Religion und Demografie in den Medien

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

All die umfassendsten Forschungsergebnisse bringen ja nichts, wenn sie nicht auch aufgegriffen und weiterberichtet werden. Daher hatte ich mich zuletzt über eine Reihe von wissenschaftlichen Zitationen sehr gefreut – darunter gar von Daniel Dennett. Aber auch in anderen Medien waren wieder insbesondere meine Arbeiten zu Religion & Demografie in den letzten Wochen aufgegriffen worden.

So hatte der Redaktionsleiter Steve Ayan von der v.a. aus Hirnforschung & Psychologie berichtenden Zeitschrift Gehirn & Geist um eine Rückschau auf 30 Jahre “Neurotheologie” gebeten. Diese schrieb ich schon deswegen gerne, weil es ja gerade auch Gehirn & Geist gewesen war, die mich vor vielen Jahren auf die Idee für die Doktorarbeit zum Thema gebracht hatten!

Auch das populärwissenschaftlich-spannende P.M.-Magazin hatte meine Arbeiten und Aussagen in seine September-Titelgeschichte “Wie die Wissenschaft nach Gott sucht” eingebunden.

Arik Platzek vom humanistischen (Off- und Online-)Magazin Diesseits hatte bereits im Juni über Religion & Demografie berichtet – in der kommenden Druckausgabe erscheint ein Interview von uns dazu.

Und Anfang August erschien in der Stuttgarter Zeitung ein sehr gut recherchierter Artikel von Heiko Rehmann “Was hat Einfluss auf die Geburtenrate? Seid fruchtbar und mehret euch!”, in dem er gleich mehrere ganz unterschiedliche Expertinnen und Experten zu Wort kommen lässt.

Uns Schwaben wird ja bisweilen nachgesagt, wir würden ungern “Danke” sagen – und es stimmt, wir haben ein Sprichwort: “Ned gschompfe isch globt gnug!”.

Stimmt also, aber wir sind auch freiheitlich genug, uns hin und wieder darüber hinweg zu setzen! Das möchte ich hiermit tun und einfach einmal allen Journalisten sowie Leserinnen und Lesern von Herzen danken, die Wissenschaft nachfragen und vermitteln! Das ist ja leider nicht selbstverständlich – aber es macht Sinn und Freude.

* Diesen Blogpost widme ich dem Blognachbarn Hermann Aichele, der sich nach längerer Blogpause mit einem fulminanten Post zum Wert von Erzählungen erfreulicherweise zurück gemeldet hat! Hermann, mit Dir sind die Chronologs einfach reicher! 🙂

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

25 Kommentare

  1. @Thomas

    Nicht ganz. Ich halte den poppig aufgemachten Wissenszeitschriften wie P.M., Welt der Wunder u.ä. zugute, dass sie niedrigschwellig Neugier auf Themen wecken können.

    Heute habe ich als Wissenschaftszeitschriften “Gehirn & Geist”, “Spektrum der Wissenschaft” und “Epoc” im Abo, aber damals unter der Bettdecke (wenn das Licht schon längst hätte ausgeschaltet sein sollen) waren es einfachere Magazine gewesen, die Lust auf Wissen weckten… Wie ich auch Perry Rhodan vor dem guten Goethe las… 😉

    Vgl. hierzu auch:
    https://scilogs.spektrum.de/…schichte-und-geschenkidee

  2. Wissenschaftszeitschrift

    also als ich das letzte Mal eine PM in den Fingern hatte, hatte das nicht viel mit Wissenschaft zu tun… gabs da in den letzten 5 Jahren einen Kurswechsel?

  3. Kurswechsel PM

    Früher, also vor zwei Jahrzehnten und mehr, war PM wissenschaftsnah, solid & populärwissenschaftlich.
    Irgendwann soll aber mal die Esoterik eingeritten sein, der Schreiber dieser Zeilen hat das aber nicht geprüft.

    MFG
    Dr. Webbaer

  4. P.M.

    Ich persönlich mag die P.M. auch nicht mehr und habe sie nie intensiv gelesen – aber ich gebe @Michael Blume vollkommen Recht: Populärwissenschaftliche Zeitungen können die Lust auf mehr und genaueres Wissen wecken! Und selbst wennn darin etwas Esoterik enthalten ist und selbst wenn mancher Leser dort verharrt – die Informationen sind immer noch genauer und wertvoller als in der Bild, obwohl auch die ihre volle Berechtigung hat.

