Von Papst-Prophezeiungen und Leistungsschutzrechten

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Die Nachricht vom Rücktritt des Papstes erreichte mich in einem Beduinendorf in der Negev-Wüste Israels – urplötzlich fand ich mich von Christen, Muslimen und Juden umringt, die fragten, ob denn ein Papst überhaupt zurück treten “könne”. Ja, das sei möglich und einer habe das schon getan, verwies ich auf Coelestin (den ich jedoch irrtümlich ins 11. Jahrhundert verlegte, es war das 13.). Und am nächsten Tag zierte das Porträt des Papstes alle großen hebräischen und arabischen Zeitungen des Landes; der Papst bekleidet eben kein Amt, das nur katholische Christen bewegen würde…

Doch von wegen “das konnte keiner ahnen” – es gab tatsächlich einen Vatikan-Experten, der den Rücktritt schon vor einem Jahr hatte kommen sehen! Andreas Englisch, dessen Biografie zu Johannes Paul II. mich vor einigen Jahren sehr beeindruckt hatte, hatte am 16. April 2012 zum 85. Geburtstag von Benedikt XVI. auf n-tv erklärt:

Ich glaube, dass es noch ein ganz großes Ereignis geben wird. Und das wird ein Ereignis sein, das die Kirche meiner Ansicht nach noch mehrere Jahrtausende beschäftigen wird. Ich glaube, dass dieser Papst als zweiter Papst in der Geschichte zurücktreten wird.


Mosaik von Papst Benedikt XVI. – dem zweiten Papst der Kirchengeschichte, der zu Lebzeiten abdankte.
Bild: Martin Hoffmann

Respekt, Kollege Englisch – das war eine absolut steile Prognose, die sich dann auch noch eindrucksvoll bestätigt hat!

Womit wir bei einer zweiten, doch eher unangenehmen Überraschung wären: Dem völlig verunglückten Leistungsschutzrecht, das derzeit noch im bundesdeutschen Gesetzgebungsverfahren diskutiert wird. Da frage ich mich z.B. im Hinblick auf das oben genannte Englisch-Zitat:

Dürfte ich unter dem neuen Leistungsschutzrecht den obigen ntv-Interviewschnipsel noch bloggen?

Die Netzpolitiker vom cnetz, denen ich mich als Christdemokrat verbunden fühle, schreiben zwar:

cnetz-Sprecher Peter Tauber begrüßt, dass die wichtigste Forderung des cnetz eingearbeitet wurde: Blogger und andere private Nutzer fallen nicht unter ein Leistungsschutzrecht.

Und doch würde ich mir wünschen, dass dieses sinnlose Gesetzesvorhaben noch insgesamt beerdigt wird. Dazu nochmal, meinerseits zustimmend, das cnetz:

Obwohl das cnetz die zahlreichen Änderungen begrüßt, bleibt es bei seiner grundsätzlich kritischen Haltung: “Wir halten diesen Entwurf für einen Hemmschuh für das Internet in Deutschland und die damit verbundenen Innovationspotentiale.” Das Gesetz kann unter Umständen die Informationsfreiheit im Internet einschränken und läuft den Nutzerinteressen damit zuwider. Die Mitglieder des cnetz kritisieren zudem, dass das Gesetz einen zu großen Spielraum für Interpretationen lässt: “Der Kabinettsbeschluss wirft neue Fragen auf und kann erhebliche Rechtsunsicherheiten zur Folge haben, die es in jedem Fall zu verhindern gilt.”

Ob in Kirchen oder in der Politik: Manchmal ist ein Verzicht die weiseste und also beste Entscheidung!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

26 Kommentare

  1. Als der papst damals gewähöt war, verwickelte mich jemand in ein Gespräch darüber. Irgendwie habe ich damals das Papstamt als nicht erringenswert gehalten – dass eben weil ich damals aus der durchaus berechtigten Erfahrung herraus das Problem sah, dass der Papst aus diesen Amt eigendlich nicht lebend herrauskommt. Ein Papst stirbt entweder irgendwann an Alterschwäche oder wird nachhaltig (also konspirativ vorsätzlich) aus dem Amt gemordet.

    Tja, so kann man sich plötzlich irren. Oder eben feststellen, dass man sich geirrt hat.
    Ein Papstrücktritt ist eben ein derart ungewöhnliches Geschehen, dass man es gar nicht als mögliche Realität wahrnimmt.

