Die Tempel der Mormonen – Web-Interview mit Ralf Grünke von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Am 6. April 1830 begründete Joseph Smith jr. die Church of Christ, aus der sich die heutige Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage entwickelte. In nicht einmal zwei Jahrhunderten wuchs die Gemeinde durch Mission und Kinderreichtum auf weltweit über 14 Millionen Mitglieder an – Tendenz weiter wachsend. Über die auch evolutionär faszinierende Fallstudie hatte ich aus den USA einen EPOC-Artikel übersandt und letzten Herbst ein sciebook (“Die Mormonen – Der amerikanische Prophet Joseph Smith und seine Kirche“) veröffentlicht.

Heute möchte ich Ihnen aber nicht einen weiteren Text “über”, sondern ein Gespräch “mit” einem Mitglied der Religionsgemeinschaft anbieten. Daher habe ich Ralf Grünke gebeten, einige Fragen zum Thema “Tempel” zu beantworten, die mir immer wieder gestellt wurden. Ich bin dankbar, dass er die Einladung angenommen und sich auch bereit erklärt hat, eine Woche lang hier präsent zu bleiben und Fragen zu beantworten. Umgekehrt darf ich an Sie alle appellieren, mit dem Angebot konstruktiv umzugehen – ein religionswissenschaftlicher Blog dient nicht der Klärung religiöser “Wahrheit”, sondern dem besseren Verstehen unterschiedlichster religiöser Traditionen. Wenn das Experiment gelingt, würde ich auch in Zukunft Vertreterinnen und Vertreter von Religionsgemeinschaften auf Natur des Glaubens einladen. Deutschland wird auch religiös immer vielfältiger; hier haben Sie die Chance, darin Einblicke zu gewinnen.

Unser Gast Ralf Grünke wurde 1972 in Erlangen geboren. Nach Studium der Politikwissenschaft in Bamberg, Provo (USA) und Erlangen promovierte er in Chemnitz. Er ist Autor dreier Bücher und zahlreicher journalistischer Beiträge. Als Missionar seiner Kirche wirkte er in England, war in Washington Korrespondent einer Wahlstudie, Kommunikationscoach in einer Marketingagentur und ist seit 2005 stellvertretender Direktor des europäischen Büros für Öffentlichkeitsarbeit der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Frankfurt am Main.

 

1. Lieber Herr Dr. Grünke, wenn Menschen an die Mormonen denken, so fallen ihnen schnell große, prachtvolle Tempel wie jener von Salt Lake City ein. Welche Bedeutung haben Tempel für Ihre Kirche?

Tempel sind zentrale Orte der Besinnung und inneren Einkehr. Sie sind den höchsten Sakramenten unseres Glaubens vorbehalten und werden nur nach intensiver religiöser Vorbereitung betreten. Somit unterscheiden sie sich von unseren Gemeindehäusern, in denen wir sonntäglich öffentliche Gottesdienste feiern. Der Tempel in Salt Lake City wurde von Glaubensflüchtlingen erbaut und genießt aufgrund seiner historischen Bedeutung besondere Bekanntheit. Tempel andernorts haben ein anderes Erscheinungsbild.


Der Tempel in Salt Lake City, Utah. Bild: LDS-Kirche Deutschland

2. Die mormonischen Tempel nach der Weihe und die Tempelrituale sind nur mormonisch Getauften zugänglich, deren “guter Stand” in der Kirche beglaubigt wurde. Auch wird vor dem Betreten des Tempels spezielle Kleidung angelegt. Könnten Sie uns den Hintergrund dieser Regeln erläutern?

Wer den Tempel betritt, sucht intensive Gottesnähe und atmet darin auf. Über dem Eingang eines jeden Tempels steht die Inschrift „Das Haus des Herrn – Heilig dem Herrn“. Das, was den Tempel für die Gläubigen im Kern ausmacht, ist auch nur dort erfahrbar und lässt sich weder durch Beschreibung der Räumlichkeiten noch der feierlichen Sakramente erfassen. Dem Tempelbesuch geht ein inneres und äußeren Bereitmachen voraus. Den Tempel sucht auf, wer nach Taufe und Bekunden des eigenes Bemühens um einen christlichen Lebenswandel noch tiefer eintauchen will in Gottes Willen und Gegenwart. Im Tempel trägt man Weiß als Symbol der Reinheit und der Gleichheit aller Gläubigen vor Gott als dessen Kinder.


Ein frisch vermähltes (“versiegeltes”) Ehepaar verlässt den Tempel in Friedrichsdorf (Hessen). Die religiöse Kultur der Mormonen fördert (und fordert) Familiengründungen mit Kindern. Bild: LDS-Kirche Deutschland

3. Religionsgeschichtlich entstammen einige Tempelrituale und -symbole der Freimaurerei, in der sich auch der Prophet Joseph Smith engagierte. Wie bewerten Mormonen die Traditionen und Logen der Freimaurer?

Für die Gläubigen deuten die Symbole des Tempels auf Jesus Christus als Mittelpunkt ihres Glaubens hin. Nur in diesem Sinne werden sie auch im Tempel erklärt und gedeutet. Vermeintliche oder tatsächliche Ähnlichkeiten zu anderen religiösen oder weltanschaulichen Traditionen bewerten wir nicht.  

4. Normalerweise wird, wenn ich es richtig verstanden habe, in jedem US-Staat und in jeder Nation mit Religionsfreiheit ein mormonischer Tempel errichtet. In Deutschland gibt es aber aufgrund der Geschichte zwei. Können Sie uns erzählen, wie es dazu kam? 

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist bemüht, möglichst vielen Gläubigen den Besuch eines Tempels zu ermöglichen. Je nach Mitgliederdichte und Entfernungen findet sich in einzelnen Ländern und US-Bundesstaaten auch mehr als nur ein Tempel. Die beiden Tempel hierzulande sind eine Folge der früheren deutschen Teilung. Der Tempel im sächsischen Freiberg wurde vier Jahre vor dem Mauerfall gebaut und diente vor allem den Mitgliedern der Kirche hinter dem Eisernen Vorhang. Zwei Jahre später wurde ein Tempel in Friedrichsdorf im Taunus seinem Zweck übergeben.


Ansicht auf den Tempel in Freiberg (Sachsen). Bild: LDS-Kirche Deutschland

Lieber Dr. Grünke, danke für das Web-Interview. Nun haben Leserinnen und Leser von Natur des Glaubens die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Avatar-Foto

Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

80 Kommentare

  1. Zeremonialraum

    Ist der Tempel also eine Art spezieller ´Zeremonialraum´, in dem nur ganz bestimmte Rituale ausgeführt werden – welche nicht in den Gemeindezentren abgehalten werden?/ welche?
    Oder werden überall die gleichen Zeremonien ausgeführt – nur der Grad der Feierlichkeit oder die Bedeutung des Veranstaltungsortes machen den Unterschied?
    Danke für die Antwort

  2. Frage zur Diskriminierung

    Es ist wohl nicht verwunderlich, dass sich die Mormonen so stark vermehrten, wo sie doch Anhänger der Polygamie waren und z.T. immer noch sind. Der Religionsgründer, Josef Smith, soll ja mit mindestens 33 Frauen verheiratet gewesen sein.

    http://www.spiegel.de/…haus-gottes-a-336235.html

    Um auch weiterhin den Harem verdienter Mitglieder zu füllen greifen fundamentalistische Gemeinden im amerikanischen Bundesstaat Utah schon mal zu drastischen Mitteln und vertreiben den männlichen Nachwuchs einfach:

    http://www.spiegel.de/…olygamisten-a-360307.html

    In welchen Tempeln die Mormonen ihre Rituale ausüben und welche spezielle Kleidung sie dafür anlegen hat m.E. keinen großen Einfluss auf die Gesellschaft. Interessant wäre jedoch zu erfahren, was an den Vorwürfen dran ist, dass bei den Mormonen Frauen, Schwarze, Indianer, Homosexuelle, Abtrünnige und Gelehrte (deren Wissen im Widerspruch zu den Lehren ihrer Kirche steht) diskriminiert werden. Ich verlinke dazu mal eine entsprechende Seite:

    http://www.mormonismus-online.de/…rung.htm#frau#

    SPON brachte noch weitere, recht kritische, Artikel über die Mormonen:

    http://www.spiegel.de/thema/mormonen/

    Ich will hier niemanden zu nahe treten, aber als Frau finde ich diese Religionsgemeinschaft ziemlich beunruhigend. Kann sein, dass die verlinkten Artikel einseitig sind und es in Deutschland anders aussieht. Herr Dr. Grünke kann mich gerne eines Besseren belehren.

  3. @Mona

    Ohne der Antwort von Herrn Gruenke allzu viel vorzugreifen: Die LDS-Kirche hat die Polygamie vor weit über hundert Jahren untersagt. Die entsprechenden Berichte beziehen sich auf kleine, fundamentalistische Abspaltungen wie die FLDS. Übrigens geht Polygamie eher mit niedrigeren Geburtenraten einher, denn die Gesamtzahl von Frauen erhöht sich ja nicht. Schließlich sind auch alle Unterscheidungen betreffend Hautfarben seit Jahrzehnten aus der Kirche selbst heraus aufgehoben und die LDS-Kirche wächst u.a. in Afrika stark.

    Aber danke für die ehrlichen Fragen – das Aufklären gehört ja zu den Aufgaben von Natur des Glaubens. Bin gespannt, was unser Gast dann schreibt.

  4. Weniger Nachwuchs @Michael Blume

    “Übrigens geht Polygamie eher mit niedrigeren Geburtenraten einher, denn die Gesamtzahl von Frauen erhöht sich ja nicht.”

    Frauen, die in einem Harem leben konkurrieren oft um die Gunst ihres Herrn. Jede versucht möglichst oft schwanger zu werden um ihm viele Söhne zu gebären. Die Situation des vielbeschäftigten Mannes sollte man aber auch ins Feld führen. Demnach vermuten Wissenschaftler, dass der spärlichere Kindersegen bei polygamer Lebensweise mit der schlechteren Spermienqualität des Mannes zusammenhängt, da diese nicht schnell genug nachproduziert werden können. Außerdem kann auch ein guter Hahn nur eine bestimmte Anzahl von Hennen versorgen. Sind es zu viele, dann ist er überfordert und viele Eier bleiben unbefruchtet.