    Sehr treffend finde ich auch die Bemerkung von @Miachal Blume zu Perry Rhodan – das läuft nämlich in der klassischen Schule oft falsch. Dort will man Klassiker pauken, statt erstmal die Lust am Lesen zu wecken. Wenn diese Lust da ist, dann liest und versteht man die Klassiker ganz allein…

  5. Ursachen der Demografie

    Ich freue mich über die Rezeption der Blumschen Forschung – sie regt schließlich zum Nachdenken an und zur Differenzierung. Allerdings sei mir ein Einwand gestattet, den ich schon einmal vorbrachte (zweites Problem hier) – der dort aber aufgrund der aktuelleren und persönlicheren Fragen unterging.

    Der wirklich gute Artikel von Heiko Rehmann wirft die Frage erneut auf, beantwortet sie aber nicht: Warum kann man den Trend zu weniger Kindern zwar umkehren, aber nicht vollständig. Und diese Frage ist aus meiner Sicht für die Interpretation der (empirischen) Religionsforschung sehr wichtig.

    Einen Teil der Antwort liefert Hermann Aichele vom Nachbarblog, wenn er darauf verweist: Religionstexte sind nicht wirkliche, geschehene Geschichten, sondern vielmehr Motivationsgeschichten, die zu richtigem Handeln provozieren sollen. Nämlich wenn man sich mit dieser Vorstellung dem biblischen Gebot nähert: Seid fruchtbar und mehrt euch … (1. Mose 1-28).
    Geht es dann wirklich in einem absoluten Sinne um viele Kinder? Oder geht es nicht nur darum, dem Menschen die gesamte Erde zu erschließen. Denn es geht ja ebendort weiter: … und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
    Könnte es dann nicht sein, dass dieses religiöse Gebot zu gewissen Zeiten sogar weniger Kinder fordert – damit die Erde bestehen bleibt und ein Beherrschen derselben möglich?

    Anders formuliert: Kann es sein, dass mit der Verbesserung unserer ‘Beherrschungsstrategien’ auch immer weniger Kinder nötig und sinnvoll sind? Kann es sein, dass in Gesellschaften mit einer Kindersterblichkeit nahe der Null gut zwei Kinder pro Frau ausreichen? Ja, dass mehr Kinder sogar schädlich sind und in gewissen Zeiten weniger Kinder sogar nützlich?

    Mir scheint das so zu sein, denn unsere Erde kann nicht unendlich viele Menschen tragen. Wenn wir also alle so fruchtbar wären wie in alten Zeiten – dann würden wir bald keine Nahrung und keinen Platz mehr finden. Denn damals starben viele Kinder und viele Erwachsene weit vor dem Durchschnittsalter – während das heute glücklicherweise eher selten der Fall ist. Und kommt nicht noch hinzu, dass wir immer weniger Menschen für unseren Lebensunterhalt brauchen? Dass wir aber auch immer länger ausgebildet werden wollen? Dass wir damit aber auch weniger Kinder brauchen, denn während ein Lehrer viele Kinder zum Ackerbau oder der Jagd fit machen kann, braucht er für unsere heutigen Technologien und unsere heutige Freiheit wenige Schüler.

    Kurz: Müssten wir nicht unseren Willen nach vielen Kindern überdenken?

  6. @Thomas, Webbär & Atiga

    Mir scheint das Niveau der P.M.-Artikel von Thema zu Thema und bei verschiedenen Autorinnen und Autoren sehr unterschiedlich zu sein. Vor einiger Zeit erschien aber auch schon mal ein Artikel zur “Neurotheologie”, der hier online zugänglich ist und den ich recht gelungen fand:
    http://www.pm-magazin.de/…nt-gott-unserem-gehirn

    Ansonsten kann ich @Noit Atiga nur Recht geben: Jedes Medium, das Lust auf (mehr) Wissen macht ist m.E. willkommen. Wir alle haben mal mit purer Neugier angefangen.

