Geologisches Weltkulturerbe – der Rammelsberg

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Wer sich in der Nähe des nördlichsten deutschen Mittelgebirges herumtreibt, der sollte sich auch einen Tag Zeit gönnen, das Weltkulturerbe Rammelsberg und die Goslarer Altstadt anzusehen.

Der Rammelsberg selber ist ein am Nordrand des Harzes und südlich von Goslar gelegener, rund 635 m hoher Berg. Das an sich rechtfertigt sicher nicht den Rang eines Weltkulturerbes, aber in ihm befindet sich ein altes, stillgelegtes Bergwerk. Manche mag ja auch das alleine noch nicht begeistern, obwohl ich alte Bergwerke und Museumsbergwerke schon ziemlich spannend finde. Aber das Bergwerk im Rammelsberg hat es durchaus in sich. Denn mit über 1000 Jahren ununterbrochener Bergbautätigkeit dürfte der Rammelsberg zu den am längsten kontinuierlich betriebenen Bergwerken gehören. Die erste schriftliche Erwähnung des Erzabbaus am Rammelsberg findet sich im Jahre 968 bei Widukind von Corvey in seiner Res gestae Saxonicae. Demzufolge gehörten Kaiser Otto dem Großen im Sachsenland Silberadern. Aus dem Kaiserlichen Besitz kam das Bergwerk 1360 – 1460 in den Besitz der Stadt Goslar und im Laufe kriegerischer Auseinandersetzungen gelangte der Berg in den Besitz der Herzöge von Braunschweig.

Weltkulturerbe Rammelsberg in Goslar
Die Tagesanlagen vom Rammelsberg. Oben links der Förderschacht, nach rechts daran anschließend talwärts die ehemaligen Erzaufbereitungsanlagen. Eigenes Foto, CC-Lizenz.

Archäologische Funde deuten jedoch auf eine noch längere, wenn auch möglicherweise sporadischere Nutzung der Lagerstätte im Rammelsberg hin. So sollen beispielsweise Rammelsberger Erzbrocken, die bei Ausgrabungen am Herrensitz Düna am Südharz gefunden wurden, aus dem 3. Jahrhundert stammen. Es gibt auch Hinweise, dass die Lagerstätte Berichts in der Bronzezeit zumindest zeitweilig genutzt wurde.

Auch aus jüngerer Zeit kann der Rammelsberg einige echte montanarchäologische Leckerbissen bieten. Da wäre zum einen Reste eines Lederschuhs, die aus dem Jahr 1024 stammen. Und 2011 wurde eine Holzkonstruktion aus dem 13. – 14 Jahrhundert gefunden, die den ältesten mit Holz abgesicherten Stollen in Mitteleuropa darstellen soll.

In der Bronzezeit wurde Kupfererz über Tage abgebaut. Im Mittelalter gerieten die Gehalte an Silber ebenfalls in den Fokus des Interesses. Wer damals über Silber verfügte, konnte Münzen prägen, und das war ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor. Primäres Ziel der ersten Bergleute waren also die Anreicherungen von Silber und Kupfer in der Oxidadtionszone der Lagerstätte. Erst später ging man auch die primären sulfidischen Vererzungen an. Ein weiteres Produkt waren die Vitriole.
Entstanden ist die Lagerstätte im Devon sedimentär-exhalativ (SEDEX) am damaligen Meeresboden. Für genaueres möchte ich allerdings auf das Buch von Florian Neukirchen und mir (Welt der Rohstoffe) hinweisen.

Da man in den ersten Jahren noch nicht über brauchbare Sprengstoffe verfügte, musste man die Schächte und Stollen mit Schlägel und Eisen in den Fels treiben. Ein Hilfsmittel war das Feuersetzen. Dazu wurden Holz im Stollen aufgeschichtet und angezündet. Die Hitzeentwicklung dehnte sich das Gestein aus und wurde rissig. Zusätzlich wurden sulfidische Erze durch die Hitze geröstet und somit leichter zu verhütten. Ein dieser Methode war der enorme Holzverbrauch. Durch den Bergbau mit seinem hohen Bedarf an Holz zur Schachtabstützung und zum Feuersetzen wurde der Harz im Mittelalter regelrecht entwaldet. Um genügend Nachschub an Holz zu haben, wurden schnell wachsende Baumarten wie die Fichte im Harz angepflanzt.

