Evolution und Erfolg der Kirchentagsbewegungen

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

So, nun war ich auf dem evangelischen Kirchentag in Dresden 2011 und Scilogger Lars Fischer aka Twitter-@Fischblog vermutete sogleich ein wissenschaftliches Motiv:

@BlumeEvolution fährt bestimmt nur zum Kirchentag nach Dresden um nachzugucken, wieso Religiöse mehr Kinder haben.

Wie so oft hatte Lars natürlich Recht – aber sozusagen erst nachträglich. Meine erste Kirchentags-Beteiligung erfolgte 1999 als Bank-Azubi in Stuttgart – ich meldete mich damals zum ehrenamtlichen Dienst in einem Kassenhäuschen. Die Scharen mit farbigen Schals bestückter, glücklicher Menschen aus allen Ländern und Schichten überraschte, faszinierte und gehörte zu den Impulsen, die zum Studium der Religionswissenschaft führte. Aus evolutionärer Sicht sind wir Homo sapiens einfach eine ganz interessante Spezies!

Seit damals habe ich als Gast, Mitwirkender und Referent vor allem im Rahmen des christlich-islamischen Dialoges immer wieder an Kirchentagen teilgenommen – eine Podiumsdiskussion mit meiner Frau und mir wurde sogar in den ehrwürdigen Dokumentationsband "Deutscher Evangelischer Kirchentag Bremen 2009" (S. 293 – 302) aufgenommen…

Aber erst in diesem Jahr in Dresden hatte ich eine Brücke zur auch wissenschaftlichen Betrachtung geschlagen. Denn ein Kirchentag in einer der Städte, in der auch Teile meiner Familie Jahrzehnte unter antitheistischer Diktatur gelebt hatten und Religiosität politisch unterdrückt worden war, schien mir doch besonders interessant zu sein. Wie würde sich das kirchliche Großereignis dort entfalten? 

Und das Staunen ging mit dem Andrang los: Die Vorbereitungen und Zusammenarbeit in einer ebenso vielseitigen wie engagierten Kommission unter Leitung von Silke Lechner hatten Freude gemacht. Aber eigentlich hatte ich erwartet, das nach Jahren intensiver Dialogveranstaltungen das Interesse an diesem Bereich auf Kirchentagen eher wieder abnehmen würde. Doch da hatte ich mich getäuscht: Nahezu alle Veranstaltungen unseres Zentrums Christen und Muslime im Internationalen Kongreßzentrum waren schon vor Beginn überfüllt. Hier der Eingangsbereich des Kongreßzentrums vor den Nachmittagsveranstaltungen. 

 

Der deutsche evangelische Kirchentag (Dekt) in Dresden – Zahlen

118.000 Dauerteilnehmer hatten sich angemeldet – jeder Dritte kam aus Ostdeutschland, 40 Prozent waren jünger als 30 Jahre und rund 60 Prozent waren Frauen. Mehrere zehntausend Menschen nahmen darüber hinaus an einzelnen Tagen und Veranstaltungen – vor allem Musikkonzerten – teil. 6814 internationale Gäste aus insgesamt 85 Nationen waren ebenso angemeldet wie 2361 Referentinnen und Referenten. Den Song zum Kirchentagsmotto "…da wird auch Dein Herz sein" erstellte Bodo Wartke. Hier eine Ton- und Bildimpressionen aus dem #Dekt (so der Twitter-Hashtag).

 

Klassische Vergemeinschaftung: Exklusive Religiosität

Bislang befinden sich ja vor allem die "klassischen" Formen religiöser Vergemeinschaftung im Blick evolutionärer Religionsforschung: Demnach schließen sich über den gemeinsamen Glauben an bestimmte, überempirische Akteure Menschen zu Netzwerken und schließlich Gemeinschaften zusammen, die durch möglichst glaubwürdige Signale – wie Opfer-, Kleidungs-, Speise-, Zeit- und Sexualgebote – einander Vertrauenswürdigkeit signalisieren und gegen Trittbrettfahrer, Anders- und Nichtglaubende abgrenzen (exkludieren = ausschließen). Diese Form von Religiosität entfaltet sich vor allem unter den Bedingungen von Not, Unsicherheit und Armut, in denen "enge" Gemeinschaftlichkeit im Alltag gebraucht und in ihr positive Erfahrungen gemacht werden, oft jedoch auf Kosten massiver Intoleranz gegenüber Abweichlern und Außenstehenden.

