenik im 21. Jahrhundert. Diesmal allerdings unter liberalen Vorzeichen. Sehr empfehlenswert zu diesem Thema sind die Arbeiten von Julian Savulescu.

  7. Neoliberal ist im etatistischen Deutschland ein Schimpfwort und wird synonym für „Marktfundamentalismus“ verwendet. Mein Eindruck: Der typische Deutsche vertraut dem Staat mehr als dem Markt, denn nur der Staat kann für Gerechtigkeit und Sicherheit sorgen, ein Anliegen das vielen Deutschen wichtig ist. Dazu fällt mir folgendes Bild ein: Angela Merkel führt den deutschen Michel (oder auch das Rotkäppchen) durch den finsteren Wald und wenn der böse Wolf (Kapitalist) auftaucht, kann das Rotkäppchen Schutz suchen unter ihrem breiten Rock.

    Das Vertrauen in den Staat ist also gross und gesellschaftliche Probleme wie die geringe Nachommenzahl können und müssen in Deutschland durch den Staat gelöst werden, denn keine andere Instanz hat die Legitimität solch ein Problem anzugehen. Da die deutschen Politiker aber auf diesem Feld kaum orginielle Ideen haben und allenfalls die skandinavischen Länder nachahmen, ist mit keinem grossen Erfolg zu rechnen. Eine starke Grundströmung in vielen europäischen Ländern, sicher auch in den Nordländern – zu denen ich Deutschland hier dazurechne – ist das Bestreben nach Gleichbereichtigung der Frau, was bedeutet, dass Frauen die Berufe, die mit Prestige versehen sind, ebenso offen stehen sollen wie Männern. Quoten sollen das sicherstellen, wenn es sich nicht von allein einstellt. Damit ergibt sich aber sofort das Problem der Doppelbelastung, denn Frauen – egal ob nun emanzipiert oder nicht – kümmern sich mehr um die Familien und die Kinder. Besser gesagt, es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, weil Männer sich schwer tun damit. Das ist einer der Faktoren, die auf den Kinderwunsch drückt. Die rekordtiefe Fertilität in Deutschland geht sicher zum Teil darauf zurück. In den nächsten Jahren wird sich kaum etwas daran ändern. Wenn Deutschland also Nachwuchs braucht um seine Wirtschaft im Schwung zu halten, dann bleibt allein die Immigration, wobei es erst noch Immigranten mit der richtigen Qualifikation sein müssen. So gesehen müsste sich Deutschland aktiv auf die Suche nach geeigneten Migranten machen. Ein Vorschlag: Frankreichs Ingenieure und Schulabgänger würden doch häufig gut passen – wenn da nur nicht dieses französisch wäre.

    • Der typische Deutsche vertraut dem Staat mehr als dem Markt, denn nur der Staat kann für Gerechtigkeit und Sicherheit sorgen,

      Das sehe ich auch genau so, wobei allerdings anzumerken ist, dass es sich um einen Soll-Zustand handelt. Der Ist-Zustand sieht heutzutage leider nicht so aus. Denn die Märkte, bzw. deren massgebliche Akteure, die über die Macht verfügen, die Märkte zu steuern, wissen entweder nicht, was beispielsweise Gerechtigkeit bedeutet, oder sie ist ihnen Gleichgültig, weil sie von sich auf die restliche Bevölkerung schliessen. In dem Zusammenhang sei mal kurz auf die Haarspalterei hingewiesen, die mit dem Begriff der Gerechtigkeit in den letzten Jahren betrieben wurde. Da wird von “Chancengerechtigkeit”, “Verteilungsgerechtigkeit” und weiteren “Gerechtigkeiten” geschwafelt, und sie werden alle gegeneinander ausgespielt, indem erzählt wird, man könne nur jeweils eine davon haben, weil alles andere zu teuer wäre. Das ist in meinen Augen Haarspalterei, aber keine Geechtigkeit! Gerechtigkeit wäre, wenn alles ermöglicht würde, also gleiche Chancen, gleichmässige Güterverteilung, usw., denn das würde dann auch wieder positiv auf die Gesellschaft (und ja, auch auf die Wirtschaft) zurück koppeln. Das scheint mir zur Zeit aber nicht erwünscht zu sein, bzw. die “freien Märkte” sind dazu nicht in der Lage. Denn die wesentlichen Akteure handeln nach Homo Oekonominus Modellen, in denen Gerechtigkeit nicht vorkommt. Und eine unsichtbare Hand, die das alles steuert, existiert auch nicht. – Bleibt also der Staat, der den Märkten den Rahmen vorzugeben hat, indem sie agieren können und sollen. Und der auch die Macht hätte, je jene Akteure, die versuchen, den Rahmen zu sprengen, in die Schranken zu weisen. – Etwa durch zerlegung von Konzernen, bzw. verbieten von Fusionen oder wenn nötig, auch durch Enteignung einiger Akteure, sprich Vorstands- und/oder Aufsichtsratsmitglieder. Aber zur Zeit arbeiten massgebliche Politiker ja eher an ihrer eigenen Entmachtung, bzw. an der Entmachtung des Staates in diesen Fragen. Diese Entmachtungen nennen sie dann “Freihandelsabkommen”. – Ich könnte mich übergeben!

      Und viele, aber nicht alle deutschen Politiker, sind meiner Meinung nach eher von Verbänden wie dem DIHT, dem BDA, der INSM oder der Bertelsmann Stiftung gesteuert, oder (was noch schlimmer ist) selbst Mitglieder dieser Verbände oder Organisationen. Dem entsprechend handeln sie im Interesse dieser Einrichtungen, die aber nicht mit denen der restlichen Bevölkerung übereinstimmen.

      Oder, um mal bei dem Beispiel mit den Kindern zu bleiben. Was, bzw. wieviel wird denn in Deutschland dafür getan, das eine Frau Kinder und Karriere unter einen Hut bringen kann ohne sich körperlich und mental kaputt zu arbeiten? – Gibt es ausreichend Krippenplätze? Wie sieht es mit der Gewährung von Mutterschaftsurlaub aus? Wieviele Arbeitgeber sind bereit, Arbeitsplätze entsprechend den Anforderungen an einer Mutterschaft anzubieten, bzw. Mitarbeiterinnen entsprechende Freiheiten einzuräumen? Wo stellen die Männer einen Bremsklotz dar, und was wird dagegen getan? Und wie sieht das im europäischen Vergleich aus?

      Wenn Deutschland also Nachwuchs braucht um seine Wirtschaft im Schwung zu halten, dann bleibt allein die Immigration, wobei es erst noch Immigranten mit der richtigen Qualifikation sein müssen.

      Mit Verlaub, aber dass ist Unsinn! – Es gibt in Deutschland genügend Fachkräfte, die gerne auch (wieder) arbeiten würden, wenn man sie denn liesse. Aber gerade auch die hoch qualifizierten Emmigranten oder Flüchtlinge lässt man ja gar nicht, weil man die Zeugnisse ihrer Qualifikationen nur begrenzt oder gar nicht anerkennt. (Ausser sie kommen als Angestellte von ausländischen Firmen hierher.) Oder die Leute werden ab einem bestimmten Alter aus dem Betrieb heraus gemobbt, weil sie angeblich zu teuer sind. (Klar, die Löhne/Gehälter gehen ja vom Gewinn, bzw. der Dividende der Aktionäre ab.) Oder man behält die Leute, bezahlt sie aber so miserabel, dass sie zusätzlich aufstocken, also Hartz IV beantragen müssen. – Inwieweit sich das mit dem jetzt kommenden Mindestlohn ändert, muss sich erst noch zeigen, denn die Regelung enthält ja auch noch genügend Löcher, die die Arbeitgeber sicher nutzen werden, um sich vor der Zahlung des Mindestlohns zu drücken.
      Gerade diese Sache mit den beschi… – bescheidenen Löhnen/Gehältern, der die Betroffenen zum Aufstocken zwingt, ist meiner Meinung nach ein Indiez dafür, das die Arbeitnehmerschaft nach dem Prinzip “Teile und Herrsche” gespalten wird. Nämlich in solche, die aufstocken müssen, und solche, die es nicht brauchen. In dem Zusammenhang sei an die Rede von Altkanzler Schröder auf dem Weltwirtschaftsforum 2005 in Davos erinnert, wo er sich vor Arbeitgebern damit gebrüstet hat, mit der Agenda 2010 den grössten Niedriglohnsektor in Europa geschaffen zu haben.
      Dann wäre noch anzumerken, dass die deutsche Wirtschaft auch nur mehr oder weniger vor sich hin dümpelt, aber keinen wirklichen Schwung hat, auch wenn die meissten Medien regelmässig was anderes verbreiten. (Man vergleiche dazu die Umsätze des Einzelhandels in den letzten Jahren) Wenn die bisher sträflich vernachlässigte Binnenkonjunktur angekurbelt würde, könnte sich daran was ändern.

      • @Webbaer

        Wie geschrieben: Beim “Homo religiosus” ist ja ausdrücklich klar, dass er einen bestimmten Aspekt der Natur von Homo sapiens behandelt – und zwar abgeleitet aus empirischen Beobachtungen (nicht abstrakten Modellannahmen). Und konkret finden ja z.B. auch Geschlechterunterschiede Berücksichtigung, die “das” Homo oeconomicus gar nicht kennt…

        Ein vergleichbares Programm entwickeln mutige Ökonomen mit der sog. Verhaltensökonomie, die regelmäßig zu völlig anderen Ergebnissen kommt als die klassischen H.o.-Annahmen und diese also explizit verwirft, vgl. z.B. Dan Ariely
        http://www.amazon.de/Denken-hilft-zwar-n%C3%BCtzt-nichts/dp/3426780356/ref=sr_1_sc_2?ie=UTF8&qid=1418148601&sr=8-2-spell&keywords=Verhaltens%C3%B6konimie

        oder die hier bereits besprochenen Banerjee & Duflo (einen der wenigen Blogposts, den Sie nie kommentierten 😉 ):
        https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wirtschaft-vom-menschen-her-denken-poor-economics-von-abhijit-banerjee-und-esther-duflo/

        @Hans

        Ich kann nur soviel sagen, dass ich sogar in der Hayek-Gesellschaft bisweilen Schwierigkeiten habe, Hayeks eigene Thesen vorzustellen. So meinte z.B. Prof. Starbatty auf diesen Vortrag hin, laut meinen Ausführungen hätte Hayek ja “den Rationalismus verraten”!
        http://www.blume-religionswissenschaft.de/pdf/HayekPotsdam0607.pdf

        Anders formuliert: Mir scheint, dass selbst die eigentlichen Neoliberalen längst durch die H.o.-Brille gelesen und daher z.B. Hayeks Arbeiten zur Erkenntnistheorie oder Religion fast gar nicht mehr verstanden werden…

        • Anders formuliert: Mir scheint, dass selbst die eigentlichen Neoliberalen längst durch die H.o.-Brille gelesen und daher z.B. Hayeks Arbeiten zur Erkenntnistheorie oder Religion fast gar nicht mehr verstanden werden…

          Ich glaube eher, die werden nur noch selektiv gelesen, d.h. man sucht sich das raus, was die eigene Ideologie stützt und unterschlägt bzw. ignoriert den Rest.

          • @Hans

            Ja, genau das meine ich – wobei nicht nur Texte ausgelassen, sondern auch Aussagen selektiv eingeordnet werden. Die meisten “Hayekianer” waren und sind genuin überrascht zu erfahren, dass sich F.A.v.H. überhaupt mit Fragen wie kultureller Evolution, Demografie und Religion befasst hat!

      • Lobbyismus spielt heute sicher eine noch grössere Rolle als vor 20 Jahren und am wirksamsten ist Lobbyismus, wenn es gelingt die eigene Firma in irgend einer Art als gemeinnützig darzustellen oder Politikern direkt oder indirekt ein Auskommem und eine Beschäftigung zu gewähren.
        Wirklich Fehlen wird der Nachwuchs erst in ein paar Jahren, wenn die Babyboomer in Rente gehen.
        Interessant finde ich die immer wieder verlautende Klage, die Wirtschaft in Deutschland sei gar nicht in Hochform, sondern dümple vor sich hin. Denn in mehr als der Hälfte der europäischen Länder muss es noch schlimmer sein. Ist etwa ganz Europa auf dem absteigenden Ast?

