Haiti, das Erdbeben von Port-au-Prince vom 12. Januar 2010

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Am 12. Januar 2010, um 16:53 Ortszeit wurde Haiti von einem schweren Erdbeben mit der Magnitude 7.0 erschüttert. Sehr viele Gebäude in Port-au-Prince und Umgebung wurden zerstört, darunter auch der zum Sinnbild für den Zusammenbruch Haitis gewordene Präsidentenpalast (Abbildung 1). Die Angaben über Opferzahlen schwanken. Der UN Nothilfekoordinator und der USGS spechen von 111 000 Toten, manche Medien wie Tagesschau gehen sogar von bis zu 170 000 Toten aus.  Das Epizentrum des Bebens lag nur rund 25 Kilometer südwestlich der Stadt und mit rund 13 Kilometern relativ flach.

Abbildung 1: Der Präsidentenpalast von Haiti, aufgenommen am 13. Januar 2010. Vor dem Erdbeben war er ein zweistöckiges Gebäude. Der zweite Stock kollabierte fast komplett. United Nations Development Programme.

Abbildung 1: Der Präsidentenpalast von Haiti, aufgenommen am 13. Januar 2010. Vor dem Erdbeben war er ein zweistöckiges Gebäude. Der zweite Stock kollabierte fast komplett. Logan Abassi / UNDP Global, United Nations Development Programme. 

Die große Nähe und die geringe Tiefe des Bebens erklären auch die verheerende Wirkung auf der Erdoberfläche.  Je weniger Gestein zwischen dem Epizentrum und Bewohnten gebieten liegt, desto weniger sind die Erdbebenwellen gedämpft. Aber warum passierte ausgerechnet hier dieses Erdbeben? Port-au-Prince hat in seiner Geschichte schon mehrfach ähnliche verheerende Beben erlebt. So hat wurde die Stadt zum Beispiel am 21 November 1751 durch ein schweres Erdbeben zerstört. Die nächste Zerstörung erfolgte bereits am 3. Juni 1770. Die damaligen Behörden zogen aus den Zerstörungen von 1751 und 1770 die Konsequenz und verboten Backsteinbauten. Es sollte statt dessen mit Holz gebaut werden. 1868 gab es ein Erdbeben, dessen Epizentrum aber weiter im Westen lag, das aber einen Tsunami zur Folge hatte. Haiti, und hier besonders die Gegend um die Hauptstadt waren also in der Vergangenheit schon des Öfteren Mittelpunkt verheerender Erdbeben. Dazu schauen wir uns einmal die plattentektonische Situation in der Karibik an (Abbildung 2.) Die Darstellung ist stark vereinfacht, da sich die tektonische Situation in der Karibik sehr kompliziert darstellt.

Der Hauptteil der Karibik befindet sich dabei auf einer eigenen kleinen, der karibischen Platte. An der Ostgrenze der karibischen Platte wird  die atlantische Platte subduziert, daher finden sich hier ein vulkanischer Inselbogen, die Kleinen Antillen.  

Abbildung 2: Vereinfachte plattentektonische Situation in der Karibik mit dem Epizentrum vom 12. Januar 2010.

Abbildung 2: Vereinfachte plattentektonische Situation in der Karibik mit dem Epizentrum vom 12. Januar 2010. Gunnar Ries / Raimond Spekking.

An ihrer Nordgrenze bewegt sich die karibische Platte in Richtung Osten, während die Nordamerikanische sich in Richtung Westen bewegt. Da die Bewegung eines jenseits der Blattverschiebung liegenden Blockes für einen Beobachter nach links erfolgt, spricht man auch von einer linksseitigen oder sinistralen Blattverschiebung. Auch die Herdflächenlösung für das Erdbeben deutet auf eine Blattverschiebung als Auslöser des Erdbebens hin (Abbildung 3).
Haiti liegt zum Teil auf der Gonave Mikroplatte und wird dabei von zwei unterschiedlichen Blattverschiebungen zerteilt, im Norden die Septentrional-Verwerfung und im Süden die für das Beben vom 12. Januar verantwortliche Enriquillo-Plantain Garden Verwerfung (Enriquillo-Plantain Garden Fault Zone, EPGFZ). Die Nordamerikanische und die karibische Platte bewegen sich entlang dieser Störungen um rund 20 mm pro Jahr aneinander vorbei. Dabei ist die Enriquillo-Plantain Garden Verwerfung alleine für rund 7 mm pro Jahr gut. Der Verlauf der Verwerfung ist im Gelände als Tal erkennbar, teilweise fließen Flüsse wie der Riviere Momance entlang der Verwerfungslinie (Abbildung 4).

