Ein unterschätztes Problem: Bodenerosion

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Unser Boden, so erscheint es uns meist, ist eine ziemlich unverrückbare Masse. Doch er ist durchaus beweglich. Sehr beweglich sogar. Allein Europa verliert jedes Jahr rund 1 Mrd. Tonnen fruchtbaren Boden durch Bodenerosion. Damit könnte man ganz Berlin rund 1 m hoch bedecken. Pro m² geht zumindest in Bayern im Jahr rund 1 kg fruchtbarer Boden durch Erosion verloren. Und die Neubildung von Boden verläuft viel langsamer als der Verlust. Langfristig bekommen wir also da ein nicht ganz unerhebliches Problem.

Dieses Bild veranschaulicht nicht nur die Dimension des Verlustes, es zeigt auch die zweite Seite des Problems Bodenerosion auf. Der Boden, der von unseren Feldern verschwindet, der taucht ja irgendwo anders wieder auf. Und oft ist auch das nicht ganz unproblematisch, wie die teilweise sehr dramatischen Bilder von Sturzfluten und Überschwemmungen zeigen. Spätestens wenn der Schlamm, den das Wasser überfluteter Bäche in die Häuser schwemmt, wieder hinausgeschaufelt wird, treffen wir unseren Boden wieder.

Was beeinflusst Erosion

Welche Faktoren beeinflussen den Verlust kostbaren Bodens? Zum einen spielt die Topographie eine wichtige Rolle. Je steiler die Hänge sind, desto schneller kann der Boden fort gespült werden. Aber auch die Art der Bewirtschaftung spielt eine sehr große Rolle. Wenn zum Beispiel viel Mais angebaut wird, kann dies die Erosion zusätzlich verstärken. Vor allem, wenn in der Zeit zwischen Ernte und dem erneuten Sprießen der Saat der Boden nackt und schutzlos dem Regen ausgesetzt ist. Oder die Bodenbearbeitung. Pflügen fördert die Erosion. Schwere Maschinen, mit denen der Boden bearbeitet wird, sorgen für eine Bodenverdichtung. Dies reduziert den Porenraum im Boden und verhindert, dass Regenwasser versickern kann. Wenn das Wasser nicht mehr versickert, dann fließt es oberflächlich ab und kann so den Boden mit fortspülen.

In dem Video vom Bayerischen Rundfunk wird der Zusammenhang sehr anschaulich dargestellt. Dazu dienen auch die gezeigten Experimente, in denen einmal in einem steilen Weinberg an der Mosel gezeigt wird, dass selbst Bioweinbau die Erosion nicht vollkommen verhindern kann, sogar bei geringen Regenmengen. Auch wenn die  hier vorhandene Krautschicht eine sehr effektive Bremse ist. Ohne sie wäre der Verlust von fruchtbarem Boden bis zu 4 mal größer. Frisch angepflanzte Weinberge sind daher noch empfindlicher.

Seit wann verschwindet der Boden?

Der Verlust an Ackerboden ist sehr eng mit der Einführung des Ackerbaus verbunden. Er ist also nicht unbedingt ein alleiniges Problem unserer heutigen intensiven Landwirtschaft. Im Video wird gezeigt, wie die Erosion das Landschaftsbild seit den letzten 5000 Jahren verändert hat. Über 80 % des fruchtbaren Bodens dürften seit dem Beginn des Ackerbaus bereits verschwunden sein. Besonders stark war der Prozess vermutlich im Mittelalter, wo nicht nur die Anbauflächen ausgeweitet wurden, sondern Holzschlag für Bau- und Brennholz zu einer weitflächigen Entwaldung führten.

ökologische Folgen für die Flüsse

Der Verlust an fruchtbarem Boden ist nicht nur für den Boden selber sehr problematisch. Er hat auch für die Flüsse sehr weitreichende Folgen. Denn dort stören Nährstoffe und feine Sedimente die Ökosysteme empfindlich. Überdüngung ist dabei nur ein Problem. Besonders die feinen Partikel verstopft die Poren zwischen den gröberen Kieseln in den Flussbetten. Der Wasser- und Gasaustausch im Sediment wird reduziert, Sauerstoffarmut ist die Folge. Damit verschwindet für viele kleine Tiere der Lebensraum. Fischlaich kann absterben. Der Zusammenhang zwischen Feinsediment und Besiedelung mit Kleinlebewesen wird auch wieder sehr eindrucksvoll anhand von Experimenten demonstriert.

