Die Bronzezeit in der Perspektive von Archäologie und Religionswissenschaft

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Da unser klassischer Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb sehr stark auf schriftliche Zeugnisse ausgerichtet war, glauben noch immer viele Menschen, dass es in Mitteleuropa vor den Römern nur dunkle Wälder und zottelig-primitive Germanen gab. Immer wieder treffe ich auf großes Erstaunen, wenn ich von den Hochkulturen der Bronzezeit, von komplexen Siedlungen, Metallhandwerk und Bergbau, Kreisgrabenanlagen und Handelsnetzen sowie gemeinsamen Glaubenssymbolen von Ägypten bis Irland spreche. Die Himmelsscheibe von Nebra entstammt der Bronzezeit. Und wussten Sie beispielweise, dass der vor etwa 4300 Jahren bestattete Bogenschütze von Amesbury beim bronzezeitlichen Heiligtum von Stonehenge aus dem süddeutschen Raum stammt?

Die Bronzezeit ist jeden Dialog zwischen Archäologie und Religionswissenschaft wert! Daher geht es heute per Zug zur Spreewälder Kulturstiftung nach Burg im Spreewald um bei einer interdisziplinären Tagung über Religion, Rituale und Mythen sowie Musik und Medizin der Bronzezeit zu sprechen, deren Kultur(en) dort einst erblühten. Denn gerade an solchen schriftlosen Kulturen kann evolutionäre Religionswissenschaft einerseits vertieft werden und andererseits helfen, Funde in die große (Evolutions-)Geschichte von Allem einzureihen, ohne dabei in wilde Spekulationen oder gar Esoterik abzudriften.

Was hat es mit der Bronzezeit auf sich? 

Als Menschen vor etwa 5.000 Jahren – wahrscheinlich im Gebiet des heutigen Iran – zum ersten Mal Kupfer und Zinn verbanden (möglicherweise durch einen Zu- oder Unfall), lösten sie eine wirtschaftliche und dann auch kulturell-religiöse Revolution aus, die sich innerhalb von Jahrhunderten gen Osten bis China und gen Westen bis Spanien ausbreitete. Hier eine Darstellung der Ausbreitung von Metallverarbeitung von Persien nach Europa:

Bronze bot die evolutionär für unsere Spezies so wichtige Reputation, schimmerte wie Gold, war leichter zu bearbeiten und zugleich vielseitig verwendbarer als Kupfer. Kultgegenstände, Schmuck und schließlich Werkzeuge und Waffen aus Bronze herzustellen benötigte "Geheimwissen", das die frühen Schmiede mit dem Ruf von Zauberkräften ausstattete (wer konnte schon von sich behaupten, Metalle in Sonnenglanz umformen zu können?)  – und es benötigte verschiedene Zutaten wie eben Kupfer und Zinn, so dass Handel nützlich und wichtig wurde.

Und das bedeutete: Plötzlich lohnte es sich für zuvor vergleichsweise isolierte Agargesellschaften, miteinander in Kontakt zu treten und gemeinsame Regeln – und diese sichernde, überempirische Akteure – zu benennen. Mit dem Handelsnetz breiteten sich bronzezeitliche Religionsformen – etwa die Verehrung von Sonnengottheiten sowie von lebenswichtigen Wagen und Schiffen (Barken) – über ganz Europa aus.

 

Die hier verlinkte Karte stammt aus dem lesenswerten "Die Bronzehändler" von Klaus-Rüdiger Mai, dessen Cover der "Sonnenwagen von Trundholm" ziert.

Mit den Handelsnetzen, Kulturen und religiösen Vorstellungen der Bronzeit fand die erste Globalisierung der Menschheitsgeschichte statt, es etablierten sich Hierarchien (wörtlich: Heilige Ordnungen) von Kriegern und Priestern, die die nicht mehr nur für die Gezeiten und Ernten, sondern auch für die Sicherheit und das Gelingen des Handels verantwortlich wurden. Die Anbetung von Sonnen- und Feuergottheiten rückte in den religiösen Mittelpunkt und prägte auch noch das frühe Christentum (Sonntag, Jesu Geburtsfest zur Zeit der Wintersonnenwende etc.). Sternenkarten und -kalender wurden unverzichtbar, denn nur so ließen sich Wege und Handelsplätze zu den richtigen Zeitpunkten finden. Die Gefährte, über die der zunehmend lebenswichtige Handel abgewickelt wurde, wurden als Wagen und Schiffe (Barken) zu Götterfahrzeugen. Und Regeln und Vereinbarungen mussten nun zunehmend auch über den Tod Einzelner hinaus gelten – die Bedeutung von Ahnenverehrung und Bestattungen nahm entsprechend zu – die verschiedenen Kulturen und Schichten der Bronzezeit lassen sich oft an Begräbnissitten festmachen.

Die Bronzezeit – nachwirkend bis heute

Ich nenne die Bronzezeit daher auch die "Schwangerschaft der Weltreligionen", denn sie legte die Grundlagen für die Eisen- und dann vor allem "Achsenzeit" (ca. 800 – 200 v. Chr.), in der sich die großen, religiösen Strömungen der abrahamischen, der indischen und chinesischen Religionen wie auch der griechischen Philosophie und des römischen Rechtes formierten. Auch z.B. populäre Figuren wie die in Bergwerken schürfenden, über Schmiede-Zauberkräfte verfügenden Zwerge oder die spitzen, mit Gestirnen verzierten Hüte von Magiern (bis hin zu Harry Potter) gehen auf Überlieferungen aus der Bronzezeit zurück.

Dennoch ist die öffentliche Bekanntheit der Bronzezeit – vor allem aufgrund ihrer (nach heutigem Kenntnisstand) mitteleuropäischen Schriftlosigkeit – erschütternd gering. Viele Kenntnisse verdanken wir daher den archäologischen Grabungen vor großen Bauprojekten wie etwa der OPAL-Pipeline. Unzählige bronzezeitliche Stätten sind noch unentdeckt oder unerschlossen, da schlichtweg das Geld und Interesse an wissenschaftlichen Grabungen und Auswertungen fehlt.