    @Noit Atiga

    Den Gedanken kann ich viel abgewinnen, allerdings betreffen sie m.E. eher die metaphysische als die empirische Ebene. Persönlich fände ich eine weltweit ausgewogene Bevölkerungsentwicklung mit guter Förderung aller Kinder auch ziemlich gut – Bevölkerungswachstum könnten wir ja dann wieder anpeilen, wenn wir andere Planeten besiedeln. 😉

    Wenn ich allerdings die evolutionäre Fitness von Religiosität und den demografischen Erfolg religiöser Traditionen erkunde, geht es nicht um meine persönlichen Vorlieben, sondern erst einmal nur um die empirischen Befunde, die darzustellen und zu erklären sind. Dann kann m.E. auch diskutiert und abgewogen werden.

  7. @Michael Blume: Sehr gern

    Ich stimme Ihnen zu – die empirischen Befunde sind erst einmal zu erheben. Mir scheint die obige Überlegung aber nicht erst in der metaphysichen Ebene relevant, sondern (jedenfalls teils) schon bei der Interpretation der empirischen Befunde.

    Allerdings gehe ich dabei von der nach heutigem Forschungsstand nicht ganz unrealistischen metaphysischen Annahme aus, dass wir Menschen (wie auch immer gesteuert) unbewusst oft deutlich richtiger handeln als bewusst. Also dass wir uns zumindest als Gesellschaft eigentlich sehr gut und intuitiv selbst regulieren.

    Und dann stellt sich mir bei der Erklärung die Frage, welche unbewussten Kriterien die bewusste Entscheidung gegen viele Kinder auf gesellschaftlicher Ebene noch erklären könnten. Mir fehlen dazu die empirischen Daten – denn im Hinblick auf meine Hypothese sind mir keine Studien mit den erforderlichen zusätzlichen Details bekannt. Aber ich vermute, dass viele Kinder oft (zumindest statistisch relevant) mit einem mehr auf Gemeinschaft denn auf Wissens- oder Kenntnisakkumulation ausgerichteten Lebensstil einhergehen.

    Das leite ich auch daraus ab, dass (religiöse) Gemeinschaften zwar bei der Kinderbetreuung sehr viel helfen können, aber nur wenig bei der Perfektionierung eines Bildungsniveaus. Pointiert formuliert: Auch die perfekteste Religionsgemeinschaft kann nicht allen Kindern eine Privatschule oder -uni finanzieren. Und damit scheint mir die Kinderzahl auch noch anders als nur über die bessere Gemeinschaft (mit)erklärbar.

    Damit möchte ich aber keinerlei Wertung für den aktuellen Zustand verbinden, sondern mich vielmehr Ihrer These nach ausgewogene[r] Bevölkerungsentwicklung mit guter Förderung aller Kinder anschließen. Wobei ich mit weltweit zumindest nach dem aktuellen Verständnis wieder meine Probleme habe – warum sollte man denn Menschen, die keine Bildung wollen, dieselbe aufdrängen? Wäre es nicht besser, ihnen die Option zu geben – aber sie wählen zu lassen? (Aber das ist jetzt vielleicht schon wieder zu sehr meinen negativen Erfahrungen mit vielen Formen aktueller ‘Entwicklungshilfe’ geschuldet…)

  8. Bevölkerungswachstum

    Das Problem ist ja nicht, ob wir Bevölkerungswachstum bewusst und “rational” abgewogen gut finden oder nicht. Das Problem ist, ob wir diese Entscheidung überhaupt bewusst und “rational” treffen können oder nicht.

    Staatliche Programme zur Förderung oder Drosselung des Bevölkerungswachstums haben fast immer ungeahnte Nebenfolgen und funktionieren oft einfach nicht.
    Selbst die meisten Gruppen, die sich subjektiv für so eine Lebensweise entscheiden, setzen sich nicht dauerhaft durch.

