Frans de Waal: Folgt Moral aus unserer Biologie?

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Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft
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GorillaDer Primatologe Frans de Waal untersucht seit Jahrzehnten Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Menschenaffe. In seinem neuen Buch The Age of Empathy, das pünktlich zum Darwin-Jubiläum erscheint, geht er einen Schritt weiter: Wie sollte die moderne Gesellschaft geformt sein?

Diese Frage macht schon deutlich, auf welch gefährliches Terrain sich de Waal begibt. Einerseits ist es sicher ein spannendes wissenschaftliches Unterfangen, das Verhalten und die Fähigkeiten unserer nächsten Verwandten im Tierreich zu untersuchen. Andererseits ist es sicher eine verdienstvolle Aufgabe, sich Gedanken über eine bessere Gesellschaft zu machen. Der Kurzschluss lauert jedoch dort, wo man diese beiden Fragen miteinander in Verbindung bringt, insbesondere dort, wo man aus dem Sein der Natur etwas über das Sollen der Gesellschaft ableiten will.

Nachdem schon der Versuch der Sozialdarwinisten kläglich gescheitert ist, moralische Prinzipien aus der Beobachtung der Evolution abzuleiten, sollte man meinen, dass heutige Wissenschaftler vor diesem Fehler gefeit sind. Dies gilt insbesondere für de Waal, der sich bereits als Bewunderer des schottischen Philosophen David Hume bezeichnet hat. Schließlich war Hume es, der zu seiner Zeit die ominösen Übergänge von Beschreibungen des Seins zu Aussagen über das Sollen in theologischen Texten kritisierte. Während die Sozialdarwinisten sich für eine Kürzung sozialer Programme einsetzten, geht es de Waal nun um die gegenteilige Schlussfolgerung, um eine Vermehrung der Empathie. Dafür wird er in einer für englischsprachliche Verhältnisse seltenen Direktheit in der aktuellen Ausgabe von Science scharf kritisiert:

[…] here de Waal wants to apply the lessons learned from his scientific work (and that of others) to the way modern society should be structured. This is an admirable effort, and that’s why it is such a shame that, ultimately, his arguments are flawed. (Johan Bolhuis, Science v. 20. Nov. 2009)

Johan Bolhuis, ein Verhaltensbiologe von der Universität Utrecht, wirft de Waal vor, einen moralischen Kode aus seinen Untersuchungen der Tiere abzuleiten. Der Primatologe würde in Beobachtungen der Natur Beispiele dafür sehen, wie wir Menschen uns verhalten sollten. Allgemeiner würde er in seinem neuen Buch eine einseitige Interpretation der Verhaltensweisen der Affen liefern und widersprüchliche Ansichten außen vor lassen. Das Buch wird sogar als „moralisches Pamphlet“ bezeichnet:

The Age of Empathy is essentially a moral pamphlet—and a very eloquent and entertaining one at that. Few would disagree with de Waal’s basic message that we should strive to create a more empathic society. But it is a mistake to suggest that we can derive any kind of moral values from nature. (Johan Bolhuis, Science v. 20. Nov. 2009)

Ganz gleich, wie unsere Natur auch ist: Die entscheidende Frage für uns bleibt, was wir daraus machen sollen, welche unserer Fähigkeiten wir kultivieren und mehren, welche wir kontrollieren und verringern sollen. Daher kann die Biologie vielleicht einen Beitrag zu moralischen Diskussionen liefern, indem sie uns über unsere Verhaltensweisen und ihre Grundlagen informiert, jedoch unsere moralischen Probleme nicht lösen.

Frans de Waal wird heute Abend an meiner Universität im Rahmen des studium generale einen Vortrag über seine Forschung zur Empathie halten.

Quelle: Bolhuis, J. J. (2009). Selfless Memes. Science 326 (5956), 1063.
Foto: © Rolf van Melis (OpaRolf) PIXELIO

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38 Kommentare

  1. Nun ja,

    Bolhuis schreibt auch in seiner Kritik:

    » De Waal has recently revealed himself to be a fan of the great Scottish philosopher David Hume (2). Nonetheless, he seems to ignore Hume’s famous contention that moral principles cannot be derived from nature—a type of reasoning known as the naturalistic fallacy. This is puzzling, because in his chapter “The Other Darwinism” de Waal acknowledges the naturalistic fallacy and concludes “[a]ll that nature can offer is information and inspiration, not prescription.” «

    Frans de Waal ist also ein Anhänger Humes, der sagte, dass moralische Prinzipien nicht aus der Natur hergeleitet werden können. Und bereits im zweiten Kapitel weist Frans de Waal auf den naturalistischen Fehlschluss hin und macht klar, dass uns die Natur keine Rezepte liefert. Könnte es sein, dass der Rezensent diese Statements beim weiteren Lesen etwas aus den Augen verloren hat?