Und weil die Bronzezeit noch immer viel zu wenig im öffentlichen Bewußtsein verankert ist, möchte ich gerne ein wenig zu ihrer Würdigung, Erforschung und Beschreibung beitragen und ihr auch hier auf "Natur des Glaubens" eine Kategorie mit Blogeinträgen widmen.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

26 Kommentare

  1. Einheit v. Wissenschaft u. Religion

    Finde ich gut, daß du dich diesem Thema verstärkt hinwenden willst. Ich hatte grad auf meinem Blog geschrieben, daß der Papst nur “Jerusalem, Rom und Athen” als Wurzeln der abendländlischen Kultur nennt:

    “Das ist überholt. Schließlich wissen wir inzwischen – zum Beispiel – von einer mehrtausendjährigen bronzezeitliche Religionsgeschichte in Europa zu einer Zeit, als es jene geistigen Phänomene, die der Papst mit Rom, Jerusalem und Athen anspricht, noch gar nicht gab und in der die abendländische Kultur ebenfalls wurzelt, also sich so wie mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaft auch – etwa – mit den Erkenntnissen der Archäologie und in Anknüpfung an diese weiterentwickelt.”

    Es wird Sinn machen, wenn du und andere dich dazu – unter anderem – einmal mit meinen eigenen Beiträgen zur mitteleuropäischen Stadt- und Religionsgeschichte vertraut machst. Denn sie enthalten vieles, was man in Wissenschaftszeitschriften noch wenig gelesen hat, was aber bald mehr ins Bewußtsein der Wissenschaft und der Öffentlichkeit rücken wird:

    In der Nähe von Stonehenge hat es ebenso wie in ganz Mitteleuropa seit etwa 2.100 v. Ztr. STADTARTIGE (“protourbane”) Siedlungen gegeben. Also etwa auch die Himmelsscheibe von Nebra und die “Volkssternwarten” genannt Kreisgrabenanlagen muß man sich in einem “protourbanen” oder sogar “urbanen” kulturellen Kontext hineindenken (beginnend mit der Aunjetitzer Kultur im Elbe-Saale-Raum).

    Siehe dazu dieser Beitrag

    http://studgendeutsch.blogspot.com/…hte-des.html

    und zahlreiche Folgebeiträge auf meinem dortigen Blog.

    Aus der Beschäftigung mit dieser Thematik ergeben sich viele Schlußfolgerungen. Deutlich wird bei der Beschäftigung mit der bronzezeitlichen Religionsgeschichte z.B. unter anderem, daß “Wissenschaft” und “Religion” in der damaligen Zeit bei weitem nicht so weit voneinander getrennt waren, wie in der klassischen Antike und heute, also in jenen Zeiten, in denen es zu der Trennung der Unterscheidungen von wissenschaftlicher und mosaischer Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch kam.

    Man kann auch sagen, Wissenschaft (Astronomie) WAR in der Bronzezeit Religion. Während man von den Sehern und Eingeweidebeschauern der klassischen Antike selten etwas hört, daß die sich ähnlich wie in der Bronzezeit mit Astronomie beschäftigt hätten.

    Von dem her leite ich ja auch schon seit Jahren unter anderem meine These ab, daß der Glaube an übernatürliche Wesen ein Irrweg der frühneuzeitlichen Theologie ist, um sich jene erst in der klassischen Antike so klar herausgebildete Sonderstellung der Theologie (der “Seher” und “Eingeweidebeschauer” etc.) gegenüber der sonstigen Wissenschaft wahren zu können.

    Heute ist gut erkennbar, daß zur früheren, bronzezeitlichen Einheit von Wissenschaft und Religion zurückgekehrt werden kann. Als wesentlichstes Hindernis muß dazu dieses vor der Frühen Neuzeit niemals bestehende Konstrukt eines Glaubens an übernatürliche Wesen aufgegeben werden.

  2. “vom Glauben abfallen”

    Um es noch einmal deutlicher zu sagen: Dieses theologische Konstrukt ist der Hauptgrund dafür, daß der “Spiegel” recht hat, wenn er sagt, daß der Papst (und alle mit ihm argumentierenden christlichen Theologen)

    “die Deutschen vom Glauben abfallen läßt”.

    Den Deutschen (und den anderen Völkern) wird keine glaubwürdige, sondern eine völlig unglaubwürdige Religiosität angeboten. Und sie werden als “verdorrte Äste am Weinbaum des Herren” bezeichnet, wenn sie wegen dieser Unglaubwürdigkeit atheistisch werden. Ohne daß man den Balken im eigenen theologischen Auge sieht, daß gerade die UNGLAUBWÜRDIGKEIT der heutigen theologischen Argumentation so viele Menschen so orientierungslos in den Atheismus, Materialismus, Hedonismus der heutigen “Spaßgesellschaft” hineintaumeln läßt.

    Man gewinnt manchmal den Eindruck, als würden Theologen das aus Rachsucht heraus mit Freude sehen, anstatt mit allen anderen nach einer für heutigen Menschen HILFREICHEN religiösen Deutung der Welt und des Lebens zu suchen.

  3. Schwangerschaft der Weltreligionen

    Danke Michael für den interessanten Link. Auch ich finde diese Zeit hochinteressant, zumal jedes Jahr etwas Neues zu Tage gefördert wird. Eine besonders spannende Frage ist, ob all die Kunstwerke und Kultgegenstände dieser Epoche uns nur historisch berühren oder einen zeitlosen Kern haben, der – trotz der grossen kulturellen und religiösen Entwicklungen danach – immer noch “aktuell” ist. Homer’s Odyssee, die ja ebenfalls sehr alt ist oder die griechischen Tragödien berühren uns ja auch psychologisch und spirituell mehr als nur historisch. Was hiesse also Bronzezeit als “Schwangerschaft der Weltreligionen”: ein Baby- oder Kleinkindstadium der “reifen” Religionen, das diese dann restlos abgestreift haben? Oder ein Potential, das immer noch bestimmte Seiten in uns anspricht, die z.T. auch nicht von den Weltreligonen verwandelt wurden. Hegel sprach diesbezüglich vom dreifachen Sinn des Wortes “aufheben”: überflüssig machen, bewahren und höherentwickeln. Haben also die Weltreligionen die Spiritualität früherer Zeiten in diesem Sinne “aufgehoben”?

  4. @ R. Sünner: nicht aufgehoben

    Lieber Rüdiger Sünner,

    die in der antiken Mittelmeerwelt entstandenen Weltreligionen haben ja gerade WESENTLICHSTE Aspekte der mitteleuropäischen, bronzezeitlichen Religiosität NICHT “aufgehoben” (- weder in diesem, noch in jenem Sinne), sondern sie sind in der Wissenschaft wiederentdeckt und weiterentwickelt worden.

    Jan Assmann zeigt doch gut auf, wie sich damals aristotelische und mosaische Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch erst als ein weltgeschichtliches Novum herausbildeten. DAMIT begann bestimmt eine Dialektik. Aber wie will man die an die bronzezeitliche Religiosität anknüpfen?