  2. Entscheidungen

    Manchmal ist ein Verzicht die weiseste und also beste Entscheidung!

    Viel wird i.p. Weisheit und Gutheit davon abhängen, ob der Benedikt der XVI. tatsächlich nicht mehr in der Lage war sein Amt auszuführen.

    Sollte der Ex-Papst, wie sich der Schreiber dieser Zeilen ein wenig distanziert, aber auch sachlich korrekt distanziert, ausdrückt, noch zählebig sein und die Nachwelt mit anspruchsvollen theologischen Texten beeindrucken, hätte er nur nachgewiesen, dass dieses Amt zu einem Amt wie jedes andere geworden ist.

    U.a. mit der Folge, dass zukünftige Päpste noch kräftiger “gewulfft” werden. [1]

    MFG
    Dr. W

    [1] ‘Pass mal auf, wir haben 13 Leute an der Front, die versuchen, dem Papst Verwicklungen in den Missbrauchsskandal nachzuweisen.’ [Matussek]

  3. Aus gewissen unsichtbaren Begebenheiten ist es durchaus Sinnvoll, nicht am Amt/ an der Macht zu kleben und zurück zu treten.

    Um diese mit dem Amt verbundene Macht zu haben/ausüben zu können, bedarf es immer die Unterstützung der Gruppe (unbestimmt, zumindest im Nahbereich der Institution). Andernfalls trotz Amt gar keine Macht verfügbar ist (in modernen Zeiten).

    Betreffend dem Missbrauchsskandal ist es irreführend, hier einer Person Schuld zuzuweisen. Es handelt sich hier um ein Strategishces (und somit strukturelles) Problem. Vorgefallene (sexuelle/die Intimssphäre betreffende) Misshandlungen haben nicht das Ziel, sich selbst zu befriedigen, sondern sollen dem Zielobjekt chaden, damit sich eine entsprechende psychische Disposition ergibt, die dem Zielobjekt das spätere Leben determiniert, etwa eine Unterbindung der souveränität und Bewusstsein über die eigene Person, was zu erheblichen Behinderungen der späteren Persönlichkeitsentfaltung führt – und somit zu einer gewissen gesellschaftlichen Unfähigkeit.
    Das durch diese Misshandlung erzwungene Trauma ist also eine Konditionierungsmethode zur Zivilisierung und keine Aktion zur “Aufgeilung” und Befriedigung des Täters.
    Es wird dadurch eine entsprechende Schamgrenze zu konditionieren, die die Entwicklung des Triebhaften behindert.
    Dazu bestehen einige besondere Beweggründe. Zum Beispiel: Je später man sich auf Sexualität einlässt und also Bewusstsein darüber erlangt, desto besser ist ein Individuum anderweitig zu bilden/konditionieren – und vor allem zu kontrollieren.

    Aufgrund der Verletzung der Intimssphäre in der Kindheit durch fremde Menschen wird ein Schamgefühl erst erzeugt.

    Es ist anzunehmen, dass diese Missbrauchfälle also keine Sexualverbrechen waren (im Sinne der Befriedigung der Täter) sondern diese als Methode systematisch angewendet wurde – was bedeutet, dass noch viel mehr Menschen davon betroffen sind, als uns über die Medien bekannt wurde.

    Interessanterweise gibt es einen ähnlichen Mechanismus durch die muslimische Beschneidung um das 8. Lebensjahr, die einem also nicht nur als Erinnerung einer Verletzung der Intimssphäre erhalten bleibt, sondern auch noch für immer Sichtbar dieses Ereignis in Erinnerung ruft.
    Bei den Juden ist es etwas anders, wenn schon der Säuglingbeschnitten wird – ist der Bruch im Bewusstsein des Individuums sozusagen viel weiter weg und weniger mit der eigenen Persönlichkeit verknüpft, als wenn man davon als 8. jähriger bewusst etwas mitbekommt.

    Durch diese psychische Belastung ist sicher abzusehen, dass es zu einer anderen neuronalen Entwicklung kommt, die es dem jeweiligen Umfeld einfacher macht, das Individuum zu Konditionieren (Bildung, Erziehung, Steuerung, …usw.)