    Ein Buch fürs breite Publikum darf auch Aussagen enthalten, die in einer wissenschaftlichen Publikation nichts verloren haben (z.B., dass Empathie etwas “Gutes” ist). Insofern finde ich Bonhuis’ Kritik etwas überzogen.

    Lieber Herr Schleim, werden Sie uns vom de-Waals-Vortrag berichten?

  2. @ Balanus: De Waal und Hume

    Wenn De Waal einerseits Humes Argument anerkennt, andererseits aber gegen dessen Kosequenz verstößt, macht es das Ganze dann nicht noch schlimmer? De Waal macht den Sozialdarwinisten den Vorwurf des naturalistischen Fehlschlusses, nur um ihn dann selbst zu begehen! Der Rezensent schreibt hier meines Erachtens ganz richtig, dies sei “puzzling”, also verwirrend.

    Ich hätte Ihnen gerne von dem Vortrag berichtet. Leider waren aber schon alle Karten ausverkauft. Ich hätte dafür sogar meinen Niederländischkurs geschwänzt.

  3. Naturalistischer Fehlschluss

    Nach meinem Eindruck wird der “naturalistische Fehlschluss” viel häufiger diagnostiziert als tatsächlich begangen. Solange de Waal nur normative Vorschläge macht, begeht er jedenfalls keinen naturalistischen Fehlschluss.

    Seit seinem letzten Buch “Primates and Philosophers” habe ich allerdings das Gefühl, dass de Waal ein etwas zu optimistisches Menschenbild hat. Von daher würde es mich auch nicht wundern, wenn er etwa das Verhalten unserer “haarigen Vettern” verklärt, wie es ihm der Rezensent offenbar vorwirft.

    Kannst Du den Eindruck des Rezensenten bestätigen?

    Das ist ja wirklich ärgerlich, dass Du keine Karte mehr für seinen Vortrag bekommen konntest!

  4. Selbstverständlich, unsere Art zu denken ergibt sich aus unserer Biologie, unsere Moral folgt aus unserer Art zu denken.

  5. @ adenosine

    Selbstverständlich, (1) unsere Art zu denken ergibt sich aus unserer Biologie, (2) unsere Moral folgt aus unserer Art zu denken.

    (1) Meinen Sie, allein aus unserer Biologie?

    (2) Wie kommen Sie darauf?

  6. @Stephn Schleim:
    Unser Gehirn ist biologisch und kein Selbstzweck. Die Evolution hat es dahingehen optimiert, dass es gute Modelle der Wirklichkeit betreibt um überlebensorientiertes Verhalten zu ermöglichen. Ein anderer Antrieb für das Gehirn ist erst mal nicht naheliegend. Das Teil ist ein Erfolgsmodell, es ist so gut gelungen, dass es als Kollateralnutzen inzwischen auch erfolgreich Modelle des Prae-Urknalls, des Pokerspiels,der Finanzmärkte und sozialer Organisationen betreiben kann.
    Auf dieser biologischen Hardware läuft allerdings auch eine kulturelle Evolution. Sollte man diese aber als nicht biologisch bezeichnen?

  7. Wissen

    Unser Gehirn wird unter anderem durch erlerntes Wissen und Erfahrungen strukturiert. Da man aus eigener Erfahrung meist positive Erfahrungen gesammelt hat und bevorzugt, wenn man heranwächst – hat man auch schon eine wertende Grundeinstellung im Gedächtnis verknüpft: die Moral.

    D.h. Moral folgt aus unserer Biologie; weil wir ein Gedächtnis haben.

  8. Ich denke, dass Moral einzig aus der “Welt” des Individuums folgt, welche zum größten Teil durch seine Sozialisierung bestimmt wird (ich schreibe “zum größten Teil”, um mir noch ein kleines Hintertürchen für weitere Aspekte offen zu halten, von denen mir allerdings gerade keiner einfällt).

