Industriekultur an der Ruhr: die Henrichshütte in Hattingen

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Das Ruhrgebiet ist immer noch eines der industriellen Zentren der Bundesrepublik. Im Laufe der Zeit hat sich die industrielle Nutzung dort teilweise sehr stark verändert, was nicht nur für die betroffenen Menschen manchmal extrem hart war, sondern auch die Kommunen vor große Herausforderungen stellte. Zum Glück war man hier aber immer auch gerne bereit, alte Zeugnisse für die Nachwelt zu erhalten. darunter manche Ikone der Industriekultur, wie zum Beispiel die Henrichshütte in Hattingen

Hattingen - Henrichshütte - Hochofen 3 02 ies
Henrichshütte in Hattingen, der verbliebene Hochofen 3. Foto von Frank Vincentz (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Die Henrichshütte in Hattingen war rund 150 Jahre das industrielle Zentrum der Stadt Hattingen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1854 bis zu ihrer stufenweisen Schließung (1987 die letzten beiden Hochöfen 2 und 3, 1993 das Walzwerk und 2003 als letztes die Schmiede) wurde hier Eisenerz verhüttet.

Der Namensgeber der Hütte, Graf Henrich zu Stollberg-Wernigerode besaß im 19. Jahrhundert etliche Hüttenwerke im Harz. Dort gingen aber die Rohstoffe zur Neige, so dass diese Werke nicht mehr profitabel waren. Sein Hüttenmeister Carl Roth hatte a, 13. Oktober 1854 eine Konzession beim königlichen Oberbergamt in Dortmund bekommen. Das Ruhrgebiet und speziell das Gebiet hier in Hattingen hatte zwei Vorteile: Zum einen gab es Vorkommen von Steinkohle im nahen Bochum-Weitmar auf der anderen Seite der Ruhr, als auch Eisenerzvorkommen. Kohle, speziell Fettkohle zur Herstellung von Koks waren eine gute Grundlage, denn die Erfindung des koksbefeuerten Hochofens machte die alten, mit Holzkohle befeuerten Hochöfen absolut unrentabel.

Im Verlaufe ihrer Geschichte wechselte die Hütte mehrfach ihren Besitzer, hatte aber immer auch mit einigen Problemen zu kämpfen, die  schließlich auch zu ihrer Schließung führten.

Einmal war der Platz sehr begrenzt, da auf der einen Seite die Ruhr, und auf der anderen der Steilhang auf der Hattinger Seite jegliche Expansion verhinderten. Unter anderem wurde für eine Werkserweiterung sogar der Verlauf der Ruhr verlegt.

Ein anderes Problem lag darin, die Rohstoffe (die ursprünglich in der Nähe befindlichen Erzvorkommen waren schnell erschöpft) zur Hütte und die Fertigprodukte zum Kunden zu transportieren. Die Ruhr war hier nicht schiffbar, daher war eine Schienen- und eine Straßenanbindung für das Werk überlebenswichtig. Wer um Hattingen mit dem Auto unterwegs ist, fragt sich vielleicht, warum die Kosterbrücke für den heute hier herrschenden verkehr so gewaltig dimensioniert ist. Zu ihrer Bauzeit 1979-1980 war sie von der Henrichshütte mit gefördert worden, um die Straßenanbindung zu verbessern.

1987 wurden die beiden verbliebenen Hochöfen ausgeblasen. Während von Hochofen 2 heute nur noch die Ofensau, das Fundament, zeugt, konnte Hochofen 3 komplett erhalten bleiben. Teile des Werks (z.B. Hochofen 2) wurden nach China verkauft. Das führte dazu, dass überall an den teilen, die hier bleiben sollten und ins damals geplante Museum kamen, Schilder mit ” nicht für China” hingen. Teile der alten Henrichshütte konnten so erhalten werden und wurden ins westfälische Landesmuseum für Industriekultur integriert. Heute können wir von Glück reden, dass der Wunsch eines alten Hüttenmitarbeiters, den Hochofen 3 zu sprengen, nicht in Erfüllung ging. So kann man auch heute noch den alten Hochofen in vielen Ebenen hautnah besichtigen und von oben in gut 55 m Höhe die Aussicht genießen. Allerdings ist die Tour mit leichter Höhenangst auch eine kleine Herausforderung, wie ich versichern kann. Aber es lohnt sich durchaus.