  5. @Mona: zu kurz gedacht

    Die Idee mangelnder Spermienqualität ist vermutlich zu kurz gedacht. Im Himalaya war es bei einigen Volksgruppen üblich, dass eine Frau mehrere Männer hatte – trotzdem war sie nicht dauer-schwanger.

  6. Antwort @KRichard

    “Die Idee mangelnder Spermienqualität ist vermutlich zu kurz gedacht.”

    Das war ja nicht meine Idee, sondern die von Wissenschaftlern.

    “Im Himalaya war es bei einigen Volksgruppen üblich, dass eine Frau mehrere Männer hatte – trotzdem war sie nicht dauer-schwanger.”

    Mir der Polyandrie kann man die Polygamie nicht vergleichen. In Tibet ist sie vor dem Hintergrund schlechter Lebensbedingungen und niedriger Produktivkraft entstanden. Sie sollte verhindern, dass sich die begrenzten Ressourcen durch eine Aufteilung weiter erschöpften. Ein Kind mit mehreren Vätern ist in der Regel besser versorgt. Zudem werden Frauen, die ein Kind stillen, oft erst nach dem Abstillen wieder schwanger.

  7. Herr Dr. Grünke

    , möchten Sie ein paar Worte zum letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf und zum Kandidaten Mitt Romney schreiben, der vielleicht zurzeit der bekannteste Mormone ist? – Inwieweit hat dessen Religion im Wahlkampf eine Rolle gespielt?

    MFG
    Dr. W

  8. @Mona: Polygamie Polyandrie

    Mit ´zu kurz gedacht´ wollte ich zum Nachdenken darüber anregen, dass man bei Polygamie (Polyandrie) nicht nur die Anzahl und Auswirkung von Sexualkontakten im Focus des Interesses beachten sollte.

    Für diese Lebensformen gibt es eine Reihe von anderen, praktischen Gründen: strategische Verbindungen durch das Schaffen von Verwandtschaftsverhältnissen (friedliches Zusammenleben), Bindung von Sexualpartnern (als Mittel gegen Überbevölkerung), Vergrößerung der Anzahl von Arbeitskräften innerhalb einer Familie, Schutz vor Zersplitterung von Grundeigentum als Ernährungsgrundlage, … .

    Bei den Mormonen war der Religionsgründer auch mit verheirateten Frauen anderer Männer verheiratet (ohne Sexualkontakte) – wenn ich richtig informiert bin.

  9. Joseph Smith und die Frauen @KRichard

    “Bei den Mormonen war der Religionsgründer auch mit verheirateten Frauen anderer Männer verheiratet (ohne Sexualkontakte) – wenn ich richtig informiert bin.”

    Das mutet allerdings etwas seltsam an. Die Mormonen begründen das in einer Schlussfolgerung folgendermaßen:
    “Die Siegelungen von Joseph Smith an verheiratete Frauen können nur aus dem Blickwinkel der Ewigkeit verstanden werden. Sie kamen gewiss nicht aus sexuellen Gründen zustande und hatten mit großer Wahrscheinlichkeit auch keine sexuelle Komponente”

    Wenn das wahr ist, dann kommen, laut der unten verlinkten Seite, nur zwei Möglichkeiten in Betracht: Zum einen um “Verwandtschaftliche Bande für die Ewigkeit zwischen Familien zu knüpfen” oder “Der Frau die Erhöhung zu ermöglichen”.

    Zur ersteren Möglichkeit hätten wohl auch unverheiratete Frauen gereicht. Und die zweite Möglichkeit kann ich mir nur dadurch erklären, dass Frauen als minderwertige Wesen angesehen werden, die in alle Ewigkeit darauf angewiesen sind von einem einflussreichen Mann protegiert zu werden, vor allem wenn sie es auf Erden nur zu einem unwürdigen Ehemann gebracht haben.

    Quelle: http://de.fairmormon.org/…an_verheiratete_Frauen

  10. @Mona

    Sie sollten nicht in den Fehler verfallen und Begriffe/Vorstellungen aus unserer heutigen Zeit in andere Kulturen/Zeiten zu übertragen.

    Ich kenne mich mit den Mormonen-Gepflogenheiten nicht aus – daher ist die folgende Überlegung nur spekulativ: Wenn ein Mann mit der Frau eines anderen Mannes verheiratet ist, ohne Sexualkontakte, dann könnte man dies, nach heutigen Begriffen als eine Art ´Patenschaftsvertrag´ ansehen. D.h. stirbt der echte Ehemann, dann ist der ´Pate´ für die Versorgung der Witwe zuständig. Damit wäre diese Zweitehe so etwas wie ein Sozialsystem in dem Hinterbliebene abgesichert sind. Zu Zeiten, wo es kein Sozialamt gab, eine gute Idee.

    Solche sozialen Patenschaften kennen wir auch aus anderen Kulturen. Z.B. bei den Todas (südindische Nilgiri-Berge) kann eine Frau mit mehreren Ehemännern verheiratet sein – wodurch sie dann automatisch auch mit den un-/verheirateten Brüdern jedes dieser Männer verheiratet ist. Ist die Frau schwanger, so überreicht ihr im 7. Schwangerschaftsmonat ein Ehemann Pfeil und Bogen (purshuti-Zeremonie) – er und seine Brüder gelten nach der Geburt als Vater dieses Kindes.

  11. @KRichard

    Ja, man könnte den Tempel unter dem Gesichtspunkt eines Zeremonialraumes betrachten. Die drei bedeutendsten Sakramente des Tempels sind die stellvertretende Taufe für Verstorbene, das Endowment und die Siegelung. Diese Sakramente empfängt man nur im Tempel.

    Die stellvertretende Taufe ist ein Brauch, der schon im Neuen Testament Erwähnung findet (siehe 1 Korinther 15,29). In ihr kommt Gottes Liebe für alle seine Kinder zum Ausdruck. Sie ist als Angebot zu verstehen – diese Geste kann im künftigen Leben niemanden ohen dessen Zustimmung zum Christen machen.

    Das Endowment (Englisch für Begabung oder Stiftung) werden die Schöpfung und der Gottes Plan für die Menschen dargestellt. Wer das Endowment empfängt, verpflichtet sich, sein Leben so führen, dass es mit den Lehren Jesu Christi und den Geboten Gottes im Einklang ist.

    Bei der Siegelung werden Mann und Frau in einer Ehe verbunden, die für immer besteht, auch über den Tod hinaus.

  12. @Mona

    Die Mehrehe wurde von der Kirche im 19. Jahrhundert praktiziert, wurde aber vor über 100 Jahren, nämlich im Jahr 1890, abgeschafft. Angehörige von Gruppen, die heutzutage die Polygamie praktizieren, sind keine Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und unterhalten auch keinerlei Verbindung zu ihr.

    Männer wie Frauen predigen von der Kanzel, sprechen öffentlich Gebete, unterrichten Klassen und gehören Führungsgremien an. Darüber hinaus haben Männer und Frauen in der Gemeinde unterschiedliche, aber gleichwertige Aufgaben. Beispielsweise amtieren Männer bei Taufen, Frauen übernehmen die Hauptverantwortung für den außerschulischen Religionsunterricht der jüngsten Gläubigen.

    Dieses Wochenende findet unsere halbjährliche weltweite Kirchenkonferenz statt. Gestern wurde der Schwarzafrikaner Edward Dube in eines der höchsten Führungsgremien berufen. Zur Beteiligung von Frauen an der Führung der Kirche haben vor wenigen Tagen führende Mormoninnen in einem Video Stellung bezogen. Im Dezember haben wir eine neue Website veröffentlicht, die den rücksichtsvollen Austausch über gleichgeschlechtliche Anziehung fördern soll. Nähere Informationen finden Sie auf unserer Presseseite http://www.presse-mormonen.de.

    Ich lade Sie herzlich ein, einen unserer Gottesdienste zu besuchen. Im Unterricht, in Gesprächskreisen sowie in Predigten von der Kanzel tragen unsere Gläubigen eine große Bandbreite an Ansichten und Erfahrungen bei.

  13. @Dr. Webbaer

    Wie Sie sich vorstellen können, wurden wir im vergangenen Jahr immer wieder auf den amerikanischen Wahlkampf angesprochen. Wir haben dabei stets auf die parteipolitische Neutralität der Kirche hingewiesen (siehe z.B. http://www.presse-mormonen.de/artikel/wahlen). Auch im Rückblick fühlen wir uns nicht berufen, zur Parteiprogrammen, zur Person eines politischen Kandidaten oder zum Wahlkampf Stellung zu beziehen.

  14. @Mona

    Zwei zusätzliche Anmerkungen:

    Die “Foundation for Apologetic Information and Research” (FAIR) ist eine unabhängige Initiative und spricht nicht für DIE Mormonen.

    Der paulinische Grundsatz “Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau.” (1 Korinther 11,11) gilt nach unserem Verständnis auch in der zukünftigen Welt. Daraus lässt sich keinesfalls ableiten, eines des beiden Geschlechter sei minderwertig. Im Gegenteil. Im Buch Mormon (2 Nephi 26,33) heißt es, “alle sind vor Gott gleich” und Gott weise niemanden ab, “schwarz und weiß, geknechtet und frei, männlich und weiblich”.

  15. Parallelen zur kath. Kirche @Ralf Grünke

    Danke für die ausführliche Antwort. Einige Dinge sind mir allerdings noch unklar, daher möchte ich in den folgenden Ausführungen darauf eingehen.

    Sie schrieben: “Männer wie Frauen predigen von der Kanzel, sprechen öffentlich Gebete, unterrichten Klassen und gehören Führungsgremien an. Darüber hinaus haben Männer und Frauen in der Gemeinde unterschiedliche, aber gleichwertige Aufgaben. Beispielsweise amtieren Männer bei Taufen, Frauen übernehmen die Hauptverantwortung für den außerschulischen Religionsunterricht der jüngsten Gläubigen.”

    Ich bin im kath. Bayern aufgewachsen und die von Ihnen beschriebene Aufgabenteilung kommt mir recht bekannt vor. Sie trägt momentan aber viel dazu bei, dass sich etliche Frauen in der katholischen Kirche nicht mehr beheimatet fühlen, weil sie kein richtiges Amt, wie das Priesteramt, bekleiden dürfen, sondern größtenteils Hilfsdienste verrichten müssen.