    Man möchte doch meinen, daß sich mit der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Sternenhimmel eine andere Art von Spiritualität verbindet (in heutigem Sinne), als – sagen wir – mit Eingeweidebeschauung. Aus letzteren Priesterfunktionen vor allem hat sich doch wohl die mosaische Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch herausentwickelt.

  5. Anmerkujngn

    @Bading:
    Richtig, die Abspaltung von Religion in einen eigenen, abgeschlossenen Bereich der Kultur ist in der gesamten Geschichte des Homo Sapiens eine relativ neue Entwicklung. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass diese Entwicklung bereits in der Bronzezeit begann und zwar mit der Ausbildung einer eigenen, getrennten Priesterkaste (hier wie überall bei der Diskussion über Kulturen der Bronzezeit sollte man sich der begrenzten Aussagefähigkeit der archäologischen Daten bewusst sein. Die Existenz einer Priesterkaste z.B. ist eine spekulative Extrapolation aus diesen Daten. Eine solche Spekulation kann sehr plausibel sein, verifizierbar ist sie bisher nicht).

    Zur Unterscheidung von “wahr” und “falsch” im Bereich der Religion: Innerhalb des Judentums kommt sie erst in der nachexilischen Zeit (ca. 600 v.Chr.) zur vollen Entfaltung, z.B. in der Polemik von Deuterojesaias gegen die Kultpraxis der polytheistischen Umwelt. Damit fällt sie aber in die sog. Achsenzeit, in der alle Hochreligionen entstanden sind. Und alle diese Hochreligionen operieren mit “wahr” und “falsch” bzw. “richtig” und “unrichtig”. Die Reden des Buddha etwa sind scharfe Argumentationen für die Wahrheit seines eigenen und die Falschheit entgegengesetzter Standpunkte.

    @Blume:
    Nur eine kleine Beckmesserei: Die Figur des zauberkräftigen Schmieds stammt weit eher aus der Eisenzeit, als die Schmiede die arkane Kunst entwickelten, aus dem unbrauchbaren Weicheisen Stahl zu erzeugen (durch das Austreiben des hohen Kohlenstoffanteils und die Überführung des zurückbleibenden Kohlenstoffs in eine kristalline Strukur). Bronze ist bereits nach dem Guss gebrauchsfertig und muss nur punktuell nachgehärtet werden.

    Ansonsten bin ich sehr dafür, die einheitliche Betrachtung von Religion als “Glauben an übernatürliche Akteure” auszudifferenzieren und die Entwicklung dieses kulturellen Phänomens durch die Jahrtausende auch theoretisch anzugehen.

  6. Gott in oder ausserhalb der Natur

    Die Hauptfrage bzgl. des “Aufhebens” bronzezeitlicher Religiosität durch die Monotheismen dürfte wohl die Frage sein, ob Gott innerhalb oder ausserhalb der Natur zu suchen ist. Judentum und Christentum neigen wohl dazu, Gott nicht in den Elementen oder in den Naturzyklen zu sehen, sondern ausserhalb dieser als abstrakte Gestalt. Davon muss man sich bei der “Wendezeit” etwas versprochen haben.
    Heute aber neigen viele Menschen dazu, auch in der Natur etwas Göttliches sehen zu wollen: vielleicht wegen der ökologischen Krise, wegen der Sinnlichkeit einer solchen Spiritualität, wegen ihrer Kompatibilität mit Naturwissenschaft. U.a. daher erfahren die Himmelsscheibe von Nebra, der Sonnenwagen von Trundholm oder die schwedischen Felszeichnungen von Tanum grosse Aufmerksamkeit. Wir reagieren auf die Poesie und Naturnähe dieser Objekte.
    Interessant die positiven Bemerkungen des Papstes zu ökologischen Fragen. Vielleicht ahnt er, dass sein monotheistischer Gottesbegriff die “Wunder der Natur” zu lange ausgegrenzt hat und sieht, wie viele Menschen sich von anderen, naturnäheren Formen der Spiritualität angezogen fühlen.
    Interessanter Youtube-Beitrag von Eugen Drewermann, in der er seine christliche Haltung zu Gott und Natur klarmacht:
    http://www.youtube.com/watch?v=JlkwuyTHoqw
    Für den Theologen Drewermann kann Gott nicht in der Natur sein, weil diese vor allem gleichgültig und grausam sei. Er müsse ausserhalb stehen wie ein Leuchtturm in der Brandung. Das u.a. haben vorchristliche Religionen anders gesehen.

  7. Was bei diesem Blog auffällt ist die ausgesprochen hohe Kommentarqualität(wollte ich nur mal bemerkt haben).
    ….ehe ich einsteige, hätte ich noch eine Frage: Ostasien fehlt in der Betrachtung der Bronzezeit komplett, und zwar sowohl auf der Darstellung der Verbreitung der Bronzetechnik, als auch auf der Darstellung zu den Handelswegen. Auch im Text spielt beispielsweise China keine Rolle.
    Ist die Quellenlage so dermaßen schlecht, oder hat die Ausklammerung Ostasiens einen anderen Grund?

  8. Das große Bild

    Ich möchte noch einmal betonen, dass die Engführung “Monotheisums vs. (bronzezeitliche) Naturreligion” das große Bild unberücksichtigt lässt. In der Achsenzeit (ca. 800 v.Chr.) entstanden im ganzen Zivilisationsgürtel von China bis in den nahen Osten eine ganze Reihe von neuen Religionen wie Konfuzianismus, Taoismus, Buddhismus und eben auch der jüdische Monotheismus. Keine von diesen Religionen nahm Bezug auf die “Wunder der Natur”.

    Wenn man nicht von einer Verschwörungstheorie ausgeht (all die neuen Glaubensformen sind Hand in Hand über die Naturreligionen hergefallen), so muss man davon annehmen, dass umgekehrt die Erklärungskraft der alten Formen auf breiter Front zusammen gebrochen ist und die neuen Formen entwickelt werden mussten, um dieses Vakuum auszufüllen. Dazu passt insbesondere, dass die neuen Hochreligionen ganz unterschiedliche Ansätze gefunden haben, um so etwas wie “Sinngebung” anbieten zu können.

    Der Aspekt einer göttlichen Natur ist übrigens nur ein und manchmal noch nicht einmal das markanteste Merkmal bronzezeitlicher Religiosität. Mindestens ebenso wichtig war die sakrale Aufladung und Abstützung der gesellschaftlichen Ordnung (siehe das alte Ägypten).