Ein weiterer Nachteil war, dass die Qualmentwicklung die Bergleute an der Arbeit hinderte. Daher wurde bevorzugt am Wochenende Feuer gesetzt, während in der Woche dir Vortriebsarbeiten durchgeführt wurden. Am Sonnabend wurde im Bergwerk zuerst in den oberen Stockwerken und nachfolgend auch in den tieferen Sohlen die Holzscheite angezündet. Damit war sichergestellt, dass die Bergleute nicht im Qualm der bereits brennenden Feuer arbeiten mussten. Die Brenndauer war meist so bemessen, dass die Stollen am Montag wieder befahren werden konnten.
Die Tagesanlagen wie Waschkaue und Hangaufbereitungsanlagen, so wie sie sich uns heute präsentieren, stammen hauptsächlich aus den Jahren 1937/38. Die Nationalsozialisten sahen den Rammelsberg und seine Buntmetallvererzungen als kriegswichtig an. Das Problem der Aufbereitung des geförderten Erzes mittels Flotation war zwischenzeitlich gelöst worden. Aus dieser Zeit stammt auch das große Wandgemälde in der Lohnhalle. Nach 1945 wurden allerdings den im Hintergrund marschierenden SA-Leute eine Schiebermütze verpasst, um sie so zu Bergleuten umzustilisieren. Als die einheimischen Bergleute an die Front eingezogen wurden, mussten Zwangsarbeiter das Erz aus dem Berg fördern.

Die Bergbauzeit endete 1988, als die Lagerstätte erschöpft war. Noch 1859 hatte man das „Neue Lager“ gefunden, dessen Erzkörper gut doppelt so groß war wie das ursprünglich bekannte „Alte Lager“ entdeckt worden. Bis 1988 wurden rund 30 Millionen Tonnen Erz gefördert. Der bereits geplante Abriss der Tagesanlagen wurde von einem Bürgerverein verhindert und bereits 1992 wurde der Rammelsberg mit der dazugehörigen Goslarer Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Insgesamt wurden gut 30 Millionen Tonnen Erz gefördert.

Wenn man schon einmal da ist, sollte man auch die entsprechenden Touren mitmachen. Da wäre zum Beispiel einmal eine Fahrt mit der Grubenbahn. Die, zumindest für einigermaßen großgewachsene Leute recht enge Bahn gibt einem schon einen guten Eindruck von der Enge unter Tage. Zum Glück sind es nur wenige 100 m, die man in dem Käfig ausharren braucht, dann darf man schon wieder aussteigen. Unter Tage sind einige Arbeitsbereiche museal aufbereitet, so dass man Presslufthämmer, Schaufellader und den ursprünglichen Handbetrieb in Aktion erleben kann. Da ich mich schon in einigen alten Bergwerken herumgetrieben habe, war das alles nicht ganz so neu, aber immer wieder spannend. Zumal diese Tour zu (relativ) ebener Erde stattfindet. Soll heißen, es müssen keine langen Leitern benutzt werden. Wer also nicht ganz so gut zu Fuß ist, oder wer Kinder dabei hat, dem ist diese Tour sicher anzuraten. Man bekommt schon ein gutes Gefühl für die Welt unter Tage und die Mühsal, denen sich die Bergleute über die Jahrhunderte ausgesetzt sahen. Zurück geht es wieder mit der Grubenbahn. Rund eine Stunde muss man dafür schon kalkulieren.

Vielleicht ein kurzes Wort hinsichtlich Barrierefreiheit. Wirklich barrierefrei kann ein Bergwerk, eben auch ein Museumsbergwerk nicht sein. Dennoch ist es erstaunlich, wie weit man sich ohne größere Hindernisse auf dem Gelände bewegen kann. Rund 70% der Anlage gelten als weitgehend barrierefrei. Das ist, wie ich finde, schon ein sehr guter Anfang. Zumindest die Tour mit der Grubenbahn können sogar Rollstuhlfahrer mitmachen. Hierfür gibt es eigens einen speziellen Rollstuhlwagon. Und unter Tage ist es auch mit einem Rollstuhl dort möglich, alles anzusehen.

Leider gilt das für die anderen beiden Touren nicht ganz. Denn einen gut 200 Jahre alten, unter Denkmalschutz stehenden Stollen kann man kaum wirklich barrierefrei gestalten. So alt ist der Röderstollen, dessen Befahrung man sich aber, soweit man körperlich dazu in der Lage ist, durchaus geben sollte.
Durch diesen Stollen wurde Wasser aus dem eigens dafür angelegten Herzberger Teich zu den Wasserrädern unter Tage geleitet. Diese Wasserräder dienten dem Antrieb der Pumpen, um die tieferen Bereiche des Bergwerkes trocken zu halten. Daneben dienten sie auch der Fahrkunst, also der Förderung des Erzes an die Oberfläche. Um die unterschiedlichen Richtungen, einmal aufwärts und einmal abwärts zu bewerkstelligen, konnte man die Kunsträder nicht nur bremsen, es waren Kehrräder. Wenn man das Aufschlagswasser auf die jeweils andere Seite richtete, wechselte das Kunstrad die Laufrichtung. Eines der alten Kunsträder ist sogar noch erhalten. Das größere jedoch ist eine Rekonstruktion. Dafür ist es funktionsfähig und wird bei den Führungen unter Tage in Betrieb gesetzt. Ein Modell der alten Technik steht in der Waschkaue, man sollte es sich vorher (oder zumindest hinterher) einmal genauer angeschaut haben. Es ist eine vielleicht simpel erscheinende, aber doch sehr effektive Technik. Und Wasser hatte auch damals den enormen Vorteil, dass es fast umsonst zu bekommen ist. Man muss es nur klug genug verteilen (Dazu diente das Oberharzer Wasserregal, das ebenfalls ein Weltkulturerbe ist).
Wenn man durch den Röderstollen klettert (und das ist durchaus wörtlich zu nehmen, es geht etliche Leitern hinab und wieder hinauf. Zum Glück sind sie mittlerweile durch Wendeltreppen ersetzt), kann man an den Wänden des Stollens die bunten Vitriolüberzüge sehen. Vitriole, hauptsächlich die bläulichen Kupfer und die bräunlichen Eisen, Mangan und Zinksulfate, waren ein Nebenprodukt des Bergbaus und waren bei Färbereien und Gerbereien gefragt. Sie sind sekundäre Bildungen bei der Oxidation der sulfidischen Vererzungen und kleiden die Schachtwände in bunte Überzüge. Die angepeilten 75 Minuten können auch schon mal überschritten werden.