    Kernfunktion ist, dem Individuum deutlich zu machen, dass es jederzeit vomUmfeld gedemütigt und unterworfen werden kann und diese Gefahr sich immer durch das traumatische Erlebnis bewusst machen kann (wobei hier ein Bewusstsein für diese Systematik nicht bestehen wird, sondern eine unbewusste Beschränkung das Bewusstsein des Individuums determiniert – Schamgrenze eben, die sich das individuelle Bewusstsein später nicht erklären kann).

  4. @Chris

    “Aus gewissen unsichtbaren Begebenheiten ist es durchaus Sinnvoll, nicht am Amt/ an der Macht zu kleben und zurück zu treten.”

    Im Grunde ist das Papsttum kein Amt, sondern eine gottgebene Bürde OHNE Macht – der Rücktritt ist in jedem Fall ein Zeichen von systemrationaler Glaubens- und Bewußtseinsschwäche.

    Das Gewissen des Papstes hätte sich gegen die “unsichtbaren Begebenheiten” DEUTLICH / erleuchtend positionieren müssen, wenn er den Sinn der Gottesbotschaft voll und ganz erfüllen wollte / könnte, aber da ist eben auch nicht mehr als konsum- und profitautistisches “Individualbewußtsein” und die anderen Symptomatiken des geistigen Stillstandes seit der “Vertreibung aus dem Paradies”!!!

  5. Horst zitiert “unsichtbaren Begebenheiten” …!

    Ob er wohl in Kenntnis über die von mir intendierten ist?

    Faktisch weil er diese unsichtbaren Begebenheiten nicht mehr auf seiner Seite hat, kann er auch nicht DEUTLICH gegen irgendwas Stellung nehmen – weil ihn auch keiner mehr anhört.

    Die Gottesbotschaft könnte unter Umständen gar nicht mehr für ihn Bestimmt sein – oder sei ja gerade die Botschaft, er solle das Amt aufgeben.

    Und ist der Horst sicher, dass ein/dieses vom Menschen bekleidetes Amt auf Erden tatsächlich göttlicher gegeben sei, als andere? Egal, wer hier so spricht, übersieht eindeutig, dass alles in der Kultur auf Erden von Menschen geschaffen sei. Das Papstamt/tum ist da keine Ausnahme. Man möge zwar mutmaßen, dass hier bestimmte göttliche Begebenheiten wirksamer seien – aber die sind wie überall nur im Zweifel vorhanden und nur unter bestimmten Bedingungen existent und wohlgesinnt.

    Das hat mutmaßlich hauptsächlich mit der jeweils (über)nächsten Generation zu tun – die sich eigendlich eher unbedarft an die Welt gebunden empfindet, aber viel mehr Macht und Einfluss hat, als der Papst selbst und die Kirche allgemein.
    Papst und Kirche sind Institutionen, die Macht zu empfangen (und versammeln) versuchen aber nicht von selbst mitbringen (zumindest die modernen versionen davon sind derart bedingt).
    Das ist nichtviel anders, als moderne Demokratien, wo die Amtsmacht nur deswegen besteht, weil sie diese von der breiten Masse erhält (und aber leider über platte Wahlversprechen erheuchelt). Diese Systematik hat sich zu Beginn der industriellen Revolution und deren Umstrukturierungen der Gesellschaft ergeben.
    Bedeutet auch, dass die eigendlich mächtigen überwiegend unsichtbar sind – es also der Papst nicht sein kann, sondern nur der institutionelle Strohmann (abwertend ausgedrückt). Die Macht erhält er durch die Aufmerksamkeit in der dazu nützlichen positiven Art. Geht diese verloren, folgt die opositionelle Aufmerksamkeit, die die bestehenden Strukturen untergräbt und Handlungsunfähig macht. Das Resultat wird uns gerade deutlich.

  6. Bisher steht n-tv.de noch nicht auf der black list zum LSR. Und ich finde es gut, wenn Religionswissenschaftler hier Stellung beziehen! (Um so mehr, wenn es gelingt mit einem religionswissenschaftlichen Bezug ;-)).

    Zumal sich gerade auch die Wissenschaft gegen so etwas stellen sollte. Nicht nur wegen Open Access, aber auch das ist wichtig. Es kann doch nicht sein, dass z.B. Blogger sich unsicher werden, ob sie etwas überhaupt zitieren dürfen. Oder wie lange sie zitieren dürfen. Oder dass sie nur zitieren dürfen, wenn das Ergebnis “wissenschaftlich” oder “journalistisch” ist (vielleicht darf es auch “künstlerisch” sein). Und das wiederum sollen dann auch noch Abmahnanwälte definieren (und sei es nur das Wiederherstellen von Rechtsklarheit). Verkehrte Welt!