    “Zur Beteiligung von Frauen an der Führung der Kirche haben vor wenigen Tagen führende Mormoninnen in einem Video Stellung bezogen. Im Dezember haben wir eine neue Website veröffentlicht, die den rücksichtsvollen Austausch über gleichgeschlechtliche Anziehung fördern soll.”

    Da besteht, wie in der kath. Kirche, anscheinend Handlungsbedarf.

    “Ich lade Sie herzlich ein, einen unserer Gottesdienste zu besuchen. Im Unterricht, in Gesprächskreisen sowie in Predigten von der Kanzel tragen unsere Gläubigen eine große Bandbreite an Ansichten und Erfahrungen bei.”

    Danke, das überlege ich mir eventuell. In meiner Stadt gibt es sogar eine Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Leider existiert dazu weder ein Foto noch eine Beschreibung im Internet. Seltsamerweise liest man über deren Aktivitäten auch nie was in der hiesigen Zeitung, dabei missionieren sie sogar.

    “Die “Foundation for Apologetic Information and Research” (FAIR) ist eine unabhängige Initiative und spricht nicht für DIE Mormonen.”

    Das wusste ich nicht, da muss ich noch einiges über Ihre Religionsgemeinschaft lernen. Allerdings ist es verwirrend, weil ich nicht weiß inwiefern Sie sich von ähnlichen Gruppierungen unterscheiden und warum. Könnten Sie dazu eine hilfreiche Erklärung geben?

    “Der paulinische Grundsatz “Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau.” (1 Korinther 11,11) gilt nach unserem Verständnis auch in der zukünftigen Welt. Daraus lässt sich keinesfalls ableiten, eines des beiden Geschlechter sei minderwertig.”

    Das ist mir auch aus der kath. Kirche bekannt. So heißt es im selben Kapitel in Vers 12 “Zwar wurde die Frau aus dem Mann geschaffen; aber der Mann wird von der Frau geboren. Und beide kommen von Gott, der alles geschaffen hat.” Auch wenn das im Buch Mormon oder in der Bibel so steht, in der heutigen Gesellschaft wird Frauenarbeit häufig als minderwertig eingestuft. Dazu hat allerdings auch die Industrialisierung beigetragen, die Frauenarbeit als “leicht” einstufte um sie geringer entlohnen zu können. Nichtsdestotrotz stützen patriarchale Systeme die Ungleichheit. Ich habe mich mal auf der Presseseite der Mormonen umgesehen und lauter Männer unter “Führung und Organisation” gefunden. Wie kommt das?

    http://www.presse-mormonen.de/…und-organisation/

    Ich weiß nicht inwiefern sich Ihre Gemeinschaft an entsprechende Dogmen halten muss. Ich nehme an, sie hat in der Geschlechterfrage eher wenig Spielraum. Wäre es möglich, dass Frauen irgendwann die gleichen Aufgaben wie Männer übernehmen könnten?

  16. @Mona: Frage

    Liebe @Mona,

    erlaubst Du mir auch eine Frage an Dich? Ich gehöre einer evangelischen Kirche an, die eigentlich alle denkbaren Reformforderungen erfüllt hat: Gleichberechtigung der Geschlechter bis zu Bischöfinnen, demokratische Verfassung mit Wahlen, Akzeptanz von Homosexualität, Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen usw.

    Und doch (oder: auch deswegen?) verlassen weit mehr Menschen diese Kirche(n) als eintreten. Wachsen tun dagegen eher jene Freikirchen, die sich in vielem nicht anpassen. Mich bedrückt das durchaus. Und ich würde gerne wissen, wie Du das siehst.

  17. @Michael Blume

    Ja, das ist ein interessantes Thema. Gibt es dazu keine Forschungen bzw. willst Du nicht selbst darüber forschen? Anscheinend suchen heutzutage eine Menge Leute nach Orientierung und Werten in der Welt. Besonders für Frauen ist es oft schwierig sich zurechtzufinden, weil sie am stärksten unter dem Druck leiden Familie, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu bringen. “Freikirchen, die sich in vielem nicht anpassen” bieten den Leuten ein festes Weltbild und Regeln, die sie anderswo nicht mehr finden. Ich lernte durch Zufall mal eine junge Frau mit vier Kindern kennen, deren Mann sie nach dem jüngsten Kind, das behindert ist, verlassen hatte. Sie schloss sich daraufhin, in ihrer Not, der Religionsgemeinschaft der ICHTHYS an, bei denen sie Gemeinschaft und Orientierung fand. Außerdem wurden die Kinder während der wöchentlichen Treffen betreut was ihr sehr viel bedeutete, da es die einzige Zeit war, die sie ohne Kinder verbringen konnte. Vermutlich rekrutieren “strenge” Religionsgemeinschaften ihre Mitglieder nicht so sehr aus der gutverdienenden Mittel- oder Oberschicht, als vielmehr bei Menschen denen es schlecht geht. Viele ärmere Menschen haben Angst, dass man sie mit irgendwelchen Asozialen in einen Topf schmeißt und klammern sich verzweifelt an anerkannte bürgerliche oder religiöse Werte.

  18. @Mona

    Ja, Deine Ausführungen passen sehr gut zu meinem Wissensstand – mit dem ich aber durchaus ringe. Es fällt mir durchaus schwer zu akzeptieren, dass liberale Religionsgemeinschaften oft nicht bieten können, was konservativere, patriarchalere Traditionen bieten. Daran knabbere ich noch, sozusagen zwischen Sachwissen und Gefühl. 🙂 Danke für Deine Einschätzung!

  19. Landeskirche vs Freikirche

    @Blume

    Vielleicht hilfts, die Frage umzudrehen:
    Was kann die Landeskirche bieten, was die Freikirchen nicht können?

  20. @Mona & @Michael Blume: Progressive?

    Die Diskussion ist für mich interessant: Warum können liberale Religionen nicht die Anziehung konservativer Religionen bieten?

    Soziologisch gibt es dafür sicher viele Erklärungen, aber mir scheinen die psychologischen Aspekte noch wichtiger: Wer fühlt sich denn in einer (eigentlich) liberalen und doch (teils) sozialen Gesellschaft von Religionen angezogen? Und warum?

    Die Antwort ist nur wenig gesellschaftsfähig – aber ich schätze Sie beide zu sehr, um diesen Versuch einer Lösung zu verstecken. Mir scheint mit Esther Vilar doch auch ein gewisser (teils legitimer) Wunsch der Frauen relevant zu sein, der auf Versorgung. Wobei die Männer keineswegs unschuldig sind, denn sie suchen (nach ihrer Erziehung) die zu beschützende Frau.

    Könnte es dann nicht sein, dass unsere unbewussten Wünsche leider doch stärker sind als unsere ‘nur’ bewusste Emanzipation? Und als Anstoss zur Diskussion mit @Michael Blume: Wie könnte man/frau denn eine Entwicklung liberaler Religionsgemeinschaften hin zur Attraktivität für Alle anstoßen? Mir scheint das nicht so unmöglich, wie oft dargestellt – obgleich durchaus starke männliche wie weibliche Persönlichkeiten erforderlich wären…

  21. @Noït Atiga

    Grundsätzlich gehe ich nicht davon aus, dass liberale Religionen nicht die Anziehung konservativer Religionen bieten können. Letztere geraten nur stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit, weil sich mit Berichten über Leute, die polygam leben und Tote taufen nun mal mehr Zeitungen verkaufen lassen als wenn man über eine stinknormale evangelische oder katholische Gemeinde berichten würde. Außerdem sympathisieren etliche Deutsche auch mit dem Buddhismus, der als sehr liberal gilt und kein Hort von religiösen Fanatikern sein dürfte.

    Wenn Ester Vilar bezüglich der Geschlechterfrage meint, “dass unsere unbewussten Wünsche leider doch stärker sind als unsere ‘nur’ bewusste Emanzipation”, dann halte ich sie nicht für sehr kompetent in dieser Frage, auch wenn sie früher eine Menge Bücher verkaufte. Erich von Däniken bediente ja auch mal die Fantasien von Leuten, die an Außerirdische glauben und verdiente sich dumm und dämlich damit.

    Über Ihre Frage “Wie könnte man/frau denn eine Entwicklung liberaler Religionsgemeinschaften hin zur Attraktivität für Alle anstoßen?”, bin ich etwas verwundert. Sollen wir jetzt missionieren? 🙂

  22. Atiga

    Warum können liberale Religionen nicht die Anziehung konservativer Religionen bieten?

    Es gibt wohl keine liberalen oder freiheitlichen Religionen, Sie meinen wohl -zeitgemäß kodiert- tolerante und aggressive, intolerante Religionen.

    Hier gibt’s ein paar grobe Trends…

    Persönlich angemerkt: Aggro ist halt cooler, es macht mehr Spaß Frauen und andere zu beherrschen als nicht oder eher wenig missionierend den Dingen zu harren.

    Was die Evangelische Kirche in D veranstaltet, darf aus Sicht des Schreibers dieser Zeilen durchaus als Negativbeispiel verstanden werden, was die allgemeine Attraktivität betrifft.

    MFG
    Dr. W

  23. @Mona

    Ich bin Ihnen noch ein paar Antworten schuldig:

    In der Organisation FAIR engagieren sich Gläubige unabhängig von der Institution Kirche, um sich der mormonischen Apologetik zu widmen. Neben der Kirche selbst und deren Programmen existieren zahlreiche Initiativen von Mormonen, die ohne klerikalen Auftrag gemeinsame akademische, soziale oder politische Interessen zu pflegen. Dabei wird kein Anspruch erhoben, für die Kirche insgesamt zu sprechen. In diesem Zusammenhang interessiert vielleicht folgendes Zitat aus einer unserer Offenbarungsschriften: “Die Menschen sollen sich voll Eifer einer guten Sache widmen und vieles aus ihrme eigenen, freien Willen tun und viel Rechtschaffenheit zustande bringen.” (Lehre und Bündnisse 58:27) War das hilfreich?