    Mädchen werden zur Mutter sozialisiert, so dass ihre “Welt” eben auch die Mutteraspekte (Geborgenheit usw. usf) beeinhaltet, während Männer meist als “Kerle” sozialisiert werden und daher ein fight or flight Makro in nahezu allen Ihren Skripten abrufen können. (Ja, ja, es gibt zu beidem Ausnahmen, und das ist auch gut so! Dann wurde jene eben anders sozialisiert.)

    Nicht anders kann ich mir die “Moral” eines Selbstmordattentäters erklären, der meines erachtens ausschliesslich durch eine (Fehl?)geleitete Sozialisierung zum Terror kommt (Biologie kann ich da nicht als Ursache erkennen.) Und ich habe das “?” absichtlich platziert, weil in meinen Augen Moral immer nur die eigene Interpretation des Blickes anderer auf uns selbst ist. Damit ist sie stets subjektiv und im Grunde nur durch ihre Auswirkungen nicht aber als Ding selbst untersuchbar. Was die Frage “Folgt Moral aus irgendetwas” ad absurdum führt.

  9. Charles Darwin

    Vielleicht sollten wir uns einmal ins Gedächtnis rufen, was Charles Darwin 1871 zu diesem Thema in “The Descent of Man” schrieb:

    Auf Seite 71: Mr. J. S. Mill (…) says, “if, as is my own belief, the moral feelings are not innate, but acquired, they are not for that reason less natural.” It is with hesitation that I venture to differ from so profound a thinker, but it can hardly be disputed that the social feelings are instinctive or innate in the lower animals; and why should they not be so in man? Mr. Bain (…) and others believe that the moral sense is acquired by each individual during his lifetime. On the general theory of evolution this is at least extremely improbable.

    Seite 106: The moral sense perhaps affords the best and highest distinction between man and the lower animals; but I need not say anything on this head, as I have so lately endeavoured to shew that the social instincts,—the prime principle of man’s moral constitution39—with the aid of active intellectual powers and the effects of habit, naturally lead to the golden rule, “As ye would that men should do to you, do ye to them likewise;” and this lies at the foundation of morality.

    Ich sehe so das wie Darwin: Unsere (Befähigung zur) Moral folgt aus der Biologie (wenn auch nicht allein aus unseren Genen).

    Ich finde es auch völlig in Ordung, wenn man zeigt, dass es so etwas wie Empathie bei bestimmten Affen gibt und dann sagt, wir könnten von diesen Affen lernen (in Bolhuis’ Worten: “… in the book he [de Waal] argues that lessons can be learned from nature as to how humans should conduct themselves”). Etwas anderes wäre es, wenn de Waal etwas normativ Verbindliches aus der Biologie ableiten wollte. Aber das hat er in Kapitel 2 ja ausdrücklich verneint. Außerdem können wir Empathie nicht bloß deshalb für uns Menschen ablehnen, weil manche Affen auch dazu fähig sind.

  10. @ Balanus: Fähigkeit vs. Moral

    Es sind aber eben nicht zwei Seiten einer Medallie, ob wir von einer Fähigkeit zur Moral oder von Moral selbst sprechen. Das sind zwei grundverschiedene Dinge!

    Ich kann von der Konzeption an das Potenzial haben, eine Sprache zu lernen; dadurch bin ich aber nicht festgelegt, welche Sprache (oder überhaupt eine) zu lernen. Ebenso kann ich das Potenzial haben, moralisch zu reflektieren und zu handeln; aber auch damit ist keine bestimmte moralische Haltung (oder überhaupt eine) festgelegt. Ich kann mich auch einen feuchten Kericht um Moral scheren, obwoh ich die biologische Veranlagung habe.

    In diesem Sinne folgt die Moral also nicht aus der Biologie!

    Noch eine Gegenfrage: Wenn es biologisch so einfach ist mit der goldenen Regel, warum verstoßen dann so viele dagegen?