  7. @Chris

    “… aber die sind wie überall nur im Zweifel vorhanden und nur unter bestimmten Bedingungen existent und wohlgesinnt.”

    Der Zweifel, das ist wohl das systemrationalste / konfusionierenste aller blöd-, stumpf- und wahnsinnigen Symptomatiken im geistigen Stillstand von gebildeter Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche (Staat und Kirche) 🙂 und “göttliche Begebenheiten” sind auch unter diesen “bestimmten Bedingungen” immer nur irr-relevant / menschenUNwürdig sinnentleert, denn wenn man die Bibel in EINDEUTIGER Auslegung erfasst und den Verstand SO dann in wirklich-wahrhaftiger Vernunftbegabung nutzt, dann gilt seit Jesus: “Gott ist tot”, hoch lebe die Schöpfung, das Zentralbewußtsein und die kosmische / universelle Ordnung mit “göttlicher Sicherung”, die Mensch endlich mit geistig-heilendem Selbst- und Massenbewußtsein überwinden sollte 😉 – mit Mensch ist, seit der “Vertreibung aus dem Paradies”, NATÜRLICH ALLE gemeint, denn das “Individualbewußtsein” (teils LOGISCH brutal-egoisierend) ist zynische und somit systemrational-spaltende Illusion!

  8. @ horst

    Haha, das ist natürlich anachronistisch. Gott ist seit Jesus tot. Aber mit Jesus fing das ganze christliche Religionssystem erst an.

    Das ist Symptomatisch: Die Aussage ist immer invertiert zu verstehen – egal, in welchem Kontext.

    Fragt sich aber, worin der Unterschied zwischen Gott und Jesus steckt? Gerüchteweise gibt es da unterschiedliche Interpretationen. (Er sei (wie) Gott, sein Sohn, sein Botschafter, …usw.). Die Diferenz zwischen defus und konkret…ist auf jeden Fall hinein zuinterpretieren.

    Ist Jesus etwa die quasi-moderne Wunschillusion des greifbaren und berechenbaren Gottes in einer irdischen Person? (oder gar eine mögliche/oder existierende Realität?)

    Die “eindeutige” Auslegung der Bibelinhalte werden wohl die meisten heute nicht in der Lage sein zu erschliessen (zu deuten). Dem Horst aber scheint hier diese “Kunst” zu gelingen.

    Wie meint Nietzsche das eigendlich, als er sagte: Gott ist tot! Sei diese Aussage ebenso Individualistisch zu interpretieren, oder in der Szenerie zu Zeiten Jesus? Julian Jaynes beschrieb den verlust der Zweikammer-Psyche in die Zeit der Anfänge der antiken Ägypter (etwa 3000 vor chr.) – würde (in “eindeutiger” Auslegung) bedeuten, dass Gott schon mit der ägyptischen Hochzivilisation gestorben sei.

    Ich bin sicher, dass man hier nicht eindeutig zeitlich wie individuel abgrenzen kann. Mindestens seit der “Erfindung” des Individuums (und des dadurch erst möglichen Egoismusses) sind hier besonders vielseitige Einflüsse im göttlich gegebenen zu unterstellen. Und auch die Vernunft hat hier viel beitrag zur Veränderung dieser Beziehung zwischen den Göttern und der Zivilisation gehabt. Weswegen ich an stelle weniger uneingeschränkt lobend hervorhebe.

    Er beginnt mit der Demontage von Zweifel und endet mit der verurteilung von “Individualbewusstsein”. Dabei braucht man nur eines zu verhindern/zerstören und das andere ergibt sich dann von selbst – sei also sich bedingend in der gleichen Sphäre enthalten. Verstandesleistung aber sind beide Sphären.

    Ansonten ist Individualität eine kulturtechnik und Übungssache wobei die Abgrenzung zu den Bezugspersonen des Übenden (Kindes) zu den Eltern strukturel leichtfällt, weil hier im “Zweifel” unterstützend manipuliert wurde. Mutmaßlich ist dabei auch die Technik der Emphatie aus dieser Übung sichtbar geworden, weil das Gefühl plötzlich ausgeflockte, als die Verallgemeinerung ein System wurde. Das zeigt auch an, dass Individualität erfunden werden musste, weil man Unterschiede gesellschaftlich rechtfertigen und Normalisieren musste.