  9. Priester und ihre Funktionen

    Ich möchte die Diskussion ja nicht groß stören (müsste ja auch mal wieder an Eigenes denken…).
    Hier im Blogbeitrag und in den Kommentaren werden wichtige Zusammenhänge genannt; und dem Lob von Francois Pütz möchte ich mich ausdrücklich anschließen.
    Nur eines stört mich gerade: Ingo Badings Bemerkungen zur Eingeweideschau als priesterliche Handlung; und das gegen aufkommendes wissenschaftliches Denken ausgespielt. Als ob gerade damit priesterliches Handeln auf den Nenner zu bringen wäre. Ich bitte also, nicht alles über diesen einen Leisten schlagen.
    Das alles gab es natürlich. Mir eher bekannt aus dem griechisch/ römischen/ germanischen/ keltischen Bereich; aber auch dort nicht ausschließlich. Der Sternenhimmel gehört überall auch dazu. Und dementsprechend die Anweisungen zur Einteilung von Jahr und Tag.
    Zur Bibel: So weit ich sie kenne, gibt allerdings sicher auch ausgeblendete Ecken, gibt es dort zwar gelegentlich Anklänge an derartige magische Praktiken. Aber priesterliches Beschauen von Opfertieren wird dort hauptsächlich charakterisiert als – natürlich vor-wissenschaftliche – Form von Hygiene und Ausschluss von kranken Opfertieren (auch, um ein betrügerisches Vorgaukeln eines wertvollen „Opfers“ auszuschließen). Eingeweide u.ä. kommt mehr unter den Blickwinkel der Entsorgung als etwa dem eines magischen Zeichens. Also letzten Endes, auch wenn die Begründungen und Entscheidungskriterien natürlich nicht auf modernem Stand sind, doch relativ „vernünftig“ in ihrer Absicht.
    Und die bei den Propheten besonders scharfe (und in dieser Schärfe natürlich auch vor-wissenschaftlich) Unterscheidung von „Gut und Böse“ überlappt sich weitgehend mit der, die auch alttestamentliche Priester zu treffen hatten (und entspricht deren Sprachgebrauch) – auch wenn sie darüber in Gegensatz gerieten: Moralische Fragen von Recht und Gerechtigkeit.

  10. Unabgegoltenes, Unaufgehobenes

    Eine Verschwörungstheorie “naturreligiöse Bronzezeit versus Monotheismus” ist Unsinn, wird aber von neuheidnischen und völkischen Kreisen gerne vorgenommen. Vor allem was die nordische Bronzezeit betrifft. Aber die Frage bleibt: was rührt uns heute an Himmelsscheiben, Goldhüten, Schiffssteinsetzungen (oder entsprechenden Objekten der minoischen oder ägyptischen Kultur) noch an, wenn das alles über 3000 Jahre alt ist und von anderen Kulturformen erfolgreich abgelöst wurde? Warum zeigt ein Wissenschaftler wie Assmann eine solche Faszination für die Kultur vor der “mosaischen Wende”? Auch Sloterdijk in “Gottes Eifer”?
    Historisch kann es durchaus sein, dass die Erklärungskraft der alten Formen zusammenbrach, aber man müsste genauer analysieren warum und was die neuen Formen an deren Stelle setzen konnten. Ein ethisch-humanistisches Potential?
    “Sakrale Abstützung der gesellschaftlichen Ordnung” ist zu wenig. Das mag es vorher auch schon gegeben haben. Blosse phantasievolle Rückprojektionen in Ermangelung von Fakten? Dann müssen aber immerhin die alten Formen starke Emotionen in uns ausgelöst haben. Welche Emotionen sind das und warum wurden sie nicht von den Nachfolge-Religionen befriedigt?

  11. Bronzezeit “Hochreligionen” etc.

    Ich bin mir nicht sicher, ob das hier reinpasst. Aber im alten Orient hat man sich schon viel früher als 800BCE Gedanken über Theodizee etc. gemacht und wir verfügen zusätzlich auch über schriftliche Quellen aus jener Zeit.
    Ob man deren Religion, die sich immerhin über Jahrtausende gehalten hat, einfach von den “Hochreligionen” unterscheiden kann halte ich für schwierig – vor allem wo in den “Hochreligionen” oft einiges an alter Mythologie erhalten geblieben ist.

  12. “Gott in- und außerhalb der Natur”

    1.

    Diese Unterscheidung “in- und außerhalb der Natur” ist in unserem modernen Sinne erst seit der frühen Neuzeit möglich. Um so mehr man “innerweltliche” kausale Erklärungen für vormals als “göttlich” angesehene Eingriffe in den Kausalablauf der Natur fand, um so mehr mußte sich Gott aus der Natur zurückziehen, WENN (!!!!), WENN man die Natur selbst nicht mit dem Göttlichen in eins setzte.

    Warum sich die Theologen ihren Gegenstand bis heute so aus der Natur hinaus haben drängen lassen, kann man durchaus als rätselhaft empfinden. Und das ist meiner Meinung nach seither noch viel zu wenig diskutiert worden. Denn dadurch haben sie eine denkbar schwache Position eingenommen, die nach und nach bis heute immer schwächer wurde und schwächer werden mußte.

    Meiner Meinung nach kann man die gesamte Bibel auch naturalistisch lesen – eben zusammengenommen mit jener “Entmythologisierung des Christentums”, die ja auch jene vornehmen müssen, die die Bibel übernatürlich lesen. Das ist, soweit ich sehe, reine Interpretationssache.

    Die Autoren der Bibel hatten noch nicht unser seit der frühen Neuzeit geprägtes Naturverständnis, das überhaupt erst diese saubere Trennung in natürlich und übernatürlich erlaubt. Der Teufel, nach dem Luther sein Tintenfaß warf, war für Luther kein “übernatürliches Wesen”. Ebensowenig ist man gezwungen, den Gott, der im Dornenstrauch “spricht” etc. pp. als übernatürliches Wesen zu interpretieren. Dadurch begeben sich die Theologen erst auf jene Position, die so viele Menschen so ausgeprägt “vom Glauben abfallen” läßt in letzter Zeit.

    2. Herr Aichele, Sie erwähnen im Vorübergehen, daß die Priester der klassischen Antike auch Astronomie (im bronzezeitlichen und modernen Sinne?) betrieben hätten. Ehrlich gesagt, fallen mir dazu keine guten Beispiele ein. Aber so im Vordergrund – schon der Architektur – wie in der mitteleuropäischen Bronzezeit scheint mir die Astronomie in der klassischen, antiken Religiosität nicht zu stehen.

    Auch der Philosophen- und der Priesterstand waren ja einigermaßen deutlich voneinander geschieden schon bei den Griechen.