    Danke für Ihren Hinweis auf unsere Presseseite und den Umstand, dass im Seitenbereich “Führung und Organisation” nur Männer zu sehen sind. Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens: Die Funktion des “Beauftragten für gesellschaftlichen Dialog” ist verhältnismäßig neu, Frerich Görts ist der erste und bisher einzige, der diese Aufgabe wahrnimmt und die Kirche nach außen hin vertritt. Diese höchste Repräsentationsfunktion ist nicht an Geschlecht gebunden. Sprich: Der Nachfolger von Herrn Görts könnte auch eine Nachfolgerin sein. Zweitens: Unsere Presseseite befindet sich im Aufbau und wir warten noch auf die Übersetzung der Lebensläufe für diejenigen weltweiten Führungsgremien, in denen Frauen vertreten sind. Zu Ämtern des Priestertums werden Männer ordiniert, das haben Sie richtig beobachtet.

    Ungern würde ich darüber spekulieren, was die Zukunft bringt. Unser Glaube zeichnet sich durch fortlaufende Offenbarung aus. Deshalb ist auch unser Schriftkanon offen. In unseren Glaubensartikeln heißt es: “Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart; und wir glauben, dass er noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird, was das Reich Gottes betrifft.” Wir sind also immer offen für das, was Gott uns mitteilt.

  24. @Mona

    Sicher verkaufen sich Meldungen über Außergewöhnliches leichter – aber wäre in einer sich säkularisierenden Gesellschaft nicht auch die wachsende Anziehungskraft liberaler Religionen eine solche?

    Ester Vilar handelt von den weiblichen und männlichen Perspektiven auf Leben und Partnerschaft. Das Buch ist ja schon einige Jahrzehnte alt, und Manches hat sich zum Glück verbessert. Aber leider ist doch auch Vieles im Prinzip noch so, wie sie es beschreibt (aus meiner Sicht recht kompetent, was auch insofern nicht verwunderlich ist als sie Medizin und Soziologie studiert hat). Details führen sicher zu weit weg. Ich hatte sie nur angeführt und wie oben interpretiert, weil das die Tatsache erklären kann, dass Frauen oft religiöser sind.

    Mit dem Bezug zu unterschiedlichen Vorstellungen von Versorgung lässt sich die verschiedene Anziehung der Religionen aber anders diskutieren. Dann ist vielleicht gerade die Reformierung einer Religion der Grund für ihre geringe Anziehung: Es wurden (unbewusst wirkende) Berührungpunkte beseitigt, ohne neue zu schaffen. Wollte man also wirklich reformieren, dann müsste man neue intuitiv wirkende Mechanismen der Bewegung integrieren, vom klassischen Versorgungmodell abweichende. Und dann brauchte es wohl keine Missionierung, sondern der Zulauf käme von ganz allein. 😉

  25. @Ralf Grünke

    Sie schrieben: “Ungern würde ich darüber spekulieren, was die Zukunft bringt. Unser Glaube zeichnet sich durch fortlaufende Offenbarung aus. Deshalb ist auch unser Schriftkanon offen. In unseren Glaubensartikeln heißt es: “Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart; und wir glauben, dass er noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird, was das Reich Gottes betrifft.” Wir sind also immer offen für das, was Gott uns mitteilt.”

    Sämtliche Veränderungen in einer sich ständig wandelnden Welt haben natürlich auch mit den Menschen zu tun und wie sie sich verhalten. Im Buddhismus heißt es dazu: “Sei die Veränderung, die Du in der Welt sehen möchtest.” Ich finde, wenn jeder Mensch sich bemüht eine Entwicklung hin zum Guten zu machen, dann ist es zweitrangig welchem Glauben er anhängt.

  26. Monopolreligionen @Noït Atiga

    “Sicher verkaufen sich Meldungen über Außergewöhnliches leichter – aber wäre in einer sich säkularisierenden Gesellschaft nicht auch die wachsende Anziehungskraft liberaler Religionen eine solche?”

    Dazu gibt es schon auch Pressemeldungen. Ich verlinke mal ein Beispiel:

    http://www1.wdr.de/…on/buddhismus/brueck100.html

    “Ester Vilar handelt von den weiblichen und männlichen Perspektiven auf Leben und Partnerschaft. (…) Ich hatte sie nur angeführt und wie oben interpretiert, weil das die Tatsache erklären kann, dass Frauen oft religiöser sind.”

    Das ist ein schwieriges Thema und inwieweit sich das mit der zunehmenden Emanzipation der Frauen ändert, die auf keinen männlichen Versorger mehr angewiesen sind, kann ich nicht sagen. Religiöse Frauen leben wahrscheinlich häufiger in traditionellen Familien mit Kindern, wo der Mann als Haupternährer auftritt. Michael Blume befasst sich ja mit diesen Thema schon länger und hat auch einiges darüber geschrieben:

    http://www.blume-religionswissenschaft.de/…e.pdf

    “Mit dem Bezug zu unterschiedlichen Vorstellungen von Versorgung lässt sich die verschiedene Anziehung der Religionen aber anders diskutieren.”

    Da muss man klar zwischen Freikirchen und etablierten Hauptkirchen trennen. Letztere haben in Deutschland ja eine Art Monopol auf die Sozialbranche. Außerdem hilft der Staat sowohl der katholischen wie auch der evangelischen Kirche beim Einziehen der Kirchensteuer. Das hat sich seit dem Reichskonkordat von 1933 nicht geändert. In den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden arbeiten über zwei Millionen Menschen. Damit ist die Hilfsindustrie der größte Arbeitgeber in Deutschland.

    “Dann ist vielleicht gerade die Reformierung einer Religion der Grund für ihre geringe Anziehung: Es wurden (unbewusst wirkende) Berührungpunkte beseitigt, ohne neue zu schaffen. Wollte man also wirklich reformieren, dann müsste man neue intuitiv wirkende Mechanismen der Bewegung integrieren, vom klassischen Versorgungmodell abweichende.”

    Könnten Sie dazu ein Beispiel liefern? Ich vermute, dass eine gewisse Staatsverdrossenheit auch auf die “staatlichen” Religionen übergesprungen ist. Anders kann man sich die Anziehungskraft, die alternative Religionen auf die Leute ausüben, kaum erklären. Ähnlich geht es manchmal in der Politik zu. Man hat ja an der Piratenpartei gesehen, welches Feuer sie am Anfang entfacht und welche Hoffnungen sie genährt hat. Leider fehlte ihnen ein übergeordnetes Ziel. Außerdem schreckten ihre Positionskämpfe und personellen Querelen viele Anhänger ab. Den Rest kennt man ja. Aber zurück zur Religion, hier noch was über die Mormonen:

    http://www.presse-mormonen.de/…liches-engagement

  27. @Noit, Mona, Webbär & Thomas

    Die Debatte ist jetzt mal wirklich spannend – vielen Dank! 🙂

    Noch ein bissel Hirnfutter dazu: Die Auflösung liberaler vs. verbindlicherer Gemeinschaften ist gerade auch für die USA belegt, wo es eine strenge Trennung von Kirche(n) und Staat und keinerlei staatskirchliche “Privilegien” gibt. Dennoch schrumpfen auch dort die liberaleren Kirchen, wogegen sich viele (nicht alle) “strengere” Gemeinschaften besser schlagen.

    Auch z.B. bei den Amish zeigt sich, dass liberalere Strömungen niedrigere Geburten- und Bleiberaten aufweisen, wogegen die Old Order Amish zuletzt ihre Austrittszahlen sogar unter 20% pro Generation senken konnten.

    Und gerade auch die von @Mona verlinkten Daten meiner damaligen Auswertung zeigen eben auch, dass Frauen auch in der gebildeten, sicheren und wohlfahrtsstaatlichen Schweiz in den konservativeren Religionsgemeinschaften überwiegen – in der Spitze bei den Zeugen Jehovas und unter den Protestanten stärker in den strikteren Freikirchen als den gleichberechtigteren, evangelischen Kirchen – dort sogar weniger als in der katholischen Kirche.

  28. @Mona

    Ein konkretes Beispiel habe ich nicht, auch keine Lösungen – mir ging es eher um Assoziationen zu Entdeckungen von Psychologie und Soziologie. Jede Gemeinschaft, der wir uns in freier Wahl anschließen, muss dann tiefere Gefühle bedienen, sie muss uns bewegende Geschichten erzählen, Angebote zur Identifikation mitbringen.

    In stark traditionellen Religionen sind diese Geschichten ganz klar, die Männer- und Frauen-Rollen eindeutig verteilt und Gut und Böse unverrückbar bestimmt. Man(cher) findet sich dort wieder, gerade auch in der Jagd auf das Böse und im Ausschluss der ‘Abartigen’. Man findet lebbare Vorbilder mit praktizierbaren Antworten auf die einen bewegenden Fragen.

    Mit jeder Beschränkung fällt auch eine solche Antwort weg, ein Vorbild und ein Angebot der Identifikation. Das kann zunächst sogar anziehend wirken, wenn nämlich diese Identifikation sonst zwingend ist – so bei der Reformation. Aber heute ist in unserer Gesellschaft fast nichts mehr zwingend, also kann die Religion kaum noch durch fehlenden Zwang als Befreierin wirken.

    Die traditionellen Religionen wirken dann auch oft mehr entlastend, der Zwang zur eigenen Entscheidung wird einem genommen, die Entscheidung wird für einen getroffen. Diese Entlastung aber bringen liberale Religionen nicht mit. Wollen sie anziehen, dann müssen sie ggü. der Gesellschaft als Ganzer also ein anderes Mehr bieten – und dort sehe ich heute nichts Bewegendes.

    Die Sozialbranche ist dafür nicht ausreichend, umso weniger als man heute ja ein Versager ist, wenn man ihrer bedarf – und gerade das ändern die liberalen Religionen auch nicht. Eigentlich werden die großen Religionen dann wie Sie ja schrieben eher als Arbeitgeber und Unternehmer tätig. Auch Jemand, dem versorgt werden oder versorgen lebenswichtig ist, der wird dort nicht wirklich fündig werden – als Kunde oder Angestellter kann er auch anders wählen.

  29. Antwort @Noït Atiga

    Ihre Beschreibung der “stark traditionellen Religionen” liest sich ja, als wären sie Grimms Märchen entsprungen. Brauchen stark religiöse Menschen mehr Vorbilder oder orientieren sie sich stärker an Archetypen als andere?