Postmateralistische Vergemeinschaftungsformen: Inklusive Religiosität

Auf die – wachsende – Kirchentagsbewegung war dieses evolutionäre Modell jedoch nur teilweise anwenbar: Zwar wird auch hier mit Bezug auf überempirische Akteure Gemeinschaftsgefühl erzeugt und erfahren. Und auch hier entwickelten sich Signale, die Zugehörigkeit und Engagement symbolisieren: Die von abertausenden getragenen und Fair-Trade-gefertigten Kirchentags-Schals – in Dresden grün für Teilnehmerinnen und Teilnehmer, pink für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Die grünen Schals gingen übrigens aus, wurden jedoch hin und her verschenkt – die Helfer-pinken waren dagegen nicht zu erwerben und wurden von den überwiegend jungen Helferinnen und Helfern mit oft besonderem Stolz getragen. Und klar, dass es sich hierbei längst auch um Sammlerstücke handelt, die über Jahre hinweg aufbewahrt werden und oft mit besonderen, oft gemeinsamen Erinnerungen und Erfahrungen bestückt sind.

Scharfe Glaubenstests oder möglichst eintönige Gottesdienste – die sich also nur sehr entschiedene Gläubige antun – sind hier jedoch erkennbar unnötig: Dass sich Menschen die Zeit nehmen, Reise- und Teilnahmegebühren entrichten sowie auch als Referenten bzw. Helfer auf Honorare für stunden- und tageweise Arbeitseinsätze verzichten, reicht als Signal, um hier "dazu zu gehören". Ebenso richten sich die Angebote auch nach den Wünschen der Kirchentagsbesucherinnen und -besucher. Und genau das erklärt auch den Ansturm auf interreligiöse Veranstaltungen: Teilnehmende Juden, Muslime, Anders- und auch Nichtglaubende werden auf evangelischen Kirchentagen nicht (mehr) als bedrohliche "Andere" wahrgenommen, sondern gehören – bei allen auch kontroversen Themen und wenn sie denn wollen – dazu.

Ein muslimischer Freund drückte das in der scherzhaften Aussage aus, dass der Kirchentag längst auch ein Treffpunkt "mit und für Muslime" geworden sei. Und eine muslimische Referentin bat mich um einen grünen Kirchentagsschal – den ich von einer Pfarrerin erhalten hatte, ihr gab – und prompt von einem anderen Gast, der dies beobachtet hatte, Ersatz erhielt. Nicht dogmatische Aussagen und Abgrenzungen zur Gemeinschaftssicherung, sondern die Sehnsucht nach Begegnung, Gemeinschaft, Versöhnung, Frieden, musikalischen, spirituellen und religiösen Erfahrungen prägen also jene Formen inklusiver Religiosität, die sich auf evangelischen Kirchentagen beobachten lassen.

Kritiker wie Matthias Matussek (der als besonders frommer Katholik lieber die Gegenveranstaltung der "religionsfreien Zone" besuchte) spöttelten entsprechend scharfsinnig über die "Sehnsuchtsorgie" und vermerkten (z.B. auf Spiegel online):

Wie auf allen Kirchentagen zuvor geht es auch diesmal in Dresden darum, eine bessere Welt zu erträumen. Nichts dagegen. Man kommt ja sonst zu selten dazu. Also: Wir basteln uns Utopien, in Malkursen für Frauen, in Backe-backe-Kuchen-Veranstaltungen für Klimaretter und Gelegenheitschristen und für die ganz Engagierten Gutwilliges in Foren wie den sogenannten "Zeitenströmungen", wo die ganz heißen Eisen angefasst werden.

[…] Margot Käßmanns Gabe besteht darin, aus den komplizierten politischen Gemengelagen handliches und leicht verdauliches theologisches Mokkagebäck zu formen. Jung und alt und meist weiblich knabbern und juchzen und schmachten sie sich dann ins selig Ungefähre.

Natürlich könnte man hier darüber spekulieren, ob in dieser Kritik des katholischen Buchautors auch ein Quentchen Neid stecken könnte: Erobern die religiös-inklusiven Bücher von Margot Käßmann wie "Sehnsucht nach Leben" doch schon seit Wochen gar auch die Bestsellerlisten des SPIEGEL…

Und die Demografie?

Ach ja, die Eingangsfrage von Lars Fischer steht ja noch im Raum. Ob auch die inklusive Religiosität von (z.B.) Kirchentagsbewegungen religionsdemografisches Potential aufweise?