    Den Eingeweidebeschauer nannte ich nur deshalb, weil er ebenso einen hohen Zeremonialhut trug, wie auch jene astronomisch informierten Goldhut-Träger/Innen der Bronzezeit. Aber ihre Haupttätigkeit bestand eben nun in viel wissenschafts-fernerer Tätigkeit, als in der Bronzezeit. Und in diesem Aspekt ähneln sie den monotheistischen Priestern.

    3. Zu der Forderung nach dem Einbezug Chinas oder Indiens: Da eben die mitteleuropäischen Bronzezeit durch eine so ausgeprägt wissenschaftsnahe Religiosität geprägt ist (was wir ja im Grunde in diesem Umfang erst seit wenigen Jahren wissen), und von so ausgeprägt gegensätzlicher Religiosität mit Beginn der Eisenzeit abgelöst worden zu sein scheint (auch in Mitteleuropa selbst), wäre zunächst zu fragen, ob sich die Religionsgeschichte Chinas auch in solchen phasenverschobenen Gegensätzen abgelaufen ist.

    Zu dieser Frage fällt mir nur ein, daß die ältesten Schrifttafeln Chinas einen Wust von okkulten und magischen “Zaubersprüchen” enthalten, was man wohl zunächst alles nicht als sehr wissenschaftsnah wird nennen wollen. Astronomie soll es aber, glaube ich, in China auch schon sehr früh gegeben haben.

  13. Naturreligion?

    Ist es eigentlich richtig, die bronzezeitliche Religiosität (Mitteleuropas oder des Mittelmeerraumes) eine Naturreligion zu nennen?

    Am ehesten, denke ich, wird man sie vergleichen können mit dem ägyptischen, dem hethitischen oder dem griechischen “Götterhimmel”. Aber die nennt man ja auch nicht Naturreligionen.

    Vielen ihrer Götter merkt man ja ihre Herkunft als Repräsentanten von Naturkräften noch an. Aber nicht allen. Es war bestimmt Polytheismus in verschiedenen Abstufungen. Und es waren Stammes- und Volksreligionen im Gegensatz zu Weltreligionen.

    Auf jeden Fall waren es Religionen im “protourbanen” Zusammenhang (so wie auch bei den Kelten). Da sollte man doch eigentlich nicht mehr von Naturreligionen sprechen.

    Sollte der Begriff Naturreligion nicht Jägern und Sammlern vorbehalten bleiben? Auch der Wikipedia-Artikel zu Naturreligion bezeichnet ihn als “veralteten” Begriff, ist aber sonst wenig hilfreich, da er keine besseren Alternativen anbietet.

    Vielleicht muß die Religionswissenschaft mit der Zunahme der archäologischen Kenntnisse überhaupt nach und nach mehr differenzieren und genauer ein- und zuordnen. Sicherlich eine spannende Aufgabe.

    Einen echten hohen Zeremonialhut hat man bei tocharischen Wüstenmumien bei einer Frau (“Frau von Subashi”) gefunden, der auch medizinische Utensilien beigegeben waren. Daß man bei der Interpretation mitteleuropäischer Goldhüte anfangs immer nur an männliche Priester gedacht hat, sagt wohl deshalb erst einmal etwas über die Kultur, in der wir selbst leben, als daß dies eine vorurteilsfreie Annäherung an die Bronzezeit wäre.

    Schließlich stehen auch noch in der griechischen Antike männliche Seher und weibliche Seherinnen weitgehend “gleichberechtigt” mit ähnlichem Ansehen nebeneinander.

  14. Bronzezeit als Naturreligion?

    Eric Djebe nannte die Bronzezeit eine “Naturreligion”. Ich würde hier diesen Begriff nicht benutzen. Ihre Kultobjekte und -anlagen sind halt um Sonne, Mond und Sterne orientiert, also um beobachtbare Naturdinge. Dass Luren im Moor gefunden wurden, könnte evt. auch auf die Verehrung der Erde schliessen lassen.
    Ob man die Religion der Bronzezeit mit dem ägyptischen Götterhimmel vergleichen kann? Wir wissen halt nicht, ob diese Menschen eine Vielfalt von Göttern in dem Sinne hatten. Eindeutig stehen die Sonne und ihr Lauf im Mittelpunkt ihrer Anbetung, ähnlich wie im vorangegangenen Neolithikum. Ob sie die Sonne als Gottheit oder personartiges Wesen sahen, ist schwer zu beantworten.
    Oscar Almgren hat – wenn ich mich recht erinnere – in seiner Studie über “Nordische Felszeichnungen” Parallelen gezogen zwischen der ägyptischen Sonnenbarke und Sonnenschiffen mit kreisförmigen Objekten in Tanum. Auch die Himmelsscheibe enthält ja eine schiffsförmige Darstellung. Das Sonnenschiff als multikulturelles Symbol vor 3600 Jahren?
    Immerhin sahen die frühen Menschen in der Sonne wohl ein gewaltiges Mysterium, dem man in Dankbarkeit und Verehrung huldigte. Wenn ich lese, dass unsere Sonne sekündlich 4,3 Millionen Tonne Materie in Energie umwandelt, kommen in mir ähnliche Gefühle auf.

  15. @ R. Sünner: Sonne, Mari etc.

    Schöner Kommentar! Danke!

    Man muß wohl auch beachten, daß in Mitteleuropa eben nicht Mittelmeer-Klima herrschte und man sich deshalb nach dem Winter auf die Rückkehr der Sonne freute, bzw. auf “Sonnenwende”.

    Irgendwo wurde in den letzten Jahren auch aufgezeigt, daß die Bauweise der mitteleuropäischen, bronzezeitlichen Langhäuser einen Wärmedämmwert der Wände erreichte, der durch moderne Forschung erst im letzten Jahrzehnt wieder erreicht worden ist.

    Das zeigt ja auch, wie wesentlich damals die Abwehr der Kälte war. (Übrigens waren diese Wände – wie im Mittelmeerraum – mit farbenfrohen Mustern bemalt.)

    Übrigens zeigen auch die Grabanlagen und Tätowierungen der westindogermanischen Wüstenmumien der Tocharer in der Taklamakan zahlreiche Bezüge zur Sonne auf.

    Ich glaube, ein Ansatz von mehreren ist, sich klar zu machen, daß die Menschen der Bronzezeit aus heutiger Sicht im wahrsten Sinne des Wortes “märchenhaft” waren, märchenhaft bewaffnet waren, märchenhaft bekleidet waren und ich möchte meinen, die Schlußfolgerung ist erlaubt, daß man ihnen dann auch eine “märchenhafte” Religiosität unterstellen darf (die mit dem Begriff “Mythos” wohl allzu plakativ in eine Schublade gesteckt wird).