  9. @ chris

    “Wie meint Nietzsche das eigendlich, als er sagte: Gott ist tot!”

    Das ist bei Nietzsche vielschichtig -wie alles bei ihm. Es bedeutet zum einen, daß eine “Bildsäule” gestorben ist -also ein Götze. Zum anderen, daß ein Berufen auf Gott seit der Aufklärung nicht mehr möglich ist, nicht nur in der Wissenschaft, sondern vor allem (und darum ging es ja Nietzsche im besonderen) in der Wertevermittlung. “‘Tot sind alle Götter: nun wollen wir, daß der Übermensch lebe'” Und dieser “Übermensch” muß nun sich selbst erfinden und gestalten, was schmerzlich ist und ihn immer wieder zum Grab Gottes zurückführt. So ist der Mensch für Nietzsche
    “ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch, – ein Seil über einem Abgrunde. Ein gefährliches Hinüber, ein gefährliches Auf-dem-Wege, ein gefährliches Zurückblicken, ein gefährliches Schaudern und Stehenbleiben.”

  10. @ Hilsebein

    Naja, die Bedeutungen zum einen und zum Anderen sind natürlich bekannt und geläufig (populär). Si esind aber auch die naive und subjektive Version ganz in der Tradition der Aufklärung. Schwammiger aber kann man das nicht beschreiben – das ist genau wie mit der Esoterik.
    Denn faktisch hat die “Aufklärung” den Menschen über sich selbst nicht aufgeklärt, sondern nur einen modernen Verhaltenskodex der zwischenmenschlichen Beziehungen konstruiert – nicht schlecht, aber von “Aufklärung” weit entfernt.
    Jeder der interessierten sollte deswegen viel konsequenter eine organische Ursache (im Gehirn) als das Sterben Gottes erkennen, als das ideologische (und naive) Konstrukt der Aufklärung und der Entreligiösisierung.
    Die Vision vom Tier, Mensch und Übermensch ist eine weitere Sphäre der verwirrungen. Schon oft suggeriert könnte es zwar tatsächlich mit dem “Übermenschen” die Gottlosigkeit darstellen, aber weiter ist hier leider auch nur viel “vielschichtges” zu vernehmen.
    Angesichts dieser vielen Unklarheiten ist auchein “freier” Wille ausgeschlossen – denn wie solle der ich bilden, wenn ausreichend verlässliche Informationen gar nicht verfügbar sind? Es ist die Freiheit hier absurd, weil man sichzwischen reinen Ideologien auswählt, aber nicht an Tatsachen orientieren kann. Der einzig logische (freie) Wille dürfte hier nur sein, sich völlig gegen alles zu entscheiden (in dem Sinne, dass es bleibt, wie es ist und nichts neues eingeführt wird). Das entspricht aber nicht der Intention eines freien Willens, der immer im Kontext einer fortschrittlichen Entscheidung erkannt wird, anstatt in der Entscheidung für das Verharren im Sein, wie es ist.
    Resultierend daraus ergibt sich die notwendigkeit anzunemen, dass der Übermensch eine von Extern erzwungene Erscheinung/erzwungener Zustand sei, welcher vom Individuum niemals wirklich so erwünscht gewesen sein kann. Aus dieser Perspektive ist der Begriff “Übermensch” eine Art Euphemismus für etwas, dass dritte erzwingen, weil sie Gründe dazu haben. Die bisher unklare Festlegung was denn Tier sei und was Mensch (und was nun der Übermensch sei) und eben die darin liegenden Interpretationen sind reichlich vielschichtig ästhetischen illisionen und feigen Anmassungen entsprungen – deren Realität leider nicht ausgesprochen wird. Man muß also jede Interpretation dieser vielschichtigen Erklärungen noch einmal (zurück)interpretieren.

