Die Rhumequelle

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Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
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Quellen haben den Menschen schon immer sehr beeindruckt. Alleine die Tatsache, dass da aus der Erde Wasser herausquillt war und ist Anlass für Mythen und Legenden.

Das gilt wohl besonders für die beeindruckenden Quellen, wie zum Beispiel die Rhumequelle im Landkreis Göttingen. Schon alleine ihre Größe und die Wasserfarbe lassen sie auffallen. Der Hauptquelltopf hat einen Durchmesser von rund 20 Metern und eine Fläche von gut 500 m². Und dann die leicht bläulich-grüne Farbe. Und die Größe lässt es schon erahnen, dass hier nicht gerade wenig Wasser aus der Erde tritt. Die Rhume verlässt schon als stattliches Flüsschen von 5 m Breite ihre Quelle.

Die mittlere Quellschüttung wird mit gut 2000 bis 2500 Litern pro Sekunde angegeben. In guten Zeiten sollen es bis zu 5000 Liter pro Sekunde sein. Das sollte ausreichen, um jedem Einwohner Deutschlands täglich mit 2-3 Litern Wasser zu versorgen.

Rhumequelle
Die Rhumequelle von Süden über den Quelltopf auf die Aussichtsplattform. Eigenes Foto.

 

Da stellt man sich unwillkürlich die Frage, woher all das Wasser kommen mag. Eine naheliegende Vermutung war, dass die Wassermengen aus dem Harzvorland stammen müssten. Dieser Frage ist man mit Tracerversuchen nachgegangen und hat in die in der Nähe fließenden Flüsse Oder und Sieber Farbstoffe geschüttet und abgewartet, ob und wann diese Farbstoffe in der Rhumequelle wieder auftauchen. Es hatte nur rund 30 Stunden gedauert, was eine unterirdische Fließgeschwindigkeit von rund 4,9 Kilometer pro Tag (oder eben 204 m/h) ergibt. Eine derartige Geschwindigkeit ist eigentlich für Grundwasser untypisch. Für Karstwasserleiter hingegen ist sie durchaus plausibel.

Damit beträgt das Einzugsgebiet der Quelle gut 350 Quadratkilometer. Hier im südlichen Harzvorland stehen die Gesteine des ehemaligen Zechsteinmeeres an bzw. liegen dicht unter der Oberfläche. Diese bestehen hauptsächlich aus Gips und Dolomit, also zwei Gesteinen, die durchaus gut Wasserlöslich sind. Das südliche Harzvorland ist ein Gipskarstgebiet. Versickerndes Regenwasser, aber auch eindringendes Flusswasser kann diese Gesteine auflösen und dadurch Hohlräume im Gestein erzeugen. Durch diese Höhlen kann das Wasser schnell fließen, viel schnelle, als es in normalen Grundwasserleiten könnte.

Im Bereich der Rhumequelle findet sich eine Verwerfung. Unterer Buntsandstein ist gegenüber dem Zechstein rund 120 abgesackt. Der Buntstein enthält relativ viel toniges Material, so dass er vergleichsweise wasserundurchlässig ist. An diesem Hindernis steigt das Wasser zur Erdoberfläche auf. Das tut es natürlich nicht, weil es wieder an die frische Luft möchte. Das Wasser steht unter Druck, es ist gespannt. Das Einzugsgebiet liegt rund 50 bis 80 m höher, und daher wird das Wasser hier an die Erdoberfläche gedrückt. Das erklärt auch, warum das Wasser aus der Quelle so viel gelöstes Calciumsulfat enthält.

Rhumequelle
Und einmal in der Gegenrichtung von der Beobachtungsplattform. Die blau-grüne Farbe des Quellwassers ist gut zu erkennen. Eigenes Foto.

 

Ihre hohe Schüttung manchen die Rhumequelle zu der drittgrößten Karstquelle Deutschlands nach dem Aachtopf und dem Blautopf.

Und wie es sich für eine anständige Quelle gehört, soll der Sage nach auch hier eine Nixe Hausen, die auf den Namen Rhuma hört. Sie soll dereinst einen jungen Riesen aus einer verfeindeten Burg am Römerstein geliebt haben und daher von ihrem Vater in die finsteren Höhlen verbannt worden sein. Heute ist dies Anlass für ein herbstliches Spektakel im nahen Ort Rhumspringe, bei dem eine Einwohnerin zur Nixe gewählt wird. Aber dass die Quelle den Menschen sehr lange ein besonderer, möglicherweise sogar heiliger Ort war, das haben Untersuchungen im Quelltopf schon verschiedentlich gezeigt. Zuletzt geschah dies bei der Sanierung des Quelltopfes und der Neugestaltung des Umfeldes. Dabei konnten etliche frühneolithische Fundstücke geborgen werden, darunter Scherben mit bandkeramischer Verzierung und Beilklingen. Aber auch jüngere Funde wurden gemacht, wie Bruchstücke einer römerzeitlichen Bronzefibel, mittelalterliche Keramiken und neuzeitliche Münzen, Gewehrmunition und laut Wikipedia sogar eine Schiffsglocke mit dem eingravierten Schiffsnamen „Titanic“. Aus den Fundzusammenhängen soll ausgeschlossen werden können, das es sich um einfache Verlustfunde handeln könnte. Und auch heute noch werden von den Besuchern der Quelle hin und wieder Münzen in den Quelltopf geworfen.

 

Die Rhumequelle ist auch Lebensraum für viele teilweise sehr seltene Tier- und Pflanzenarten. Zum einen sorgt ihre ständig gleiche Wassertemperatur von 8.- 9 °C dafür, dass im Sommer hier Äsche und Regenbogenforelle ein kühles Revier vorfinden und im Winter Eisvögel ein eisfreies Jagdgebiet (wobei Eisvögel sogar im Hamburger Hafen durchaus häufig zu beobachten sind). Daneben sollen hier auch Wasseramseln und Pirole vorkommen.

Das Wasser der Rhumequelle wird zu ca. 1% zur Trinkwassergewinnung verwendet. Die Eichsfelder Energie- und Wasserversorgungsgesellschaft mbH zweigen zu dem Zweck knapp 0,7 Mio m3 ab. Zur Verringerung des hohen Sulfatgehaltes muss das Wasser teilweise durch Umkehrosmose aufbereitet werden.


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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

1 Kommentar

  1. Heute ist dies Anlass für ein herbstliches Spektakel im nahen Ort Rhumspringe, bei dem eine Einwohnerin zur Nixe gewählt wird.

    Der historisch naheliegende zweite Teil der Veranstaltung wäre natürlich, die junge Dame dann mit Gold behängt in die Quelle zu schmeißen…

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