        • @Martin Holzherr

          Ja, entsprechend Ihrer Frage hat ja auch Papst Franziskus neulich im Europaparlament vor der nachlassenden Kraft des “alternden Europa” gewarnt.

          Ich gehe davon aus, dass wir schon in der Anfangsphase eines demografischen Prozesses stehen, in dem europäische Regionen um Einwohner ringen – und sich der Gräben zwischen auch wirtschaftlich schrumpfenden Landstrichen und in- wie ausländische Zuwanderer gewinnenden Leuchttürmen immer weiter öffnet. Hier hatte ich mal darüber “prognostiziert”:
          http://forgsight.com/2014/07/18/meinungsbeitrag-demografie-und-niedrigzinsen-wie-sich-der-kapitalismus-selbst-abschafft/

          • Sich auf Schrumpfprozesse einzustellen ist schwierig. Aber solche Prozesse gibt es immer wieder, auch ohne Geburtenrückgang, beispielsweise in der Form von Auswanderung, weil die Region unattraktiv ist. In der Wikipedia findet man folgendes: “In den Jahren 1945 bis 1990 verließen drei Millionen Menschen die SBZ [Sowjetische Besatzungszone] bzw. deren Folgestaat, die DDR” und nach dem “Anschluss” Ostdeutschlands an Westdeutschland ging der Exodus weiter wobei vor allem die Jungen in den Westen zogen. Auf die meisten Bundesländer im Osten hat sich das negativ ausgewirkt.

            Europa schrumpft bis jetzt noch nicht, obwohl schon lange “zuwenig” Kinder geboren werden, erstens, weil sich eine niedrige Geburtenrate verzögert auswirkt, zweitens weil die Lebenserwartung steigt und drittens wegen der Migration. Im Bericht EU Employment and Social Situation liest man dazu:

            In 2011, natural increase (the positive difference between live births and deaths) contributed 31% (0.4 million) to population growth in the EU-27. Some 69 % of the growth thus came from net migration plus statistical adjustment, which continued to be the main determinant of population growth, accounting for 0.9 million in 2011.

            Weltweit gesehen gibt es immer noch einen starken Bevölkerungszuwachs, vor allem in Indien und Afrika. Indien wird China in der Bevölkerungszahl schon bald überholen und Afrikas Bevölkerung wird von heute 1.2 auf zwischen 3 und 4 Milliarden im Jahr 2100 ansteigen. Wenn man international denkt könnte man sein Geld in solchen Wachstumsmärkten anlegen, allerdings ist das Risiko viel höher als wenn man in etablierte Firmen investiert.. Historisch gesehen hätte sich das aber oft gelohnt. Wer im Jahr 2000 Samsung electronics Aktien kaufte hat von einem Anstieg auf das fünffache profitiert.

          • @ Herr Martin Holzherr :

            Europa schrumpft bis jetzt noch nicht, obwohl schon lange “zuwenig” Kinder geboren werden, erstens, weil sich eine niedrige Geburtenrate verzögert auswirkt, zweitens weil die Lebenserwartung steigt (…)

            Verdacht:
            Die ‘niedrige Geburtenrate wirkt sich verzögert aus’, weil ‘die Lebenserwartung steigt’.

            MFG
            Dr. W

          • @Dr.Webbaer: 10. 12 2014, Nein, die niedrige Geburtenrate wirkt sich verzögert aus, weil die Babyflautegeneration zuerst einmal erwachsen werden muss. Als Kind zählt man wirtschaftlich nur wenig, denn ein Kind arbeitet nicht, gründet keinen Haushalt und heiratet nicht.

          • @ Herr Martin Holzherr :
            Negativ. – Eine Population mit gleichbleibendem Sterbealter schrumpft sofort, wenn weniger nachgeboren wird.

            Insofern ließe sich Ihre Argumentation verkürzen, die Probleme, sollten welche vorliegen, stammen allein aus der niedrigen Fertilitätsrate und der antiselektiven Immigration, wobei der Schreiber dieser Zeilen gerne betont, dass sie so zwingend nicht entstehen müssten.

            Es gibt also potentiell zwei Probleme, bei dem einen Problem, der nachlassenden insuffizienten Fertilität, ist der Schreiber dieser Zeilen nah beim hiesigen Inhaltegeber und hier müsste mal genau geschaut werden.
            Es muss nicht so sein, dass der Wiederaufbau der Religiösität die “Silver Bullet” ist.

            Aus liberaler Sicht würde sich zudem auch mit sich integrierenden oder assimilierenden Immigranten [1] gut leben lassen, zudem ist es aus dieser Sicht alles andere als klar, dass ein gemäßigter Bevölkerungsrückgang Unheil bedeutet.

            MFG
            Dr. W

            [1] es soll hier nicht um Parallelgesellschaften gehen, die gab es immer, die Entstehung von Gegengesellschaften wäre aber höchst problematisch

          • @Dr. Webbaer 10. Dezember 2014 10:02; Da muss ich ihnen fast überall zustimmen, auch was den Bevölkerungsrückgang betrifft. Mit einem Bevölkerungsrückgang muss man sogar früher oder später leben, denn immer nur zunehmen kann die Bevölkerung nun einmal nicht.

            Was die Auswirkung eines Geburtenrückgangs betrifft, so gibt es schon eine Verzögerung: Man stelle sich vor. ab dem Jahr 2015 würden in Deutschland überhaupt keine Kinder mehr geboren werden und es gäbe keine Zu- und keine Abwanderung. Zwar würde sofort die Bevölkerungszahl (leicht) abnehmen, weil gestorben würde ohne dass gleichzeitig geboren wird. Doch der Abfall wäre nicht linear, sondern würde sich mit der Zeit beschleunigen, denn die Sterbewahrscheinlichkeit ist nun mal nicht gleich hoch wenn man 70 ist wie wenn man 40 Jahre alt ist. Im Jahr 2050 wären die jüngsten Deutschen dann 35 Jahre alt, die Zahl der Deutschen wäre aber immer noch im zweistelligen Millionenbereich. Bereits im Jahr 2085 (weitere 35 Jahre später, die jüngsten wären dann 70) gäbe es dann aber weniger als 1 Million Deutsche. Fazit: Wenn die Bevölkerung einmal deutlich überaltert ist nimmt sie bei gleichbleibender – aber ungenügender – Fertilität schneller ab als vorher bei weniger Überalterung.

          • @ Herr Martin Holzherr :

            Fazit: Wenn die Bevölkerung einmal deutlich überaltert ist nimmt sie bei gleichbleibender – aber ungenügender – Fertilität schneller ab als vorher bei weniger Überalterung.

            Jenau.

            Es gibt hier anzunehmenderweise sich verstärkende Überdeckungseffekte, grob formuliert: Ist die Sache erst einmal versaut, werden alte Säcke und Konservative oder Reaktionäre, die auch Linke sein können, anzunehmenderweise alles tun, um den Trend fortzusetzen, bis es nicht mehr geht oder bis sie nicht mehr gibt.

            Fast könnte hier der Homo oeconomicus als diesbezüglich erklärend zitiert werden.

            MFG
            Dr. W

        • Ist etwa ganz Europa auf dem absteigenden Ast?

          Ja natürlich! Wenn es ganz Europa gut gehen würde, dann müsste die Arbeitslosigkeit Europaweit unter einem Prozent liegen, die Leitzinsen irgendwo zwischen 2 und 4% schwanken und die Staatshaushalte müssten ausgeglichen sein. Das heisst insbesondere, dass es innerhalb der EU keinen Staat geben dürfte, der einen zu hohen Überschuss in der Handelsbilanz hat, was aber für Deutschland seit Jahren zutrifft. Und unsere Wirtschaft ist Stolz drauf, denn darauf gründet die deutsche Exportmeisterschaft. Der Haken ist, dass die meissten Exporte in die EU gehen, bzw. gingen, und die Abnehmerländer sich dadurch Defizite in der Handelsbilanz eingefangen haben. Und diese Defizite sollen sie nun durch sparen beheben, was aber nicht funktioniert, da ein Staathaushalt eben kein Wirtschaftsbetrieb ist.
          Ausserdem dürften die Umsätze im Einzelhandel und jenen Wirtschaftsbetrieben, die ausschliesslich im Inland arbeiten (wie etwa der Friseur, der Klempner oder der Metzger) nicht stagnieren oder in der Tendenz fallend sein. Die müssten im Gegenteil in der Tendenz steigend sein. Und schliesslich dürfte es den gesamten Niedriglohnsektor nicht geben, denn dadurch wird potentieller Konsum, d.h. höhere Umsätze abgewürgt.

          Was den Lobbyismus angeht, so haben Sie natürlich recht, wenn Sie sagen, dass es für eine Firma am besten ist, wenn sie es schafft, sich als Gemeinnützig darzustellen (und dadurch Steuern spart) oder ihre Leute gleich als Abgeordnete in Stadträte, Kreis- und Landtagen sowie in Bundestag und EU-Parlament zu installieren. Aber dass kann doch nur ein Grossbetrieb oder eine starke Interessenvertretung leisten. Also ist dass ganze nur was für Gossunternehmen, aber ein lokaler Handwerker hat davon nichts. Der kann auch keine Arbeitsplätze ins Ausland verlegen.

          Ob wirklich Nachwuchs fehlt, wenn die Babyboomer in Rente gehen, ist auch noch nicht so sicher, wie man uns glauben machen will. Denn durch die ständig steigende automatisierung steigt ja auch die Produktivität. Eine Grösse, die in öffentlichen Diskussionen fasst immer unterschlagen wird, denn wenn man sie berücksichtigt, stellt man fest, dass gar nicht mehr so viele Leute gebraucht werden. Es müsste allerdings trotzdem einiges anders organisiert werden, so das jene, die vielleicht wirklich nirgendwo gebraucht werden, trotzdem irgendwas sinnvolles tun können, um ihnen das Gefühl zu nehmen, überflüssig zu sein. So die rein wirtschaftliche Argumentation.
          Letztlich bin ich aber der Meinung, das niemand überflüssig ist, sondern immer eine nützliche Tätigkeit findet, wenn man sie/ihn nur liesse.

  8. Julian Savulescu: “parents have a responsibility to select the best children they could have” (engl. Wikip.)

    – Danke für den Hinweis. Sehr interessant.

    “Genetically Enhance Humanity or Face Extinction”

    “PGD in order to determine the intelligence of embryos and possible children.”

    Nun, das letzte ist vielleicht ein bisschen plump argumentiert. Da sind mir Thilo Sarrazin und andere schon lieber, die ein bisschen schlichter argumentieren, wenn sie darauf verweisen, dass idealerweise in Dienstleistungsgesellschaften – wie seit 1000 Jahren im aschkenasischen Judentum – einfach die intelligentesten Menschen die meisten Kinder haben müssen. Dazu braucht man keine PGD, sondern muss nur auf den höchsten erworbenen Bildungsabschluß der Eltern gucken, der auch ein Verweis auf Gene ist. Und dann unter diesen bewußt kinderreiche Familien fördern.

    Und man darf sich dabei – natürlich – nicht durch vorherrschende “Realitäten” von dem abbringen lassen, was notwendig ist.

    • Julian Savulescu: “parents have a responsibility to select the best children they could have”

      Dazu braucht man keine PGD, sondern muss nur auf den höchsten erworbenen Bildungsabschluß der Eltern gucken, der auch ein Verweis auf Gene ist.

      So ein Schwachsinn! – Als ob Intelligenz vererbbar wäre…
      Wie soll denn diese Logik erklären, das Kinder einen höheren Bildungsabschluss haben können, als ihre Eltern? – Geht doch gar nicht, ist aber so.

      • Noch mal exakter bezüglich der These, das Intelligenz vererbbar wäre:
        Wie kann man denn mit dieser Logik erklären, das Kinder einen höheren Bildungsabschluss erreichen/haben können, als ihre Eltern? – Das ist nämlich bei mir, und in weiten Teilen meiner Familie der Fall, dass wir höhere Schulabschlüsse haben, als unsere Eltern. Dem könnte aber nicht so sein, wenn die dafür nötige Intelligenz vererbt würde. Denn vieles von dem, was von uns in der Schule verlangt wurde, haben meine Eltern z.B. nie begriffen.

