Västervik-Fleckengestein – das kristalline Geschiebe des Jahres 2014

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Da die DGG und der BDG dieses Jahr irgendwie schwächeln und mit dem Gestein des Jahres nicht in die Puschen zu kommen scheinen, lassen wir die Gesellschaft für Geschiebekunde schnell einspringen ( nein, die schwächeln nicht. Das Gestein des Jahres 2014 ist der Phonolit [dazu in einem späteren Blogbeitrag mehr], aber die Meldung hat es allem Anschein nach noch nicht auf die offizielle “Gestein-des-Jahres-Webseite” geschafft. Also irgendjemand schwächelt also doch, irgendwie…). Die hat in diesem Jahr gleich zwei “Geschiebe des Jahres 2014” ausgewählt, jeweils 1 Sediment und ein kristallines Geschiebe, stellvertretend für die beiden Zweige der Geschiebeforschung. In diesem Jahr teilen sich das Västervik-Fleckengestein und der Beyrichienkalk die Ehre. Nordische Geschiebe tendieren zu sperrigen Namen. Lassen wir den Beyrichienkalk das Thema eines späteren Postings sein und wenden uns mit dem Fleckengestein einem wenig bekannten und doch auffälligem und dekorativem Gestein zu. Das gilt ganz besonders für die klassische rot-schwarz gefleckte Variante.
Fleckengneis

Västervik-Fleckenstein in einer typischen Variante mit rötlicher Matrix und schwarzen Flecken. Eigenes Foto, CC-Lizenz.
Das Fleckengestein besteht in seiner meist rötlichen Matrix überwiegend aus Alkalifeldspäten (Mikroklin), mit wenig Plagioklas und Quarz. Die Namensgebenden schwarzen Flecken bestehen aus Cordierit, der von Quarz, Feldspat, Muskovit durchsetzt sind. Die schwarze Färbung geht dabei auf dunkle Biotitschüppchen zurück, die im Cordierit eingeschlossen sind.

 

Das Gefüge des Fleckengesteins kann sehr unterschiedlich sein, je nachdem aus welcher Region des Anstehenden in Schweden (Region um Västervik, daher der Name) unser Geschiebe stammt. Manche sind vollkommen undeformiert, andere hingegen sind in ihrem Gesteinsleben bereits heftig in die Mangel genommen worden und gehen durchaus als (Flecken-)Gneise durch. Bei den undeformierten Vorkommen kann man zumindest im Herkunftsgebiet noch Hinweise auf sedimentäre Strukturen finden. Matthias Bräunlich hat auf seiner Seite (kristallin.de) viele Informationen und Bilder zusammengetragen, darunter auch von Strukturen, die durchaus als Wellenrippel durchgehen. Aus dem Geschiebe sind mir vergleichbare noch nicht bekannt, aber vielleicht werden ja noch welche gefunden.

 

Wellenrippel würden aber durchaus zu dem Gestein passen. Denn auch wenn es uns heute in Gestalt eines metamorphen Gesteins ( und damit eben als kristallines Geschiebe) entgegentritt, so war es ursprünglich ein Sediment. Für seine sedimentäre Herkunft spricht auch der Gehalt an Muskovit, KAl2[(OH,F)2|AlSi3O10]. In metamorphen Gesteinen deutet ein hoher Gehalt an Muskovit oft auf ein tonreiches Edukt (Ausgangsgestein) hin. Und so wird es auch in diversem Fall  wohl gewesen sein. dazu müssen wir aber eine sehr lange Zeitreise machen.

 

Vor rund 1850 bis 1880 Millionen Jahren befinden wir uns mitten im Proterozoikum, genauer gesagt, im Orosirium. Das Leben in den Ozeanen war von prokaryotischen Einzellern bestimmt. Der zunehmende Sauerstoffgehalt der Atmosphäre lies mit den Bändererzen wichtige Eisenerzlagerstätten entstehen. Deren Zeit sollte erst am Ende des Orosiriums (vermutlich im Zusammenhang mit dem Sudbury-Impakt)  vorbei sein.

 

In dieser wilden Zeit lag dort, wo sich heute in Schweden die Stadt Västervik befindet, ein großes Flussdelta, in das sandige und tonige Sedimente transportiert wurden. Es gibt Hinweise, dass dieses Delta in ein flaches, von Gezeiten beeinflusstes Meer mündete (eben die Wellenrippel, als Beispiel). Ich stelle mir manchmal in romantischen Momenten ein derartiges Delta vor. Wenn in einer schweigenden Welt (wer hätte damals denn auch Lärm machen sollen) die Flut, von einem viel näheren Mond deutlich stärker beeinflusst , hereinkommt. Und eben dieser Mond sehr groß (größer und eindrucksvoller als heute) aufgeht…

 

Lassen wir das.

 

Die Erde sah damals auch anders aus. Die Kontinente, die wir heute kennen, waren damals nicht mehr als ein ferner Traum. Selbst die bekannten Superkontinente, wie Pangäa oder Gondwana lagen noch in weiter Ferne. Das heutige Skandinavien lag noch in Einzelteilen vor, der heutige baltische Schild wollte auch noch erst werden. Unser kleiner kontinentaler Kern, auf dem das Flussdelta lag, befand sich auch noch nicht an seiner heutigen Position, sondern möglicherweise in tropischen Breiten (die genaue Paläogeographie ist durchaus umstritten)

 

Eventuell lagen jenseits des flachen Meeres, in das die Sedimente damals friedlich abgelagert wurden, aber schon andere kleine Kontinentstücke auf Kollisionskurs um vor rund 1800 Milionen Jahren während der svekofennidischen Gebirgsbildung mit unserem kleinen Kontinent zusammenzustoßen und  möglicherweise den Superkontinent Columbia mit aufzubauen. Auf jeden Fall wurden unsere Sedimente durch diese Ereignisse direkt betroffen. Es bildete sich eine Subduktionszone, durch die sie in die Tiefen der Erde transportiert wurden. Und durch die Hitze und den Druck verwandelten sich die Gesteine des ehemaligen Deltas, die Sande wurden zu Quarziten, die tonigen Bereiche zu unserem Fleckengestein. Dabei waren die mittlere Drücke und mittlere bis hohe Temperaturen beteiligt, also eine amphibolitfazielle Metamorphose. Damit spiegelt das Västervik-Fleckengestein die wechselvolle Geschichte unseres Kontinents über einen sehr langen Zeitraum wieder. Denn es musste ja nicht nur durch die Erosion der überlagernden Gesteine wieder an die Erdoberfläche zurückkehren (wozu es lange Zeit hatte), es wurde auch von den eiszeitlichen Gletschern aus seiner Heimat entführt. Als eines der wenigen metamorphen Leitgeschiebe kann es uns heute die Richtung aufzeigen, aus welcher das skandinavische Inlandeis mit seinen steinernen Passagieren einst  kam. Und durch seine Farben stellt es auch ein sehr attraktives Sammelstück dar, welches gerne als Souvenir beim Strandurlaub mitgenommen wird.

Und da sage noch einer, Geschiebekunde sei  nur grau und langweilig.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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