    Das Nieztsche hier einen Fortschritt erkannte und den auch noch persönlich unterstützte und wünschte, kann man aus seinen Schrifften wohl nicht entnehmen – frühestens aus den späten/letzten. Aber da war er ja auch schon … nicht mehr er selbst (vielleicht ein Übermensch?). An Nietzsche kann man übrigens gut erkennen, das man persönlich distanziert im “majestatis pluralis” das imaginär erwünschte aussprechen kann. “Nun wollen wir, dass der Übermensch lebe”… ist hier wohl das beste Beispiel. Der Mann der das schrieb, war nicht mehr er selbst, sondern verallgemeinert im Plural existent – das sagt uns mindestens: Nicht Gott ist (zwangsläufig) tot, sondern Nietzsche war zu der Zeit schon tot (oder im letzten Atemzug vor vollendeter Assimilierung). Interessant auch die mögliche These: wenn das Individuum stirbt, wird Gott gebohren. Vorher war das Individuum Jesusähnlich. Diese “Assimilierung” als der zeitpunkt der vollendet bestehenden “Gottfunktion” – mit allen Vor- und Nachteilen für das Individuum. Für Nietzsche wohl der Zeitpunkt des Beginns der Auflösung seiner Identitätswahrnehmung und der Bewahrung und Förderung seiner Indentität.

    “Bildsäule”… !? Gott ist eine Vision, die wir uns mangels populärer Erkenntnis der Einfachheit halber vorstellen dürfen (können). Die Funktion von Gott ist damit nicht detailiert beschrieben. Beim Jesus ist das etwas präziser geleistet worden.
    Wann übrigens geschieht die Parusie endlich (wieder)?

  11. @ chris

    “Sie sind aber auch die naive und subjektive Version ganz in der Tradition der Aufklärung. Schwammiger aber kann man das nicht beschreiben – das ist genau wie mit der Esoterik.”

    Es steht Ihnen natürlich frei, es besser zu machen. Sie wissen ja: sapere aude!

    “Wann übrigens geschieht die Parusie endlich (wieder)?”

    Wenn sie nicht in Ihrem Inneren geschieht, so geschieht sie niemals.

  12. @ hilsebein

    Nein, nichts steht (mir) frei. Ist das zu subjektiv beschrieben, dann die Klammern weglassen.

    Und das man sich gerade auf mich verlässt, ist ja was ganz neues.
    Kann man aber auch anders Interpretieren: Jeder hat das Potenzial zum Jesus.

    Tja, wo man dann wieder bei der Hoffnung ist.

    Angesichts der hochtechnologisierten Moderne ist es doch nicht ganz abwegig, wenn man diesen Jesus vielleicht unterstützend “konstruiert”?

    Mir sind da ein Paar merkwürdige Indizien ins Bewusstsein gekommen.

  13. @ chris

    “Und das man sich gerade auf mich verlässt, ist ja was ganz neues.”

    Oh, da haben Sie mich falsch verstanden. Ich wollte sagen, daß Sie es nur für sich selbst leisten können -eben keinem Guru anhängen und selber keiner werden!

    “Kann man aber auch anders Interpretieren: Jeder hat das Potenzial zum Jesus.”

    Solange er nicht auf einem Esel nach Jerusalem einreitet, soll es mir recht sein.

    “Angesichts der hochtechnologisierten Moderne ist es doch nicht ganz abwegig, wenn man diesen Jesus vielleicht unterstützend “konstruiert”?
    Mir sind da ein Paar merkwürdige Indizien ins Bewusstsein gekommen.”

    Wenn Ihnen dieser Jesus in Ihrem Inneren in irgendeiner für Sie bestimmten Weise eine Stütze ist, so bin ich der Letzte, der Ihnen das auszureden versuchen würde.

  14. Nachtrag @ chris

    Unter uns gesprochen: ich hatte nie ein Problem mit meinem Gott -über unser beider Himmel ist nie eine Wolke gegangen. Er war für mich wie ein Vater, der mir zu sagen schien: “du bist jetzt alt genug, ich werde für dich von nun an wie ein Freund sein -dein Herr aber bin ich nicht! ‘Wenn du in deinem Leben nur zwei Spuren siehst, so habe ich dich nicht verlassen, sondern dich getragen. Aber bedenke, daß meine Gedanken nicht die deinen sind.'”

    Das ist natürlich keine Wissenschaft, kein Wissen, sondern ein Glaube, der mit innerem Vertrauen übersetzt ist!

  15. @chris

    Denn faktisch hat die “Aufklärung” den Menschen über sich selbst nicht aufgeklärt, sondern nur einen modernen Verhaltenskodex der zwischenmenschlichen Beziehungen konstruiert – nicht schlecht, aber von “Aufklärung” weit entfernt.