Nun, ich hatte mich in der Tat gerne bereit erklärt, auch die Veranstaltung "Liebe, Lust und Leidenschaft – Sexualethik im Christentum und im Islam" zu moderieren, bei der besagte Pastorin (und vierfache Mutter) Käßmann, Beraterinnen aus christlichen und islamischen Hilfseinrichtungen und ein bekennend homosexuell verpartneter Pfarrer unter reger Beteiligung des Kirchentags-Publikums debattierten. Wenn es so etwas wie einen "Konsens" dabei gab, dann den, Sexualität als Gottesgabe zu würdigen und gerade deswegen die Menschen in ihren jeweiligen (z.B. auch homosexuellen) Anlagen und Wünschen zu respektieren. Dies bedeute dann aber auch, Verantwortung im Ausleben der Sexualität zu übernehmen und konkret z.B. Zwang, Untreue, Prostitution und Kindesmissbrauch – auch in den eigenen Reihen – zu bekämpfen. Familienplanung wurde eindeutig als Recht der Menschen bejaht und zugleich Ehe- und Kinderleben als gesegnete Lebensformen betrachtet, wo sie freiwillig angestrebt wurden. Meine eindeutig nicht-repräsentative Stichprobe unter allen möglichen Menschen, die ich fragen konnte, ergab eine durchschnittliche Kinderzahl von etwas über zwei bei den Kirchentagsbesuchern… Wink

Und es war auf den Dresdener Plätzen – und auch auf den o.g. Videoclips – zugleich unschwer zu erkennen, wie junge und ältere Paare und ganze Familien den Kirchentag gemeinsam erlebten und Bande zusätzlich festigten, indem sie einander – auch religiöse unterfütterte – Verbindlichkeit signalisierten. Mir erscheint es auch wahrscheinlich, dass sich unter den abertausenden junger Mitwirkender (40 Prozent aller Teilnehmer unter 30 Jahren!) so manche(r) gefunden haben dürfte. Denn wie lautete doch gleich das vielseitige Motto dieses Kirchentages nach Matthäus 6,21? "Wo Dein Schatz ist, da wird auch Dein Herz sein…" Innocent

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

25 Kommentare

  1. Sehnsucht?

    Schön, dass es Dir gefallen hat.

    In Deinem Alter war ich auch auf Gruppenerfahrungen aus und erfreute mich der lebendigen Spiritualität.
    Wenn Du die Sache später (so ab 45 Jahren) wieder etwas nüchterner siehst, wäre es ein nettes wissenschaftliches Thema, weshalb viele Menschen zwischen 30 und 40 Jahren plötzlich etwas Neues anfangen wollen und Selbsterfahrungsgruppen (Meditation, etc.) besuchen.
    Die meisten sogenannten „Jugend-“ und „Psychosekten“ rekrutieren ihre Mitglieder aus diesen Altersklassen.

    Aber bis dahin, viel Spaß beim Ausleben der Phase. (Ich war damals in Indien;-)

  2. @Andreas C.

    Ja, die Lebenslaufforschungen dazu stehen erst am Anfang – und in Indien hätte ich seinerzeit durchaus gerne eine Feldstudie gemacht! 😉

    Bislang war das größte (zivil-)religiöse Ereignis, an dem ich teilnehmen konnte, die Vereidigung von US-Präsident Barack Obama.
    http://www.chronologs.de/…er-eid-des-pr-sidenten

    Dieser vertrat und vertritt ja auch einen recht offenen und toleranten, christlichen Glauben – der in unaufdringlicher Weise ebenfalls auch Thema seiner millionenfach verkauften Bücher ist. Tja, eigentlich hätte ich schon damals die Beobachtungen zur “inklusiven Religiosität” machen können, aber ich war noch nicht soweit – und wohl auch einfach ein bisserl abgelenkt… 😉