  11. Gedächtnis

    Wir haben ein Gedächtnis, in dem gute/schlechte bzw. richtige/falsche Entscheidungen und Erfahrungen zusammen mit den zugehörigen Emotionen abgespeichert sind.
    Dieses Grundwissen ist eine biologische Grundlage unserer Moral.
    Allerdings sind wir keine genetischen Roboter, welche nur ein vorgegebenes Programm abzuarbeiten haben. Denn wir können uns auch dafür entscheiden, etwas moralisch Falsches zu tun. Dann haben wir ein schlechtes Gewissen – aber das ist wiederum ein Bestandteil der Moral.

  12. @Stephan Schleim

    »Es sind aber eben nicht zwei Seiten einer Medallie, ob wir von einer Fähigkeit zur Moral oder von Moral selbst sprechen. Das sind zwei grundverschiedene Dinge!«

    So verschieden nun auch wieder nicht, meiner Meinung nach. Es ist doch so, dass diese Fähigkeit uns überhaupt erst in die Lage versetzt, moralisch und sittlich handeln zu können, oder auch nur “wissen” zu können, was ethisch geboten ist. Ohne diese biologische Fundierung könnten wir vermutlich überhaupt keinen Maßstab für unsere Moral entwickeln und auch keinen allgemeinverbindlichen Moralkodex formulieren.

    Es ist ja richtig und das wird hier wohl auch keiner bestreiten wollen, dass aus dieser Befähigung nicht automatisch Moral erwächst, dass sie nur die Basis für die nachfolgende Entwicklung einer Moral darstellen kann. Dabei kann der eine auch Moralprinzipien verinnerlichen, die ein anderer vehement ablehnen würde. Wenn Sie allerdings ‘Lernen’ und ‘Sozialverhalten’ nicht zu den biologischen Fähigkeiten eines Menschen zählen, dann haben die solcherart erworbenen Moralvorstellungen in der Tat nichts mit Biologie zu tun (Sie merken, ich argumentiere hier als fast lupenreiner Biologist ;-)..

    Noch eine Gegenfrage: Wenn es biologisch so einfach ist mit der goldenen Regel, warum verstoßen dann so viele dagegen?

    Das habe ich an anderer Stelle schon einmal ausgeführt: Gleichartige Lebewesen variieren hinsichtlich ihrer genetischen Ausstattung, wachsen in unterschiedlichen Milieus auf, lernen Unterschiedliches und verhalten sich unterschiedlich. Das Ergebnis ist eine breites Verhaltensspektrum, von “unmoralisch” über “normal” bis “hochmoralisch”. Das ist evolutionsbiologisch so “gewollt”. Die Mehrzahl der Menschen hält sich an die goldene Regel, die meisten Verstöße sind nicht gravierend und dem natürlichen Egoismus geschuldet. Beim Dauerkonflikt Kooperation vs. Eigennutz siegt gelegentlich Letzteres, ungeachtet der moralischen Prinzipien, denen man sich ansonsten verpflichtet fühlt.

    Und last but not least: Nicht nur die Befähigung zur Moral ist m.E. genetisch basiert, sondern auch die zur Unmoral (aber das hatten wir ja bereits an anderer Stelle kurz diskutiert 😉 ).

    PS. Damit hier keine falsche Diskussion aufkommt: Ich sage nicht, dass wir zur Klärung ethischer Fragen die Biologie bemühen müssen—aber ich denke schon, dass wir sie berücksichtigen sollten.

  13. @ Balanus: Trivial

    Aber dass (manche, viele) Menschen von Natur aus dazu in der Lage sind, unter Beeinflussung der Kultur über Moral nachzudenken, sich moralisch zu verständigen und dementsprechend oder dementgegen zu Handeln, das wissen wir doch längst; das it trivial; wären wir es nicht, könnten wie es auch nicht; da wir es können, sind wir es.

    Für diese triviale Feststellung brauchen wir keinen Biologen, auch keinen Primatologen.

    Übrigens hat mich der Autor der Science-Rezension darauf aufmerksam gemacht, dass ein Vortrag von ihm sowie von Frans de Waal auf dieser Internetseite abgerufen werden könne. Ob die auf englisch oder niedländisch sind, konnte ich allerdings noch nicht herausfinden.

  14. @ Balanus: Hamlin et al.

    Haben Sie eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, dass Babys im Alter von acht bis zehn Monaten vielleicht auch acht bis zehn Monate lang von Eltern großgezogen werden, die mit ihnen spielen und dabei (hoffentlich) eher so auftreten, wie der “nette” Holzklotz und nicht so wie der “gemeine”?