    Kann schon sein, dass manche Leute froh sind, wenn ihnen “der Zwang zur eigenen Entscheidung” abgenommen wird. Umgekehrt ist es wohl befriedigender jemanden aus eigenem Antrieb zu helfen, als ihn einer anonymen Sozialbranche zu überlassen in der sich Hilfsbedürftige als Versager empfinden wie Sie schreiben.

  30. Frage @Michael Blume

    Ich werde mal Dein “Hirnfutter” aufgreifen. Du schriebst: “Dennoch schrumpfen auch dort die liberaleren Kirchen, wogegen sich viele (nicht alle) “strengere” Gemeinschaften besser schlagen.”

    Nach meiner Beobachtung nehmen allerdings die Esoterik-Gläubigen rasant zu. Sie tauchen wahrscheinlich in keiner Religionsstatistik auf, da sie ja keine Kirchen haben. Trotzdem gibt es sie. Anfang des Jahres wollte ich mir einen astronomischen Kalender kaufen, der die Mondphasen und die Positionen von Himmelskörpern anzeigt. Der Buchhändler brachte mir jedoch einen esoterischen Mondkalender in dem steht, wann man sich die Haare schneiden und seine Radischen pflanzen soll. Er konnte es kaum glauben, dass ich so etwas ablehne und auf einen richtigen astronomischen Kalender bestand. Kurzum, zählt man auch die Esoterik-Anhänger zu den Gläubigen?

  31. @Mona

    Ja, selbstverständlich erfassen wir auch sog. “esoterische” und “abergläubische” Überzeugungen – wobei wir die religionswissenschaftlich auch erst einmal beschreiben, nicht von vornherein abwerten. Die Lehre von der leiblichen Präsenz des dreieinigen Gottes in der Hostie wirkt ja z.B. auf Außenstehende mitunter auch erstmal… erklärungsbedürftig.

    Aber hier diskutieren wir ja den unterschiedlichen Erfolg in den Mitgliedschaften von Religionsgemeinschaften. Und hier bilden sich eben im “esoterischen” Bereich recht selten stabile Gemeinschaftsformen, meist werden diese Dinge eher individualistisch konsumiert.

  32. Esoterik @Michael Blume

    Natürlich ist der Unterschied zwischen Religion und Esoterik fließend, aber ist nicht auch der zunehmend esoterische Glaube schuld daran, dass die Mitglieder liberaler Religionen immer weniger werden? Im Gegensatz zu den Landeskirchen bedienen Esoteriker oft auch noch eine Art Psychomarkt und bieten “Heilung” von allen möglichen Gebrechen an. Auch wenn sich “stabile Gemeinschaftsformen” selten herausbilden, so scheint doch eine feste Anhängerschaft zu existieren. Außerdem würde es dem Wesen der Esoterik widersprechen sich zu organisieren. Gerade in einer Zeit in der der Arbeitsmarkt von den Menschen immer mehr Mobilität verlangt ist es doch praktisch, wenn “diese Dinge eher individualistisch konsumiert” werden können. Wobei es Esoteriker nicht erst seit heute gibt. Man denke nur an die Rosenkreuzer: http://de.wikipedia.org/wiki/Rosenkreuzer

  33. @Mona

    Könnte es sein, dass das soeben zur Esoterik Geschriebene auch ein Grund der neueren Begeisterung für den Buddhismus ist?

    Was die Bedeutung von Vorbildern angeht, so scheint mir die nicht unbedingt von der Religiosität abzuhängen. Mir scheint, wir brauchen alle Vorbilder und lehnen uns implizit auch an verschiedene Vorbilder an. Mir scheint dann auch nicht die Stärke der Religiosität entscheidend, sondern mehr die Ausrichtung. Extreme sind anziehender, weil sie jenen einen Stütze bieten, die im Mainstream der Gesellschaft keinen Widerhall finden. Was die eigentlichen Lehren dann sind, das hat wohl nur noch wenig Bedeutung – solange die eigenen menschlichen Bedürfnisse ansprechend befriedigt werden.

  34. Östliche Esoterik @Noït Atiga

    “Könnte es sein, dass das soeben zur Esoterik Geschriebene auch ein Grund der neueren Begeisterung für den Buddhismus ist?”

    Auch wenn die Zeit in einem Artikel über Gartenkultur mal fragte: “Ist der Buddha der neue Gartenzwerg?” So ist der “echte” Buddhismus ja eine richtige Philosophie. Das was man so unter “östlicher” Esoterik serviert bekommt ist meist eine Mischung allem was man mit Asien in Verbindung bringt. Das reicht vom Yoga über Buddhismus, Taoismus und weiß der Kuckuck noch alles. Das meiste stammt jedoch aus dem Taoismus, wie Feng Shui usw. Der Taoismus war ursprünglich eine chinesische Philosophie und Weltanschauung. Später wurde er zu einer “Weisheitsreligion”, d.h. er diente als Anleitung zu einem guten Leben. Zum Volksglauben gehören auch Alchemie und Pharmazie, mit deren Hilfe man das Leben verlängern möchte. Daher glauben echte Esoteriker auch an die traditionelle chinesische Medizin.

  35. @Mona: Philosophie oder Esoterik?

    Haben wir denn hier die wirkliche buddhistische Philosophie? Sind die Zuwanderer zum Buddhismus wirklich an diesem Teil des Buddhismus interessiert oder nicht mehr an der östlichen Esoterik wie Sie schrieben? Ich kenne keine Erhebung darüber, aber mir scheint das irgendwie so zu sein.

    Bei der traditionellen chinesischen Medizin möchte ich aber mein Veto einlegen, auch wenn ich damit vielleicht riskiere als Esoteriker eingeordnet zu werden. Sie scheint durchaus einige Aspekte des Menschen weitaus besser erfasst zu haben als die westliche Schulmedizin, auch wenn letztere nicht immer weiß warum – man kann eben auch durch Jahrtausende von Tradition und Versuch/Irrtum richtige Mittelchen finden. Vielleicht ist das was hier so ankommt auch dort nur der esoterische Teil, während die Philosophie auf der Strecke verloren geht?

  36. TCM @Noit Atiga

    Natürlich gibt es auch in Deutschland echte Buddhisten, die sich gründlich mit der Materie auseinandersetzen, d.h. die Schriften studieren. Das Interesse an östlicher Esoterik ist jedoch auch eine Modeerscheinung. Ich betreibe ja selbst Tai Chi und habe da schon manch seltsamen Vogel erlebt, der mir weißmachen wollte zu welchen Wunderdingen man mit Hilfe dieser Übungen imstande wäre. Man sollte das Ganze aber nüchtern sehen, die Übungen dienen lediglich dazu einigermaßen gelenkig zu bleiben. Im alten China hielt man sich einen Arzt um gesund zu bleiben, wurde man krank, dann hatte der Doktor versagt. Aus diesem Grund gibt es ein ausgeklügeltes System aus Ernährung, Bewegung und mentalen Übungen, die Körper und Geist fithalten sollen. Es herrscht die berühmte ganzheitliche Betrachtungsweise vor, die nicht nur das erkrankte Organ, sondern den ganzen Körper sieht. Die meisten Ratschläge fußen natürlich nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern beruhen auf Erfahrung. Leider spielt da oft auch der Glaube eine Rolle. Das ist auch der Grund warum manche Heilmittel der chinesischen Medizin stark in Verruf geraten sind. Beispielsweise werden Nashörner weltweit gejagt, weil man es auf ihre Hörner abgesehen hat um aus ihnen Medizin gegen alle möglichen Beschwerden herzustellen. Sören Schewe schrieb vor kurzem mal darüber:

    https://scilogs.spektrum.de/…lisierte-wilderei-hell-no

  37. TCM @Mona

    Vielleicht habe ich da doch auch ein zu rosiges Bild, obwohl mir diese von Ihnen genannte Prämisse der traditionellen chinesischen Medizin auch eine Ergänzung der westlichen Schulmedizin zu sein scheint:

    Im alten China hielt man sich einen Arzt um gesund zu bleiben, wurde man krank, dann hatte der Doktor versagt.

    Und die Krankenkassen sind ja auf den Zug mittlerweile aufgesprungen – obwohl dort wohl der Glaube fehlt, der ja allein schon Berge versetzen kann…

  38. @Ralf Grünke

    “Ich finde, wenn jeder Mensch sich bemüht eine Entwicklung hin zum Guten zu machen, dann ist es zweitrangig welchem Glauben er anhängt.”

    Das ist schön formuliert. Wenn das “Gute” aber nur im geistigen Stillstand und seiner zeitgeistlichen Symptomatik seit der “Vertreibung aus dem Paradies” verankert / manifestiert ist, dann ist es offenbar ebenso wertlos wie die vielfach gespalten gelebte Glaubens- und Bewußtseinsschwäche für den nun “freiheitlichen” Wettbewerb um …!?

    Eine FUSIONIERENDE Entwicklung zum geistig-heilenden Selbst- und Massenbewußtsein, so wie Christus es tatsächlich gepredigt hat, bedeutet nicht warten bis …, sondern in jeder Beziehung menschlichen Daseins verantwortungsbewußt handeln, GEGEN die heuchlerische Sündenbocksuche, die verlogene Hierarchie von und zu materialistischer “Absicherung”, oder das zynische und teils LOGISCH brutal-egoisierende “Individualbewußtsein” (wir sind IMMER mitschuldig, also ebenso bösartig), FÜR eine wirkliche und “gottgefällige” Wahrhaftigkeit zur Schöpfung und alles was daraus entstand, auf der Basis für ein unkorrumpierbares MENSCHENRECHT auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus einzig MENSCHENWÜRDIGEN Konsequenzen / Möglichkeiten!?

    Für mich sind bisher alle Religionen dieser Welt- und “Werteordnung” zweitrangig und schlimmstenfalls verachtungswürdig.

  39. Evolution vs. Offenbarung

    Hallo Herr Grünke,

    Mich würde mal interessieren, wie gläubige Mormonen es mit der Evolutionslehre halten. Man liest ja öfter, dass Gläubige die Idee der göttlichen Offenbarung schlecht mit einem gottlosen Evolutionsgeschehen vereinbaren können und darum die Evolutionslehre insgesamt ablehnen. Insbesondere die hier vertretene Vorstellung, dass die Menschen nicht durch göttliche Offenbarung, sondern durch Mutation und Selektion zur Religiosität gekommen sind, müsste Gläubige doch eigentlich sehr irritieren.