  3. Arroganz

    Andreas Cricetus fällt hier auf dem Blog wirklich vor allem durch eines auf: Arroganz. Er ist per se der Überlegene, Anwärter auf eine Professur, der Scharfsinnige und Gereifte gegenüber den noch pubertierenden spirituell Suchenden oder christlich Gläubigen.
    Und das alles geschützt durch Anonymität, die wenig wirkliche Reife oder Zivilcourage verrät. Eine echte Blogkrankheit. Obwohl ich nicht auf Kirchentage gehen würde und mich auch nicht unbedingt für einen Christen halte,
    kann ich doch die Suche dieser vielen Menschen voll tolerieren, ohne mich darüber stellen zu müssen. Da gibt es keine höher- und niedrig entwickelten “Phasen” und der Vergleich mit den “Psychosekten” ist auch zu nassforsch und zu billig. Cricetus gibt sich gerne als einer aus, der über klare Definitionen zu Wahrheiten kommen will, aber in Wirklichkeit ist er vollkommen voreingenommen und argumentiert immer aus einer besserwisserischen “höheren” Position heraus. Er will hier Guru und Lehrmeister sein. Dialoge mit solchen Menschen sind unheimlich anstrengend – eigentlich unmöglich.

  4. @Rüdiger

    Also, mich trifft dieser Ton von Andreas K. nicht mehr, ist ja fast Online-Männer-Standard. Solange es nicht schlimmer wird, sehe ich da kein Problem. Und ob Kirchentage, Psychogruppen oder Indienfahrten: Die Aufgabe von Wissenschaftlern ist das Erkunden und Verstehen von Verhalten, Emotionen, Bedürfnissen, nicht das höhnische Vor-Urteil. Die Guten von uns bleiben ein Leben lang neugierig, die Anderen behaupten, schon alles zu wissen.

  5. Erfolg der Kirchenaustritts- und Queer-Bewegungen

    Wie passen eigentlich die angeblich „wachsende“ Kirchentagsbewegung und die Kirchenaustrittsbewegung zusammen (evangelische Kirche: ca. 150000/Jahr)?

    „Nicht dogmatische Aussagen und Abgrenzungen zur Gemeinschaftssicherung, sondern die Sehnsucht nach Begegnung, Gemeinschaft, Versöhnung, Frieden, musikalischen, spirituellen und religiösen Erfahrungen prägen also jene Formen inklusiver Religiosität, die sich auf evangelischen Kirchentagen beobachten lassen.“

    Und wodurch unterscheidet sich so ein Kirchentag dann eigentlich noch von anderen Events, wie zum Beispiel dem Christopher Street Day?

  6. Kirchentagssong

    Für was brauchen wir Theologie und Kirchenmusik, wenn wir auch son krass geilen Popsong haben können. Voll die Botschaft, ey!

    Jetzt im ernst, Herr Blume. Muss man so etwas verlinken?

  7. @itz

    Offenbar erreichen die Kirchentage einen wachsenden Anteil der immer noch zig Millionen Kirchenmitglieder – wobei auch zunehmend Anders- und Nichtglaubende teilnehmen. Dass es ein weiteres Schrumpfen der großen Kirchen gibt, finde ich nicht wirklich erstaunlich: Mangels Vergemeinschaftungen und Kindern schrumpft unsere Gesellschaft seit 1971 Jahr für Jahr insgesamt. Lassen Sie uns doch Ausschau halten nach dem, was bleibt.

    Und was den Vergleich zum CSD angeht: Kirchentage sind (u.a.) mehrtägig-länger, finden an wechselnden Orten statt, sind vielfältiger und inhaltlicher (von Bibelarbeiten über Diskussionen bis zu Gottesdiensten und Konzerten), größer, internationaler, interkultureller, dialogorientierter und religiöser. Dass auch sie bekennend Homosexuelle einbeziehen scheint mir nicht verwerflich zu sein. Oder sehen Sie das anders?

  8. @Thomas

    Nun, auch deswegen bin ich so gerne Religionswissenschaftler (und nicht Theologe): Mich interessiert, was lebt. Gerade auch dann, wenn es manchem zunächst fremd erscheinen mag. NdG enthüllt gerne auch Schockierendes! Und für manche ist es ja auch sicher ein neuer Gedanke, dass z.B. das “letzte Hemd keine Taschen hat” oder Wohlstand alleine nicht glücklich macht. Theologisch-philosophische Reflektion kann ja ganz einfach beginnen. 🙂

    Und, ja: Sehr gerne würde ich auf NdG (oder auf englisch bei BoR) auch mal ein packendes, “hochtheologisches” Video einbauen. Ggf. entwickelt sich daraus ja auch eine gute Diskussion. Hätten Sie ggf. einen geeigneten Vorschlag?

