Tiefbeben unter Südspanien

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Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
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Montag, den 12. April um 12:08 Uhr hat unter dem Süden von Spanien die Erde gebebt. Das Beben mit seinem Epizentrum nur rund 25 Kilometer südöstlich von Granada, das immerhin eine Stärke von 6,3 (USGS) bzw. 5,9 (GEOFON) hatte, verursachte aber keine Schäden. Und weil eben kein Stein von der Alhambra heruntergefallen war, ist dieses Erdbeben unter den vielen tödlichen Erdbeben in diesem immer noch recht jungen Jahr wohl auch untergegangen. Dabei war das beben durchaus bemerkenswert, auch wenn an der Oberfläche wohl kaum einer wirklich viel gespürt haben wird. Denn dazu war es viel zu tief. Das Hypoentrum lag in einer Tiefe von rund 616 bis 622 Kilometern. Und das ist das bemerkenswerte daran, denn so tiefe Beben kennt man nur von Subduktionszonen. So kommen sie im pazifischen Feuerring vor, oder eben in Europa im Gebiet des Tyrrhenischen Meeres. Aber für Südspanien ist bislang keine Subduktionszone bekannt (es gibt aber einige Hinweise). Hinzu kommt, dass in diesen extremen Tiefen, wir befinden uns hier am Übergang des oberen zum unteren Erdmantel Der Druck ist hier so gewaltig ist, und das Gestein so heiß, dass es sich vermutlich plastisch verformt, bevor es genug Spannung aufbauen kann. Daher sollten ab einer Tiefe von rund 300 Kilometern und mehr als 10 Gigapascal Druck keine Erdbeben mehr möglich sein. Da aber diese Beben nun einmal eindeutig passieren, muss hier ein anderer Mechanismus zum Tragen kommen. In Experimenten hat man nachzuvollziehen versucht, was dort unten passiert. Dabei kam raus, dass sich ab einer Tiefe von rund 400 Kilometern das häufigste Mineral des Erdmantels, Olivin, in ein rund 6 % dichteres Mineral mit der Struktur von Spinell, umwandelt. Eine weitere derartige Phasenumwandlung erfolgt dann bei rund 660 Kilometern Tiefe, wenn auch der Spinell in zwei wieder rund 8 % dichtere Minerale zerfällt. Diese Vorgänge sind auch der Grund dafür, dass in diesen Tiefen die Geschwindigkeit der seismischen Wellen sprunghaft zunimmt.

In einem abtauchenden Lithosphärenkeil, wie er für Subduktionszonen typisch ist, sieht die Sache etwas verändert aus. Dieser Lithosphärenkeil ist kühler als der umgebende Mantel, daher kann dort die erste Phasenumwandlung bereits bei niedrigeren Drücken erfolgen. Auf der anderen Seite bleibt der Spinell auch bei höheren Drücken stabil. Das bedeutet, dass sich die Zone der Spinell-Stabilität im Bereich zwischen 300 und 700 Kilometern Tiefe befindet, und das ist wohl nicht nur zufällig die Tiefe, in der diese Tiefbeben auch vorkommen. Die Umwandlung von Olivin zu Spinell und weiter erfolgt nämlich nicht gleichmäßig, sondern oft von kleinen Zonen im Mineral aus. Die in einem Olivin entstehenden Spinellkriställchen ergeben Schwächezonen, an denen sich ein Druck schlagartig entladen kann.

 Lage des Epizentrums. USGS.

Was bedeutet das nun für unser Beben vom 12. April in Südspanien? Es ist ja nicht das einzige Erdbeben in dieser Tiefe hier. Bereits am 29. März 1954 (M = 7), am 30. Januar 1973, 8. März 1990 ereigneten sich ebenfalls Beben in vergleichbarer Tiefe von rund 620 Kilometern (Hinzu kommen noch eine Reihe von Erdbeben in einer Tiefe von 60 bis 100 Kilometern, aber die sollen hier nur eine untergeordnete Rolle spielen). Den Herdflächenlösungen nach zu Urteilen handelte es sich um Abschiebungsbeben, wie sie für Subduktionszonen zu erwarten sind. Sie deuten auf eine fast vertikale Fläche hin, die in Nord-Süd Richtung streicht, mit der Druckachse nach Ost. Das macht es problematisch, einen abgesunkenen Krustenblock in dieser Tiefe mit der aktuellen Plattenkollision von Europa (Spanien) mit Afrika (Marokko) hier in Verbindung zu bringen, deren Orientierung mehr Nord-Süd bis Nordwest-Südost verläuft. Möglicherweise hören wir hier quasi den Schwanengesang einer längst vergessenen Subduktionszone. Von der möglicherweise auch nicht mehr viel übrig ist, das noch zur Erzeugung von Erdbeben taugt. Zu den oben erwähnten Beben in den mittleren Tiefen von 60 bis 100 Kilometern besteht nämlich eine Lücke zwischen 150 und rund 600 Kilometern, in der keine Erdbeben vorkommen. Außerdem ist die Orientierung der Druckachsenrichtung entgegengesetzt.

Buforn, E., Udias, A., and Madariaga, R., 1991, Intermediate and deep earthquakes in Spain: Pure and Applied Geophysics, v. 136, p. 375–393.

Harry W. II Green 1995, Der Mechanismus von Tiefbeben. Spektrum d. Wissenschaft, 2/1995, S. 36 ff.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

4 Kommentare

  1. “Möglicherweise hören wir hier quasi den Schwanengesang einer längst vergessenen Subduktionszone.”

    Was wäre das dann konkret? Reste ozeanischer Platten, die an der Grenze zwischen oberem und unterem Mantel festhängen und sich langsam auflösen?

  2. So etwas in der Richtung. Es scheint sich ja “nur” um ein relativ kleines Stück alter Lithosphäre zu handeln, das nicht mehr weit nach “oben” in den oberen erdmantel hineinreicht. Wie weit es nach “unten” in den unteren Erdmantel reicht, kann ich (und vermutlich keiner) zur Zeit nicht sagen. Dazu müste man eventuell mal mit seismischer Tomographie die Erde unter Südspanien vermessen. Mir ist aber unbekannt, ob das durchgeführt wird oder wurde.

  3. Epizentrum

    Das Epizentrum ist der Punkt an dem die Erste Schwingungswelle durch das Erdbeben an der Erdoberfläche aufrtritt also exakt über dem Hypozentrum. Das Hypozentrum ist der Punkt 616-622km unter der Erdoberfläche… ich bitte dies zue berücksichtigen das Hypozentrum ist der punkt von wo das Erdbeben ausegeht und das Epizentrum ist der punkt wo man es an der Erdoberfläche zuerst spürt !

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