Was kühlte die Welt in den Jahren 535 und 536 ab? CSI Geology #4

BLOG: Mente et Malleo

Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
Mente et Malleo

Seit der Mensch auf der Erde weilt, hängt sein Wohlergehen auch immer vom Klima ab. Abgesehen von unseren eigenen Experimenten mit dem Weltklima spielen hier auch diverse natürliche Faktoren hinein. Manche von ihnen können dabei recht drastische Wirkung entfalten und damit den Lauf unserer Geschichte stark beeinflussen. Die Erde ist nämlich, entgegen dem Refrain eines bekannten Barden, nicht unbedingt und immer freundlich. Sie kann, um es mal so auszudrücken, sogar zeitweise nicht nur unfreundlich werden, sondern auch höchst brutal. So in etwa jedenfalls muss es den Menschen vorgekommen sein, deren Welt sich innerhalb kurzer Zeit in einen sehr unangenehmen Ort verwandelte. Da halfen dann auch keine noch so großen und wohl gemeinten Opfergaben an weiß ich was für Götter.

In der Geschichte der Menschheit gibt es einige aus der Distanz betrachtet recht interessante Zeiten. Warum, so fragt man sich manchmal, sind große und blühende Gemeinwesen, reiche und Imperien oft so rasch zusammengebrochen? Es erscheint dass rätselhaft, warum Städte verlassen werden und Landstriche veröden, die eben (aus der zeitlichen Distanz betrachtet, das könne  durchaus einige Jahre oder Jahrzehnte sein, die der jeweilige Vorgang gedauert hat) noch blühten und wo die Menschen allem Anschein nach in Wohlstand und Frieden lebten?

Wenn man die Sache genauer untersucht, stößt man oft auf klimatische Veränderungen, welche das Leben in dem einstigen “Paradies” dann zu einer qualvollen Hölle machten und die Menschen zum auswandern veranlassten. Doch, so stellt sich gleich die nächste Frage, was hat diese Veränderungen letztlich verursacht? Und hier kommen die Detektive von CSI Geology wieder ins Spiel. In akribischer Kleinarbeit werden die Spuren freigelegt und verfolgt, bis der Übeltäter gefunden wird. Denn oft genug finden sich unter ihnen regelrechte Wiederholungstäter, die eventuell auch heute noch im Verborgenen lauern.

Ein Zeitraum, der bei derartigen Fragen immer wieder gerne aufgegriffen wird, sind die so genannten “Dark Ages” am Wendepunkt der Antike zum Mittelalter. Hier fällt besonders der Wetteranomalie von 535 / 536 eine Schlüsselrolle zu. In verschiedenen Bereichen der Erde zeigen Baumringe und andere klimatische Anzeiger sowie zeitgenössische Berichte deutlich eine dramatische Klimaverschlechterung an. Als Erklärungen werden mehrere Varianten gebracht. Zum einen ( und immer wieder gerne) sollen große Einschläge kosmischer Körper die Ursache sein.

Wahrscheinlicher (und besser belegte Ereignisse aus der Neuzeit zeigen es ja auch, z. B. 1783 die isländischen Vulkane Laki und Hekla sowie 1815/16 der Tambora in Indonesien), genauso wie der Pinatubo, der 1991 eine deutlich messbare Abkühlung verursacht hat) sind Vulkanausbrüche. Nun ist aber der Auslöser für die Wetteranomalie 535/36 nicht ganz so einfach zu finden. Denn wir haben (bislang) keine schriftliche Kunde, dass damals ein Vulkan ausgebrochen ist. Lediglich einige Indizien weisen auf einen recht massiven Ausbruch in der fraglichen Zeit hin.

Einer der ganz heißen Kandidaten als Täter ist der Ilopango Vulkan in El Salvador. Sein mutmaßlich Ausbruch förderte 20 bis 30 Kubikkilometer Magma und er tötete wohl auch alle Anwohner in einem Umkreis von 100 Kilometern. Möglicherweise ist er damit auch der Hauptverantwortliche für eine bemerkenswerte Fundlücke in der Maya-Kultur und mehr oder weniger auch, über Hunger und Mißernten für den Ausbruch der Beulenpest (justinianische Pest) 542 in Konstantinopel, welche  zum Mißerfolg der “Restauratio imperii” Kaiser Justinians führte und damit langfristig zum Untergang des Römischen Reiches mit beigetragen hat.