    Ich hatte auf meinem Blog schon folgende Hypothese zur Religionsgeschichte der mitteleuropäischen Bronzezeit geäußert: Es könnte vermutet werden: “Um so stärker und allgemeiner man an personale Gottheiten glaubte, um so deutlicher traten für die Gläubigen astronomische Beobachtungen in religiösen Zusammenhängen in den Hintergrund.”

    “Die Götter, die zunächst in den Sternbildern des Himmels wohnten, wären dann zunächst (auch über die berühmte “Himmelsbarke”?) auf die Gipfel der Berge herunter gekommen (Olymp, Tianshan …), sie wären “Berggötter” geworden (offenbar auch noch bei den Tocharern westlich des Tianshan), um dann schließlich mehr und mehr die von den Menschen für sie künstlich errichteten Wohnstätten – Heilige Bezirke, Grabhügel, Tempel, Quellen – selbst und im Dienst der Menschen zu “bewohnen”. Dabei wurden sie natürlich immer “menschenähnlicher”, immer “personaler”, immer “kleiner” (im Sinne Giordano Bruno’s).”

    Tacitus berichtet ja so deutlich von den Germanen, daß neben der Auffassung personaler Gottheiten noch die Ansicht bestehen blieb, daß Tempel und Götterstatuen zu “klein” sind, um das Göttliche angemessen zu fassen, also “der Hoheit der Himmlischen unangemessen” sei.

    Ich glaube, auch eine sorgfältige Auswertung der religiösen Bräuche und des religiösen Denkens des Volkes der Mari in Rußland, des “letzten heidnischen Volkes Europas”, dürfte manche Erkenntnisse bringen über die Mentalität der bronzezeitlichen Religiosität in Mitteleuropa, bzw. vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der man sie sich im Alltag gelebt vorstellen kann.

    Sie sehen den Wald als heilig an und feiern in ihm ihre Feste. Ich fand dazu einmal die Filme im Netz von einem Aleksei Alekseijev ganz interessant:

    http://vimeo.com/24310887

    Siehe auch diesen Artikel:

    http://www.woz.ch/artikel/archiv/10374.html

  16. @all

    Die Tagung war ganz großartig gewesen – und zeitlich so dicht, dass ich zwar die Kommentardiskussion hier verfolgen, aber nicht selbst kommentieren konnte.

    Wie ich jedoch sehe, ist daraus eine hochkarätige und spannende Diskussion geworden, für die ich allen Beteiligten herzlich danken möchte! Gerne gehe ich kurz auf jene Anfragen ein, die sich direkt an mich richteten.

    @Ingo Bading
    Dir haben ja die Anderen schon reichhaltig geantwortet, deswegen von mir nur ein Hinweis: Die Verehrung von überempirischen Akteuren richtet sich regelmäßig auf materiell existierende Entitäten wie die Sonne, einen Berg, eine Statue oder auch das gesamte Universum – es ist die geglaubte Personaleigenschaft (die Du-Ansprechbarkeit), die empirisch nicht zugänglich ist. Die Religiosität der Bronzezeit richtete sich also ebenso an überempirische Akteure wie es Luther tat, dass sie selbst noch keine entsprechende, wissenschaftliche Klassifizierung kennen konnten, ändert daran nichts.

    Der von Dir so verachtete Moses bzw. Monotheismus ist in der (späten) Bronzezeit zu verorten – gerade auch, wenn man Assmann’s (allerdings umstrittener) Echnaton-Herleitung folgt. Und in die Überlieferungen aller abrahamischen Religionen sind auch bronzezeitliche Traditionen eingegangen. Eine bloße Gegenübersetzung ist m.E. nicht möglich.

    Ganz Deiner Meinung bin ich aber im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit (auch) von Priesterinnen, das habe ich auch auf der Tagung so vertreten. 🙂

    @Rüdiger Sünner
    Die bronzezeitlichen, religiösen Überlieferungen wirken m.E. bis in unsere Zeit fort, haben ja auch entscheidende Grundstrukturen ausgeprägt. M.E. sollten wir die Bronzezeit besser kennen lernen, nicht um sie in einer Art Regress zu glorifizieren, sondern um etwas über unsere Wurzeln und ggf. auch Fehler zu lernen. Für Deine These, dass sich neue religiöse Suchbewegungen verstärkt um Fragen der Ökologie sorgen habe ich neulich (aber schon vor der Papstrede! 😉 ) empirische Belege gefunden und hier veröffentlicht:
    http://www.blume-religionswissenschaft.de/…e.pdf

    @Eric Djebe
    Großartige Kommentare & von mir 95% Zustimmung! 🙂 In der Benennung der Bronzebearbeiter als “Schmiede” bin ich Mai gefolgt, der auch im Hinblick auf die Erweiterung (!) der Kupferbearbeitung und des “Geheimwissens” um Legierungen, das Herstellen von Formen etc. richtig gewählt hat. “Bronzegießer” wäre m.E. zu eng. Aber Du hast natürlich Recht, dass wir heute mit Schmieden v.a. mittelalterliche Vorstellungen verbinden.

    Hier und auch bei der Definition-Religions-Frage bin ich aber für bessere Vorschläge immer offen, es gab dazu hier eine überaus lebendige Debatte!
    https://scilogs.spektrum.de/…e-definition-von-religion

    @Hermann Aichele
    Habe wieder sehr genau und mit viel Kopfnicken gelesen. Und möchte Dir zustimmen, dass wir nicht wissen, ob bzw. ab wann eine Priester”kaste” bestand, die ja die lebenslängliche und ggf. sogar vererbliche Funktion beschreibt. Priester”rollen” können dagegen zeitlich beschränkt – und ggf. auch ohne Anspruch auf materielle Gegenleistungen – schon früher ausgeübt worden sein. Hier ist begrifflich und archäologisch noch viel zu leisten, auch im Hinblick auf die Frage nach den Geschlechtern.