  40. @Balanus

    Besser als die kurze Stellungnahme auf unserer Presseseite kann ich es nicht formulieren:

    “Wissenschaft und Religion stehen im Glauben der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage nicht im Widerspruch. Einer der Grundsätze des Mormonismus besteht darin, Wahrheit anzunehmen, wo immer sie auch zu finden sein mag. Mormonen glauben an den biblischen Schöpfungsbericht, doch welcher Verfahren sich Gott bediente oder wie der zeitliche Rahmen aussah, ist unbekannt.” (http://www.presse-mormonen.de/artikel/evolution)

  41. Evolution

    @Grünke

    “…oder wie der zeitliche Rahmen aussah, ist unbekannt.”

    Das stimmt ja eben nicht (der zeitliche Rahmen IST bekannt) —> die Kirche nimmt also eben nicht die Wahrheit an.
    Oder interpretiere ich da etwas falsch?

  42. @Thomas

    Bitte beachten Sie, dass sich der letzte Satz offenkundig auf den biblischen Schöpfungsbericht bezieht. Die Kirche sieht ihre Aufgabe darin, den Glauben an Gott als den Schöpfer zu fördern, und nicht darin, naturwissenschaftliche Festlegungen aus einem religiösen Text abzuleiten.

    Wie der einzelne Gläubige die Schöpfungsgeschichte deuten will, bleibt ihm selbst überlassen. Bestimmt gibt es Mormonen, die eine wörtliche Lesart bevorzugen. Nicht untypisch ist jedoch die Haltung dieses Biologieprofessors: http://www.presse-mormonen.de/…iologieprofessor.

  43. @Ralf Grünke

    Ist es denn nicht egal, ob der Eingangssatz ursprünglich von Mona ist?

    Sind die Mormonen etwa eine so OFFENE und revolutionäre Truppe im Sinne des vorbildlich-nachahmenswerten Christus, so daß mein Kommentar an @Ralf Grunke …? 😉

  44. @Ralf Grünke

    “Die Kirche sieht ihre Aufgabe darin, den Glauben an Gott als den Schöpfer zu fördern,”

    – dafür bräuchtet ihr dann überhaupt KEINEN Text / KEINE Bibel!?

    “und nicht darin, naturwissenschaftliche Festlegungen aus einem religiösen Text abzuleiten.”

    – ob naturwissenschaftlich, zeitgeistlich oder sonstwie, Festlegungen in Kommunikation von zweifelsfrei EINDEUTIGER Wahrheit, daß war das Ding von Jesus Christus!!!

  45. @Horst

    Ehrlich gesagt, verstehe ich Ihren Gedankengang nicht. Sie greifen eine Aussage heraus, die gar nicht von mir stammt und leiten daraus eine sehr allgemeine Kritik an allen Religionen dieser Welt ab.

    Der letzte Satz jüngsten Kommentars scheint unvollständig zu sein. Ich bin mir nicht sicher, worum es Ihnen tatsächlich geht.

    Das Kernanliegen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage war die Wiederherstellung des ursprünglichen Christentums, unbefangen von nachbiblischen Konzilbeschlüssen. Macht uns das “offen” oder gar “revolutionär”, wie Sie schreiben? Dies zu beurteilen, überlasse ich gerne den hier mitlesenden Religionswissenschaftlern.

  46. @Horst

    Jesus hat klar das Gute und Böse benannt. Er war aber kein Naturwissenschaftler. Seine Botschaft dreht sich um Heil und die Liebe für den Mitmenschen. Als christliche Kirche sehen wir unsere Aufgabe nicht darin, wissenschaftliche (oder politische) Festlegungen zu treffen. Lieber helfen wir mit, das christliche Gewissen und Urteilsvermögen des Einzelnen zu schärfen.

  47. Herr Dr. Grünke

    , vielen Dank für Ihre Erläuterungen, ein Satz oder eine Frage vielleicht noch hierzu:

    Einer der Grundsätze des Mormonismus besteht darin, Wahrheit anzunehmen, wo immer sie auch zu finden sein mag.

    Gibt es außerhalb der Tautologie oder des Glaubens ‘Wahrheit’, bspw. im naturwissenschaftlichen Sinne?

    MFG
    Dr. W

  48. @ Grünke

    Danke für die Antwort. Mormonen glauben also an den biblischen Schöpfungsbericht. Woraus ich wohl schließen darf, dass sie eine naturwissenschaftliche Erklärung der Evolution ablehnen. Wobei ich aber den Zusammenhang zwischen dem biblischen Schöpfungsbericht und den von Gott angewandten Verfahren und dem Zeitrahmen nicht verstanden habe.

    Hat sich der porträtierte Biologieprofessor dazu geäußert? Auf der Presseseite heißt es:
    »”Viele Menschen meinen, wenn man an die Evolution glaubt, heißt das, dass wir vom Affen abstammen und dass Gott nicht existiert. So ist das aber nicht”, erklärt der Biologie-Professor Kevin Livingstone in einem neuen Videoportrait der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. «

    Was ist damit gemeint, dass wir nicht „vom Affen abstammen“? Dass Mormonen glauben, Affen und Menschen hätten keine gemeinsamen Vorfahren gehabt?

  49. @Dr. Webbaer

    Der Religionsstifter Joseph Smith hat gesagt: “Der erste und wesentliche Grundsatz unserer heiligen Religion ist, dass wir glauben, ein Recht darauf zu haben, alles anzunehmen, jede einzelne Wahrheit – und zwar ohne Einschränkungen und ohne von den Bekenntnissen oder abergläubischen Vorstellungen der Menschen […] behindert zu werden.”

    Vielleicht interessiert Sie in diesem Zusammenhang der Text folgender Predigt zum Thema “Was ist Wahrheit?”: http://www.lds.org/…3/01/what-is-truth?lang=deu.

  50. Evolution in der Genesis

    @Balanus
    > Mormonen glauben also an den biblischen
    > Schöpfungsbericht. Woraus ich wohl
    > schließen darf, dass sie eine
    > naturwissenschaftliche Erklärung der
    > Evolution ablehnen. Wobei ich aber den
    > Zusammenhang zwischen dem biblischen
    > Schöpfungsbericht und den von Gott
    > angewandten Verfahren und dem Zeitrahmen
    > nicht verstanden habe.

    Ad 1: das Buch Genesis ist voller Stammbäume, und der Stammbaum des Lebens ist im 1. Kapitel in guter Übereinstimmung mit dem heutigen stand der Wissenschaft (erst Pflanzen, dann Fische und Insekten, und erst zuletzt, am 6. Tag, Landwirbeltiere – davon wieder als letztes der Mensch. Evolution und Schöpfung schließen einander nicht aus.

    Ad 2: Gottes Werkzeuge sind sicher “Glaubenssache”. Manch einer versteht Gottes Allmacht so, daß ER überhaupt keine Werkzeuge nutzt. Ich verstehe Gottes Allweisheit so, daß ER weiß, was für ein erstaunlich nütziches Optimierungswerkzeug Genetische Algorithmen sind – ER wäre dumm, so ein Werkzeug nicht zu benutzen, und ich weigere mich, an einen dummen Gott zu glauben.

    Ad 3: Zeiträume: in der Bibel steht auch “Tausend Jahre sind für Dich wie der gestrige Tag” und es ist durchaus realistisch, die 6 Tage der Schöpfung mit den 4-5 Milliarden Jahren seit Erschaffung der Erde zu identifizieren. Zur Erinnerung: die Formulierung “Es wurde Abend, es wurde morgen, der n. Tag” kommt nur 6x vor – der 7. Tag Gottes dauert seit über 5000 unserer Jahre an!

  51. @Balanus

    Der biblische Schöpfungsbericht ist ein religiöser Text und will Aussagen über Gott treffen. Er ist der Schöpfer, der Urheber unseres Daseins. Daran glauben wir. Darum geht es uns, nicht um die naturwissenschaftliche Deutung eines heiligen Textes, der womöglich so gar nicht verstanden werden will.

    Der Schluss, dass alle Mormonen “eine naturwissenschaftliche Erklärung der Evolution ablehnen”, ist also weder zutreffend noch zulässig.

    Was Herr Prof. Livingstone genau gemeint, müsste man ihn am besten selbst fragen. Er spricht ja für sich selber, nicht für die Kirche insgesamt. Ich verstehe ihn so: Auch wer wissenschaftlich denkt und beispielsweise die Evolution akzeptiert, muss deswegen nicht gleich Atheist sein. Später sagt er ja: “Die Wissenschaft wird nie in der Lage sein, die Frage zu beantworten, ob Gott existiert. Das ist eine persönliche Angelegenheit und entzieht sich dessen, was Wissenschaftler leisten können.”

  52. @Ralf Grünke

    »Der Schluss, dass alle Mormonen “eine naturwissenschaftliche Erklärung der Evolution ablehnen”, ist also weder zutreffend noch zulässig. «

    Diesen Schluss ziehe ich gar nicht.

    Es geht nicht um ALLE Mormonen, sondern um Mormonen allgemein, als Religionsgemeinschaft, wie auf der Presseseite genannt („Mormonen glauben an den biblischen Schöpfungsbericht“).

    Es geht mir auch nicht um die »naturwissenschaftliche Deutung eines heiligen Textes«, wie Sie schreiben.

    Michael Blumes Blog beschäftigt sich bekanntlich u. a. mit der natürlichen, evolutionären Herkunft der Religiosität. In diesem Zusammenhang finde ich es interessant zu erfahren, wie die Mormonen (als Glaubensgemeinschaft, nicht individuell) sich bezüglich der Evolution positionieren. Gerade in Texas, wo Herr Prof. Livingstone Biologie unterrichtet, scheint die Evolution von der Hälfte der Bevölkerung nicht akzeptiert zu werden. Liegt es zum Teil an den Mormonen, dass diese Rate so hoch ist, oder wäre sie ohne die Mormonen noch höher?

    Oder anders gefragt: Wie hoch schätzen Sie den Anteil der Gläubigen unter den Mormonen, die die Evolution nicht akzeptieren?