  9. witz

    allein die aussage

    “Bislang war das größte (zivil-)religiöse Ereignis, an dem ich teilnehmen konnte, die Vereidigung von US-Präsident Barack Obama.”

    offenbart eine der verschrobensten weltsichten, die ich erlebt habe.

    und wenn ich jetzt noch erklären mpüsste, warum, na ja…

    mensch ne herr blume: get your standards straight.

  10. „Kirchentage sind (u.a.) mehrtägig-länger (…)“

    Dem CSD geht ein 4 wöchiges „Pride Festival“ voraus.

    „(…) finden an wechselnden Orten statt (…)“

    Der CSD findet an verschiedenen Orten statt.

    „(…) sind vielfältiger und inhaltlicher (von Bibelarbeiten über Diskussionen bis zu Gottesdiensten und Konzerten)(…)“

    Sie haben das verlinkte Programm des CSD/Pride Festivals nicht gelesen (von Lesungen über Diskussionen bis zu Gottesdiensten und Partys).

    „(…) größer (…)

    CSD: > 500.000 Teilnehmer und Besucher nur in Berlin!

    „(…) internationaler, interkultureller, dialogorientierter (…)“

    Diesjähriges Motto des CSD: Fairplay und Vielfalt

    „(…) und religiöser (…).“

    Sobald wir geklärt haben wie man „religiös“ definiert, gebe ich Ihnen in diesem einen Punkt vielleicht Recht. ;-).

    Aber sicher sehen das die Teilnehmer dieser CSD-Veranstaltung anders….

    Also nochmal: Wodurch unterscheidet sich so ein Kirchentag dann eigentlich noch von anderen Events (Ich hätte auch Sportveranstaltungen*, Musikfestivals, Parteitage, etc. nennen können)?

    „Dass auch sie bekennend Homosexuelle einbeziehen scheint mir nicht verwerflich zu sein. Oder sehen Sie das anders?“

    In meinen „heiligen“ Büchern steht nichts über die Ausgrenzung von bekennend homosexuellen.

  11. Glaube keiner Statistik….

    „Mangels Vergemeinschaftungen und Kindern schrumpft unsere Gesellschaft seit 1971 Jahr für Jahr insgesamt.“

    Mit Verlaub: Unsere Gesellschaft hat seit 1971 um rund 3 Mio. zugelegt, während allein die Evangelische Kirche seit 1971 rund 10 Mio. Mitglieder verloren hat.(BEK & EKD – Nur EKD ca. 7 Mio. weniger Mitglieder)

    Quellen: Statistisches Bundesamt; fowid; Wiki

  12. @itz

    Sie vergleichen Äpfel mit Birnen: Vorbereitungs- und Themenveranstaltungen bei Kirchentagen gibt es schon Monate davor. Und die Teilnahme an einem bunten Umzug ist kaum das Gleiche wie die zehntausendfach mehrtägige (!) Teilnahme an Vortrags- und Gebetsveranstaltungen, Diskussionen etc. Damit will ich den Erfolg von CSDs, Fussballfesten u.a. nicht schmälern, sondern darauf hinweisen, dass verschiedene Festformen sorgsam zu unterscheiden sind. Große Überschneidungen zwischen Kirchentagen und anderen Grossevents sind nicht zu leugnen, sonst würde sich der evolutionär-vergleichende Blick ja kaum lohnen. Beispielsweise finde ich die euphorischen und oft gemeinschaftlich-rituellen Formen bei Fussballspielen sehr interessant – zu denen z.B. aber auch Alkohol- und Gewaltpotentiale gehören, wie sie auf Kirchentagen kaum zu beobachten sind. Auch werden andere Schichten, Geschlechter und Altersgruppen erreicht. Sie müssen zugeben: Da gäbe es gerade im empirischen Vergleich noch viel zu entdecken!

    Zu Ihrer Statistik: Die deutsche Bevölkerung wuchs durch Zuwanderung aus überwiegend religiösen, aber nicht-evangelischen Gesellschaften, lieber @itz. Die autochthone Population implodiert dagegen mit wenigen (v.a. religiösen) Ausnahmen. Unsere Kultur in ihrer jetzigen – zunehmend säkularen – Form ist offenkundig kein endgültiges Zukunftsmodell. Das muss man nicht schlimm finden, aber zur Überheblichkeit besteht m.E. auch kein Anlaß.