        • @Hans

          Erklärung: Dumm wird man nicht geboren, dumm wird man gemacht 😉

          Zum Nachdenken: In der Homöopathie wird ein Wirkstoff so oft MIT WASSER verdünnt / potenziert, bis der Wirkstoff nicht mehr nachweisbar ist, aber trotzdem erfüllt der Wirkstoff seine Aufgabe – von jeglichen Zwängen befreites Bewußtsein, auf der einen, bzw. anderen Seite, ist der Schlüssel 😉

        • Kinder können besser und intelligenter sein als ihre Eltern und das sogar aus zwei Gründen:
          1) Kinder können eine grössere Intelligenz erben als sie ihre Eltern haben, denn das Erbgut wird bei jeder “Zeugung” neu gemischt. Deshalb können ja auch Geschwister sehr unterschiedlich sein
          2) Kinder können besser sein als ihre Eltern, weil sie eine bessere Bildung sowohl theoretisch als auch praktisch erhalten haben.

          Ganz so simpel ist es mit der Intelligenz nicht. Dass aber 50% oder mehr dessen was man mit dem Intelligenzquotienten misst, vererbt wird, ist sicher. Wobei 50% eher an der untern Grenze liegt und wenig wäre. Bekannt ist übrigens, dass sehr viel Gene an der Intelligenz beteiligt sind und Gendefekte in nur einigen dieser Gene unter Umständen genügen um die Intelligenz deutlich herabzusetzen (das ist z.B. im Fragiles X-Syndrom der Fall).

          Im übrigen scheint mir ihr Urteil “Denn vieles von dem, was von uns in der Schule verlangt wurde, haben meine Eltern z.B. nie begriffen.” etwas voreilig. Sogar im Alter kann man noch einiges lernen. Viele wollen nur nicht mehr.

  9. Mit finanzieller Förderung wird man nicht viel bewirken. Schon heute gibt es ja eine negative Korrelation zwischen Fertilität und sozioökonomischem Status. Von daher hoffe ich, dass es in wenigen Jahren möglich sein wird, Embryonen nach guten Anlagen für Intelligenz zu selektieren. Auch wenn das pöbelhaft-bigotte Deutschland diese Technik als letztes erlauben wird. Pragmatische Nationen wie China und Israel werden da schneller sein.

    Und vielleicht wird man auch irgendwann von dieser Obsession wegkommen, dass jeder unbedingt seine eigenen Gene weitergeben muss. Vielleicht wird es normal werden, dass unbegabte Menschen freiwillig auf die Samenspende eines Hochbegabten zurückgreifen. Heute ist das natürlich undenkbar, aber das liegt nur daran, dass wir beim Thema Fortpflanzung immer noch genauso konservativ und neurotisch sind wie beim Thema Sexualität vor 100 Jahren.

    • @Thomas Friedrich

      Abgesehen von anderen Einwänden frage ich mich immer wieder, welches “Genie” ausgerechnet Intelligenz zum absoluten Wertmaßstab erklären will? Warum nicht z.B. Altruismus, Fleiß oder Gewissenhaftigkeit? Eine Gesellschaft aus zwar schlauen, aber faulen Egomsnen wäre wohl kaum “enhanced”.

      Aber drehen wir den Gedanken doch noch eine Runde weiter: Wenn wirklich Intelligenz der einzige Wertmaßstab des Lebens sein sollte, dann müsste sich die Menschheit konsequent selbst abschaffen, sobald sie von Künstlicher Intelligenz (KI) überflügelt wird. “Terminator” ohne Rebellen – na super…

      Also ich finde, wer keine Kinder will, soll halt keine haben. Auch das ist Freiheit – und Evolution… 😉

      • Abgesehen von anderen Einwänden frage ich mich immer wieder, welches “Genie” ausgerechnet Intelligenz zum absoluten Wertmaßstab erklären will? Warum nicht z.B. Altruismus, Fleiß oder Gewissenhaftigkeit?

        Die Intelligenz wurde vor knapp hundert Jahren entwickelt und hat die Vorteile, dass sie gemessen werden kann und dass niemand genau weiß, was sie ist.
        Sie konkurriert demzufolge kaum mit bspw. der Klugheit, der Schlauheit, der Weisheit und der Sittlichkeit.
        Dass Gleichheitsideologen, gerade auch die herben, hier Honig saugen wollen, überrascht demzufolge nicht.

  10. @Michael Blume:

    Intelligenz ist der limitierende Faktor für beruflichen Erfolg und gesellschaftlichen Fortschritt. Eine Welt voller Genies wäre außerdem sozial gerechter, weil es keinen Grund mehr gäbe, einen Anwalt oder Informatiker wesentlich besser zu bezahlen als eine Putzfrau. Ein Überangebot an Menschen, die für anspruchsvolle Jobs in Frage kommen, würde den Marktpreis dieser Arbeit nach unten drücken. Umgekehrt wird man Putzfrauen und Fließbandarbeiter besser bezahlen müssen, wenn es nicht mehr ein Überangebot an geistig Unterprivilegierten gibt, die nur für solche Jobs in Frage kommen. Insofern ist “genetic enhancement” auch ein Schlüssel zur sozialen Gerechtigkeit. Unsere Gesellschaft dagegen ist bei aller formalen Freiheit immer noch ein Kastenwesen. Wer mit einem IQ von 90 zur Welt kommt, ist in seiner Berufswahl genauso unfrei wie ein Mensch, der in einer niedrigen Kaste geboren wurde.

    Aber Intelligenz hat weitere Vorteile. Ich denke zum Beispiel an die geistigen Freuden, die einem Unbegabten weitgehend verschlossen bleiben. Auch wäre eine Gesellschaft, in der alle Menschen begabt wären, viel demokratischer. Heutzutage haben die meisten keine genaue Vorstellung von den politischen und wirtschaftlichen Prozessen, die ihr Leben bestimmen, und wählen aus dem Bauch heraus. Das ermöglicht die üblichen Lügenwahlkämpfe und den parlamentarischen Demokratieersatz. Wären alle Menschen nach heutigen Maßstäben hochbegabt, dann wäre eine direkte Demokratie kein Problem.

    Im Übrigen ist Intelligenz ja nicht der einzige Angriffspunkt für genetic enhancement. Auch Gesundheit, Antrieb, Begeisterungsfähigkeit und Langlebigkeit könnten verbessert werden.

    “Ich finde, wer keine Kinder will, soll halt keine haben. Auch das ist Evolution…)”

    Stimmt. Aber sollte es eine negative Korrelation zwischen Intelligenz und Fertilität geben, dann wird dies zwangsläufig zu einer Dysgenik führen. Das wird dann zwar auch “Evolution” sein (auch Massenaussterben gehören zur Evolution), aber erfreulich wird das nicht. Generell sollte man bedenken, dass Evolution ein geistloser, indifferenter Prozess ist, und keineswegs auf unser Wohlergehen ausgerichtet. Die Idee hinter “genetic enhancement” ist daher auch nicht, den Auftrag der Evolution auszuführen, sondern sich von der darwinistischen Evolution zu emanzipieren.

    • @Thomas Friedrich

      Interessant. Aber nochmal nachgefragt: Was wäre dann noch das Argument dagegen, Menschen durch Künstliche Intelligenzen zu ersetzen, die uns auch an Einsatzbereitschaft, Langlebigkeit etc. übertreffen könnten? Dem Sein des Menschen und natürlichen Prozessen kommt in Ihren Überlegungen ja keine höhere Dignität mehr zu.

      • @Thomas Friedrich

        “Im Übrigen ist Intelligenz ja nicht der einzige Angriffspunkt für genetic enhancement. Auch Gesundheit, Antrieb, Begeisterungsfähigkeit und Langlebigkeit könnten verbessert werden.”

        Spätestens an dieser Stelle müßtest Du feststellen, daß Intelligenz nichts mit menschenwürdigem Bewußtsein hat, sondern ausschließlich mit bewußtseinsbetäubender Bildung zu SKM, für die materialistische Hierarchie im nun “freiheitlichen” Wettbewerb um “Wer soll das bezahlen?” und “Arbeit macht frei”, im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” und dem Glauben an …losigkeiten der zufälligen Einmaligkeit auf Erden!?

        Hinter Genetic enhancement würde ich kein (faschistisches) Problem sehen, wenn Mensch wirklich-wahrhaftig zusammenleben würde 😉

  11. “Wenn Sie also Lust haben, setzten Sie sich doch einen Moment mit mir auf “den spitzen Zaunpfahl” der Liberalismus-Definitionen und lassen Sie uns “in beide Richtungen” schauen…”

    In einer Welt- und “Werteordnung”, die von ihrer Ausrichtung der materialistischen Hierarchie her das Konsum- und Profitdenken über die Vernunftbegabung als Mensch (ALLE!) setzt und somit verantwortungsvolle Bewußtseinsentwicklung in “individualbewußte” Bewußtseinsbetäubung wandelt, ist Liberalismus der Ausdruck einer ignoranten Arroganz im “Recht des Stärkeren”, wo längst ein Anarchismus in Möglichkeiten von geistig-heilendem Selbst- und Massenbewußtsein wirken könnte – den “spitzen Zaunpfahl” sehe ich absolut nicht 😉

  12. @ Michael “wer keine Kinder will, soll halt keine haben. Auch das ist Freiheit – und Evolution…”

    Du weißt aber schon, dass in Deutschland Millionen GEWÜNSCHTER Kinder nicht geboren werden. – ? Und dass den Gründen dafür schon – zum Beispiel von Allensbach und vom Berlin Institut – nachgegangen worden ist? Wobei ungewollte Kinderlosigkeit nur EINER von mehreren Gründen ist. – ?

    Und dass jene Menschen, die Kinder haben, HÄUFIGER sagen, dass der Grund dafür, dass gewünschte Kinder nicht geboren werden, finanzielle sind, als Menschen, die noch keine Kinder haben? (Das übrigens auch an Thomas Friedrich gerichtet.)

  13. Finanzielle Gründe sind keineswegs die einzigen Gründe für zu wenig Kinder, ganz richtig. Es gibt ein ganzes Bündel – aber kein Grund darf ausgenommen werden. Und der 4. Familienbericht der Bundesrepublik Deutschland von 1994 hat schon viele dieser Gründe ausgewogen betrachtet. Er sprach von einer “strukturellen Rücksichtslosigkeit der deutschen Wirtschaft und der deutschen Gesellschaft gegenüber der Tatsache, dass Menschen Kinder haben.

    Ein Hauptgrund ist auch, dass der Partner fehlt, mit dem man Kinder haben möchte. Darüber redet öffentlich niemand und doch hat dieser Grund krasse demographische – und damit wirtschaftliche und kulturelle – Auswirkungen. Wir haben doch ganz allgemein ein Problem mit dem zwischenmenschlichen Miteinander, wenn dieser Grund wo bedeutend ist.

  14. Thomas Friedrich:
    “Die Idee hinter “genetic enhancement” ist daher auch nicht, den Auftrag der Evolution auszuführen, sondern sich von der darwinistischen Evolution zu emanzipieren.”

    Nach allen Erfahrungen mit dem homo sapiens ist davon auszugehen, dass die Technik von “genetic enhancement” (vorausgesetzt sie sei sicher und funktioniert) nicht dazu genutzt werden wird, der gesamten menschlichen Population ein up-grade zu verpassen, sondern nein, das werden erst nur die Reichen machen können, dann vielleicht auch die Wohlhabenden. Unter den ersten gibt es sicherlich auch ein paar Alibi-Arme und ein paar Verrückte, die alles machen, wo man das Etikett “Fortschritt” drauf klebt. Dann wird es kommerziell vermarktet und schafft nur neue Ungleichheit.
    Bis jetzt halte ich das sowieso für saugefährlich, weil wir nicht genau wissen, wie das mit den Genen in ALLEN Details funktioniert.

  15. @Michael Blume:

    “Interessant. Aber nochmal nachgefragt: Was wäre dann noch das Argument dagegen, Menschen durch Künstliche Intelligenzen zu ersetzen, die uns auch an Einsatzbereitschaft, Langlebigkeit etc. übertreffen könnten? Dem Sein des Menschen und natürlichen Prozessen kommt in Ihren Überlegungen ja keine höhere Dignität mehr zu.”