  53. @Balanus

    Eigentlich hatte ich gedacht, Sie hätten aus diesem Blog bzw. aus “Evolution und Gottesglauben” bereits gelernt, dass Darwin Evolution und Theismus sehr wohl für vereinbar hielt. Auch z.B. Dobzhanski, der sich als “Evolutionist und Kreationist” verstand, war hier ja schon Thema, sein entsprechender Text verlinkt. Und dann kommen Sie doch wieder mit der neodarwinistischen Mottenkiste, schade…

  54. @Balanus

    Wenn es Ihnen nicht um “alle Mormonen” geht, sondern um “Mormonen allgemein”, also um die Institution, ist die Beantwortung der Frage noch einfacher. Die Kirche lehrt, dass Gott der Schöpfer ist, bezieht aber keine Stellung zum wie und wie lange. Somit steht es jedem Gläubigen frei, sich seine eigene Meinung zur Evolution zu bilden. Das will die zitierte Stellungnahme zum Ausdruck bringen, nicht mehr und nicht weniger.

    Wenn die Kirche eine verbindliche Lesart des Schöpfungsbericht festschriebe (z.B. Kreationismus, Intelligent Design, theistische Evolution), würde ich dies als “naturwissenschaftliche Deutung eines heiligen Textes” verstehen.

    Bei der religionswissenschaftlichen Beschäftigung mit den Mormonen wird Ihnen auffallen, dass sich die Kirche bei vielen Fragen entweder gar nicht positioniert oder allgemeine Grundsätze vermittelt und die gedankliche Umsetzung den Gläubigen überlässt. Der Religionsstifter Joseph Smith hat einmal gesagt: “Ich lehre sie richtige Grundsätze und sie regieren sich selbst.”

    Texas hat über 25 Millionen Einwohner. Davon sind gerade einmal 300.000 Mormonen. Sie überschätzen vielleicht unseren gesellschaftlichen Einfluss in diesem Bundesstaat. Eine allgemeine Schätzung vorzunehmen, fällt mir schwer. Umfragedaten liegen mir nicht vor. Im persönlichen Gespräch sind mir nahezu alle denkbaren Deutungsmöglichkeiten begegnet.

  55. @Ralf Grünke

    Nun darf ich Ihnen herzlich dafür danken, dass Sie Ihre Zusage eingehalten und uns eine Woche lang für Fragen zur Verfügung gestanden haben. Ich hoffe, diese Form des Blogdialoges hat auch Ihnen Freude gemacht, die Zugriffszahlen waren auf jeden Fall sehr ordentlich. Selbstverständlich sind Sie hier weiterhin jederzeit willkommen, doch haben Sie ja auch noch andere Pflichten – inklusive (klar 😉 ) einer Familie. Ihnen allen ein schönes Wochenende!

  56. Vielen Dank

    nochmal, Herr Dr. Grünke, weiterhin viel Erfolg!

    Die Schöpfungslehre ist ein spannender Punkt die Akzeptanz betreffend, weil sie eben so eindeutig ist textlich und so gar nicht zur Interpretation einlädt. – BTW, die Katholische Kirche hat ca. 1950 unter Papst Pius ihren Frieden gemacht mit der ET. – Vielleicht auch von Interesse:
    -> http://en.wikipedia.org/…ic_evolution#Acceptance

    MFG
    Dr. W

  57. Lesarten /@Ralf Grünke

    »Die Kirche lehrt, dass Gott der Schöpfer ist, bezieht aber keine Stellung zum wie und wie lange. Somit steht es jedem Gläubigen frei, sich seine eigene Meinung zur Evolution zu bilden. Das will die zitierte Stellungnahme zum Ausdruck bringen, nicht mehr und nicht weniger.«

    Dann bietet die Kirche den Gläubigen hinsichtlich der natürlichen Herkunft der Menschheit also keine Orientierungshilfe. Erläutert also nicht, was es heutzutage, 150 Jahre nach Darwin, heißt, wenn man sagt, dass „Gott der Schöpfer“ ist.

    »Wenn die Kirche eine verbindliche Lesart des Schöpfungsbericht festschriebe (z.B. Kreationismus, Intelligent Design, theistische Evolution), würde ich dies als “naturwissenschaftliche Deutung eines heiligen Textes” verstehen. «

    Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Kirche den „heiligen Text“ als eben solchen verstanden haben will, und eben nicht als einen Tatsachenbericht über (erd)geschichtliche Ereignisse, wie er vielfach noch verstanden wird. So wie es in einigen anderen christlichen Kirchen bereits der Fall ist. Den biblischen Schöpfungsbericht als naturgesetzliches Evolutionsgeschehen zu lesen, ist doch ohnehin von vorneherein ausgeschlossen.

    Vielen Dank für Ihre Diskussionsbereitschaft!

  58. @Störk: Nachtrag

    Es war schon ziemlich spät, als ich auf Ihren Kommentar reagierte, daher die Kürze.

    Also, meiner Meinung nach schließen sich Evolution und Schöpfung deshalb einander aus, weil in der von Darwin begründeten Evolutionslehre der Wandel der Arten im Wesentlichen durch das Zusammenspiel von Zufallsvariationen und natürlicher Selektion zustande kommt. „Schöpfung“ hingegen ist eine ganz andere Geschichte, ein kreativer, geplanter Akt. Also das genaue Gegenteil von dem, was laut Theorie in der darwinschen Evolution passiert.

    Wenn ich Sie richtig verstehe, dann argumentieren Sie, dass die Vielfalt der Lebensformen zwar naturwissenschaftlich durch die Evolution erklärt werden kann, dass aber mit Gott die Evolution und/oder die Gesetzmäßigkeiten der Natur „erklärt“ werden könne.

    Dabei verkennen Sie aber, meine ich, dass wir es hier (im Mormonentum) mit einer dezidierten Offenbarungsreligion zu tun haben, da lässt — nach meinem Verständnis — Gott die Dinge nicht einfach so laufen. Oder liege ich da mit meiner Annahme falsch?

  59. „Mottenkiste“ /@Michael Blume

    »Eigentlich hatte ich gedacht, Sie hätten aus diesem Blog bzw. aus “Evolution und Gottesglauben” bereits gelernt, dass Darwin Evolution und Theismus sehr wohl für vereinbar hielt. Auch z.B. Dobzhanski, der sich als “Evolutionist und Kreationist” verstand, war hier ja schon Thema, sein entsprechender Text verlinkt. «

    Theismus? Wo war hier von Theismus die Rede? Warum wechseln Sie das Thema?

    Gelernt habe ich übrigens (naja, eigentlich wusste ich das schon vorher), dass es Menschen gibt, die auch sachlogisch widersprüchliches miteinander vereinbaren können. Aber meines Wissens haben weder Charles Darwin noch Theodosius Dobzhansky die biblische Schöpfungsgeschichte für bare Münze genommen, das heißt, als Tatsachenbericht verstanden. So wie es eben viele Gläubige auch heute noch tun.

    Dobzhansky hat bereits vor 40 Jahren (1973) in seinem Essay Nothing in Biology Makes Sense except in the Light of Evolution geschrieben:

    Evolution is God’s, or Nature’s, method of Creation.

    Warum ist die Kirche der Mormonen nicht in der Lage, ähnliches zu formulieren? Stattdessen zieht man es vor, die Faktizität der Evolution in Frage zu stellen (»…es [steht] jedem Gläubigen frei, sich seine eigene Meinung zur Evolution zu bilden«, R.G.). Ich kann mir denken, warum.

    »Und dann kommen Sie doch wieder mit der neodarwinistischen Mottenkiste, schade… «

    Da haben Sie wohl was missverstanden, oder?

    (So, jetzt bin ich fertig, einen schönen Sonntach noch… 🙂

  60. @Balanus

    Gerade die Versuche, auf vermeintlichen Unvereinbarkeiten zu bestehen, stärken m.E. nur die extremeren Kräfte. Dabei leben auch wir beide in einer gesellschaftlichen Realität, die logische Widersprüche aufweist – z.B. zwischen Vorstellungen kausal determinierter Prozesse und individueller Freiheit und Verantwortung.

    Gerade auch bei Darwin beeindruckt mich die erkenntnistheoretische Demut – er weiß, dass wir nur Säugetiergehirne haben. So scheint mir, dass Sie sich Gott und Offenbarung nur als in der Zeit wirkend vorstellen können – nicht aber als überzeitlich, wie es von einem Schöpfer der Raumzeit doch mindestens zu erwarten wäre. (Anfang Mai halte ich zu dem Thema einen Vortrag vor islamischen TheolgInnen.)

    Kurz: In Widersprüchen leben wir alle – und wenn wir die Welt(en) in unsere beschränkten Eindeutigkeiten pressen wollen, kommen nur enge Ideologien dabei heraus. Sie wirken auf mich so intelligent, dass ich Ihnen da viel mehr zutrauen würde!

    Auch Ihnen einen schönen Sonntag!

  61. Herr Bal

    Dabei verkennen Sie aber, meine ich, dass wir es hier (im Mormonentum) mit einer dezidierten Offenbarungsreligion zu tun haben, da lässt — nach meinem Verständnis — Gott die Dinge nicht einfach so laufen. Oder liege ich da mit meiner Annahme falsch?

    Ist erst einmal die Grenze überschritten die Schöpfungsgeschichte nicht wörtlich [1], sondern metaphorisch einzuordnen, die Katholische Kirche tut dies seit ca. 1950, die Mormonen geben sich der hiesigen Nachrichtenlage entsprechend flexibel, so steht der Deutung der allgemeinen Entwicklung, a.k.a. Evolution, i.p. Wahlfreiheit wenig entgegen.

    Es ist zudem offensichtlich, dass die Welt, aus pantheistischer Sicht (Einstein) auch deren Motor oder Gott, nicht chaotisch ist.

    Über die Beschaffenheit der Bewegung, deren Zweck und gar Ziel darf oder soll also spekuliert werden.

    HTH
    Dr. W

    [1] es ist dennoch kein Verbrechen sie wörtlich zu nehmen

  62. @Michael Blume

    »Gerade die Versuche, auf vermeintlichen Unvereinbarkeiten zu bestehen, stärken m.E. nur die extremeren Kräfte. «

    Oder so: Gerade die Versuche, auf vermeintlichen Vereinbarkeiten zu bestehen, stärken m.E. nur die extremeren Kräfte.

    Davon abgesehen: Wofür soll das ein Argument sein?