Wie genau man dem “Täter” in diesem Fall auf die Schliche gekommen ist, zeigt der unten verlinkte Film. Er mag vielleicht etwas zu sensationsheischend sein, aber das sind derartige Dokus gerne, das gehört anscheinend zu dem Genre genauso wie die “persönlichen” Leidensgeschichten fiktiver Zeitgenossen. Das muss man nicht mögen. Viel wichtige aber sind die Funde und die Interviews der beteiligten Wissenschaftler. Ob und wie die justinianische Pest nun mit dem Vulkan zusammenhängt, wird hier zwar auch nicht näher erläutert, aber ich finde schon alleine die zeitliche Nähe erstaunlich. Missernten in großen Teilen der Welt können sicher den Handel mit Getreide aus weniger betroffenen Weltgegenden beflügelt haben. Und so etwas machen sich Krankheitserreger schnell zu Nutze. Und eine vom Hunger und Klima geschwächte Bevölkerung hätte sicher auch weniger Widerstandskraft als eine gesunde und gut im Futter stehende.

https://www.youtube.com/watch?v=Jw_V4xUT0YQ

Sigl, M., Winstrup, M., McConnell, J., Welten, K., Plunkett, G., Ludlow, F., Büntgen, U., Caffee, M., Chellman, N., Dahl-Jensen, D., Fischer, H., Kipfstuhl, S., Kostick, C., Maselli, O., Mekhaldi, F., Mulvaney, R., Muscheler, R., Pasteris, D., Pilcher, J., Salzer, M., Schüpbach, S., Steffensen, J., Vinther, B., & Woodruff, T. (2015). Timing and climate forcing of volcanic eruptions for the past 2,500 years Nature DOI: 10.1038/nature14565

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

12 Kommentare

  1. Nun ja, CSI-Geology würde ich es nicht nennen, wenn man keine eindeutigen Indizien hat, sondern von den bekannten Vulkanen den als Täter nimmt, der noch am ehesten in Frage kommt. Das ist wie wenn sie sich in der Verbrechersuche nur auf bereits bekannte, registrierte Verbrecher beschränken.

  2. In der Geschichte der Menschheit gibt es einige aus der Distanz betrachtet recht interessante Zeiten. Warum, so fragt man sich manchmal, sind große und blühende Gemeinwesen, reiche und Imperien oft so rasch zusammengebrochen?
    (…)
    Wenn man die Sache genauer untersucht, stößt man oft auf klimatische Veränderungen, welche das Leben in dem einstigen “Paradies” dann zu einer qualvollen Hölle machten und die Menschen zum auswandern veranlassten.

    Beim Dritten Reich, der SU, dem Römischen Reich, sollten sie ‘schnell zusammengebrochen sein’, dem Osmanischen Reich, dem Mongolentum etc. – würde der Schreiber dieser Zeilen zumindest nicht an vorderer Stelle klimatische Bedingung als ursächlich erkennen wollen.


    Bemerkenswert und erklärungsbedürftig bleibt natürlich bestimmte Entwicklung, terrestrische Entwicklung von Oberflächentemperaturen betreffend und die Biosphäre, auch Dinosaurier meinend.

    Histologisch könnte diesbezügliche Erklärung auch im Kulturellen gesucht werden-

    MFG
    Dr. W

      • Ihr Kommentatorenfreund sieht halt bestimmte Unkenntnis historischer Art, bspw. die Trennung des Römischen Reichs betreffend, und wird ein wenig unfroh, wenn sie terrestrische Lebensbedingungen – wie etwa hier (“langfristig zum Untergang des Römischen Reiches” – des weströmischen Reichs?) oder dort (“Ob und wie die justinianische Pest nun mit dem Vulkan zusammenhängt”) – mit Kultur zusammenbringen.

        MFG
        Dr. W (der nichts gegen die Anrede in der bundesdeutsch üblichen Form Dritte Person Plural (!) hat)

    • Nein, dieser Webbär-Kommentar ist für einmal (Zitat) “nicht dunkel”. Er bezweifelt doch einfach ob Klimakatastrophen eine so wichtige Rolle in der Geschichte der menschlichen Kulturen gespielt haben wie heute immer wieder behauptet – vor allem in Klimawissenschaftskreisen taucht das Motiv “klimatisch bedingter Kulturuntergang” immer wieder auf.

      Damit gesellt er sich für einmal ins gleiche Lager wie der scilogs-Blogschreiber Ludwig Trepl, beispielweise klar dargestellt im Blogbeitrag Läßt sich der Untergang von Hochkulturen ökologisch erklären? Teil 1: Ressourcenmangel ist nicht die Ursache des Verschwindens von Städten
      Dort liest man

      Dazu einige Bemerkungen. Die eben zitierten Einwände [Maya-Kultur, Grönland-Bevölkerung durch Klimawandel “verschwunden”] kann man leicht zurückweisen. Wenn man zeigen kann, daß die Maya-Kultur nach eine Phase von immer stärker werdenden Dürren verschwand, ja selbst wenn man zeigen kann, daß sie damit „in Zusammenhang“ stand (und nicht nur zeitlich folgte), dann hat man noch nicht gezeigt, daß die Maya-Kultur „durch“ diese Dürren verschwand, selbst wenn man wahrscheinlich machen kann, daß die Dürren zum Verschwinden beigetragen haben. Und wenn Angkor verschwand, nachdem die natürlichen Ressourcen des Gebiets für die übergroß gewordene Stadt nicht mehr reichten, dann heißt das nicht, daß sie wegen des Ressourcenmangels verschwand.

