Schana Tova – Ein Rabbiner und zwei Bücher zum lebendigen Judentum

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

In diesen Tagen wird RoschHaSchana, das jüdische Neujahr gefeiert – dem die deutsche Sprache unter anderem den “Guten Rutsch” verdankt. Und gerade erst letztes Wochenende war ich wieder zu einem Schabbaton, einem Wochenende mit jüdischen Engagierten und Rabbinern, geladen, um dort über das Thema Evolution & Religion zu sprechen. Von der aktiven Vorsitzenden Irina Katz im Freiburger Gemeindezentrum begrüßt, trug ich vor, nahm an den Gottesdiensten in der Synagoge teil und diskutierte mit dem badischen Landesrabbiner Moshe Flomenmann, dem Gemeinderabbiner Avraham Radbill sowie den teilnehmenden, etwa 30 jungen Frauen und Männern. Neben aller Freude und Neugier spürte ich jedoch durchaus auch Besorgnis über die Schärfe der Beschneidungsdebatte und zunehmend aggressiven Antisemitismus – und manche bange Frage, ob das Judentum in Deutschland denn noch Zukunft habe. (Und wer die Nachrichten dieser Woche verfolgt hat, konnte sehen, dass auch im Konflikt um den Anti-Mohammed-Film gezielt antisemitische Topoi auftauchten: Der “christliche” Macher dieses Films gab sich zunächst als israelisch-amerikanischer Jude aus, der für sein Projekt “Spenden von 100 Juden” gesammelt habe. Diese Aussagen stellten sich später als Lügen heraus, sollten aber offenbar gezielt Hass, Wut und Gewalt zwischen Muslimen und Juden, Ägypten und Israel säen.)

Rabbiner Avraham Yitzchak Radbil

Schon zum zweiten Mal konnten Rabbiner Radbil und ich die Gelegenheit eines Schabbatons nutzen, um uns intensiver auszutauschen. Daher stelle ich ihn hier gerne einmal vor: Avraham ist nicht nur einer der derzeit jüngsten Rabbiner Deutschlands, sondern auch einer der ersten beiden orthodoxen Rabbiner die wieder im Nachkriegsdeutschland ordiniert wurden. Und neben der Begeisterung für die Wissenschaften verbindet uns auch das Engagement für den Dialog der Religionen – hier ein Video zu seiner Teilnahme am Münchner Friedensfest der Religionen.

Rabbiner Radbil bloggt zwar (noch Wink ) nicht, aber auch er schreibt regelmäßig – und zwar lesenswerte Kolumnen in der Jüdischen Allgemeinen. Daraus ist ein Buch neuer, deutsch-jüdischer Gelehrsamkeit geworden: “Die moderne Welt durch die Brille der Tora” – das in lebendiger Auslegung ganz und gar nicht “Alte Testament”. Thematisiert werden so unterschiedliche Facetten wie der Schabbat, die Rolle der Frau im orthodoxen Judentum, die Todesstrafe in der Tora oder auch innerjüdische Vorstellungen zu Fragen der Wiedergeburt (!): Das Ganze in verständlicher Sprache, unverstellt jüdisch und voller anregender Überraschungen.

Mein zweiter Buchtip bezieht sich auf ein Kindle-EBook: “Der Eseltausch oder die Juden von der Baarburg” von Bettina Buske und Claudia Sperlich. Entstanden aus den Berliner Märchentagen 2009 verbindet dieses sorgfältig recherchierte und aufbereitete Büchlein historische Begebenheiten aus der mittelalterlichen Schweiz und einer Pilgerfahrt nach Israel mit den Erzählungen klassischer Märchen. Gerade auf einem EBook-Reader kann man sich dem Charme, der Freude und auch der Trauer dieser Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, Historie und Fantasie, Legende und Realität nicht entziehen. Wunderschön!

Wahrscheinlich wird es immer Menschen geben, die an einigen oder allen religiösen Traditionen nur die dunklen Seiten sehen, nur “Kritik üben”, aber selbst nichts aufbauen wollen. Aber es wird eben auch weiterhin die Menschen geben, die Vielfalt als Chance begreifen, die nicht in einer einförmigen Massenkonsumgesellschaft leben, sondern über den Tag hinaus fragen und wachsen wollen. Diesen dürften beide Bücher viel Freude bereiten – und welchen besseren Vorsatz könnte es für ein neues Jahr geben, als mehr zu lesen. Tongue out

Also wünsche ich auf diesem Wege allen jüdischen Leserinnen und Leser Schana Tova! (Ein gesegnetes RoschHaSchana) und allen Menschen, die noch neugierig sind, einen traumhaften Spätsommer!

  • Veröffentlicht in: Bibel
Avatar-Foto

Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

5 Kommentare

  1. Guten Rutsch

    Das glaube ich aber nicht das wir das dem Judentum zu verdanken haben. Die Europäer leben seit 10,000 Jahren hier und sitzen im Sprachbaum bei weitem höher als angenommen. Es ist wohl eher so das die Juden das von den Indoarier verdanken die es ihrerseits aus Europa mitbrachten, oder das sie es schlichtweg direkt via jiddisch übernahmen.

    Eine Zukunft hat das Judentum schon, wenn es sich nicht permanent als Opfer hinstellt, für das es die Deutschen kollektiv und für alle Ewigkeit in Sippenhaft nehmen will U-boot Geschenke einfordert um sie mit Atomwaffen auszurüsten und ihre Nachbarländer damit zu bedrohen.
    Überhaupt lügen sie immer noch und behaupten das sie keine Atomwaffen-Nation sind, obwohl jeder weiss das das eine faustdicke Lüge ist.
    Und sie hatten auch kein Königreich 1000 v. Chr, denn davon gibts weit und breit keine Spur. Kein Gott hat ihnen Kanaan geschenkt. Sie haben Millionen von Palestinenser aus ihrer Jahrhunderte alten Heimat vertrieben und finden das “gerecht”. Bevor sie andere über Vielfalt belehren sollten sie die Vielfalt und Toleranz erstmal in Israel umsetzen.