Wenn man den Eingangsbereich hinter sich lässt und das alte Werksgelände betritt, umfängt einen die etwas morbide Atmosphäre eines Lost Places. Das ist durchaus wohl auch so gewollt, wenn man den Schildern folgen mag. Denn die Industriebrache, die sich hier nach der hektischen Betriebsamkeit des aktiven Hüttenwerkes breit gemacht hat, ist Teil des Museums geworden. man soll hier auch beobachten können, wie alte Industrie zu einem Lebensraum für Pflanzen und Tiere wird. Denn auch wenn die Lebensbedingungen sicher alles andere als optimal sind, mit all den vom Menschen beeinflussten, verdichteten Böden aus allerlei Substraten, den Ruinen und Geräten. Viele Tiere und Pflanzen, teilweise aus fernen Ländern verschleppt, haben sich gerade an derartige Bedingungen angepasst. Sie können hervorragend mit Hitze und Trockenheit umgehen. Und so wachsen zum Beispiel in riesigen Tiegelwagen der Werksbahn heute Pflanzen, ebenso in den Erz- und Kohlebunkern. Und mit den Pflanzen kommen auch Tiere, denen die alte Hütte heute Heimat geworden ist.

Natürlich kann und soll man in dem Museum auch erfahren, wie aus dem unscheinbaren Erz das begehrte Eisen wird. Eine Hüttenratte quasi als Maskottchen lädt hierzu kleine und große Kinder ein, mit ihr auf Entdeckertour  zu gehen. Das Ganze ist durchaus unterhaltsam aufgemacht.

Mir hatte es dabei vor allem der Bereich der Qualitätssicherung angetan. Da ich selber in einem Labor arbeite, in dem wir von rohstoffbverarbeitenden betrieben Proben zur Eingangsqualitätskontrolle bekommen, fand ich die mir im Laboralltag verborgen bleibenden) Abläufe der Probennahme interessant. Oder die Geräte, mit denen man vor 50 Jahren an den Proben gearbeitet hat. Die Probleme in den Laboren haben sich aber seit damals nicht geändert. genauso wenig wie die Ansprüche an sie.

Eisen wird in Hattingen zwar nicht mehr erzeugt, aber Sonntags immer noch in einer Schaugießerei verarbeitet. Das sollte man sich durchaus gönnen.

Wenn man den “Weg des Eisens” über das Gelände folgt, und die diversen Pflanzen bewundert, die heute in den alten Erzbunkern sprießen (darunter ein ziemlich großer Götterbaum, der vermutlich als Samen mit einer der letzten Erzladungen hier angekommen ist), sich über das gefährliche und anstrengende Leben der Eisenbahnrangierer informiert, kommt man schließlich in einem der alten Erzbunker auch an einigen mineralogischen Exponaten vorbei. Und hier möchte ich mir  eine kleine Kritik dann doch nicht verkneifen. Es ist ja schön, einige Kristallstufen auszustellen. Aber es wäre noch schöner, sie auch zu beschriften. Vielleicht mögen Geowissenschaftler und  Hobbysammler damit auf Anhieb etwas anfangen können. Aber der normale Museumsbesucher dürfte sich durchaus berechtigt fragen, was hier dargestellt ist. Zumal manche der Exponate zwar optisch ein Genuss sind, aber mit der Eisenverhüttung kaum etwas zu tun haben. Aber wenigstens ein klitzekleines Schildchen haben sie doch verdient, oder?

Die relevanten Erzbrocken, die weiter hinten in dem Raum zu sehen sind, sind dann auch entsprechend beschriftet.

Das Highlight, den Hochofen 3, hatte ich am Anfang ja schon erwähnt. Es lohnt sich wirklich, den Fahrstuhl bis ganz nach oben zu nehmen und ihn auf allen Ebenen zu erkunden. Wo kann man schon einmal einen Hochofen so hautnah betrachten, auch wenn er längst erkaltet ist. Und erfahren, warum die alten Schmelzer keineswegs erfreut waren, wenn sie “rote Bäckchen” sahen. Das bedeutete nämlich, dass die Kühlung des Hochofens versagt hatte und die Außenhaut rotglühend wurde. dann musste schnell reagiert werden. Oder welche Gefahren auf die Schmelzer wartete, ob durch giftige Gichtgase oder durch hängende Beschickung sowie Anbsatzbildung.  Besonders letzteres muss dann abgesprengt werden, eine gefährliche Angelegenheit, die in den 1960´ern hier zu einem schweren Unglück führte.

Alles in allem eine sehr sehenswerte Angelegenheit. Ich war bestimmt nicht zum letzten mal in der Henrichshütte, denn dieses erste Mal diente eigentlich nur dem Kennenlernen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. Und wenn man bereits in der Gegend ist, um die Henrichshütte zu besichtigen, schadet es auch nicht, einen kleinen Abstecher in die Hattinger Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern und dem schiefen Kirchturm oder zu einer der Burgen im Umland zu machen. 😉

    • Hattingen selber ist auch sehr sehenswert. Und natürlich die Burg Blankenstein, von der man einen herrlichen Überblick über das Ruhrtal hat. Nicht zu vergessen auf der anderen Ruhrseite das Weitmarer Holz

  2. Hallo. Letztes Wochenende besuchte ich die Hütte, und durch diesen Artikel wurde ich darauf aufmerksam. Der Besuch lohnt sich wirklich 😉 VG.

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