    @Francois Pütz
    Danke – und die Ausbreitung der Bronzezeit von “Spanien und China” habe ich deswegen nur kurz angedeutet, weil die asiatische Bronzezeit m.E. mehr ist als eine Randnotiz und ggf. eigene Betrachtungen verdient. Ein interessanter Zufall – just während Sie Ihren Kommentar posteten, erreichte mich die Nachricht über Funde zu einer neuen, bronzezeitlichen Kultur in Sibirien!
    http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1211721

    @einer
    Mal wieder ein Thema, bei dem wir einer Meinung sind – genau so sehe ich es auch. 🙂

  17. Herr Djebe

    Herr Djebe, Sie schreiben sehr gut, fast so gut wie H. Aichele und Dr. Blume! ^_^ Schreiben Sie doch bitte auch einmal einen längeren Gast-Text! Dr. Blume, Sie haben doch bestimmt dagegen keinen Einwand?!!? ~_~

  18. @ Michael:

    Lieber Michael,

    1. zur Epochenzuteilung

    Jan Assmann führt das monotheistische Prinzip selbst auf Echnaton zurück. Und Du sagst selbst, daß das nicht sehr klar ist. Sicherlich auch nicht so wesentlich. Denn führt er auch schon auf ihn die ja viel wesentlichere “mosaische Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch” zurück?

    Da er sie der “aristotelischen” gegenüberstellt, gehe ich davon aus, daß sich die mosaische in ABSTOSSUNG von der aristotelischen entwickelt hat, das heißt, wohl erst nach der Hellenisierung Palästinas und nachdem die Juden beim Nacktturnen als solche identifizierbar wurden (aufgrund ihrer Beschneidung, die deshalb viele Juden nicht mehr durchführen lassen wollten, als sie sich selbst hellenisierten) – also insgesamt in einer Zeit, als man emphatischer an seiner von der hellenischen Weltauffassung infrage gestellten, verlachten und mit Unverständnis betrachteten mosaischen festhalten wollte und sich dazu gezwungen hielt.

    Noch bei Tacitus liest man ja ungeheuer viel Unverständnis über die jüdische und christliche Religiosität aus, die sich wie ein Fremdkörper in der hellenisierten Welt ausnahm und sich dann wohl auch bewußt als solcher verstand und als solcher agierte. DADURCH erst entwickelte sich wohl diese mosaische “Schlagkraft”, dieses völlig neue Prinzip, daß das “logo di donai” der Griechen völlig unberücksichtigt ließ (vor etwa dem Hellenen Augustinus jedenfalls).

    Somit wäre die mosaische Unterscheidung in bewußter und letzter Konsequenz von den jüdischen Religionsanhängern erst in Auseinandersetzung mit der griechisch-römischen Kultur als solche formuliert worden. Bis dahin konnte sie wohl ähnlich als ein “Mythos” gelten wie so viele andere Religionen in diesem Raum. Schließlich fand man ja auch Hinweise auf weibliche Gottheiten im israelischen Raum in der Spätbronzezeit und in der Frühen Eisenzeit.

    2. zur “Du-Ansprechbarkeit”

    ich denke, die “Du-Ansprechbarkeit” findet ihre natürlichste Erklärung aus der Ahnenverehrung heraus und aus dem Glauben an das Weiterleben nach dem Tod. Da man beim damaligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse auch HIER nicht mit letzter Sicherheit entscheiden konnte, ob das möglich ist oder nicht, kann man auch diese “Du-Ansprechbarkeit” aus dem damaligen Selbstverständnis der Zeitgenossen heraus völlig naturalistisch interpretieren. Genauso konnte man ja nicht beweisen oder widerlegen, ob die gestorbenen Ahnen nicht tatsächlich hinter den Wolken auf uns herabschauen und unser Leben beobachten, beeinflussen etc.. Oder ob sie “aus dem Grab” heraus oder aus einem “heiligen Baum” heraus, aus einem “heiligen Berg”, einer “heiligen Quelle” heraus zu uns sprechen.

    Also betete man all dies an. Auch hier sehe ich nicht den Zwang, daß das notwendigerweise nur als supernaturalistisch interpretiert werden könne.

  19. @Ingo

    Ja, jede religiöse Minderheit muss ihre Identität auch in Abgrenzung zu ihrer Umwelt bewähren, sonst löst sie sich auf wie ein Tropfen im Wasserglas – vgl. den frühen Buddhismus in Indien, der wieder von der hinduistischen Mehrheitskultur aufgesogen wurde und zunächst nur außerhalb seines Herkunftslandes überlebte. Und was Du zur Ahnenverehrung schreibst, entspricht mithin genau dem, was unter überempirischen Akteuren verstanden wird. Selbstverständlich hatten die Menschen damals – und die meisten auch heute noch nicht – keine Vorstellung von Empirie o.ä., aber als wissenschaftliche Beobachter können wir feststellen, dass man ja nicht beweisen oder widerlegen konnte, ob die gestorbenen Ahnen nicht tatsächlich hinter den Wolken auf uns herabschauen und unser Leben beobachten, beeinflussen etc.. Oder ob sie “aus dem Grab” heraus oder aus einem “heiligen Baum” heraus, aus einem “heiligen Berg”, einer “heiligen Quelle” heraus zu uns sprechen. Also betete man all dies an.

    Genau das, lieber @Ingo, ist die evolutionäre Definition von Religiosität, die selbstverständlich in keiner Weise selbst “supernaturalistisch” ist. Hat es jetzt endlich “Klick” gemacht? 🙂

  20. @Kasslerin

    Also, DIESEM Wunsche kann entsprochen werden. In der Tat hat @Eric Djebe bereits einen Gastbeitrag mit eigenen Überlegungen verfasst, der morgen früh auf den Chronologs zu finden sein wird.

    Und wer es gar nicht abwarten kann, dem sei schon ein Spickeln (aber bitte noch kein Kommentieren) vorab gestattet 😉
    https://scilogs.spektrum.de/…astbeitrag-von-eric-djebe

    Beste Grüße!

  21. – Klick?

    Lieber Michael,

    freut mich ja, daß du mir zustimmst. Aber nur um der Klarheit willen: Früher hat sich das bei dir immer anders angehört. Hast du da nicht Religiosität definiert als Glaube an übernatürliche Akteure?

    Benutzt du diese Definition nun noch oder nicht?

    Oder darf ich ableiten, daß du dieser Definition nun mit diesen deinen Worten eine neue, endlich einmal so angemessene Auslegung gibst, wie ich sie bei dir bislang immer vermißt hatte?

    Bei dieser Auslegung wird dann aber die frühere Definition wohl sehr beliebig. Denn was für eine Aussage wäre das wohl, wenn ich sage: Religiosität ist Glaube an übernatürliche Akteure, die von den Glaubenden vor der neuzeitlichen Naturwissenschaft auch als natürliche Akteure verstanden worden sein konnten?

    Sollte man dann das Phänomen Religiosität nicht doch versuchen, etwas anders zu umreißen?