  13. Ich würde auch nur wegen der Frauen hingehen.

    Hm, also ich glaube schon, dass auf einem Kirchentag mehr gesoffen wird, als in einem Fußballstadion. Im Stadion meines Vereins gibt es jedenfalls nur alkoholfreies Bier. Fußballrandale hab ich auch noch nie erlebt, kenn ich nur aus dem Fernsehen (Ironie: Dresden hat auch seine Problemfans).

    So aus der Ferne gesehen scheint sich der Kirchentag ja zu einem Happening der Beliebigkeit und des Gutmenschentums zu entwickeln. Das ist sicherlich nett und lustig, warum sollte man da nicht hingehen und seinen Spaß haben? Da tummelt und vermischt und vermanscht sich doch alles, was in unserer Gesellschaft außerparlamentarisch aktiv oder einfach jugendlich rastlos ist. Man ist politisch korrekt gegen Atomkraft, für FairTrade, gegen die Bundeswehr, betet für die Taliban, vermehrt sich auf den Elbwiesen, ist gegen Intoleranz, aber für die Unterdrückung der islamischen Frau (kultureller Werterelativismus), man ist gegen die Juden (genauer Israel, das ist die linke Variante des Judenhass), aber man ist auch alles wieder genau ganz umgekehrt: Gegen Nazis, für Frauenrechte, etc. pp. Ein nettes aber auch völlig belangloses Ereignis, jenseits der persönlichen Annekdote. Wie soll man an so einer areligiösen, theologisch völlig entleerten Veranstaltung Kritik üben und wozu auch?

    Das Einzige was aufregt ist das selbstgerechte dummnaive Gerede von Pseudotheologen wie Frau Käßmmann, die nur noch hohle Phrasen und politisch verantwortungsloses Geschwätz von sich geben, für das sie selbst keine politische Verantwortung tragen müssen. Man muss aus der EKD nicht austreten, diese Kirche löst sich selbst als ernstzunehmender religiöser Faktor einfach auf und wandelt sich in einen Gutmenschenverein der moralisch höhergestellten Gutverdiener.

    Das Ganze ist ein Schaulaufen von Bannalitäten. Was bleibt?

  14. @M. Blume:

    … Evolution …

    Wie sagte der große Inigo Montoya: You keep using that word. I do not think it means what you think it means.

  15. @Lichtecho

    Tja, und auf Kirchentagen braucht es nicht einmal Alkoholverbote, um “Randale” zu vermeiden. Interessant, oder!?

    Zu Ihrer “Kritik” eine Frage: Wie müsste ein evangelischer Kirchentag denn aussehen, um Ihnen zu gefallen? Bin gespannt…

  16. Kirchentag

    Obwohl ich kein gläubiger Christ bin und vielleicht eher einem pantheistisch getönten spirituellen Atheismus zuneige, berühren mich Kirchentage auch positiv. Von Medienberichten her und aus eigener Erfahrung (Berlin 2003). Da gibt es zweifellos viele Qualitäten: Freundlichkeit, Vielfalt von Strömungen und Dialogforen, die Uneigennützigkeit vieler ehrenamtlicher Mitarbeiter, ein gewisser Wärmeton, der gegenüber dem dauernd cool-ironischen Grundton dieser Gesellschaft äusserst angenehm ist. Ein Nebeneinander verschiendenster Dinge, die sich zunächst einmal gelten lassen können. In einer Halle sah ich eine Gruppe von Christen in einem Kreis stehen, sich an den Händen haltend und etwas entrückt hin – und herwiegend. Aus einer anderen Halle kamen indische Klänge und ich stand plötzlich vor einer Tänzerin aus dem hinduistischen Kulturkreis, die mit rotierenden Bauch- und grazilen Fingerbewegungen eine Art Schlangentanz aufführte. Während in dem Christenkreis Farben wie Stille, Demut, Vergeistigung, Lichtsuche, Mildtätigkeit vorherrschten, enthielt der indische Tanz auch erotisch-animalische Komponenten und wirkte undurchschaubarer und rätselhafter. Zwei völlig verschiedene Spielarten des Spirituellen, die hier friedlich nebeneinander existierten.
    Fussballspiele und Love-Parades haben solche Atmosphären nicht, tendieren eher zu unterschwelliger Gewalt und Entfesselung. Man mag das als kunterbuntes psotmodernes Sammelsurium belächeln, aber unsere Gesellschaft ist inzwischen ein solches Sammelsurium, was auch seine Freiheitsräume hat. Für dieses Nebeneinander verschiedener spiritueller Gruppen und Richtungen braucht es Begegnungsforen, Dialogplätze, kreative Reibungsflächen, die es sonst kaum gibt.
    Da könnten Kirchentage evt. noch radikaler werden, auch in der Einbeziehung von Atheisten, spirituellen Einzelgängern, Künstlern, naturreligiösen Gruppen etc. Universitäten bieten solche Räume nicht an, die Atmosphäre dort ist zu unterkühlt, schon von vornherein auf Logik, Methodenstrenge und Zurückstellung des Emotionalen abgestimmt.