    Man könnte hier direkt auf die Theorie von Herrn v. Hayek, auf den sich Herr Blume ja manchmal bezieht, kommen, dass wir manche gesellschaftliche wichtige Dinge, wie Moral, Religion und Gesetzestradition nicht rein rational steuern können, weil uns der Überblick dafür fehlt…

  9. Danke

    Ja, nach fast 24 Stunden : Danke für den Trackback/Querverweis auf meinen Artikel, obwohl ich die thematische Verknüpfung so nicht durchschaue (und mit der Technik der Trackbacks noch auf Kriegsfuß stehe, müsste ich mal MartinH fragen). Erst recht danke für die Schlussbemerkung mit der Widmung und das damit verknüpfte Lob – echt Michael, „fulminant“…
    Jetzt muss ich bloß aufpassen, dass ich es mir nicht zu schwer mache, wenn ich doch eigentlich leichtere Kost bringen wollte und manche schwergewichtigen Themen umschiffen. Aber leichtfertig muss es ja auch nicht werden. Hoffentlich trotzdem leichter fertig…
    Nun, das ist ja auch eine schwäbische Eigenart: Mit Lob und mit Dank gehen Schwaben vorsichtig um, weil beides sonst sich verhalten könnte wie Geld bei einer Inflation: Ich mische deshalb auch in den eigenen Wein gerne Wasser und zeige offene Fragen – umso ärgerlicher, wenn manche Möchtegern-Aufklärer meinen, Sie müssten mich erst darauf hinweisen. Also, das nehme ich mir dann auch vor, so zu antworten, dass das der eine oder andere als „ausfallend“ empfindet. Wirst gesehen haben, worum es da geht.
    Noch ernsthafter zum Thema: Ich glaube, im Zusammenhang mit den Ausführungen @Noït Atigas über 1. Mose 1,28 „Seid fruchtbar und mehret euch“ müsste ich wohl mal bloggen Hier nur der Hinweis: Es gibt die genau parallele Formulierung für Wassertiere und Vögel in 1,22 – ja und 1,28 wird für alles gelten, was die Erde füllen kann, also auch die Landtiere.
    Und natürlich würde ich seine Formulierung: „Religionstexte sind nicht …“ nicht unterschreiben, sondern sagen: Diese Texte müssen nicht wirkliches Geschehen nacherzählen (und müssen nicht an der naturkundlichen Richtigkeit gemessen werden – tragen ihrerseits dazu auch nichts bei) – sie sind eher an ihrer motivierenden Absicht zu messen. Also keine zu scharfe Alternative. Aber das müsste ja eher bei mir drüben diskutiert werden.
    Deshalb will ich hier leicht fertig werden 😉 – danke! 🙂

  10. @Hermann Aichele: Danke & Entschuldigung

    Sie haben völlig Recht: “Religionstexte müssen nicht wirkliches Geschehen nacherzählen… – sie sind eher an ihrer motivierenden Absicht zu messen.”

    Dort hatte ich trotz Liebe zum Thema dasselbe noch nicht ausreichend verinnerlicht. Doch ich will ja lernen …

    Aber sehen Sie eine Auswirkung auf die obige Frage zur Demographie, oder habe ich nochmal Glück gehabt?

  11. @Noit Atiga & @Wegdenker

    Meine persönliche Haltung findet sich zeimlich genau zwischen Ihren beiden Kommentaren ;-). Sprich: Ich glaube, dass wir einfach noch nicht genügend wissen – und vielleicht auch nicht wissen können. (Ja, @Wegdenker, sehr treffend erkannt – da steckt auch der Hayek drin!)

    So wäre ja ein ausgewogenes Bevölkerungswachstum erreichbar durch

    a) eine recht einheitlich agierende (zwangs?-)”aufgeklärte” Gesellschaft.

    oder

    b) durch eine sehr vielfältige, “mosaikartige” Gesellschaft mit sowohl kinderarmen wie kinderreichen Populationen darin.

    Mir würde b) aus menschenrechtlich-freiheitlichen, aber auch aus erkenntnistheoretisch-evolutionären Gründen sehr viel besser gefallen. Aber sie setzt voraus, dass wir Menschen lernen könnten, in friedlicher Vielfalt und gegenseitigem Respekt zusammen zu leben.