Underground Water Mill of Rammelsberg
Oberes Kunstrad im Röderstollen, Erzbergwerk Rammelsberg. By Y.Shishido [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC-BY-SA-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons
Die dritte Tour, die ich diesmal mitgemacht habe (den Rathstiefsten Stollen werde ich mir sicher auch noch einmal geben, aber die Tour dauert 4 Stunden und ist für Kleingruppen bis 8 Personen mit vorheriger Anmeldung möglich. Das ist sicher ein tolles Erlebnis, aber diesmal fehlte schlicht die Zeit. Alles kann man eben nicht machen. Und alte Bergwerksstollen kenne ich aus St. Andreasberg, wo die Grube Roter Bär und Unverhofftes Glück liegen) ging über Tage. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich das sicher auch noch machen.

Die Hangerzaufbereitung hat mich schon von vorneherein interessiert. Das ist etwas, was in vielen Bergbaumuseen irgendwie unter den Tisch fällt, da die Aufbereitung des Fördergutes meist nicht so nah am Bergwerk stattfand, beziehungsweise weil die dafür notwendigen Anlagen nach dem Ende des Bergbaus oft als erstes abgerissen werden. Man darf ja nicht ganz außer Acht lassen, dass viele Museumsbergwerke erst geraume Zeit nach dem Ende des Bergbaus errichtet werden, meist von Bergbauenthusiasten.
Am Rammelsberg hatte man Glück. Glück, weil der Rückbau der oberirdischen Anlagen bereits beschlossen war, sich aber schnell eine Bürgerinitiative zusammenfand, um die Anlage zu erhalten.

Zur Zeit des Baus der Anlagen Ende der 30´er Jahre war die Rammelsberger Erzaufbereitungsanlage eine der modernsten der Welt. Das Rammelsberger Erz ist ein ziemlich Gemisch aus unterschiedlichen Erzmineralen, die man vor der Verhüttung tunlichst sauber voneinander trennen muss. Dazu muss das Erz mit einem Grubenwagen, einem so genannte Hund bzw. Hunt erst einmal an das Tageslicht gebracht werden. Die aus dem Förderschacht kommenden Hunde laufen dazu schwerkraftgetrieben in eine Entleerungsvorrichtung, von wo aus das Erz in große Backenbrecher geht, um erst mal zerkleinert zu werden. Anschließend wird es fein zermahlen, damit sich die einzelnen Minerale auch gut voneinander trennen lassen. Das fein gemahlene Erzgemisch lässt sich gut mittels Flotation in seine einzelnen Bestandteile auftrennen. Von den Flotationsanlagen sind noch deutliche Reste zu erkennen.
Im Verlaufe der Führung folgt man dem Weg des Erzes von oben nach unten, da die Anlage in den Hang gebaut wurde. Hierdurch konnte man die Schwerkraft gut nutzen und sparte kostbare Transportenergie. In Zukunft dürfte such diese Führung, die zur Zeit noch über etliche steile Treppen zu erreichen ist auch einfacher werden, da ein Besucheraufzug im Hangbereich bereits im Bau ist. Manche der Maschinen können immer noch zu Demonstrationszwecken in Gang gesetzt werden. Man bekommt einen recht guten Eindruck von dem Lärmpegel, der in den aktiven Zeiten hier geherrscht haben muss.

Auch ansonsten bieten das Museum viel. Mich hatte besonders die Präsentation der Rammelsberger Mineralien im Haus A fasziniert. Die Ausstellung gibt einen sehr schönen Überblick über die Vielfalt der am Rammelsberg gefundenen Mineralien. Und sie führt einem immer wieder die seltsame Geschichte mancher Konzerne vor Augen. Besitzerin der Sammlung ist der Touristikonzern TUI. Bis 2002 hieß der Konzern nicht nur Preussag, er war auch einer der großen deutschen Bergwerk- und Hüttenkonzerne.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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