    Jedenfalls bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob es bei dir schon Klick gemacht hat, habe aber irgendwie den Eindruck gewonnen, daß du doch auf gutem Wege bist.

  22. Herr Bading

    Man bzw. Frau schreibt es ja nur ungern: Aber ausser Ihnen haben es längst alle Nat. d. Glaubens-Interessierte erfasst… ^_^

  23. @Ingo

    Dein Selbstbewusstsein in allen Ehren, aber es geht hier in der Tat nicht nur um “meine” persönliche Definition, sondern um die am weitesten verbreitete Arbeitsdefinition von Religiosität in der Evolutionsforschung.

    Darwin selbst schrieb bereits vom “belief in spiritual beings” – dem Glauben an geistige Wesenheiten – und die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen benutzen heute den Begriff supernatural agents – übernatürliche Akteure – dafür. Da der Naturbegriff jedoch sehr unbestimmt ist, gehöre ich zu jenen, die den noch etwas präziseren Begriff superempirical agents – überempirische Akteure bevorzugen.

    Wenn Du also schreibst: Denn was für eine Aussage wäre das wohl, wenn ich sage: Religiosität ist Glaube an übernatürliche Akteure, die von den Glaubenden vor der neuzeitlichen Naturwissenschaft auch als natürliche Akteure verstanden worden sein konnten? – dann hast Du es endlich verstanden. Wenn wir ein Merkmal evolutionär erforschen, dann tun wir das immer aus der Außenperspektive und es ist völlig unerheblich, ob die Betreffenden die gleichen Begriffe verwenden. Wenn wir z.B. die Evolution von Musikalität bei Menschen, Vögeln und Walen erforschen, so können wir das tun, ohne vorher alle Menschen, Vögel und Wale nach ihren Definitionen von Musikalität gefragt zu haben. Und das Gleiche gilt für Religiosität.

    Selbstverständlich musst Du mit dieser (Arbeits-)Definition nicht zufrieden sein, sondern kannst jederzeit eine bessere vorschlagen, gerne z.B. hier:
    https://scilogs.spektrum.de/…e-definition-von-religion

    Wenn Du keine bessere Alternative in petto hast, so kann ich Dir nur versichern, dass wir zu Dutzenden und seit Jahren sehr gut mit dieser Definition arbeiten und ich es also gerne dabei bewenden lassen würde.

  24. Eine religiös aktive Zeit

    So eine Zusammenstellung bringt immer neue Informationen, frischt alte zum Thema auf und zeigt Hochperioden nach weiterer Forschung. Die Zeit vor 4000 bis fast 6000 Jahren war teilweise recht komplex, mehr als manchmal bekannt war. Selbst in China gab es schon vor um 5000 Jahren Bronze http://de.wikipedia.org/wiki/Bronze .
    Archäologie und Religionswissenschaften – eine gute Einsicht. Es betraf aber auch die Wissenschaften allgemein. In diese Zeit fällt auch die erst durch Archäologie und Schriftvergleich später erkannte Hochkultur der Sumerer, vgl. auch Prof. S. N. Kramer: Die Geschichte beginnt mit Sumer. Jedes der 25 Kapitel des Buches (Erstlinge aus der schriftlich überlieferten Geschichte der Menschheit) beginnt mit „Der, Die, Das erste…“
    Hier wird der Gott Ninurta (Sohn Enlils) als Lehrer des Bauern dargestellt, woraus sich ein vielseitiger Aufbruch im Bereich der Landwirtschaft und Versorgung erschließt. Der Gärtner Schukallituda pflanzte als erster schattenspendende Bäume, damit die Pflanzen für die Ernährung nicht in der Sonne verdorrten.

    Ein wichtiges Werk der sumerischen Keilschriften (7 Tafeln) ist das Enuma Elisch, heute auch als „Texte aus der Umwelt des Alten Testament [TUAT] 3,4“ bekannt oder „Babylonisches Schöpfungsepos“ http://www.dioezese-linz.at/…ung/enuma_elish.pdf . Extra hat die UNI Essen noch aufgelistet „Marduk schafft den Menschen“ http://www.uni-due.de/…urse-stuff/meso-enuma.htm . Hier hat Marduk (Sohn Ea/Enkis, Halbbruder von Enlil) sogar den Trennt zur Eingottreligion gezeigt, wobei es sonst noch eine Vielgötterwelt (Berggötter, Götter als Repräsentanten von Naturkräften, Sonnen- und Feuergottheiten) war, wie im Text angeführt.
    Als G. Smith 1872 die erste Übersetzung von Keilschrifttexten vorlegte, war die Sintflutgeschichte des „Gilgamesch Epos“ (12 Tafeln) dabei. Das „Erra Epos“ (5 Tafeln) behandelt u. a. Sodom und Gomorra. Es war religiös eine recht aktive Zeit, die sich sogar in der Bibel thematisch widerspiegelt.
    Enlils jüngster Sohn Ischkur war in der Metallverarbeitung am Titikakasee verantwortlich. Auch hier ging es um Gold sowie Kupfer (>60%) und Zinn für Bronze. Als die Spanier das Gold der einheimischen Bevölkerung in Amerika raubten, erfuhren sie eine ganz andere Geschichte und Bewertung des Goldes: Das Gold war das „gelbe Metall der Götter“ – sie hatten ihnen die Gewinnung und Bearbeitung erklärt und gezeigt.

  25. Gottesbild naturalisieren 🙂

    Der Papst fordert eine stärkere Naturalisierung des Menschenbildes. Da der Mensch nach Gottes Ebenbild gemacht ist, müßte er folgerichtigerweise dann auch eine Naturalisierung des Gottesbildes fordern. Und dann müßte er viel mehr einer umgekehrten Definition zustimmen:

    ********Religiosität ist Glaube an natürliche Akteure, die vor allem von monotheistischen Theologen und ihnen folgenden Gläubigen seit der neuzeitlichen Naturwissenschaft vornehmlich – und diskussionswürdiger Weise – als übernatürliche Akteure aufgefaßt werden.*************

    Diese Definition sagt letztlich das gleiche aus wie Deine, verlegt aber wohl doch sehr deutlich erkennbar den Schwerpunkt!

    Und der Vorteil ist: In diese Definition habe ich sogar Agnostiker und Atheisten mit eingeschlossen in eine noch viel größere Ö-K-U-M-E-N-E!!!!!!!!!! 🙂

    Denn die glauben ja in der Regel an solche natürlichen Akteure wie Dich und mich ebenfalls und an die natürlichen Vorgänge, die sich auch sonst im Weltall vollziehen.

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