Herdflächenlösung für das beben von Port-au-Prince am 12. Januar 2010.
Abbildung 3: Herdflächenlösung für das Beben von Port-au-Prince am 12. Januar 2010.

 

 

Abbildung 4: Haiti mit Hauptstadt Port-au-Prince nach dem Erdbeben. Aufnahme NASA Earth Observatory, 15. Januar 2010. Mit dem in den anderen Abbildungen gewählten Ausschnitt. Die Verwerfung ist in dem weißen Quadrat gut erkennbar.

Abbildung 4: Haiti und die Gegend um Port-au-Prince nach dem verheerenden Erdbeben am 12. Januar. Die Aufnahme wurde am 15 Januar 2010 vom Advanced Land Imager des NASA’s EO-1 Satelliten aufgenommen. Das Epizentrum befindet sich ziemlich genau im Zentrum der weiß umrandeten Fläche.

 

Die Verwerfung bleib seit den beiden Beben 1751 und 1770 dann erstaunlich ruhig und die Menschen in Haiti hatten andere Sorgen, als sich um ein möglichst erdbebensicheres Bauen zu kümmern. Haiti als sehr armes land hat vielfach nicht die Möglichkeiten, seine Gebäude adäquat gegen Erdstöße zu sichern. Aber manchmal hätten schon kleine Maßnahmen ausgereicht, um ein Gebäude so zu konstruieren oder ein bestehendes so zu modifizieren, dass es nicht sofort zusammenbricht, und nicht alle Bewohner unter sich begräbt. Die GTZ versucht seit Jahren, auch in armen Ländern auf die unterschiedlichen Möglichkeiten für erdbebensicheres Bauen hinzuweisen, aber die Menschen haben dort oft einfach andere Probleme, so dass dieses für sie keine Priorität hat. Hinzu kommt der Faktor Zeit, wenn, wie in Port-au-Prince, das letzte Beben so lange zurück liegt. Das wiegt die Menschen dann in einer trügerischen Sicherheit. Trügerisch vor allem, weil die Ruhe nichts anderes bedeutet, als dass die Verwerfung blockiert ist. Dann kann sich die Bewegungsenergie über die Jahre aufstauen. Im Falle von Haiti waren es über 200 Jahre jeweils 7mm, was die Befürchtungen aufkommen ließ, dass hier ein Erdbeben der Magnitude 7,2 und einem schlagartigen Versatz von bis zu 2 m drohen könnte.
Bereits im März 2008 wurde auf der 18.th Caribbean Geological Conference in einem Paper von Paul Mann et al. auf diese Gefahr hingewiesen. Das Problem mit derartigen, auf historischen Betrachtungen beruhenden Studien ist, dass es schwer ist, den exakten Ort und was vor allem wichtig ist, den exakten Zeitpunkt eines Bebens vorherzusagen. Diese Unsicherheit und das Fehlen einer halbwegs funktionsfähigen behördlichen Infrastruktur in Haiti, um derartige Warnungen auch praktisch umzusetzen. Wir sind, trotz aller Fortschritte im Verständnis der Funktionsweise der Erde, noch immer weit davon entfernt, Erdbeben so vorherzusagen, wie beispielsweise Sturmereignisse oder Vulkanausbrüche.
 
Abbildung 5 zeigt den Verlauf der Störung (rote Linie) sowie die Lage der Epizentren des Hauptbebens und der Nachbeben.

Abbildung 5 zeigt den Verlauf der Störung (rote Linie) sowie die Lage der Epizentren des Hauptbebens und einiger Nachbeben. NASA Earth Observatory, verändert.

 
Abbildung 5 zeigt noch einmal die Lage der Störung im Süden von Haiti mit dem Epizentrum des Hauptbebens sowie einiger Nachbeben. Die Bewegungen der Erdkruste konnte auch mit Hilfe des Satelliten TerraSAR-X ermittelt werden. Dazu wurden zwei Radaraufnahmen der Region, eine vom 18. Februar 2009 und eine vom 14. Januar 2010 übereinandergelegt. Dadurch lassen sich Bewegungen mit einer Genauigkeit von 30 cm beobachten. Nördlich der Verwerfungslinie wurden Bewegungen von bis zu 130 cm in Richtung Westen festgestellt. Die Deformation fällt sehr rasch von Westen in Richtung Osten ab was möglicherweise auf dehnung in diesem bereich hindeutet.  
 