    Ist es nicht eines der Gebote – du sollst nicht lügen?
    Es wäre doch an der Zeit mal die Gebote umzusetzen, dann klappts auch mit guter Nachbarschaft.
    Wer andere plündert macht sich keine Freunde und wer unliebsames zensiert, hat kein Recht Meinungsfreiheit einzufordern.

  2. @anonymouse

    Ja, der “Gute Rutsch” kam über das Jiddische in unseren Sprachschatz, das ja wiederum ein deutsch-jüdischer (aschkenasischer) Dialekt ist. Auch unser Hochdeutsch entwickelte sich ja maßgeblich an der Lutherbibel, die wiederum aus hebräischen und griechischen Urtexten geschöpft wurde. Sprachen, Kulturen und Religionen durchdringen und befruchten sich immer wieder gegenseitig.

    Sie scheinen irrtümlich davon auszugehen, dass es sich bei Juden grundsätzlich um Nichtdeutsche bzw. Israelis handelt. Das ist aber falsch: Das Judentum ist ebenso wie das Christentum, der Islam, der Hinduismus etc. eine Religionszugehörigkeit und so gibt es deutsche, englische, amerikanische und eben auch israelische Juden, Christen, Muslime etc. (Und, klar, gibt es religiös besondere Beziehungen. Aber auch nicht jeder Katholik wird zum Italiener, obwohl glaubende Katholiken zu Rom & dem Vatikanstaat oft eine besondere Bindung haben und im “Ultramontanstreit” beschuldigt wurden, keine loyalen Deutschen zu sein.)

    Wussten Sie z.B., dass sich sehr viele deutsche Juden noch im 1. Weltkrieg freiwillig meldeten, um für ihr deutsches Vaterland zu kämpfen? Im Eingangsbereich der jüdischen Gemeinde Stuttgart finden sie deren Denkmal bis heute.

    Auch kann ich nicht bestätigen, dass “die” Juden sich als Opfer definieren oder Besatzung gutheißen würden. Schon unter meinen Freunden jüdischen Glaubens finde ich dazu völlig unterschiedliche Haltungen, die nicht weniger veilfältig sind als jene “der” Christen oder “der” Konfessionslosen.

  3. Judentum @Michael Blume

    Dis Stadt Regensburg hatte schon früh eine jüdische Gemeinde. An diesem Beispiel lässt sich sehr gut veranschaulichen, was Du über das Judentum, als Religionszugehörigkeit, schreibst.
    http://de.wikipedia.org/…/Judentum_in_Regensburg

  4. @ anonymouse

    “Überhaupt lügen sie immer noch und behaupten das sie keine Atomwaffen-Nation sind, obwohl jeder weiss das das eine faustdicke Lüge ist.”

    „Deutsch ist die Sprache derer, die zwar deutsch fühlen, aber nicht Deutsch können.“ (Karl Kraus)

  5. @ano

    @ano

    Also erstmal sagt Israel gar nichts zu Atomwaffen.Somit können sie damit auch nicht drohen-es ist aber eine Abschreckung selbst wenn sie keine hätten und der Feind es glauben würde.

    Selbst die Araber sprechen nicht von Millionen vertriebenen-heute sind es Millionen da sie eine der höchsten Geburtenraten der Welt haben und die Kindersterblichkeit ist im Gaza Streifen niedriger als in der Türkei.

    Zu den Vertreibungen lies doch mal was Araber dazu sagen:
    Der Generalsekretär der Arabischen Liga bemerkte 1951, dass sein Vorgänger Azzam Pasha „den Arabischen Völkern versicherte, dass die Besetzung von Palästinas und Tel Aviv so einfach sei wie ein Spaziergang … und dass die Millionen, welche die Juden für den Landerwerb ausgegeben hätten und in die Entwicklung der Wirtschaft investiert hätten, eine leichte Beute sein würden, denn es würde ein Leichtes sein, die Juden ins Mittelmeer zu werfen.“ /Arutz Sheva_29.02.2004/

    „Unsere Führer sind verantwortlich für die Flucht der Dorfbewohner, weil sie falsche und über­triebene Gerüchte von jüdischen Verbrechen und Greueltaten wie Mord an Frauen und Kindern verbreiteten, um die Araber aufzuhetzen … Die Araber in Palästina wurden so lange in Furcht und Schrecken versetzt, bis sie flohen und ihre Häuser, Hab und Gut dem Feind überließen“ /Jordanische Tageszeitung AL URDUN, 9.4.1953, aus /Fa/

    „seit 1948 fordern wir die Rückkehr der (paläs­tinensischen) Flüchtlinge, obwohl wir es sind, die sie zur Flucht zwangen ..“ /Khaled al-Asm, ehem. syrischer Premierminister, in seinen Memoiren 1973, Haschiwah 4-1993/

    Nach einem Bericht des arabischen Instituts für Palästinensische Studien in Beirut (1969) wurde die Mehrheit der arabischen Flüchtlinge 1948 nicht vertrieben und 68% hätten das Land verlassen ohne einen israelischen Soldaten gesehen zu haben. /Pe S.13/

    Hier noch mehr:
    http://tangsir2569.wordpress.com/…s-land-israel/

Schreibe einen Kommentar