  17. @Michael Blume

    Warum sollte man auf einem Kirchentag randalieren? Es geht ja um nichts.

    “Wie müsste ein evangelischer Kirchentag denn aussehen, um Ihnen zu gefallen? Bin gespannt…”

    Meine Kritik war ja, dass es nichts zu kritisieren gibt. Kein Profil, keine Ecken, keine Kanten, nur ein bisschen fremdschämen für Frau Käßmann (was ja nicht nur Matussek getan hat). Wenn es selbst in einer Kirche kaum noch richtige Theisten gibt, mit wem soll man als Atheist überhaupt noch ernsthaft diskutieren?

    Alle dürfen mitmachen, egal ob man dem Hobby Gott nachgeht oder nicht. “Scharfe Glaubenstests oder möglichst eintönige Gottesdienste – die sich also nur sehr entschiedene Gläubige antun – sind hier jedoch erkennbar unnötig” Was soll ich da kritisieren? Klar kann ich da auch hingehen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich die politische Naivität und die Seichtheit der Gutmenschenutopien lange ertragen würde. Auf den Versuch käme es an.

    Bin mal gespannt, was für einen Kontrapunkt die Katholiken in Mannheim setzen werden. Da hab ich es näher und schau mir das dann mal vor Ort an.

    Hier noch eine passende aktuelle Meldung aus der Schweiz: http://www.tagesschau.sf.tv/…nheit-in-der-Kirche

  18. Fallobst

    „Sie vergleichen Äpfel mit Birnen“

    Warum nicht? Beides Obst, beides wächst auf Bäumen, manchmal ist der Wurm drin und so mancher reagiert darauf allergisch…;-)

    „Die deutsche Bevölkerung wuchs durch Zuwanderung aus überwiegend religiösen, aber nicht-evangelischen Regionen, lieber @itz.“

    Dass die deutsche Bevölkerung ausländische Menschen aus überwiegend katholisch, orthodoxen und muslimischen Regionen mit einbezieht scheint mir nicht verwerflich zu sein. Oder sehen Sie das anders?

    „Unsere Kultur in ihrer jetzigen – zunehmend säkularen – Form ist offenkundig kein endgültiges Zukunftsmodell.“

    Das sehe ich anders.
    -Erstens glaube ich nicht, dass es so etwas wie ein ENDGÜLTIGES Zukunftsmodell überhaupt gibt.

    The times they are a changin‘…

    -Zweitens scheinen die vielen Zuwanderer aus „anderen Kulturen“ unsere zunehmend säkulare Kultur doch sehr attraktiv zu finden.
    -Drittens ist für die Menschen dort eine zunehmend säkulare Kultur durchaus eine Option für die es sich zu kämpfen lohnt.

  19. @itz

    Tja, leider bin ich einverstanden – bis auf wenige Punkte. 🙂

    1. Vergleiche sind Klasse, wenn man sie auch zum Erkennen von Unterschieden nutzt.

    2. Gerade für qualifizierte Zuwanderer ist Deutschland nicht so attraktiv, wie manche noch immer glauben.

    3. Stimmt, eine (religionslose) Endstufe steht nicht an. Die Zukunft wird – auch aus demografischen Gründen – vielfältig. Inklusive lebendiger Religionen. Was für eine geniale Zeit zum Forschen! 🙂

  20. @Rüdiger

    Ja, Deine Erfahrungen passen m.E. hervorragend zum Phänomen inklusiver Religiosität, wie es sich (auch) auf den evang. Kirchentagen entfaltet. Die spannende Frage wird m.E. sein, ob diese Formen in die Auflösung führen, oder auf ihre Weise Beziehungen, Familien und Traditionen zu tragen vermögen. Die oft zynische Kritik von Nihilisten könnte z.B. paradoxerweise auch zu einer Stärkung der erweiterten Identitäten führen.