    Diverse fremdenfeindliche Blogkommentare oder Vorgänge wie der heutige Angriff auf einen Rabbiner in Berlin lassen mich jedoch durchaus daran zweifeln, ob wir Menschen dazu (schon? überhaupt?) in der Lage sind…

  12. @Michael Blume: Zwischen ist gut

    … denn für mich passt dort nicht mal das symbolische Blatt Papier. Und ich stimme Ihrem Kommentar fast vollumfänglich zu.

    Nur den Zweifel am Ende, den teile ich nicht: Viele dieser Täter sind nämlich urspüngliche Opfer – ihre ‘Unfähigkeit’ beruht also mehr auf der Gesellschaft als auf DEM Menschen (wobei natürlich die Anpassungsfähigkeit des Menschen mitwirkt). Und Ihr wie Herrn Aicheles Blog sind ein Teil der hilfreichen Kur…

  13. @Noït Atiga – Bibel und Demographie

    Nur nicht zu sehr entschuldigen :-). Nun, dass ich meine Unterscheidung (historisch richtig vs motivierend) nicht in einer scharfen Alternative sehen will, trägt zum Thema hier nichts Besonderes bei. Also kann ich das mit Ihrem „Glück gehabt“ auch nicht messen.
    Gehe ich doch etwas ausführlicher auf den Satz ein: „Seid fruchtbar und mehret euch…”

    Dem Originalsinn nach heißen die beiden Sätze vermutlich „nur“: die jeweils am 5. bzw. 6. Tag geschaffenen Lebewesen werden in ihre jeweilige Lebenswelt entlassen: Geschaffen seid ihr einmalig, die Reproduktion und Ausbreitung ist jetzt eure Aufgabe. Ihr Fische, füllt mal schön das Wasser und ihr Vögel die Luft (1. Mose 1,22) – ihr Menschen (und andere Landtiere) füllt mal schön die Erde (1,28).
    Und das heißt deshalb auch nur, dass die Leute, die solche Geschichten erzählten und aufschrieben und weitergaben, darin einerseits ihre Dankbarkeit ausdrückten: Hurra, uns Menschen gibt es wirklich; und wir sind die „Krone der Schöpfung“, die andern zu beaufsichtigen; und dass sie andererseits auch ihre eigene Verantwortung wahrnehmen sollten: wie ihrerseits die Erde zu füllen ist. Überfüllung wäre übrigens ja verantwortungslos; an das Problem konnte man aber zur Zeit, als diese Geschichten entstanden, kaum denken – wir Heutigen müssen dran denken. Nur – das jetzt außerhalb des unmittelbar verhandelten Themas: Ist ja merkwürdig, wenn gerade die Reichsten und Verschwenderischsten sagen, die Ressourcen könnten nicht für alle reichen. Bei diesen ganzen Themen sollte man wesentlich politischer denken – aus Verantwortung! – vergessen heute viele… – dreifaches 🙁 🙁 🙁
    Das Bewusstsein dieser Dankbarkeit und Verantwortung hieß aber nicht, dass es eine besondere Frömmigkeitsaufgabe wäre, besonders viel zur Vermehrung beizutragen. Ich glaube auch nicht, dass die genannten Sätze als Gottesgebote gedacht waren – aber eben nur zunächst. Sie haben als solche dann ihre Auswirkung bekommen. So ähnlich wie manche das „macht euch die Erde untertan“ für sich imperialistisch auslegten: Wir (christlichen Nationen) sind die Welteroberer und können uns damit auf göttliche Weisung berufen…. (dass dabei andere Menschen untergebuttert wurden, war wohl nur ein Kollateralschaden) – so ähnlich wurde natürlich das „seid fruchtbar und mehret euch“ auch zur direkten göttlichen Weisung speziell an die und für die Frommen erklärt. Gott will, dass wir viele Kinder in die Welt setzen. Ich würde vermuten, dass das zunächst aus anderen religiösen Überlegungen kommt: Reichtum auch an Kindern wurde als Gottes sehr irdischer Segen dargestellt. (Das dürfte nebenbei gesagt, der ursprüngliche Sinn sein von „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlafe“: die Söhne wie Pfeile im Köcher…) – Kinderlosigkeit als Fluch Gottes… Ja, und so wollte man auch gewissermaßen austesten, ob man sich als von Gott gesegnet betrachten darf – ähnlich wie man im Pietismus und Calvinismus durch Sparsamkeit und Fleiß gewissermaßen sich selber den Segen Gottes zu-schreiben konnte/kann. Nun ja, das mit dem Segen Gottes in den Kindern hat in den früheren sozialen Verhältnissen – ohne jegliche Alterssicherung – durchaus seinen oft bitter erfahrenen Sinn. Dies wurde erst aus einer Mischung von protestantischer Verantwortungsethik und Angst vor sozialen Umwälzungen geändert – bei uns durch die Bismarcksche Sozialgesetzgebung: Erst ab da musste man nicht mehr so viele Kinder haben, die das Alter absichern – und musste nicht mehr wegen hoher Kindersterblichkeit Kinder gewissermaßen auf Vorrat haben – „im Falle eins drauf geht“(diese Einstellung hörte ich – Jahrgang 1945 – selbst noch in der Generation vor mir).
    Dazu kommen andere Faktoren: Kinder – alles, was Gott gegeben hat, respektieren und pflegen. Keine die Schöpfung Gottes beeinträchtigenden Eingriffe – was dann natürlich auch dazu führt, dass viele bei Verhütung und Abtreibung bloß noch dogmatisch rechthaberisch sind und die Leiden der Betroffenen (Frauen) nicht zu sehen bereit sind. Aber der Grundgedanke ist schon richtig: Kinder sind Gabe Gottes und keine freie Verfügungsmasse. Auch Behinderte, Schwache… haben ihren eigenen Wert. Das hat sich allerdings in entsprechenden Notzeiten immer wieder relativiert… .
    Auch der besondere Gruppenzusammenhalt – gegenseitige Fürsorge, bis hin zu den „Helfern am Nest“: den Zölibatären bzw. den Nonnen, Diakonissen und den auf Ledigsein programmierten (jüngeren) Frauen in den bürgerlichen Familien – kann dazu führen, dass Kinder in eine Welt hinein wachsen, in der (anders als bei Hänsel und Gretel) so weit für sie gesorgt ist, dass sie wenigstens nicht unmittelbare Angst ums Überleben haben müssen. Ähnliches betont ja Michael Blume immer wieder als besonderes religiöses (bzw. auch besonderes monotheistisches ) Merkmal; und wurde in verschiedensten sozialen Schichten bzw. Bildungsschichten erhoben – hat also, um das mal grimmig festzustellen (nicht gegen einen der hier vertretenen Diskutanten) nix zu tun mit „Dumm fickt gut“. Es kommt auch nicht auf die Reproduktionsfähigkeit an sondern darauf, wer bereit und fähig ist, in die Zukunft von Kindern zu investieren. Und da kann (muss nicht) Religion zur Motivation beitragen.
    So weit – so viel – zu weit ? zu viel? Vielleicht reicht’s, wenn ich so lange Kommentare schreibe, dann nicht mehr zum eigenen Blogpost?
    Gute Nacht!