Das Erdbeben und seine Folgen wird die Menschen in Haiti sicher noch eine sehr lange Zeit begleiten. Damit ist nicht nur der lange Wiederaufbau gemeint und die selbstverständliche lange Trauer der Menschen, welche Angehörige und Freunde verloren haben oder die selber noch lange Zeit an ihren Verletzungen leiden werden (wenn sie denn überhaupt wieder Gesund werden). Auch in der Zukunft werden von diesem Erdbeben weiterhin Gefahren für die Bewohner des betroffenen Gebietes ausgehen. Zum einen werden die Nachbeben, von denen einige durchaus die Stärke starker Erdbeben erreichen, über einen sehr langen Zeitraum eine Gefahr darstellen. Nachbeben können auch, wie das Beispiel des New Madrid Bebens in den USA von 1811 zeigt. Neueren Untersuchungen zu Folge rührt die seismische Unruhe der hierfür verantwortlichen Störung durchaus noch von dem rund 200 Jahre zurückliegenden Beben her (Stein & Liu 2009). Auch die tatsache, dass sich nur der westlich der hauptstadt gelegene Teil der Enriquillo-Verwerfungbewegt hat, könnte für die Zukunft problematisch werden. Denn dadurch ist der östliche Teil der Verwerfung eventuell erhöhter Spannung ausgesetzt. Sollte sich diese Spannung in naher Zukunft in einem Erdbeben entladen, so läge das Epizentrum noch näher an der Hauptstadt Port-au-Prince als das Epizentrum vom 12. Januar, und möglicherweise würden die Zerstörungen noch stärker. Daher gibt es Stimmen,welche den Behörden von Haiti durchaus empfehlen, zumindest die Hauptstadt an einem anderen Ort wieder aufzubauen, weiter weg von den erdbebenanfälligen Störungen.
 
Zum Anderen ist Haiti aufgrund der Entwaldung und der Topographie stark durch Erdrutsche gefährdet. Viele Wälder wurden bereits in der Kolonialzeit gerodet, um Zuckerrohrplantagen Platz zu machen und um Bauholz zu gewinnen. Und auch nach der Unabhängigkeit Haitis wurde Holz zu einem begehrten Rohstoff, vor allem für Feuerholz. Die Rodung der Wälder und die tropische Verwitterung lassen aber die Hänge schnell instabil werden, vor allem, wenn dann noch ein Hurrikan ergiebige Regenfälle bringt. Diese Gefahr ist durch das Erdbeben noch einmal gesteigert worden, wie der Vergleich zweier Satellitenbilder vom 14. September 2008 (Abbildung 6) und dem 15 Januar 2010 (Abb7) zeigen. Die ältere Aufnahme wurde nach dem Hurrikan „Ike“ zu schweren Regenfällen geführt hatte. Einige der neueren Erdrutsche sind bereits in der älteren Aufnahme zu erkennen. Diesen Gebieten sollte man in der Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit widmen. Mit diesen und anderen Aufnahmen unterstüzt die NASA das Water Center for Humid Tropics of Latin America and the Caribbean (SERVIR) bei der Identifizierung möglicher Gefahren durch Erdrutsche. Besonders in armen Ländern stellen Erdrutsche eine große Gefahr für die Menschen dar.
 
Der Riviere Momance vor dem Erdbeben, die Aufnahme stammt vom 14. September 2008. Die Enriquillo-Plaintain Garden Verwerfung ist mit der Versatzrichtung eingezeichnet.

Abbildung 6: Der Riviere Momance vor dem Erdbeben, die Aufnahme stammt vom 14. September 2008. Die Enriquillo-Plaintain Garden Verwerfung ist mit der Versatzrichtung eingezeichnet. Advanced Land Imager,  NASA’s EO-1 Satellit, verändert.
 
Die Landschaft um den Riviere Momance mit potentiellen, durch das Erdbeben ausgelösten Erdrutschen. Das Epizentrum des Bebens lag ungefähr in der Mitte des Kartenausschnitts.

Abbildung 7: Die Landschaft um den Riviere Momance mit potentiellen, durch das Erdbeben ausgelösten Erdrutschen. Das Epizentrum des Bebens lag ungefähr in der Mitte des Kartenausschnitts. Advanced Land Imager,  NASA’s EO-1 Satellit, verändert.

 
 

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. 🙁

    hallo, meine lieben ich bin 16 jahre alt und sollte mich darüber infomieren ihr hat mir sehr weiter geholfen dank euch habe ich ne 1 in der Probe geschrieben.

    DANKE

  2. haiti

    das mit dem erdbeben in haiti finde ich sehr schlimm…besonders tun mir die menschen leid,die in den betroffenen regionen leben oder gelebt haben:sie haben ihr hab- und gut verloren manche ihre kinder und auch persönliche gegenstände,wie fotos die einem viel bedeutet haben!!! Mein herzliches Beileid an die Menschen,denen es so schlecht geht dort!!! Anonym

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