  21. @Lichtecho

    Nun, ich versuche ja, Sie nicht zu mögen, es gelingt mir aber leider nicht. Entschuldigung!!! 😉

    Ernsthaft: ich finde es spannend, dass Sie mit den Vertretern exklusiver Religiosität ein Bedürfnis gemeinsam haben: Sie benötigen Feinde zur Sicherstellung der je eigenen In-Group-Identität als vermeintlich Rechtgläubige. Der religiöse Fundamentalist und der Antitheist bedingen einander. Echter Dialog stört da nur. Kann man ja verstehen…

  22. @Michael Blume

    Ach ich mag Sie doch auch!

    Ernsthaft: Machen Sie sich keine zu großen Gedanken über meine Bedürfnisse, die sind ziemlich bescheiden. Mein Punkt ist eben gerade nicht, dass ich keinen Dialog will. Vielmehr stelle ich erstaunt fest, dass es dazu kaum noch eine Notwendigkeit gibt. Sie schreiben ja selbst, dass unter anderem auch Nichtgläubige “nicht (mehr) als bedrohliche “Andere” wahrgenommen” werden. Wenn alles inkludiert ist, wer ist dann überhaupt noch der “Andere”, mit dem man einen Dialog führen muss? Um einen Dialog zu führen, muss man auch einen Standpunkt beziehen. Das macht einen noch nicht zum Fundamentalisten. Wie beim Fußball entscheidet man sich einfach nur für ein Mannschaft. Wenn alle in derselben Mannschaft sind, kann man nicht spielen – zumindest nicht Fußball.
    Ich bin Ihnen nicht böse, wenn Sie das nicht verstehen. Sooo wichtig ist mir das Thema jetzt auch wieder nicht.

    Ich wünsche Ihnen noch schöne Pfingsten!

  23. @Lichtecho

    Ich würde sagen: Wenn Gemeinsamkeiten erarbeitet wurden, so hebt das Unterschiede gar nicht auf, sondern macht sie erst fruchtbar. Sachsen und Bayern wurden Deutsche und blieben doch Sachsen und Bayern. In einer glücklichen Ehe findet ein lebenslanger Dialog statt. Und auch ein unterhaltsames Fußballspiel ist doch erst dann möglich, wenn gemeinsame Regeln erarbeitet wurden und eingehalten werden. Demokratien benötigen einen beständigen Wettbewerb an Parteien, Weltanschauungen und auch Religionen, um lebendig zu bleiben. M.E. braucht es nicht Feindschaft, “nur” Freiheit und Neugier.

    Danke für die lieben Grüße und auch Ihnen frohe Pfingsten!

  24. Bodo Wartke und die unechten Schotten

    Ich finde es ganz beachtlich, was hier in letzter Zeit passiert. Michael Blume ist sich nicht zu schade, etwas Positives über eine Veranstaltung zu schreiben, die zentral mit Religion zu tun hat. Dabei müsste er doch als Religionswissenschaftler neutral auftreten und daher ohne Besehen von Argumenten oder Fakten Religion ablehnen. Christian Reinboth erdreistet sich, in seinem Blog persönliche Erfahrungen mit Religion(sgemeinschaft) aufzuschreiben (die auch als solche gekennzeichnet sind). Das geht nun wirklich nicht! Deswegen gibt es auch direkt über 330 Kommentare dazu, um die Welt wieder gerade zu rücken.

    Nein, Christen sind per Definition intolerant. Denn wenn sie tolerant sind, sind es ja keine Christen. Ganz einfache Logik.

    Und überhaupt, diese miesepetrigen Christen! Sind immer Spaßverderber. Gleichzeitig wagen sie es, auf einer ihrer Veranstaltungen Popmusik (!) zuzulassen. Und dann noch von so einem oberflächlichen Menschen wie Bodo Wartke. Man lese sich mal seine Stellungnahme zu der Tatsache durch, warum er das Lied für den Kirchentag gemacht hat:
    http://www.bodowartke.de/seiten/index.php?nav=195
    Nur 543 Wörter – da sieht man mal, wie leicht er sich die Entscheidung gemacht hat!

    Ich wünsche mir endlich einen Artikel, der genau aufzeigt, warum diese Religiösen alle völlig verbohrt und beliebig sind, mit ihrer Religion Konflikte heraufbeschwören und naive Pazifisten sind, keinen Spaß verstehen und reine Partyveranstaltungen ohne Inhalte machen. Und es sollte endlich standardisierte Ironie-Markierungen für Blogkommentare geben!

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