  14. @Passtschontopic 😉

    Danke für den Hinweis! Und, ja, die religionsgeschichtliche Marburg ist immer einen Weg wert und das Thema erstklassig gewählt. Grüsse nach Marburg, habe die besten Erinnerungen!
    🙂

  15. Demographie

    Zitat: “Mir würde b) aus menschenrechtlich-freiheitlichen, aber auch aus erkenntnistheoretisch-evolutionären Gründen sehr viel besser gefallen. Aber sie setzt voraus, dass wir Menschen lernen könnten, in friedlicher Vielfalt und gegenseitigem Respekt zusammen zu leben.”

    Das zu lernen wäre wohl die Aufgabe des religiösen Milieus.
    Wir haben aktuell doch folgende Situation: wir leben zum ersten Mal in der Geschichte in einem modernen aufgeklärten Staat, die meisten Bewohner sind nicht besonders traditionell-religiös sondern aufgeklärt-individualistisch auch wenn man noch formal Mitglied der Kirche ist.
    Trotzdem können (streng)religiöse Menschen weitgehendst frei ihr Leben leben.
    Und nun droht auf lange Sicht eine Zunahme antimoderner Einstellungen wegen demographischer Faktoren; möglicherweise eines Tages sogar wieder die Dominanz der strengreligösen.