    Es ist zweifelhaft, ob die KI ein solches Niveau erreichen wird. Falls ja, wäre es immer noch eine offene Frage, ob sie über bewusste Erlebnisse (Qualia) verfügt. Denn darum geht es am Ende: Nicht um Effizienz als Selbstzweck, sondern um bewusste Wesen, die sich an ihrem Dasein erfreuen. Statt permanent zu leiden oder ihr Leben als Nullsummenspiel zu empfinden, wie ein großer Teil der heutigen Menschheit.

    Natürlichkeit hat in meinen Augen tatsächlich keine höhere Dignität, denn wie wir schon erkannt haben: Die Natur besitzt weder Weisheit noch Wohlwollen. Sieht man an den vielen hundert Erbkrankheiten, die wir mit uns herumschleppen, weil die natürliche Selektion zu doof ist, die oft rezessiven oder spät ausbrechenden Krankheiten auszumerzen.

    @Paul Stefan:

    “Nach allen Erfahrungen mit dem homo sapiens ist davon auszugehen, dass die Technik von “genetic enhancement” (vorausgesetzt sie sei sicher und funktioniert) nicht dazu genutzt werden wird, der gesamten menschlichen Population ein up-grade zu verpassen, sondern nein, das werden erst nur die Reichen machen können, dann vielleicht auch die Wohlhabenden. ”

    Bis jetzt ist noch jede medizinische Technik mit der Zeit so günstig geworden, dass sie zumindest in den entwickelten Ländern für fast jeden erschwinglich wurde. Eine PID bekommt man z.B. in Deutschland ab 3000 euro. Ich sehe nicht, warum zukünftige Methoden des Enhancements dauerhaft teurer sein sollten.

    “Bis jetzt halte ich das sowieso für saugefährlich, weil wir nicht genau wissen, wie das mit den Genen in ALLEN Details funktioniert.”

    Man wird ja nicht gleich am Reißbrett einen völlig neuen Menschen designen. Am Anfang wird man lediglich eine Auswahl unter bereits vorhandenen Genen treffen. Zum Beispiel mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik. Dazu ein interessanter Artikel von Nick Bostrom:

    http://www.nickbostrom.com/papers/embryo.pdf

    Im Laufe der Jahrhunderte, wenn die menschliche Intelligenz deutlich angestiegen und die Genomforschung weit fortgeschritten ist, wird man sich auch kühnere Eingriffe zutrauen und neue Gene erschaffen.

    Außerdem sollte man nicht vergessen: Jede natürliche Fortpflanzung ist ein biologisches Experiment mit offenem Ausgang. Abertausende, die mit schweren Krankheiten und Behinderungen zur Welt kommen, bezahlen jährlich den Preis für diese Experimente. Eine strikte Risikovermeidung taugt nur als Argument für den Antinatalismus, nicht für die natürliche Fortpflanzung!

    • @Thomas Friedrich

      Danke für Ihren “Klartext”, aus dem klar hervorgeht, dass sich die Menschheit laut Ihrer Schlussfolgerungen bei ausreichendem, technologischem Fortschritt logisch selbst abschaffen müsste.

      Ebenso könne menschliche Fortpflanzung schon jetzt ein Verstoß gegen Leid- und Risikovermeidung sein. Auch stehe dem menschlichen Sein per es keine besondere Dignität zu.

      Damit stellt sich m.E. mit voller Wucht die hier bereits mehrfach debattierte Anthropodizee-Frage: Welche rationalen Gründe sprechen überhaupt noch für menschliche Fortpflanzung, warum es nicht gleich lassen?
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-anthropodizee-frage-wer-himmel/

      Bin auf Ihre Antwort ehrlich gespannt!

    • @Thomas Friedrich, Michael Blume
      Hinter ihrer beiden Kommentaren und Beiträgen (Anhropozidee) steckt die Fiktion, es gebe so etwas wie die Menschheit. Es ist nämlich sowohl faktisch als auch entwicklungsgeschichtlich eine Fiktion, eine ganze Spezies, verfolge eine gemeinsame Idee und einen gemeinsamen Entwicklungspfad. Wer also von unserer Zukunft als transhumane Geschöpfe spricht, der nimmt entweder an
      1) alle menschlichen Gesellschaften in allen Staaten – die Menschheit eben – entschlössen sich den Weg zur genetischen und technischen Verbesserung zu gehen. In Wirklichkeit wird es Leute geben, die das machen und andere, die das lassen. Ausser es werde weltweit verboten und dieses Verbot auch noch durchgesetzt oder aber die Verbesserung werde von einem zuküfntigen Staat, einer zukünftigen Gesellschaft allen aufoktroyiert.
      2) Die Idee der Anthropozidee zeigt noch deutlicher, dass es so etwas wie eine Menschheit nicht gibt, denn nur Bevölkerungsgruppen, die sich nicht mehr fortpflanzen sterben aus, nicht aber die andern. Man müsste wiederum alle per Gesetz verpflichten sich nicht fortzupflanzen oder gar alle sterilisieren, damit die Menschheit ausstirbt. Evolutionsbiologisch gesehen spielen Lebewesen, die sich nicht fortpflanzen in der Zukunft einfach keine Rolle mehr.

      Mein Eindruck: Viele Menschen lieben es von der Menscheit zu sprechen, wobei sie annehmen, sie selbst seien Vertreter dieser Menscheit, die nun allen andern bestimmte Eigenschaften oder eine bestimmte Zukunft nahelegen. Es stimmt zwar, dass es so etwas wie eine Hauptrichtung geht in der sich die Menschheit entwickelt insoweit als das, was zu dieser Hauptrichtung gehört überall kopiert wird, aber es gibt auch Gruppen die sich dem entziehen. Nicht jede Idee hat zudem das Potenzial sich unter der ganzen Menscheit auszubreiten. Die Idee sich nicht fortzupflanzen beispielsweise führt einfach dazu, dass sich die Nachfolger der Anthropozidee-Idee selbst vom Menu der Zukunft wegnehmen. Was nicht existiert kann auch nichts bewirken. Daran kommt niemand vorbei.

      • @Martin Holzherr

        Dem stimme ich völlig zu. Tatsächlich verstehe ich den Begriff “der Menschheit” nicht als Feststellung einer Essenz, sondern einer in sich vielfältig “zerklüfteten” und in unterschiedlichsten Netzwerken und Gruppen vergemeinschafteten Menge. Denn, wie geschrieben: Das evolutionäre Erfolgsprinzip verlief stets durch Variation, Selektion und schließlich differentielle Reproduktion. Den Anspruch, dies zentral beherrschen und planen zu können, halte ich für menschliche Hybris. Wie es von Hayek schon im Titel seiner Nobelpreisrede gerade auch kritisch gegenüber den Wissenschaften formulierte, riskieren wir in den Theorien & Utopien immer wieder eine “Anmaßung von Wissen”.
        http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/economic-sciences/laureates/1974/hayek-lecture.html

        Echte #Leseempfehlung 🙂

  16. Thomas Friedrich:
    “Bis jetzt ist noch jede medizinische Technik mit der Zeit so günstig geworden, dass sie zumindest in den entwickelten Ländern für fast jeden erschwinglich wurde.”

    Eben, in den entwickelten Ländern.
    Es gibt inzwischen aber auch in den entwickelten Ländern eine relativ große Gruppe, die nicht einmal 3000 Euro frei zur Verfügung hat.
    In Indien führt die PID dazu, dass Mädchen abgetrieben werden, in China meine ich auch.

    Ich halte die ganze Idee hinter enhancement für problematisch, man könnte es auch Gen-doping nennen. Es verabsolutiert den Leistungsgedanken.
    Ich sehe hier immer auch die Hybris von Wissenschaftlern, einen zweiten Schöpfer zu spielen, und das sage ich nicht, weil ich gläubig wäre (bin ich nicht) oder weil die Wissenschaftler gläubig wären, die sind ja oft Atheisten. Ich sehe hier vielmehr zwei Versuchungen, denen Forscher nachgeben, Machtausübung und utopische Glücksverheißung. Beides vernebelt den Verstand. Vom Geld gar nicht zu sprechen.

    Kam kürzlich nicht eine Meldung, dass Pharmafirmen die Tests neuer Medikamente in Entwicklungsländer verlegen? Dort ist es viel billiger, die Patienten machtloser und oft weniger aufgeklärt, die staatliche Kontrolle schwach. Studien wurden sogar in großem Maße gefälscht.

    http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2014-12/medikamente-studien-verdacht-faelschung

    “Man wird ja nicht gleich am Reißbrett einen völlig neuen Menschen designen.”

    Auch solche Leute gibt es, man kann nur hoffen, dass sie keine Gelegenheit zur praktischen Erprobung finden.

  17. @Michael Blume:

    “Danke für Ihren “Klartext”, aus dem klar hervorgeht, dass sich die Menschheit laut Ihrer Schlussfolgerungen bei ausreichendem, technologischem Fortschritt logisch selbst abschaffen müsste.”

    So schnell schießen die Preußen nicht. Auch eine stark verbesserte Menschheit würde sich noch lange in den Grenzen des Homo sapiens bewegen. Sollten wir aber irgendwann die Grenzen unserer Spezies überschreiten, wäre das auch kein Beinbruch. Es war auch kein Beinbruch, dass der Homo erectus (jedenfalls eine Linie von ihm) sich zum Homo sapiens entwickelt hat.

    Ohnehin hat das Konzept der Speziesgrenze durch die Evolutionstheorie an Bedeutung verloren. Im diachronen Querschnitt kann man nicht mal genau sagen, wo eine Spezies anfängt oder aufhört. Die Frage, ob unsere Nachfahren noch Menschen sein werden, finde ich daher unbedeutend.

    “Damit stellt sich m.E. mit voller Wucht die hier bereits mehrfach debattierte Anthropodizee-Frage: Welche rationalen Gründe sprechen überhaupt noch für menschliche Fortpflanzung, warum es nicht gleich lassen?”

    Zwei Gründe:

    Erstens ist “Voluntary Human Extinction” keine realistische Option. Selbst wenn 90% der Menschen sich zum Antinatalismus bekennen, würde die restliche Menschheit sich weiterhin fortpflanzen und den Planeten bevölkern.

    Zweitens: Auch wenn ein Aussterben der Menschheit vielleicht wünschenswerter ist als ihr Fortbestand in der jetzigen Form, ist eine Spezies, die in absoluter Glückseligkeit lebt und geistig vielleicht so weit über uns steht wie wir über dem Australopithecus, in meinen Augen attraktiver als die Nichtexistenz.

    Für die hedonistischen Aspekte des Transhumanismus empfehle ich übrigens die Arbeiten des freien Philosophen David Pearce. Stichwort: The naturalisation of heaven.

    http://www.hedweb.com/hedethic/hedonist.htm

    @Paul Stefan:

    “Eben, in den entwickelten Ländern.
    Es gibt inzwischen aber auch in den entwickelten Ländern eine relativ große Gruppe, die nicht einmal 3000 Euro frei zur Verfügung hat.”

    Ich vermute, dass die Technik, wenn sie erst den Massenmarkt erreicht, sogar noch günstiger wird. Denken Sie an den Preisverfall von Computern in den letzten Jahrzehnten! Heute können sich selbst viele Afrikaner Handys leisten, die mit Computern ausgestattet sind, für deren Äquivalent man vor 30 Jahren ein Vermögen zahlen musste.

    Außerdem wird ein rationaler Staat die Anwendung solcher Techniken unterstützen, so wie er heute in Bildung investiert.

    “Ich halte die ganze Idee hinter enhancement für problematisch, man könnte es auch Gen-doping nennen. Es verabsolutiert den Leistungsgedanken.”

    Ich habe ja meiner Erwartung Ausdruck verliehen, dass Enhancement unsere Gesellschaft sogar humaner und gerechter machen wird. Und eine größere Leistungsfähigkeit könnte ja auch dazu führen, dass die Menschen nicht mehr, sondern weniger arbeiten.

    Aber eine Gegenfrage: Finden Sie den heutigen Zustand der Menschheit erhaltenswert? Oder glauben Sie, dass unsere brutale und verquälte Spezies nur durch Sozialreformen einen erträglichen Zustand erreichen wird?