    Das steht hier so frisch vom Sofa, mag auch für die Menge oder Masse gelten, der Schreiber dieser Zeilen bevorzugt den Begriff der Menge, nichtsdestotrotz hat die Aufklärung die Systembildung angeleitet und die Möglichkeit sich über sich selbst als Mensch oder Bär im Klaren zu werden, dabei auch das konstruktive Element bei der Wissensbildung wie Selbstfindung herausgestellt.

    Sowas ist ja nur möglich, wenn die Systeme nicht prohibitiv wirken.

    Den Menschen ‘selbst aufzuklären’ [1] obliegt weiterhin dem dunklen Bruder Aufklärung, der sich auf den französischen Zweig berufen kann und gerne auch totalitaristisch wird.

    MFG
    Dr. W (der dem Papst & dem Katholizismus den bewussten Glaubensentscheid hoch anrechnet, der das Christentum theologiesierbar und potentiell wissenschaftsfähig macht)

    [1] also -vermutlich dem Zitat folgend- das Unweißbare zu wissen bestimmen

  16. @Chris

    “Aber mit Jesus fing das ganze christliche Religionssystem erst an.”

    “Haha”, das war nur eine systemrationale Reform, die LOGISCH eine noch größere Menge an Zwiespalt mit multischizophrener Auslegung des “Christentums” in Suppenkaspermentalität zur Folge hatte, wo ziemlich offensichtlich das herkömmlich-gewohnte Gottessystem weiter die Fäden zieht und …!?

    “Die “eindeutige” Auslegung der Bibelinhalte …”

    Das ist doch eindeutig ein Frage von SOLLEN und WOLLEN, die Mensch aus “Macht der Gewohnheit” in die selbstverschuldete und verblödende Gesetzmäßigkeit seines menschenUNwürdigen Systems der Hierarchie von und zu materialistischer “Absicherung” verpackt – “Du sollst nicht …”, damit du eines Tages im FREIEN WILLEN …, ist eine Ansprache an unsere von “Gott” inspirierte Vernunftbegabung, KEIN Aufruf zum Gehorsam, um es im EBENBILD / Geist der “Gott” ist …!?

    Angst, Gewalt und “Individualbewußtsein”, zeitgeistlich-kreislaufend gepflegt, sind die Grundpfeiler der systemrationalen Dummheit!

  17. @ Hilsebein

    Nochmal Zitat:

    “Wenn sie nicht in Ihrem Inneren geschieht, so geschieht sie niemals.”

    -> Die Parusie ist “eindeutig” ausgelegt, kein innerpersoneller Prozess für Jedermann, sondern eine prophezeit reale und sichtbar existente Person mit entsprechenden Eigenschaften.

    Anzunehmen sei, dass diese “Vision” natürlich für alle Menshcen Geltung hat. Aber die Sichtweise, es sei jedermanns(Fraus) mögliches Schicksal, ist einwenig heuchlerisch und verleugnerisch. Das passt auch nicht in die christlich religiöse Version der Wiedergeburt Jesu.

    Man kann nun erklären, dass diese eindeutige Aulegung (der Bibel etwa) hier nicht derart gedeutet werden kann, sondern… anders.
    Dafür müssten dann aber “eindeutig auslegbare” Visionen und Erklärungen gefunden werden.

    Da sei aber in Literatur und Ontologie nichts zu finden – und die von dir auf Anfrage preisgegebene die erste mit wenig popularität.

  18. @ Webbear

    -> Den Menschen über “sich” selbst” und seine Funktionen und Potenziale und den physiologischen Wechselwirkungen (populärerweise “übernatürliche Phänomene”) aufzuklären.

    Unbestritten hat die “Aufklärung” neue “Systeme” in die Welt gebracht. Wissensbildung und Selbstfindung ist schon eine viel ältere Kulturtechnik (Antikes Griechenland – Erfindung des Individuums, Wissenschaften in Urformen usw…).

    Und selbstredent wirken (die) Systeme präventiv verhindernd und unterbindent. Man muß nur die richtige Fragestellung denken.