    Das ist für den modern-individualsitischen Menschen natürlich eine absolute Horrorvorstellung. Denn wir brauchen nur in unserer eigenen Geschichte oder in immer noch religiös-traditionell geprägte Länder schauen, um zu sehen, dass die traditionellen Gesellschaften wenig tolerant sind.

    Und so fürchtet sich der modern-individualistische Mensch nicht unbegründet vor der Möglichkeit einer wachsenden konservativen Bevölkerung. Denn warum sollte diesmal alles anders – toleranter – werden?

  16. @Zuza

    Interessante Gedanken, vielen Dank! Wie könnte Ihres Erachtens eine Lösung dieses Dilemmas aussehen? (Das frage ich, weil mich die genannte Fragen ebenfalls beschäftigen.)

  17. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, Sie hätten Lösungsideen. Ich habe keine Ahnung.

    Aus modern-individualistischer Sicht bleibt dann ja eigentlich nichts anderes übrig, als auf das von Ihnen unter a) skizzierte Szenario zu hoffen. (ohne Zwang)
    Allerdings ist das auch kein wirklicher Ausweg aus dem Dilemma, weil aktuell nichts drauf hindeutet, dass sich unsere Gesellschaft in diese Richtung entwickeln könnte.

  18. @Zuza

    Ja, Ideen dazu habe ich schon – aber bislang nur sehr wenige Mit-Denker und Diskussionspartner, die sich mehr als oberflächlich damit befasst haben. Daher wollte ich Sie mit Ihren Gedanken gerne zu Wort kommen lassen – ich bin da wirklich auch noch selbst Lernender.

    Knapp gesagt glaube ich aber, dass wir noch ein ganzes Bündel an Handlungsoptionen haben, die von einer aktiven, modernen Familienpolitik über Dialog und Aufklärung bis zur Stärkung nicht-fundamentalistischer Traditionen reichen.

    In diesen Tagen ist auch ein Interview von mir zum Thema in der humanistischen Zeitschrift “diesseits” mit Arik Platzek erschienen. Der wissenrockt-Herausgeber Arik Platzek hat sich bereits seit einer Weile sehr konzentriert und differenziert mit dem Thema auseinandersetzt. Das macht Mut.

  19. @Michael Blume: Option(en)

    Ihr Interview konnte ich auf diesseits.de leider noch nicht finden, aber hoffentlich erscheint es dann auch dort noch die Tage – mich würde Ihre detaillierte Sicht dazu nämlich sehr interessieren.

    Das umso mehr, als ich derzeit nur einen einzigen Weg sehe, der zwar sehr schön ist und wirklich humanistisch – aber auch sehr anstrengend und den zu gehen wir heute leider noch nicht wirklich bereit sind. Bei der Effektivität von Einzelmaßnahmen habe ich nämlich meine Zweifel, sie scheinen mir zu wenig Überzeugungswert zu haben. Aus meiner Sicht braucht es eine Vision, eine vorführbare Vision, um Fundamentalisten zu überzeugen – so ähnlich wie die marktwirtschaftlichen Erfolge ggü. dem Sozialismus.

    Die Vision wirklicher Bildung ist mir eine solche Vision – siehe etwa Peter Bieri, Wie wäre es, gebildet zu sein?

  20. @Noit Atiga: Interview

    Im aktuellen Diesseits-Heft ist es erschienen und ich bemühe mich, dass es dann auch online gestellt wird. Langsam spricht sich ja auch über ökonomische und soziale Themen (Altersarmut & Co.) herum, dass wir wirklich ein demografisches Problem haben und auch die Kapitalverzinsungen unter die Inflationsraten drücken…

  21. @Michael Blume: Danke

    Dann warte ich sehnsüchtig 😉

    Auf die ökonomischen Probleme habe ich aber eine etwas andere Sicht (siehe dazu die Diskussion unter Höhenflug mit dem himmlischen Schiff), es sind aus richtigverstandener Geld- und Wirtschaftstheorie Scheinprobleme – denn wir erwirtschaften genug, nur gibt es heute zwar nicht mehr den Kirchenzehnten, sondern den Reichendreißigsten. Aber das wäre dann wohl Thema eines eigenen Blogs.

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