    • @Thomas Friedrich

      Vielen Dank für den Einblick in Ihre transhumanistische Weltanschauung!

      Ganz abgesehen von den – von Ihnen teilweise durchaus eingeräumten – Widersprüchen, die es in jeder Religion und Weltanschauung gibt, unterscheidet uns wohl gerade der Glauben an die kollektive Planbarkeit des Lebens und der Evolution. Während bislang schon alle Modelle der Planwirtschaft gescheitert sind, erhoffen Sie eine Zukunft, in der darüber hinaus auch das gesamte Familienleben der Menschen zentralen Vorgaben unterworfen wird – was ich für ebenso unmenschlich wie auch unrealistisch halte.

      Dabei teilen wir beide durchaus die Begeisterung für Wissenschaft und demografische Fragen. Jenseits aller Utopien muss ich aber feststellen, dass auch das wohlhabende Deutschland noch nicht einmal in der Lage ist, Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ausreichend gute Bedingungen zum Forschen und zur Familiengründung einzuräumen. Dadurch kommt es nicht nur zu wissenschaftlichem Fehlverhalten, sondern auch zum Ausfall von Geburten bei Eltern, die sich eigentlich Kinder gewünscht hätten. So schreibt die Süddeutsche gerade heute in einem lesenswerten Artikel zum “Knochenjob Wissenschaft”:

      “Fast zwei Drittel der Nachwuchswissenschaftler sagen, sie hätten bereits jetzt Kinder, wenn sie einen festen Job hätten, fast 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen sehen darin eine „systematische Benachteiligung der Frauen“. Fast zwei Drittel der Befragten würden der Tochter eines Freundes eher abraten, Wissenschaftlerin zu werden. Forscher ist kein Traumberuf mehr.”
      http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/590441/Knochenjob-Wissenschaft

      Vielleicht können Sie angesichts der mangelnden Bereitschaft, solche realen Probleme zu lösen, meine Skepsis gegen umfassende Utopien verstehen. Größere Aktivitäten etwa transhumanistischer oder einfach humanistischer Verbände sind mir in diesem Bereich bislang zumindest nicht aufgefallen.

      Evolutions- und letztlich Lebensprozesse verlaufen immer auch überraschend, mit allenfalls begrenzten Lösungen und abgesichert idealerweise über Vielfalt (Variation). Menschen, die diesen Prozess zentraler Planung unterwerfen wollten und dafür den Himmel auf Erden versprachen, haben meist noch schlechtere, wenn nicht gar höllische Zustände hinterlassen….

      Ihnen noch einmal vielen Dank und alles Gute!

      • “Menschen, die diesen Prozess zentraler Planung unterwerfen wollten und dafür den Himmel auf Erden versprachen, haben meist noch schlechtere, wenn nicht gar höllische Zustände hinterlassen….”

        Trifft dieser Satz nicht gerade oder auch auf die Prediger und Verkünder Gottes zu? Ich sehe da keinen Unterschied, ob der Himmel auf Erden oder eben als solcher nach dem Leben versprochen wird. Was macht der Papst oder die Kirche anderes als “zentrale Planung und Steuerung”? Nur der Humanismus bezieht sich auf die existierenden Menschen und auf die existierenden Lebensbedingungen. Der Mensch vermag Vieles mit Verstand und Bewusstsein, aber letztlich ist und bleibt er ein Produkt der Natur und von der Natur abhängig. Jede Planung und Zielsetzung des Menschen bleibt lückenhaftes und fehlerhaftes Stückwerk. Die Natur hat keine Skrupel, auch ihre faszinierendsten Geschöpfe der Vernichtung preiszugeben. Gerade das menschliche Bewusstsein kann durch egoistische und störrische Zielvorgaben maßgeblich dazu beitragen!

        • Nur der Humanismus bezieht sich auf die existierenden Menschen und auf die existierenden Lebensbedingungen.

          Idealerweise.

          Er ist aber in praxi oft unzureichend sittlich bildend und verbeißt sich ins Religiöse, in dessen Ablehnung.

          Das Christentum hat übrigens Rahmen gesetzt, ‘Da spricht er zu ihnen: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!’ könnte hier eine Rolle gespielt haben, das heißt es war nicht totalitär und hat insofern der zivilisatorischen Entwicklung Spielraum gelassen.

          Der Humanismus könnte ähnlich funktionieren, hätte dann sozusagen die besseren Karten.

          MFG
          Dr. W (Humanist)

        • PS:
          Sozusagen noch eine technische Ergänzung, das Christentum ist im Gegensatz zu einigen anderen Religionen theozentrisch und anthropozentrisch angelegt, schließt die Vernunft nicht aus, Ratzinger hat sich hierzu jahrzehntelang bemüht, schriftlich liegt einiges vor, zudem gibt es im Humanismus welche, die biozentrisch und anthropozentrisch aufgestellt sind, was noch ginge, und welche, die den Humanismus überwunden zu haben glauben, sich dennoch Humanisten nennen, aber de facto Biozentristen sind.

          • Es ist nicht meine Absicht, rigoros auf einem Atheismus zu bestehen. Das Christentum hat ohne Zweifel humanistische und ethische Inhalte. Um so bedauerlicher, dass diese Inhalte von historischem, unnötigem Ballast überdeckt oder in den Hintergrund gedrückt werden. Gerade in der heutigen rationalisierten, objektivierten und wissensbestimmten Welt brauchen viele Menschen seelischen Rückhalt, eine Sinngebung abseits vom Leistungs- und Erfolgsdruck, verbunden mit Ängsten. Dabei greifen viele Menschen wiederum zu untauglichen Krücken, weil die Kirchen es verstanden haben, jede Konkurrenz zu unterdrücken. Der atheistische Kommunismus war der gemeinsame Feind von Kirche und Staat. Daher gibt es bisher weder Ethik noch Philosophie und Psychologie an den Schulen, was dringend als eigenes Fach für Humanismus erforderlich wäre. Die Folge ist, dass viele suchende Menschen zu abstruser und kommerzialisierter Esoterik neigen, oder psychische Störungen entwickeln, während Jugendliche mit Aggression und Gewalt auf den sozialen Stress reagieren.

          • @ Herr Reutlinger :
            Das mit dem ‘daher’ konnte jetzt nicht sofort verstanden werden, aber ansonsten scheint alles höchst zustimmungsfähig, das zuletzt kommentarisch oder feedbackartig von Ihnen Gelieferte meinend.

            Nüchtern oder sachnah betrachtet ist es aber wohl schon so, dass der Humanismus heutzutage weniger Werte stiftend unterwegs ist, als es lange Zeit während der Aufklärung [1] der Fall war, dass seit Längerem “herumgeknödelt” wird, humanistischerseits, und dass selbst der Schreiber dieser Zeilen sich bei diesbezüglicher zeitgenössischer Veranstaltung [2] nicht umfänglich integrieren möchte.

            MFG
            Dr. W

            [1] die Aufklärung, die letztlich die liberale * Demokratie meint, war ja mal umfänglich revolutionär, stellte die Frage, ob es nicht gerade die Menge sein kann, die zivilisatorisch hoch zu leisten vermag, wenn sie freigesetzt wird

            [2] zu beachten wäre bspw. derartige Veranstaltung:
            -> http://hpd.de/

            *
            -> http://de.wikipedia.org/wiki/Freiheitliche_demokratische_Grundordnung (“FDGO”, hier stehts noch mal schön)

        • @Anton Reutlinger schrieb…

          Was macht der Papst oder die Kirche anderes als “zentrale Planung und Steuerung”?

          Die Auffassung, dass der Papst und die römisch-katholische Kirche zuviel Zentralismus vertreten, kann man vertreten – und sich z.B. auch Kirchen und Religionsgemeinschaften anschließen, die dies nicht tun. Auch im verlinkten Artikel waren die entsprechenden Überlegungen z.B. von Adam Smith schon Thema, der Religionsfreiheit und wettbewerbliche Vielfalt forderte. Ich kann mich nur immer wieder wundern, wie viele Menschen noch immer von “der Kirche” sprechen, als gäbe es nur eine…
          Hier z.B. bedeutende Kirchen und Bewegungen der sog. “zweiten Reformation” (denen auch die evangelischen Landeskirchen noch zu hierarchisch waren):
          http://www.sciebooks.de/cms/books/baptisten-quaeker-unitarier

          Nur der Humanismus bezieht sich auf die existierenden Menschen und auf die existierenden Lebensbedingungen.

          Und aus Sein allein folgt kein Sollen. Daher konnte “der Humanismus” bislang nirgendwo überzeugend begründen, warum aus dem menschlichen Sein besonderes Gemeinschaftsengagement und Kinderreichtum folgen sollte. Obwohl wir humanistische Weltanschauungsgemeinschaften schon seit der Kaiserzeit haben, wurden sie immer wieder von Organisationsschwäche und Unterjüngung eingeholt. Die empirischen Beobachtungen dazu sind (leider) eindeutig…
          http://www.blume-religionswissenschaft.de/pdf/HK_OrganisierterAtheismus_Blume2014.pdf

          Der Mensch vermag Vieles mit Verstand und Bewusstsein, aber letztlich ist und bleibt er ein Produkt der Natur und von der Natur abhängig. Jede Planung und Zielsetzung des Menschen bleibt lückenhaftes und fehlerhaftes Stückwerk. Die Natur hat keine Skrupel, auch ihre faszinierendsten Geschöpfe der Vernichtung preiszugeben. Gerade das menschliche Bewusstsein kann durch egoistische und störrische Zielvorgaben maßgeblich dazu beitragen!

          Diesen Sätzen kann ich nur aus ganzem Herzen zustimmen – und würde bemerken, dass in dieser Einsicht wohl der Hauptunterschied zwischen Humanismus und Transhumanismus zu finden ist…

          Vielen Dank für Ihre konstruktiven Beiträge!

          • Aus dem Sein folgt kein Sollen, der naturalistische Fehlschluss. Genauso folgt aus dem Sollen kein Sein, das nenne ich den traditionalistischen Fehlschluss. Man ist noch kein guter Mensch, nur weil man weiß, wie man sich als solcher verhalten soll. “Der Humanismus” muss nichts begründen, ebenso “der Atheismus”. Beides sind keine spezifischen Weltanschauungen, Überzeugungen oder Glaubensrichtungen, die sich auf etwas Bestimmtes oder Vorgegebenes beziehen und bestimmte Ziele oder Werte vorgeben. Der Mensch soll sich zu Mitmenschen menschlich verhalten, aus der reziproken Einsicht der Gattungsgleichheit, der Gleichberechtigung, der gleichen Schicksalhaftigkeit, der gleichen Lebensinteressen. Kinderreichtum liegt im individuellen Interesse oder der individuellen Entscheidung und richtet sich nach vielen Parametern. In Deutschland ist das Alter der Frauen bei der Erstgeburt in den letzten 4 Jahren um 6 Monate auf 29,3 Jahre angestiegen.

          • @Anton Reutlinger

            Doch, aus dem Glauben an höhere Wesen folgt geradezu klassisch ein vielfaches Sollen (“Du sollst…”, “Du sollst nicht…” etc.). Und dies äußert sich in stabileren Gemeinschaften, gemeinsamen Bauten und teilweise massiv höheren Kinderzahlen.

            Psychologisch ist es ja auch völlig schlüssig, dass sich Menschen von höheren Prinzipien, also Dingen, “nichts sagen lassen” – von höheren Wesen, also Personen, aber mitunter schon. Die empirischen Befunde sind da sehr eindeutig…

          • @ Herr Reutlinger :

            “Der Humanismus” muss nichts begründen, ebenso “der Atheismus”.

            Hier gibt es dann aber doch noch einen Minuspunkt.