    »Dabei leben auch wir beide in einer gesellschaftlichen Realität, die logische Widersprüche aufweist – z.B. zwischen Vorstellungen kausal determinierter Prozesse und individueller Freiheit und Verantwortung.«

    In meiner Vorstellungswelt passt da alles wunderbar zusammen (zumindest was das genannte Beispiel betrifft — Stephan Schleim kann das bezeugen).

    Zu sagen (ich spitze zu), logische Widersprüche sind dazu da, ausgehalten zu werden, ist in meinen Augen eine wissenschaftliche Bankrotterklärung.

    Aber wenn Sie meinen, es handele sich bei dem, was ich ausführte, ohnehin nur um „vermeintliche“ Unvereinbarkeiten, wieso reden Sie dann überhaupt von unvermeidlichen Widersprüchen, mit denen wir zu leben haben?

    »So scheint mir, dass Sie sich Gott und Offenbarung nur als in der Zeit wirkend vorstellen können – nicht aber als überzeitlich, wie es von einem Schöpfer der Raumzeit doch mindestens zu erwarten wäre. «

    Zum einen weiß ich nicht so recht, was Sie meinen mit „in der Zeit wirkend“ und „überzeitlich“. Zum anderen geht es geht hier doch nicht um _meine_ Vorstellungen von Gott und Offenbarung, sondern um die des Mormonentums.

    Ralf Grünke schrieb nämlich: »Unser Glaube zeichnet sich durch fortlaufende Offenbarung aus. Deshalb ist auch unser Schriftkanon offen. In unseren Glaubensartikeln heißt es: “Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart; und wir glauben, dass er noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird, was das Reich Gottes betrifft.” Wir sind also immer offen für das, was Gott uns mitteilt.«

    Was geschieht bei einer solchen Offenbarung oder göttlichen Mitteilung aus religionswissenschaftlicher Sicht, wie läuft so etwas ab?

    »Sie wirken auf mich so intelligent, dass ich Ihnen da viel mehr zutrauen würde! «

    Du meine Güte, wo sind wir denn hier? Habe ich mich etwa in ein religionswissenschaftliches Seminar eingeschrieben und werde nun beurteilt?

  63. @Balanus

    Die Grenzen des eigenen Wissensstandes anzuerkennen ist eben gerade keine “wissenschaftliche Unredlichkeit”, sondern das Gegenteil davon: angemessen.

    Ebenso fände ich es gerade von einer Kirche oder Religionsgemeinschaft bedenklich, wenn sie für sich letztes, wissenschaftliches Wissen beanspruchen und dies ihren Mitgliedern normativ vorschreiben würde! Die Freiheit von Wissenschaft und Lehre und die Offenheit auch für innerreligiöse Vielfalt und Diskussionen z.B. zu Evolutions- und Offenbarungsbegriffen sind da m.E. schlüssig, ja geboten! Sie scheinen darauf jedoch eher emotional enttäuscht als erleichtert zu reagieren…

    Zur Frage von Wissen & Glauben noch einmal Darwins grandiosen Brief an Graham:

    “Graham habe, erklärte Darwin,

    meine innerste Überzeugung ausgedrückt, allerdings viel lebendiger und klarer als ich es hätte tun können, dass das Universum kein Resultat des Zufalls ist. Dann aber steigt in mir immer der furchtbare Zweifel auf, ob die Überzeugungen des menschlichen Geistes, der aus dem Geist niedriger Tiere entwickelt worden ist, irgendeinen Wert hätten oder überhaupt vertrauenswürdig wären. Würde jemand den Überzeugungen eines Affengeistes trauen, wenn in solch einem Geist Überzeugungen wären?

    Und Sie haben Recht: Ein Student, der diese reflektierte erkenntnistheoretische Haltung des studierten Theologen Darwins nicht einmal nachvollziehen könnte, hätte in einem religionswissenschaftlichen Seminar tatsächlich ein Problem. Wir lernen und wissen halt auch, wie viel wir (noch?) nicht wissen, lieber @Balanus. Und reagieren sowohl auf religiöse wie auf szientistische Absolutheitsansprüche aus Erfahrung reflektierend und gelassen…

  64. @Michael Blume

    »Die Grenzen des eigenen Wissensstandes anzuerkennen ist eben gerade keine “wissenschaftliche Unredlichkeit”, sondern das Gegenteil davon: angemessen.«

    Ich verstehe nicht recht, worauf Sie hinaus wollen: Wollen Sie damit andeuten, dass die Mormonen (oder wir alle?) nicht wissen können, ob sich die Artenvielfalt tatsächlich durch die natürliche biologische Evolution erklären lässt? Und dass es deshalb „angemessen“ ist, (auch) an den biblischen Schöpfungsbericht zu glauben?

    »Ebenso fände ich es gerade von einer Kirche oder Religionsgemeinschaft bedenklich, wenn sie für beanspruchen und dies ihren Mitgliedern normativ vorschreiben würde!«

    Wo wurde das von wem gefordert? „Letztes, wissenschaftliches Wissen […] normativ vorschreiben“… so etwas jedenfalls kann man unmöglich aus Dobzhanskys Statement („Evolution is God’s, or Nature’s, method of Creation“) herauslesen.

    »Zur Frage von Wissen & Glauben noch einmal Darwins grandiosen Brief an Graham: […]«

    Mich würde im Zusammenhang mit dem hier Diskutierten eher ein Brief interessieren, in dem Darwin seine Selektions-Theorie mit dem biblischen Schöpfungsbericht für vereinbar erklärt.

    »Und Sie haben Recht […]«

    Natürlich habe ich Recht. Das sieht man schon daran, dass man sich nicht sachlich mit meinen Einlassungen, sondern lieber mit meiner Person beschäftigt und versucht, vom eigentlichen Thema abzulenken.

    »Und Sie haben Recht: Ein Student, der diese reflektierte erkenntnistheoretische Haltung des studierten Theologen Darwins nicht einmal nachvollziehen könnte, hätte in einem religionswissenschaftlichen Seminar tatsächlich ein Problem.«

    Ich glaube, da ist die Fantasie mit Ihnen durchgegangen. Ich jedenfalls kann mich nicht entsinnen, mich irgendwo zu irgendwelchen Studenten in irgendwelchen Seminaren geäußert zu haben.

  65. @Balanus

    Wir hatten diese Debatte schon hundert mal. Sie können oder wollen religiöse Texte nur als naturwissenschaftliche Texte lesen – was sie nicht sind (ebensowenig wie z.B. Liebesbriefe naturwissenschaftliche Texte sind). Und wenn dann religiöse Menschen da differenzierter sind, sind Sie enttäuscht und empfinden das als Ausflucht. Was kann ich da noch für Sie tun? Wenn Sie nicht mal Darwins differenzierten Gedanken folgen wollen oder können, kann ich wohl auch nicht weiterhelfen. Trotzdem alles Gute!

  66. @Michael Blume

    »Sie können oder wollen religiöse Texte nur als naturwissenschaftliche Texte lesen[…]«

    Das ist ja so was von daneben! Drücke ich mich so unklar und missverständlich aus?

    Ich habe doch oben die Frage gestellt, warum man die „heiligen Texte“ nicht einfach als das nimmt, was sie sind, „heilige Texte“ eben und keine Beschreibung erdgeschichtlicher Ereignisse. Habe aber keine Antwort darauf erhalten. Das ist enttäuschend, in der Tat.

  67. @Balanus

    Und genau DAS hatte Herr Dr. Grünke doch wieder und wieder geschrieben! Und Ihre Antwort: “Mormonen glauben also an den biblischen Schöpfungsbericht. Woraus ich wohl schließen darf, dass sie eine naturwissenschaftliche Erklärung der Evolution ablehnen.“ – Seufz.

  68. Aus allem, was Ralf Grünke…

    …geschrieben und zitiert hat, geht eindeutig hervor, dass für Mormonen der biblische Schöpfungsbericht, der „heilige Text“, mehr ist als bloß eine gleichnishafte Erzählung.

    Und da ist doch auch gar nichts dabei, es gibt Schlimmeres…

  69. @Balanus

    M.E. hat er sehr deutlich formuliert, dass die LDS-Kirche ihren Mitgliedern keine Vorgaben (mehr) macht, wie sie Wissenschaft und Glauben zusammendenken.

    Aber wir sind hier ja unter uns Empirikern 😉 – laut Pew-Befragung gaben 2009 auch 22% der US-Mormonen an, dass “Evolution die beste Erklärung für die Herkunft menschlichen Lebens auf der Erde” sei.
    https://scilogs.spektrum.de/…heorie-und-die-religionen

    Das lag noch weit unter dem US-Durchschnitt (48%), aber zeigt doch, dass da inzwischen keine einheitliche Ablehnung mehr besteht. Und, ja, ich betrachte es als eine gemeinsame Aufgabe von Religions- und Naturwissenschaftlern, solche pro-wissenschaftlichen Stimmen auch innerhalb der Religionen (statt verhärtender Polarisierungen) zu stärken.

  70. Vielehe

    dazu nur ein Auszug aus dem Mormonenbuch “Lehre und Bündnisse”:

    Abschnitt 132:
    61 Und weiter, was das Gesetz des Priestertums betrifft: Wenn ein Mann eine Jungfrau ehelicht und den Wunsch hat, noch eine andere zu ehelichen, und die erste gibt ihre Zustimmung, und wenn er dann die zweite ehelicht, und sie sind Jungfrauen und haben sich keinem anderen Mann versprochen, dann ist er gerechtfertigt; er kann keinen Ehebruch begehen, denn sie sind ihm gegeben, und mit dem, was ihm gehört und keinem anderen, kann er keinen Ehebruch begehen.

    Macht euch selbst ein Bild, ob dieses “christlich” ist oder nicht.

  71. @Bernd

    Persönlich bin ich wahrlich kein Freund von Polygamie. Aber auch in der Hebräischen Bibel, auf die sich Jesus berief, findet sich die Gestattung von Polygynie, mitunter sogar als Pflicht (Leviratsehe). Religionsgeschichtlich gesehen handelt es sich um ein Phänomen bestimmter Zeiten und Umstände, wird aber auch heute noch in Afrika nicht nur von Muslimen, sondern auch von Christen gelebt.

  72. Pingback:Es gibt Zwecke in der Natur! Oder? › Natur des Glaubens › SciLogs - Wissenschaftsblogs

Schreibe einen Kommentar