      ..
      Ob eine Stadt verschwindet, also aufgegeben wird, oder ob sie als kleinere Stadt weiterbesteht und vielleicht später wieder wächst, hat gesellschaftliche Ursachen, nicht ökologische. Auch wenn beide nicht unabhängig voneinander sind, kann man doch meist angeben, was sinnvoll als Hautursache zu bezeichnen ist. Für den Bevölkerungsrückgang kann man in manchen Fällen den natürlich bedingten bzw. ökologisch erklärbaren Ressourcenmangel als Hauptursache betrachten, auch wenn in den meisten Fällen Ursachen, die allein auf der Ebene der gesellschaftlichen Beziehungen liegen, wichtiger sind, überwiegen (z. B. Kriege, die sich nicht als Kriege um natürliche Ressourcen erklären lassen).

      Für das Verschwinden von Städten oder Hochkulturen jedoch dürften solche natürlichen Faktoren so gut wie nie die Hauptursache sein. Rom hatte im Altertum viele Hunderttausend Einwohner, im Mittelalter nur noch ca. zwanzigtausend. Mehr konnte das Land vielleicht zu dieser Zeit ökologisch nicht tragen, Getreide aus Nordafrika war nicht mehr verfügbar, und das hatte keine ökologischen Ursachen. Aber untergegangen ist die Stadt trotz des enormen Bevölkerungsrückgangs nicht. Eine Stadt (oder eine Hochkultur) ist ein Gebilde ganz anderer Art als eine Ansammlung von Lebewesen, die sich ernähren müssen, auch wenn eine Ansammlung von Lebewesen der Spezies Homo sapiens eine Mindestbedingung ist, ohne die es Städte nicht geben kann.

      • Ich meinte auch mehr seinen leicht verschwurbelten Stil. Ich habe meist wenig Lust, die Bedeutung eines Satzes aus einem verschnörkelten und verschachtelten Satzbau heraus interpretierten zu müssen. Bäriger Stil ist meine Sache nicht. Davon aber abgesehen.

        Untergänge von Kulturen haben oft wohl recht komplexe Hintergründe und das Klima mag einer davon sein. Klimaverschlchterungen (welcher Natur auch immer) setzen eine Kultur aber sicher unter Druck. Knappheit und daher steigende Preise für Nahrung ist immer ein Problem. Es ist sicher kein Zufall, wenn geschichtlich interessante Zeiten zeitlich recht nah bei Klimapessima liegen. Ich würde dann durchaus dem Klima und seinen sozialen Folgen eine gehörige Portion Mitschuld geben. Die Umweltbedingungen lassen sich imho nicht komplett ausklammern, wenn geschichtliche Umwälzungen verstanden werden wollen. Satte Menschen neigen weniger zum wegziehen oder zur Revolution als hungernde und verzweifelte. das Thema ist aber wie gesagt recht komplex, und es mag nicht immer ein Zusammenhang zu finden sein.

  3. Ich habe zwei kleine nebensächliche Anmerkungen: Das Jahr 535/536 würde ich noch nicht zu den “Dark Ages” zählen. Das mag für Britannien schon zutreffen, wo das Römische Reich und seine Kultur schon früher verschwunden verschwunden war, aber nicht für Italien oder Byzanz, wo es noch immer relativ viele Quellen gibt.

    “welche zum Mißerfolg der “Restauratio imperii” Kaiser Justinians führte und damit langfristig zum Untergang des Römischen Reiches mit beigetragen hat.”

    Das weströmische Reich war schon lange untergegangen, 476 wurde der letzte weströmische Kaiser quasi als Schlusspunkt eines rasanten Abstiegs im 5. Jh. abgesetzt. Das oströmische Reich hielt noch länger.

    Abgesehen von diesen kleinen Ungenauigkeiten (Sie sind kein Historiker), stimme ich im Generellen auf jeden Fall zu. Starke klimatische Veränderungen sollte man als historischen Faktor nicht unterschätzen.
    Es könnte hier eine gewissen Verzerrung der historischen Erinnerung vorliegen. Extreme Wetterereignisse und Naturkatastrophen haben die Zeitgenossen zwar sehr mitgenommen und beeindruckt, aber sie verschwinden oft schneller aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschen als z.B. Kriege. Und der Historiker war (und ist?) geneigt, Informationen über schlimme Dinge in den Quellen erst einmal etwas abzudimmen, als ob grundsätzlich immer nur übertrieben werde.

  4. Kann nur ich das Video nicht sehen?
    “Der betreffende Nutzer hat das Video in deinem Land nicht zur Verfügung gestellt.”

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