            MFG
            Dr. W (der bei derartigen Aussagen auch nicht so recht weiß, ob humanistischerseits noch nachgeschult werden müsste, ob dies noch etwas brächte)

  18. @Dr.Webbaer
    Mit “daher” meine ich eine Kooperation oder Verflechtung von Staat und Kirche infolge des atheistischen Kommunismus als gemeinsamen Gegner. So haben die Kirchen Privilegien erhalten können oder bekommen, die bis heute wirken, sei es das Monopol des Religionsunterrichts in weltanschaulicher Hinsicht oder der Betrieb von Kindergärten und Sozialeinrichtungen. Damit haben die Kirchen weitgehende Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft. Nachdem jede weltanschauliche Konkurrenz unterbunden oder ausgeschaltet wurde, kann man argumentieren, es gäbe keine Alternativen. Man muss jedoch nicht gegen die Kirchen oder Religionen ankämpfen, sondern die überzeugenderen Ideen aufzeigen oder anbieten, um die Menschen zu gewinnen. Allerdings haben die Kirchen über Jahrhunderte die Kultur in Beschlag genommen, mit Feiertagen, Familienfesten, Ritualen, Kunst, Redewendungen, öffentlichen Darstellungen usw., so dass eine Trennung oder Loslösung nur allmählich möglich ist.

    • @ Herr Anton Reutlinger :

      Mit “daher” meine ich eine Kooperation oder Verflechtung von Staat und Kirche infolge des atheistischen Kommunismus als gemeinsamen Gegner.

      Ischt ein Problem, das aber womöglich wenig mit dem seinerzeit real existierende Sozialismus zu tun hat.
      Im UK ist man bspw. seit Heinrich VIII. derart aufgestellt, dass der König, in konkreten Fall die Queen, die Veranstaltung leitet, in der BRD gibt es etliche Vergünstigungen staatlicherseits, die Eintreibung der Kirchensteuer betreffend und die direkte Zahlung von klerikalem Personal betreffend, andererseits ist man anderswo “trockener”, pflegt die Laizität oder hat die Sache als angemessenerweise privat deklariert.

      Hier könnten sich vielleicht auch diesbezüglich saugende Kräfte zu Wort melden, an der Diskussion teilnehmen, sofern hier verfügbar und diesen Hintergrund meinend, seien Sie klerikal oder religionswissenschafftlich und staatlich vergütet unterwegs, schwierig, sollte sich die Religion staatlicherweise alimentiert festsetzen oder festgesetzt haben, wäre dies ein Problem, gerade auch zukünftig zu erwartende und andersartige Veranstaltung meinend.
      Logisch.

      MFG
      Dr. W (der sich nun bis auf Weiteres auszuklinken hat)

  19. @Michael Blume:

    “Während bislang schon alle Modelle der Planwirtschaft gescheitert sind, erhoffen Sie eine Zukunft, in der darüber hinaus auch das gesamte Familienleben der Menschen zentralen Vorgaben unterworfen wird – was ich für ebenso unmenschlich wie auch unrealistisch halte.”

    Nein, gerade nicht. Ich hatte schon im ersten Beitrag erwähnt, dass ich mir eine liberale Eugenik wünsche; in Abgrenzung zur historischen Eugenik, die ich verurteile. Eltern sollten frei entscheiden können, ob sie eugenische Methoden in Anspruch nehmen wollen. Das widerspricht nicht meiner Erwartung, dass diese Methoden in Zukunft normal sein werden. Impfungen sind ja auch keine Pflicht, und trotzdem lassen die meisten ihre Kinder impfen.

    Es gibt jedenfalls einen großen Konsens über die Wünschbarkeit von Eigenschaften wie Intelligenz, Gesundheit, Antrieb, Glücksfähigkeit etc. Daher vermute ich, dass die zukünftige Entwicklung der Menschheit eine bestimmte Richtung haben wird, ganz ohne zentrale Plankommission.

    Und wie gesagt: Vermutlich wird der zukünftige Mensch nicht am Reißbrett entworfen und “aus dem Stand heraus” erschaffen werden, sondern das Ergebnis vieler kleiner Verbesserungen sein, die sich im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende häufen. Die genetische Verbesserung des Menschen wird selbst eine Art Evolution sein, wenn auch eine, die nicht mehr nach darwinistischen Gesetzen abläuft, sondern von unserem Wunsch nach einem besseren Leben angetrieben wird.

    viele Grüße,
    Thomas Friedrich

    • Lieber Herr Friedrich,

      okay, an dieser Hoffnung ohne staatlichen Zwang habe ich nichts auszusetzen. Ggf. nur zu ergänzen, dass bislang v.a. die (ebenfalls partiell genetisch hereditäre) Religiosität mit höheren Geburtenraten verbunden wird.

      Dürfte ich interessehalber fragen, ob Sie den Transhumanismus auch als Mitglied einer Gemeinschaft propagieren? Und wie viele Kinder Sie denn selbst haben?

      Herzliche Grüße!

  20. “Ich habe ja meiner Erwartung Ausdruck verliehen, dass Enhancement unsere Gesellschaft sogar humaner und gerechter machen wird. Und eine größere Leistungsfähigkeit könnte ja auch dazu führen, dass die Menschen nicht mehr, sondern weniger arbeiten.

    Aber eine Gegenfrage: Finden Sie den heutigen Zustand der Menschheit erhaltenswert? Oder glauben Sie, dass unsere brutale und verquälte Spezies nur durch Sozialreformen einen erträglichen Zustand erreichen wird?”

    Mehr oder weniger arbeiten: noch funktioniert unsere Gesellschaft durch Arbeiten. Weniger arbeiten bedeutet für die meisten auch weniger Geld und weniger soziale Anerkennung, eben weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben, auch wenn eigentlich das Versprechen “Erfolg durch Leistung” deutlich beeinträchtigt ist. Arbeiten wir denn wirklich durch alle die technischen Neuerungen weniger? Ein Teil der Bevölkerung schon, denn der ist arbeitslos, der arbeitende Teil der Bevölkerung hat durch den technischen Fortschritt vor allem eine Arbeitsverdichtung erlebt.

    Ich habe selbstverständlich nichts gegen eine Verbesserung der Lebensumstände, aber Ihre Ansichten oder Erwartungen halte ich für naiv. Die psychischen Grundkonstitutionen des Menschen wird man nicht durch enhancement verbessern können. Wir schleppen unseren Hang zu unschönen Charaktereigenschaften schon seit Jahrtausenden mit uns mit. Das hat womöglich seinen Grund. Warum soll der Mensch charakterlich besser werden, wenn die Leistungsfähigkeit gesteigert wird?
    Gesetze, Institutionen, Sozialreformen sind zweifellos wichtig und richtig, aber eine Verbesserung der Verhältnisse, und sei sie noch so marginal, kann nur durch ein besseres Vorbild der älteren Generation erreicht werden, durch eine Art Verhaltenstraining. Und ob das wirklich klappt, weiß ich auch nicht, es ist jedenfalls sehr, sehr schwierig.

    Ich erinnere mich noch an hoffnungsfrohe Zeitungsschlagzeilen, als der Kommunismus unterging, welche große Hoffnungen gab es auf eine goldene Zukunft ohne Kalten Krieg und Ideologie. Und dann gab es da so ein Buch, “Das Ende der Geschichte”. Wenn ich Rektor dieser Universität gewesen wären, ich hätte diesen “Philosophen” hochkant herausgeworfen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Ende_der_Geschichte

  21. @Michael Blume, @Dr.Webbaer
    Humanismus und Atheismus definieren sich aus Gegensätzen. Gegen das Animalische und gegen das Göttliche stellt der Humanismus das Menschliche mit Sprache, Bildung, Bewusstsein und Vernunft in den Mittelpunkt. Weder der Humanismus noch der Atheismus stellen Forderungen, die über das Natürliche und Selbstverständliche der Menschlichkeit hinausgehen. Das bleibt spezifischen Weltanschauungen vorbehalten, die den Humanismus oder Atheismus für sich vereinnahmen und instrumentalisieren können, z.B. für politische oder gesellschaftliche Zwecke. Es ist deshalb ohne Sinn, umgekehrt an Humanismus und Atheismus Forderungen zu stellen, oder ihnen den Vorwurf zu machen, sie könnten keine Ideale wie Moral, Tugenden oder Kinderreichtum begründen oder sie könnten keinen Lebenssinn bieten. Das sind nicht ihre eigentlichen Inhalte. Man kann den Humanismus jedoch missbrauchen, wenn man damit Verbrechen wie Euthanasie weltanschaulich rechtfertigt, genauso wie man den Theismus für Kreuzzüge oder mörderische Weltanschauungen missbrauchen kann, siehe ISIS. Die Willensfreiheit des Menschen, die so gerne verteidigt wird, wenn sie eigenen Zwecken dient, kann man nicht der Konkurrenz zur Last legen, wenn sie unliebsam oder unbequem wird.

    • @Anton Reutlinger

      Vielen Dank, gegen diese inhaltlichen Selbst-Bestimmungen habe ich selbstverständlich gar nichts einzuwenden. Ich fürchte einfach, wir diskutieren ein wenig aneinander vorbei: Sie argumentieren für die inhaltliche Güte bestimmter Ideenlehren, während ich nüchtern-empirisch erkunde, wie sich diese im Leben der Menschen auswirken.

      So schrieben Sie beispielsweise: Man muss jedoch nicht gegen die Kirchen oder Religionen ankämpfen, sondern die überzeugenderen Ideen aufzeigen oder anbieten, um die Menschen zu gewinnen.

      Hier entnehme ich zum einen eine normative Aussage (“Man muss” im Sinne von “Man sollte”) und zum anderen eine bestimmte, empirisch überprüfbare These (dass “die überzeugenderen Ideen” schließlich “die Menschen gewinnen.”). Die erste Auffassung habe ich nicht zu bewerten und bejahe als freiheitlicher Demokrat ausdrücklich das Recht, für die je eigene Religion oder Weltanschauung einzutreten. Dass sich Ideenlehren aber nicht primär durch ihre argumentative Überzeugungskraft, sondern mittel- und längerfristig insbesondere auch durch ihre demografische Performance verbreiten oder nicht – das ist nun mal ein Ergebnis (auch) meiner empirischen Arbeiten, darauf erlaube ich mir daher hartnäckig hinzuweisen. Zumal es in diesem Blogpost ja auch genau um das Thema verschiedener Konzepte von Familien(politik) ging.

      • Ja, im Frage-Antwort-Spiel schweift man manchmal vom eigentlichen Thema ab. An Ihrer These, dem Zusammenhang von Religion und Kinderreichtum, habe ich allerdings große Zweifel. Empirische Korrelationen, die selbstverständlich möglich und beobachtbar sind, müssen nicht kausal sein.

        Für Kinderreichtum gibt es viele Ursachen. Der andere Punkt ist, dass Ideenlehren nicht vererbbar sind, sondern in jeder Generation neu verifiziert oder durchgesetzt werden müssen. Bei manchen Ideenlehren mag das mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben sein, bei anderen kann die Weitergabe an die nächste Generation sehr labil sein, z.B. auf Grund gravierender politischer,ökonomischer oder gesellschaftlicher Ereignisse. Man denke an den Zusammenbruch des SED-Systems in der DDR. In multiethnischen Gesellschaften kann eine der Ethnien allmählich die Dominanz über die anderen Ethnien gewinnen. Erscheinungen wie ISIS erzwingen neue Konstellationen und Kooperationen von Gesellschaften. Zudem stimmt die praktische Politik oftmals nicht mit der zu Grunde liegenden Ideenlehre überein.

        Mir scheint, dass Sie die Beobachtungen einseitig zugunsten der Religion interpretieren. Korrelationen können sich schnell in Luft auflösen. Tatsache ist doch, dass der Kinderreichtum in den christlichen Industriestaaten drastisch zurückgegangen ist. Sie legen Ihren Thesen eine fragwürdige Vorstellung von Freiheit zu Grunde, indem Sie die Freiheit des Individuums für die Freiheit des Kollektivs (Beispiel Amish) opfern und das Individuum vom Kollektiv abhängig machen. Ironischerweise ist das nichts anderes als Sozialismus oder Kommunismus.

        • @Anton Reutlinger

          Es erstaunt mich immer wieder, wenn Menschen, die sich für wissenschaftlich halten, zugleich über wissenschaftliche Arbeiten (vor-)urteilen, die sie nicht einmal im Ansatz gelesen haben.