    Das mit dem französischen Zweig und “dunklem Bruder” ist mir nicht geläufig. hat wohl mit der damaligen Praxis der Revolutionen und deren Auswüchse zu tun.
    Der schreiber dieser Zeilen (also ich…) erkennt nicht viel Unterschied in der Strategie – nur in der Methode der Umsetzung, die hierzulande unfassbar heuchlerisch und verleugnerisch und verschwiegen vonstatten geht. Es wird nur oberflächlich besser, wenn man nicht weiß, was einem Geschieht. Und das wissen die meisten Menschen nicht, aber sind dennoch dankbar für ihrer eigene Unterwerfung und Beschädigung. Die “Systeme” stehen danach auch noch ritterlich und Wohlwollend mit symptomatischer Hilfestellung in Form von Linderung der Schäden bereit (das Heucheln). Hier gilt auch die Phrase vom wollen und tun nach shakespeare (in der version: gutes wollen und böses tun. In der unterstellenden Abwandlung: gute vorgeben, böses vorhaben. Ist eben nur eine perspektivische Angelegenheit, wie man es ssieht. Wie bei der Fragestellung der prohibitiven Wirkung von Systemen).

  19. @ Horst

    “Angst, Gewalt und “Individualbewußtsein”, zeitgeistlich-kreislaufend gepflegt, sind die Grundpfeiler der systemrationalen Dummheit!”

    -> Soweit Zutimmung. Wobei die “Gewalt” hier eine Schlüsselposition einnimmt, woraufhin Angst folgt. Ich bezweifle aber dringend, dass heute noch einer die Gewalt erkennen kann, die uns zuteil wird und Angst macht. Die gegenwärtigen Gesetze und Systeme erfassen die moderne Subtilität der Gewalt gar nicht mehr. Und was man nicht sehen, geschweige denn beweisen kann, kann man auch nicht beklagen – also existiert es nicht. Also ist die Gegenwart die beste aller Zeiten. Wer wolle (könnte) dann noch argumentieren? Niemand mehr. Dummheit ist das darüber stehende Resultat, weil wesendliche Bedingnungen des Lebens nicht wahrnehmnbar, aber nachhaltig existent sind.

    Zitat:

    “”Haha”, das war nur eine systemrationale Reform, die LOGISCH eine noch größere Menge an Zwiespalt mit multischizophrener Auslegung …”

    -> Komplexität ist ja potenziell Bedingung von Intelligenz. Also in diesem Sinne: Mehr Lügen in dieser Welt erzeugen mehr Intelligenz im Individuum.
    Es sei mutmaßlich so, dass eine Tatsache nur eine Verion an wahrheit hervorrufen kann. Dass man nun diese wenigen Tatsachen durch Lügen in viele Visionen zerteilt, ist nur eine logische Schlußfolgerung und aus demokratischer Sicht gar notwendig, damit jeder was denken und leben kann (ganz im Sinne der göttlich eingegebenen Vernunftsbgeabung und dessen funktionale Ursachen) Denn wenn es nur eine Realität gibt, dann sei sie zu besonderen Teilen besser nicht populär, sondern im Sinne aller nur einer “Elite” bekannt und zur Nutzung verfügbar. Der Rest möge doch bitte seine eigene Vision vom Leben und Geschehen haben (dürfen – nur nicht die Effektivste), die aber leicht erschliessbar nur Idiotie und Irrwege sind. Aber … deswegen gibt es ja Meinungsfreiheit und auch sonst immer viel Rede von Freiheiten, denen man dann in Hoffnung hinterleben kann. Denn nur in der Hoffnung liegt ja die Erfüllung (was auch neurologisch nachgewiesen ist – die endogene Drogendusche durch die Vorfreude – die nur noch der Orgamus übertrifft. Oder eben illegale Drogen).

  20. @Chris

    Die Schlüsselposition ist die leicht manipulierbare Angst, aus der alle SYMPTOMATISCHE / bewußtseinsbetäubende Gewalt in konfusionierender Überproduktion von KOMMUNIKATIONSMÜLL erwächst!!!

    “Denn nur in der Hoffnung liegt ja die Erfüllung”

    – da habe ich ein treffendes Zitat: “Hoffnung treibt das Schiff der Narren.” 😉

  21. Horst schireb:

    “Hoffnung treibt das Schiff der Narren.”

    -> Je nach Perspektive ist jeder Mensch ein Narr. Da kann man stehen, wo man will; irgend einer erkennt den Narren noch immer.

  22. @Chris

    Da hast du recht, denn Mensch “allein”, als systemrationales “Individualbewußtsein”, ist ein übler “Witz”, an der sich nur die dümmsten Narren erfreuen können.

  23. @ Horst

    “Individualbewußtsein, KOMMUNIKATIONSMÜLL, Suppenkaspermentalität, Sündenbocksuche”

    Was immer Sie nehmen, nehmen Sie bitte weniger davon.

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