Ein “Schneemann” auf der Vesta

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Inzwischen wird der Asteroid Vesta von der Raumsonde Dawn ausgiebig erkundet, und die Bilder sind absolut faszinierend. Vesta, der zweitgrößte unter den Asteroiden (nach Pallas, denn Ceres wurde in den Rang eines Zwergplaneten befördert) des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter, ähnelt mit großer Wahrscheinlichkeit den terrestrischen Planeten in seinem Aufbau weitgehend. Vermutlich besitzt der Asteroid eine basaltische Kruste und einen Kern aus einer Legierung aus Eisen und Nickel unter einem ultramafischen Mantel.
Die Fotos, die Dawn auf seiner Mission um Vesta zur Erde funkt, zeigen deutlich, dass es im Asteroidengürtel auch ziemlich ungemütliche Momente gegeben haben muss. nehmen wir einmal diese Narben, die sich wie ein gigantischer Schneemann über das Antlitz des Asteroiden ziehen. Der Durchmesser des oberen mag vielleicht 50 Kilometer betragen, der des unteren liegt eventuell bei rund 70 Kilometern Durchmesser. Das beeindruckende an ihnen ist nicht nur ihre Größe im Vergleich zu den anderen Kratern in der Umgebung oder im Verhältnis zu Vesta selber. Sie liegen ziemlich dicht beieinander, sie scheinen sich sogar zu überlappen. Vielleicht hat hier ein Doppelimpakt stattgefunden.

Vestas "Schneemann-Krater", wie ihn die Raumsonde Dawn am 6. August 2011 sah. Im Kreis ein dunkler Strahlenkrater. Credit: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS / DLR / IDA

Viele Asteroiden sind nur sehr lose zusammengewürfelte Schutthaufen, die sich durch eine Beinahe-Begegnung mit einem größeren Planeten in Zwei oder auch mehrere Objekte aufteilen können, die sich gegenseitig umkreisen. Treffen derartige Himmelskörper später erneut auf einen größeren Planeten, erfolgt ein Doppel-Einschlag. Auf der Erde sind vermutlich immerhin rund 20 % aller Einschlagskrater auf Doppeleinschläge zurückzuführen (Bottke and Melosh, 1996).
Im Falle der Krater auf Vesta könnte es sich also um ein System aus 2 einige Kilometer großen Asteroiden gehandelt haben, die sich in 30 bis 50 Kilometer Abstand umkreisten. Der Rand des größeren Kraters scheint in den Krater abgerutscht zu sein. Für einen vorher existierenden Krater scheint mir der Rand ein kleines bisschen zu scharf, und es dürfte auch relativ unwahrscheinlich sein, das ein älterer Krater den Impakt so unbeschadet überstanden hätte. Der kleinere Krater oben, quasi der Kopf des Schneemannes, scheint hingegen ein älterer Krater zu sein, und nicht die Hinterlassenschaft eines dritten Objektes. Sein Kraterrand ist deutlich rundlicher und unschärfer als der Rand der beiden größeren Krater. Hier hat die Erosion allem Anschein nach bereits ihre Spuren hinterlassen. Erosion? Ja, aber nicht wie hier auf der Erde durch Wind und Wasser, sondern auf eine andere Art. Kleinere Meteoriteneinschläge übernehmen hier die Arbeit. Es ist aber nicht ganz einfach, die gekrümmte Oberfläche des Asteroiden mag uns hier auch einen Streich spielen (selbst Phil Plait ist sich nicht sicher).

Wenn man die direkte Umgebung der Krater anschaut, kann man auch die Auswurfmassen erkennen, die durch die Einschläge herausgeschleudert wurden. sie bedecken die kleineren Krater in der Umgebung des "Schneemannes", wodurch dort die Oberfläche von Vesta weniger mit Einschlägen gesättigt erscheint als in einiger Entfernung. Da die Fluchtgeschwindigkeit von Vesta nur knapp 350 m/sec beträgt, wird sicher viel Material in den Weltraum geschleudert worden sein, während langsameres Material in der Umgebung der Krater alle älteren Strukturen überdeckte. Interessant ist es, wenn jüngere Impakte diese Auswurfmassen getroffen haben, so wie man am unteren linken Rand des größeren Kraters erkennen kann. Dort ist ein jüngerer Krater zu erkennen, der auffällige dunkle Strahlen zeigt. Das bedeutet, dass das von diesem kleineren Meteoriten herausgeschleuderte Material deutlich dunkler ist, als die älteren Auswurfmassen von unserem Schneemann-Krater. Vesta ist einer der hellsten Asteroiden des Hauptgürtels, daher können dort sicher auch dunkle Strahlen um Krater vorkommen. Also in etwa umgekehrt zu dem Strahlenkrater "Tycho" auf dem Mond, der ein helles Strahlensystem zeigt.

Der Krater mit dem dunklen Strahlensystem (Kreis Abbildung oben).  Credit: NASA / JPL-Caltech / UCLA / MPS / DLR / IDA

Schaut man sich die Schneemann-Krater an, so ist der Kraterboden eben. Die Gewalt der Einschläge hat mit großer Sicherheit ausgereicht, um größere Mengen von Vesta zum Schmelzen zu bringen. Die Schmelze hat dann die frisch entstandenen Krater aufgefüllt, ebenso wie eventuell abrutschende Kraterwände. Direkt nach dem Einschlag sind Krater oft relativ tief und haben sehr steile Wände, die, möglicherweise auch unter den Bedingungen auf der Vesta, nicht stabil sind und abrutschen können. Durch diesen Prozess wird der ursprüngliche Krater nicht nur im Durchmesser vergrößert, er wird auch durch das abgerutschte Material flacher. Dieser Prozess könnte eventuell auch für die etwas merkwürdige Form des unteren, größeren Kraters verantwortlich sein. Dessen schöne, runde Form (wie es sich eben für einen anständigen Krater gehört) wird durch eine bogenförmige Struktur an seinem unteren, rechten Rand gestört. Es sieht für mich ein bisschen so aus, als ob dieser Bogen auch einen etwas höheren Boden hat als der restliche Krater. Ich halte es daher für unwahrscheinlich, dass sich dort ein dritter Asteroid verewigt hat, zumal der Rand auch nicht so schön kreisförmig ist, wie in den anderen Kratern. Aus diesem Grund möchte ich auch einen älteren, vorher existierenden Krater eigentlich ausschließen. Wenn keiner eine bessere Idee hat, müssen wir auf weitere Aufnahmen von Dawn warten.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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