          Auch Ihr Vorwurf betreffend der Amish erstaunt mich. Weder bin ich Amish, noch habe ich diese Tradition gegründet. Ich habe sie lediglich als eine besonders kinderreiche Bewegung erforscht und in Artikeln und Buch beschrieben – ebenso wie z.B. auch die haredischen Juden, die Mormonen u.v.m. Falls Sie sich ernsthaft für quasi-“kommunistische” Glaubensgemeinschaften mit Gemeineigentum interessieren, wären übrigens eher Hutterer oder Shaker als Amish zu empfehlen.

          • Mit Erstaunen habe ich gesehen, dass Ihr Kommentar plötzlich in der Übersicht der Kommentare weit oben steht. Ist das als Erinnerung für eine Antwort zu verstehen? Weder habe ich den Amish noch Ihnen bezüglich der Amish einen Vorwurf gemacht, wie käme ich dazu. Ich habe nur geschrieben, dass Sie nach meiner Ansicht eine fragwürdige Vorstellung von Freiheit haben, weil Sie selber die Amish als positives Beispiel für demografischen Erfolg präsentiert hatten. Daraus habe ich meine Schlussfolgerungen gezogen.

          • @Anton Reutlinger

            Wer – wie ich – mehrere Kinder hat, der weiß, dass nun mal ein Widerspruch zwischen Demografie (im Sinne verantwortlicher Elternschaft) und individuellen Freiheiten besteht…

            Offensichtlich richtet(e) sich die Evolution nicht primär nach unseren Wünschen und Ideen, eigentlich eine Unverschämtheit, oder!? 😉

  22. @Michael Blume:

    “okay, an dieser Hoffnung ohne staatlichen Zwang habe ich nichts auszusetzen. Ggf. nur zu ergänzen, dass bislang v.a. die (ebenfalls partiell genetisch hereditäre) Religiosität mit höheren Geburtenraten verbunden wird.”

    Ja, das ist eine Entwicklung, die ich als Atheist mit Sorge zur Kenntnis nehme. Sollte sich außerdem die negative Korrelation von Intelligenz und Fertilität bestätigen, dann könnte die Zukunft erst einmal unerfreulich werden, bevor sie besser wird.

    “Dürfte ich interessehalber fragen, ob Sie den Transhumanismus auch als Mitglied einer Gemeinschaft propagieren? Und wie viele Kinder Sie denn selbst haben?”

    Ich habe (noch) keine Kinder, und bin auch nicht Mitglied in einer transhumanistischen Organisation. Zu meinem Leidwesen wird der Transhumanismus heutzutage meist auf diese Cyborg-Sachen reduziert. Computerchips im Gehirn, KI-Singularität, “Uploading” etc. Dinge, die ich für unrealistisch halte, und die den Transhumanismus in der Wahrnehmung der meisten Menschen als wunderliche Idee von Science Fiction-Fans erscheinen lassen. Daher bin ich auch zurückhaltend mit der Selbstbezeichnung als Transhumanist.

    @Paul Stefan:
    “Mehr oder weniger arbeiten: noch funktioniert unsere Gesellschaft durch Arbeiten. Weniger arbeiten bedeutet für die meisten auch weniger Geld und weniger soziale Anerkennung, eben weil wir in einer Leistungsgesellschaft leben, auch wenn eigentlich das Versprechen “Erfolg durch Leistung” deutlich beeinträchtigt ist. Arbeiten wir denn wirklich durch alle die technischen Neuerungen weniger? ”

    Im Vergleich zu der Welt vor 100 oder 200 Jahren eindeutig. Zwar stagniert diese Entwicklung seit einigen Jahrzehnten, aber die historische Tendenz zu weniger Arbeit ist unverkennbar und würde durch Enhancement einen starken Anschub erhalten. Denn auch heutige Manager, Anwälte, Ingenieure, Softwareentwickler usw. sind ja nicht allesamt Genies.

    “Ich habe selbstverständlich nichts gegen eine Verbesserung der Lebensumstände, aber Ihre Ansichten oder Erwartungen halte ich für naiv. Die psychischen Grundkonstitutionen des Menschen wird man nicht durch enhancement verbessern können. Wir schleppen unseren Hang zu unschönen Charaktereigenschaften schon seit Jahrtausenden mit uns mit.”

    Das ist kein Wunder, schließlich haben wir uns genetisch seit 50.000 Jahren kaum noch verändert.

    “Warum soll der Mensch charakterlich besser werden, wenn die Leistungsfähigkeit gesteigert wird?”

    Wie gesagt: Die Steigerung der sozialen Gerechtigkeit wird ganz von allein erfolgen, sobald hohe Intelligenz von einem knappen Gut zu einem Überschussgut geworden ist. In einer Welt, in der fast jeder jede Arbeit verrichten kann, werden die heutigen Ungleichheiten von selbst verschwinden.

    Darüber hinaus haben auch Eigenschaften wie Empathie eine genetische Grundlage und könnten optimiert werden. “Moral enhancement” ist ein eigenes Thema in der Debatte. Vielleicht sind wir in den Augen unserer Nachkommen nicht mehr als ein Haufen geistig beschränkter Kryptopsychopathen…

    • @Thomas Friedrich

      Eine Frage kommt mir dabei noch auf: Da Sie doch sehen, dass derzeit die empirischen Beobachtungen kaum zu Ihren Modellen passen – woher rührt dann Ihre Überzeugung bzw. Gewissheit, dass es später “besser” werde?

      • Nun, auf lange Sicht gibt es eh keine Alternative zu irgendeiner Form der Eugenik, denn unsere Gene mutieren immer weiter, schädliche Mutationen sind häufiger als nützliche, und eine natürliche Selektion findet kaum noch statt. Langfristig wird sich unser Genpool daher zwangsläufig verschlechtern, und falls die negative Korrelation von Intelligenz und Fertilität real ist, dann wird dieser Prozess sogar noch schneller ablaufen.

        Das muss man sich grundsätzlich klarmachen: Biokonservatismus ist eine hoffnungslose Position. Der Genpool jeder Spezies ist einem ständigen Bombardement schädlicher Mutationen ausgesetzt, die sich nur deshalb nicht häufen und zum Niedergang der Spezies führen, weil die schädlichen Gene zusammen mit ihren bedauernswerten Trägern von der natürlichen Selektion herausgefiltert werden. Da dieser Selektionsprozess heute weitgehend aufgehoben ist – an sich erfreulich und ein Ausdruck von Zivilisation – , wird sich unser Genpool wesentlich schneller verändern als in der Natur. Nur eben nicht zu unserem Vorteil.

        Es könnte also durchaus ein Dysgenik-Schock sein, der in den nächsten Jahrhunderten zu einem radikalen Umdenken führen wird. Vielleicht werden wir sogar noch die Anfänge dieser Entwicklung miterleben.

        Aber vielleicht wird die Entwicklung auch weniger unerfreulich ablaufen. Vielleicht wird sich Enhancement mit der Zeit ganz von selbst einschleichen, und in 100 Jahren wird es normal sein, Kinder durch PID zu zeugen und eine Auswahl nach guten Anlagen für Intelligenz durchzuführen. Religion muss dabei nicht zwangsläufig ein Hindernis sein. Religiöse Menschen tun heutzutage ja auch viele Dinge, die frühere Christen verurteilt hätten.

        • Ihre Aussage “Langfristig wird sich unser Genpool daher zwangsläufig verschlechtern, “ ist möglicherweise zu optimistisch. Nach Ansicht von Stanford’s Crabtree könnte der Durchschnittsmensch heute schon ein emotionaler und intellektueller Krüppel sein verglichen mit unseren Vorfahren. Der scilogs-Artikel
          Werden wir Menschen immer dümmer? fängt so an:
          “Angenommen, ein durchschnittlicher Bürger Athens aus der Zeit 1000 vor Christus erschiene plötzlich unter uns. Ich wette, er oder sie würde zu den klügsten Menschen der Gegenwart gehören: ausgestattet mit einem guten Gedächtnis, einer Fülle von Ideen und einer klaren Sicht auf wichtige Probleme.”

          Crabtree beruft sich dabei auf Studien zu Intelligenzstörungen, deren Ursachen auf dem X-Chromosom zu finden sind. Der einzigartige menschliche Verstand basiert auf vielen verschiedenen Erbanlagen, die stark zu genetischen Mutationen neigen. An der “X-Linked Intellectual Disability” (XLID) sind mehr als 200 Gene beteiligt – mehr als 25 Prozent aller Erbfaktoren auf dem Geschlechtschromosom.

          Offenbar kann bereits eine einzelne Mutation ein XLID-Syndrom auslösen. Daraus schließt Crabtree, das unsere Intelligenz ein zerbrechliches Gut ist, zumal ähnliche Gene auch auf anderen Chromosomen vorkommen – insgesamt sind es 2.000 bis 5.000.

          Nur in einem liegen sie falsch: in Ihrer Fokussierung auf die Intelligenz. Empathie ist mindestens so wichtig und eine Gesellschaft bestehend vorwiegend aus Autisten ist keine menschliche Gesellschaft mehr. Es stimmt zwar, dass Empathie gelernt und erfahren werden kann, aber nur wenn eine grundlegende Anlage dazu besteht.

          • @Thomas Friedrich & Martin Holzherr

            Die Fixierung auf die “natürliche Selektion” beim modernen Menschen ist doch eine Fernwirkung des malthusianischen Irrtums – der annahm, dass sich Menschen ohnehin exponentiell vermehren würden und es also auf das differentielle Sterben (vor der Fortpflanzung) ankomme. Von dort ist es bis zum Sozialdarwinismus nicht mehr weit.

            Tatsache ist aber doch, dass immer mehr Menschen “von sich aus” auf Fortpflanzung verzichten und so statt der “natürlichen Selektion” eine Art Selbst-selektion greift, für die v.a. die Mischung aus Wünschen, Ideen und Werten eine Rolle spielt. So verbietet ja niemand z.B. Nichtreligiösen das Kinderhaben, sie entscheiden sich nur sehr viel seltener als z.B. Mormonen dafür.

            Einen zweiten Einwand brachte der Mitentdecker der Evolutionstheorie, Alfred Russel Wallace, bereits 1893 (!) – die “sexuelle Selektion”. Für Fortpflanzung und Aufziehen von Kindern brauchen Menschen Partner bzw. Partnerinnen. Und Wallace wies zu Recht darauf hin, dass steigende Bildung, Wohlstand und Freiheiten dazu führen würden, dass gerade auch Frauen ihre Partner zunehmend selbst auswählten und dabei nicht nur körperlichen, sondern zunehmend auch nach charakterlichen Vorzügen wie Freundlichkeit, Fleiß, Humor und Intelligenz schauen würden.
            http://people.wku.edu/charles.smith/wallace/S736.htm

            Insofern kann m.E. keine Rede davon sein, dass die Menschheit “degenerieren” würde – sie schlägt nur ggf. Richtungen ein, die alte patriarchal-sozialdarwinistische Fortschrittserzählungen verunsichern und widerlegen. Für wirklich wissenschaftlich interessierte und erkenntnisoffene Menschen sollte das doch eher Ansporn als Problem sein.

          • Doch. Ein genetische Verschlechterung ist beim modernen Menschen zu erwarten, denn der Lebenserfolg ist nicht mehr mit dem Fortpflanzungserfolg gekoppelt.
            Gerade ihr Beispiel von der Bevorzugung von Charmeuren; Witzeerzählern und Frauenverstehern durch Frauen wirkt sich heute weit weniger aus also vor 10’000 Jahren, denn: Schon vor 10’000 Jahren zählte bei Menschen Charme, Überzeugungskraft, Witz und geplantes Vorgehen etwas und vielleicht sogar mehr als die “körperlichen Vorzüge”. Schon damals kam es vor, dass gute Jäger und Kraftprotze in den Kampf oder zur Jagd zogen während daheimgebliebene Charmeure heimlich ihre Frauen schwängerten. Damals war ein solches Verhalten noch mit mehr Nachwuchs verbunden, womit Rafinesse ein evolutionärer Vorteil war, der sich auch in mehr Kindern niederschlug. Die heutigen Frauenversteher zeugen dagegen nicht mehr Kinder als ihre rohen Kollegen.