Hochwassergefahr

Wie sehr die Bewirtschaftungsform die Bodenerosion und die Gefahr schwerer Sturzfluten beeinflusst, zeig hier ein Beispiel aus Österreich. Hier wird ein Ort von Sturzfluten bedroht. Das Wasser stammt von den Feldern oberhalb der Ortschaft. Wenn das Wasser auf den Feldern nicht versickern kann, fließt es an der Oberfläche zu Tal. Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, zeigen auch hier eindrucksvolle Experimente. Wenn zum Beispiel Pflanzenreste auf dem Feld verbleiben, können diese das Wasser bremsen. Hohe Gehalte an Ton (Korngröße < 0,0063 mm) sind ebenfalls ein Faktor. Je größer der Tongehalt, desto schwerer der Boden und desto schlechter kann Wasser versickern, weil der Porenraum im Boden abnimmt. Das gilt vor allem, wenn diese Böden auch noch mit schweren Maschinen bewirtschaftet werden. Dies führt zu einer starken Verdichtung des betreffenden Bodens.

Wie kann man Hochwassergefahren mindern?

Die Daten aus den Experimenten können hier helfen, indem sie für jedes Feld das Risiko aufzeigen. Damit können die eventuell anfallenden Wassermassen besser erfasst und gelenkt werden.
Gleichzeitig kann man zum Beispiel mit Hilfe von Regenrückhaltebecken die anfallenden Wassermassen von sensiblen Bereichen fernhalten. Letztlich werden derartige Maßnahmen nicht ausreichen, um der Gefahr von Erosion und Sturzfluten wirksam zu begegnen.
Sinnvoller wäre es, hier bereits auf den gefährdeten Bodenflächen und der Bewirtschaftungsform anzusetzen. Weniger Pflügen beispielsweise. In wenn doch, dann sollten die Furchen quer zum Gefälle liegen und damit nicht als Leitungsbahnen für den Oberflächenabfluß dienen.

Und wie Erosion vermeiden?

Im Allgemeinen schadet die Bodenbearbeitung, weil sie sehr oft ungeschützte Flächen schafft und das Bodengefüge stört. Die Erhöhung des Humusgehaltes kann den Boden mehr Stabilität geben. Felder sollten in Richtung des Gefälles nicht zu lang sein. Notfalls kann man sie terrassieren oder mit Buschwerk und Erdwällen versehen. Die Nutzung sollte im Günstigsten Fall parallel der Hanglinien erfolgen. Nach der Ernte dienen Pflanzenreste als Bremsen für den Oberflächenabfluss. Es können auch schlecht und gut deckende Feldfrüchte abwechselnd in Streifen angebaut werden. Wenn das Wasser oberflächlich nicht so schnell abfließen kann, bleibt mehr Zeit für die Versickerung. Dies bremst den Verlust an wertvollem Oberboden

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

5 Kommentare

  1. Europa verlierst also 100 Gramm Boden pro Quadratmeter durch Erosion, während Bayern 1 kg Boden pro Quadratmeter durch Erosion verliert. Das scheint mir realisitisch, denn die Erosion ist ja menschengemacht und kommt vor allem in intensiv agrarisch genutzten Flächen vor und Bayern hat eine intensive Landwirtschaft.
    1 kg Bodenverlust pro Quadratmeter und Jahr bedeutet etwa 1 mm Bodenverlust pro Jahr. Nach tausend Jahren ist also der Boden 1 Meter weniger tief oder die Erdschicht ist eben vollständig weg, wenn sie nicht genügend tief ist. Allerdings denken wir heute wohl noch nicht in Zeiträumen von mehreren hundert Jahren. Doch wenn die Landwirtschaft nachhaltig sein soll, muss man in langen Zeiträumen denken.

  2. Die Bodenerosion ist in der Tat ein unterschätztes Thema. Zu den hausgemachten Problemen kommen noch wetterbedingte Ursachen hinzu. So ist in der norddeutschen Tiefebene hauptsächlich der starke Wind für die Abtragung der sandigen Ackerböden verantwortlich. Während Felder in den Hanglagen der deutschen Mittelgebirge eher durch Starkregenfälle gefährdet sind, die mit dem Boden auch das Saatgut und die Kulturpflanzen wegspülen. Karten dazu hier:
    http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Boden/Ressourcenbewertung-management/Bodenerosion/Bodenerosion_node.html

  3. Die Iren können auch ein Lied davon singen. Im County Clare gibt es großflächig überhaupt keinen Boden mehr. Der Regen spült sofort alles weg.

  4. Ich vermisse einen Hinweis, welchen wichtigen Beitrag in der Praxis der Einsatz von Glyphosat zur Reduzierung der im Ackerbau unvermeidlichen Bodenerosion leistet.
    Insbesondere angesichts der drohenden Verweigerung der Zulassungsverlängerung von Glyphosat in der EU halte ich einen solchen Hinweis für dringend geboten.

    Ohne Glyphosat sind bodenschonende Anbauverfahren (Mulchsaat, Strip Till, …) in der Praxis unter heutigen Randbedingungen kaum denkbar. Ein Verbot von Glyphosat hätte in Sachen Erosion gravierende Folgen.

    Das Julius-Kühn-Institut hat sich ausführich mit dieser Thematik befasst:
    https://ojs.openagrar.de/index.php/JKA/article/view/5831

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