            Durch die “genetische Degeneration” besteht tatsächlich die Gefahr dass die Menschen immer weniger in der Lage sein werden die heutige Zivilisation aufrechtzuerhalten. Für mich ist es deshalb wahrscheinlich, dass genetische Auswahl und genetische “Verbesserung” in Zukunft etwas Normales werden könnten. Allerdings sehe ich schon, dass das Problematisch ist. Es ist problematisch egal ob der Staat oder der Einzelne bestimmt welche Eigenschaften Kinder haben sollen. Im Grunde war es besser das in unserer Vergangenheit Zufall und Selektion durch die Umgebung bestimmten wie sich die Art Homo verändert, als dass wir es bewusst selber tun.
            In meinen Augen hat bewusstes Planen nicht nur Vorteile, es bringt auch Probleme mit sich, gerade auch ethische.

          • @Martin Holzherr

            Meines Erachtens schmeißen Sie da Kategorien wild durcheinander, wenn Sie schreiben: Ein genetische Verschlechterung ist beim modernen Menschen zu erwarten, denn der Lebenserfolg ist nicht mehr mit dem Fortpflanzungserfolg gekoppelt.

            Offensichtlich definieren Sie “Lebenserfolg” in den Kategorien von Geld, Karriere o.ä. – und sind dann empört, dass sich in der Evolution Ihr gefühltes Konzept offensichtlich nicht durchsetzt. Und was soll denn eine “genetische Verschlechterung” sein – woher nehmen Sie hier Ihre normativen Kriterien für gut oder schlecht? Auch für steile Thesen wie “genetische Degeneration” oder “Die heutigen Frauenversteher zeugen dagegen nicht mehr Kinder als ihre rohen Kollegen.” hätte ich doch gerne zunächst empirische Belege gesehen, bevor ich sie glauben würde! Wir sind doch hier nicht bei #Pegida, wo jede(r) seine gefühlten Ressentiments zur Weltverdammung erheben kann. Dass die Menschheit und Gesellschaft vor dem Absturz stünde, verkünden v.a. alternde Untergangspropheten mit dem Gestus höheren Wissens seit Jahrtausenden. Doch belastbare, empirische Belege dafür gab und gibt es nicht – in Deutschland studieren z.B. höhere Anteile der jüngeren Generationen denn je und auch die durchschnittliche Pro-Kopf-Produktivität & Lebenserwartung erreichen immer neue Rekorde.

          • @Michael Blume: Lebenserfolg mit wirtschaftlichem Erfolg gleichsetzen ist sicher falsch. Grosse Schriftsteller, Architektinnen oder Künster haben Lebenserfolg, nicht immer jedoch wirtschaftlichen Erfolg und meistens sehr wenige Kinder – wenn überhaupt. Zaha Hadid beispielsweise ist eine der grössten Architektinnen unserer Zeit. Man liest über sie: “She has never married nor had children. “If [architecture] doesn’t kill you, then you’re no good,” she explained to Glancey.”
            Kurzum: Jede Art von Erfolg resultiert in der modernen Gesellschaft in weniger Kindern.
            Nun zu: Und was soll denn eine “genetische Verschlechterung” sein
            Im Dazu gibt Stanfords Crabtree folgendes Beispiel: “Offenbar kann bereits eine einzelne Mutation ein XLID-Syndrom auslösen. Daraus schließt Crabtree, das unsere Intelligenz ein zerbrechliches Gut ist”
            Ausbildung und Kultur sind in der mittleren Frist sicher wichtiger als die durchschnittliche Intelligenz oder Kreativität beispielsweise in der deutschen Bevölkerung. Die Anhäufung von ungünstigen Genen oder Gendefekten wirkt sich erst über mehrere Generationen aus. Deshalb sind alle eugenischen Ideen, die kurzfristig den Genpool verbessern wollen zum Misserfolg verurteilt und haben oft einen ideologischen, völkischen Hintergrund.
            Trotzdem behaupte ich, dass über kurz oder lang “genetische Verbesserung” oder Auswahl immer häufiger angewandt wird. Und zwar über die Reproduktionsmedizin, die heute schon vielen zu Kindern verhilft, die nicht unbedingt alle Gene von den Eltern haben, die die Reproduktionsmedizin in Anspruch nehmen. Letztlich kann sich unter den heutigen ethischen Voraussetzungen nur etwas durchsetzen, was positiv konnotiert ist. Medizin, die Eltern zu gesunden Kindern verhilft ist positiv konnotiert – mindestens bei denen, die sie Anspruch nehmen. Doch einen Einfluss auf den Genpool werden solche Bemühungen wohl erst in vielen Jahrzehnten haben – und vielleicht auch nie, weil es schwierig ist Prognosen zu machen. Vor allem wenn es die Zukunft betrifft.

          • @Martin Holzherr

            Nochmal: “Lebenserfolg” ist kein objektiv bestimmbarer Begriff wie “Fortpflanzungserfolg”, sondern ein subjektiver Begriff wie “Hobby”. Wer eine große & glückliche Familie als Teil seines “Lebenserfolges” versteht, wird selbstverständlich auch durchschnittlich mehr Kinder haben! (Beispiele dafür sind z.B. Amish oder Haredim, die weniger Wert auf Geld oder Titel legen, aber große Familien als ein Zeichen göttlichen Segens auffassens.)

            Und just heute postete eine Freundin auf Facebook folgendes Zitat von Sheryl Sandberg:
            “When looking for a life partner, my advice to women is date all of them: the bad boys, the cool boys, the commitment-phobic boys, the crazy boys. But do not marry them. The things that make the bad boys sexy do not make them good husbands. When it comes time to settle down, find someone who wants an equal partner. Someone who thinks women should be smart, opinionated and ambitious. Someone who values fairness and expects or, even better, wants to do his share in the home. These men exist and, trust me, over time, nothing is sexier.”
            https://www.goodreads.com/quotes/772391-when-looking-for-a-life-partner-my-advice-to-women

            Wenn das mal kein selective enhancement ist! 🙂

          • @Michael Blume: Sherryl Sandberg hat 2 Kinder ist damit aber die absolute Ausnahme für Frauen in ihrer Position und mit ihrer Bedeutung in der Öffentlichkeit.
            Viele Frauen in guter Position, die sich eine gleichwertige Partnerschaft wünschen gehen leer aus und umgekehrt suchen Männer in guter Position nur selten ebenso starke Frauen.

            Ich behaupte: In (ferner) Zukunft werden viele erfolgreiche Frauen Kinder haben ohne verheirtatet zu sein. Weil sie keine andere Möglichkeit sehen. Oft mit Unterstützung der Reproduktionsmedizin.

            Bei religiösen Gemeinschaften ist das anders, da haben sie recht.
            Religiöse Gemeinschaften haben aber oft andere gesellschaftliche Vorstellungen. Es könnte tatsächlich gut sein, dass die Religiösen erfolgreicher sind was die Fortpflanzung angeht. Das wird aber auch die Gesellschaft ändern. Nach meiner Ansicht nicht unbedingt zum Guten.

          • @Martin Holzherr

            Och, unsere aktuelle Verteidigungsministerin hat sogar noch ein paar Kinder mehr als Sandberg…

            Und ja – wie der durchschnittlich deutlich höhere Fortpflanzungserfolg zu bewerten ist, ist tatsächlich “Ansichtssache” – wie jede normative Bewertung von Sachverhalten, einschließlich des Kinderbekommens selbst. Dass sich die Gesellschaft “ändert”, auch die Evolution des Menschen also nicht still steht – das aber ist empirisch feststellbar.

          • Die hier diskutierte Eugenik als Vergabe und Entzug von Lebensrechten aufgrund von Rasse-/Genmermalen durch den Staat ist auf alle Zeiten desavouiert.
            Eugenik erscheint heute aber im neuen Kontext der Fortpflanzungsmedizin, welche Eingriffe in die Gene vornehmen kann um die Gesundheit der mit ihren Mitteln gezeugten Kindern zu gewährleisten. Darauf geht der NewScientist-Artikel Crossing the germ line – facing genetics’ great taboo ein. Der Artikel weist zuerst darauf hin, dass jeder Mensch ein Mutant, ein genetisch manipuliertes Wesen ist, denn jeder Mensch besitzt etwa 50 neue Mutationen. Nur ist der Genmanipulator hier der Zufall und nicht ein “Doktor”.

            No ethics committee in the world would approve such a dangerous practice. But hey, it’s OK because the scientist in this case is nature. And nature is good, right?

            In Zukunft, mit gewachsenen Möglichkeiten, werden wohl mehr und mehr Gendefekte, zunehmend auch subtile behoben werden. Menschen werden wohl sogar ihre Gene berändern lassen, damit sie weniger schnell altern oder länger leben. Im grossen Ganzen wird sich das positiv auswirken, weil mehr Menschen gesünder sein werden – auch geistig gesünder.
            Eine bewusste genetische Beeinflussung der Genkomposition von Kindern bedeutet aber auch, dass der Mensch mehr kontrolliert als er ohnehin schon tut. Und das bringt seine eigenen Probleme mit sich. So enthusiastisch wie der Autor des New Scientist-Artikels wäre ich jedenfalls nicht. Dieser schreibt am Schluss:

            it is time to challenge the idea that our genomes are somehow special and inviolable. We can do better than mindless evolution. And for the sake of our children, we should do so as soon as we safely can.

          • Das sehe ich auch so – das Thema Eugenik hat sich m.E. zu Recht erledigt. Gerade auch aus liberaler Perspektive konstituiert es eine gefährliche “Anmaßung von Wissen”, die jeden Staat und jede Gesellschaft ins Unglück stürzen würde. Gebt den Menschen die Freiheit, sich ihre Partnerschaften und Familienmodelle selbst zu wählen – das ist der Auswahl genug…

  23. Huch, da ist ja mein Tweet im Blog! Gerade erst entdeckt. Und ich hoffe, ich bin nicht der einzige, der den “hiesigen Inhaltegeber” (wie Webbaer so schön sagt) auch mal lobt (; .

    Zum Thema “Geburtenrate in USA/GB” kann ich keine Daten beisteuern, aber eine persönliche Anekdote: Das erste meiner zwei Kinder wurde in England geboren, das zweite hier in Deutschland, insofern habe ich da einen direkten Vergleich.

    Und ja, es ist mir schon aufgefallen, dass die Menschen in GB lockerer an das Kinderkriegen rangehen als hier bei uns – obwohl die soziale Absicherung viel schlechter ist als in Deutschland. Elterngeld ist unbekannt, Mutterschaftsurlaub sehr viel kürzer, Kindergeld deutlich niedriger, Krippenplätze nicht staatlich gefördert, etc. etc. . Ich habe dort schwangere Kolleginnen gehabt, die am Tag vor der Geburt noch in der Arbeit waren, weil sie dann hinterher länger daheim bleiben können.

    Aber man ist dort eben insgesamt größere Flexibilität gewohnt, nicht immer muss alles auf Jahre hinaus geplant werden. Und das hat vielleicht schon auch mit Liberalität und De-Regulierung zu tun. Improvisieren und die Dinge erst mal auf sich zukommen lassen, flexibel bleiben – den typischen Deutschen macht das wahnsinnig, aber für werdende Eltern sind das ganz wichtige Fähigkeiten, finde ich.

    Soweit mein völlig unwissenschftlicher Eindruck …

  24. Baby slump puts Italy at risk of ‘dying’ beschäftigt sich auch – wie Michael Blume das oft tut – mit den Gründen für die niedrigen Geburtenraten – und zwar speziell in Italien. Italien ist ein Spezialfall, weil es 1) früher ein religiös geprägtes katholisches Land war 2) die Familie in Italien immer noch wichtig ist und es wenig Partnerschaften auf Zeit wie in D gibt. Hier ein paar Meinungen zum Problem:

    Why the low fertility? Some sociologists point to a macho society that makes it hard for women to both work and bear children. Many choose the former. Others point to a suffocating closeness of Italian families that means people in their 20s, especially men, failing to fly the nest. Gianpiero Dalla-Zuanna of the University of Padua says, “In Italy, people love children too much. The paradox is that too much family leads to too few children.

    Noch schrumpft die Bevölkerung Italiens nicht und das liegt an den Immigranten

    he only reason Italy’s population is not already falling is the arrival of migrants. The country had a net inflow of more than 200,000 people last year. Most migrants are young: they keep up numbers, counter the country’s ageing population, and bolster fertility. Without them, Italy’s fertility rate would be only 1.29, according to Istat.

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