    Noch einmal, was Sie aus dem Versuchsaufbau und seinen Ergebnissen ableiten, das ist sehr umstritten. Die Babys haben doch nicht monatelang in einem Glaskasten gelebt und wurden nur von Robotern gefüttert!

  15. @Balanus

    Persönliches Wissen wird etwa ab dem 6. Schwangerschaftsmonat erworben – wenn Erfahrungen im Cortex gespeichert werden können. D.h. bereits wenn ein Baby auf die Welt kommt, hat es Vorwissen über Emotionen. Denn die Emotionen seiner Mutter sind immer auch mit den entsprechenden Hormonveränderungen verknüpft und können so vom Fetus über den gemeinsamen Blutkreislauf ´erlebt´ werden.

    D.h. bereits im Mutterleib gibt es moralisches Vorwissen, denn der Fetus merkt, welche Zustände angenehmer bzw. unangenehmer sind. Allerdings weiß der Fetus zu diesem Zeitpunkt noch nichts von Moral – aber auch noch nicht von einer eigenständigen Existenz.

    Ab der Geburt wird das Baby von anderen Menschen versorgt; d.h. es erlebt am eigenen Leib, wie es sich anfühlt wenn man beachtet / nicht beachtet wird. Auch hier werden durch eigene Erfahrung schon moralische Empfindungen erlernt.

    => d.h. bevor die ersten Experiment zum Thema ´Moral´ gemacht werden können, hat sie das Baby längst erlernt.

  16. @Balanus, II.

    Lesen Sie meine Beiträge bei brainlogs > Wirklichkeit von Christian Hoppe ´Nicht ohne Gehirn´ – insbesondere den Beitrag vom 17.11.. @Hoppe: wissenschaftlicher Pfusch

    Wenn Kiley Hamlin durch ihre Klötzchen-Experimente schlussfolgert, dass Moral genetisch verankert ist; dann ist diese Auswertung falsch – wenn meine Behauptungen richtig sind.

    Aber das ist nicht mein Problem.

  17. P.S. 2 @ Balanus

    […] Die Babys haben doch nicht monatelang in einem Glaskasten gelebt und wurden nur von Robotern gefüttert!

    Im Zusammenhang mit der “Suche nach der Ursprache”, die gar nicht so schlecht in unseren Kontext der “Urmoral” passt, möchte ich eben noch auf das Experiment hinweisen, das man Friedrich II. zuschreibt. Kinder, die nur köerperlich versorgt wurden aber keine Zuneigung erhielten, starben.

    Ob dieses Experiment tatsächlich stattgefunden hat, ist umstritten; aber es gibt durchaus Berichte aus Waisenhäusern neuerer Zeit, in denen ähnliche Zustände herrschten — mit dramatischen Folgen für die Persönlichkeit.

    Wie weit her ist es also mit Ihrer Moral von Geburt?

  18. … Urmoral

    Hallo,

    ich „fürchte“ das bisher gesagte führt letztendlich wieder in einen Disput um den Willen und seiner Entscheidungsfindung. Sicher, unsere Hardware ist biologisch. Auch unser Gedächtnis „sitzt“ irgendwie in dieser biologischen Hardware. Dennoch ist das Denken an sich und die Inhalte unseres denkens dem unterworfen, was wir (durch „messbare“ Fakten) wissen können und das, was wir (sicher hauptsächlich aus fremder oder eigener Erfahrung) für wahr halten (müssen!). Und sicher werden Teile davon, sofern sie überlebenswichtig sind und sich in diesem Sinne bewährt haben und biologisch (im Erbgut?) manifestieren können, auch vererbt.

    Ich finde, so etwas wie eine Moral muss sein, damit wir uns innerhalb eines sozialen Systems zurechtfinden … und in diesem Sinne überleben können. Moral als „Orientierungshilfe“ alleine finde ich viel zu banal. Sicher muss Moral auch im Konsens einer Kultur gesehen werden. Und sie ist abhängig von der Qualität der Selbstreflektion. Darüber hinaus kann sie uns in die Irre führen und sogar schaden. Moral funktioniert sicher in der Art von „Trampelpfaden“ (ähnlich der Gewohnheiten), die, sofern ein eingeschlagener Weg Vorteile bringt und von immer mehr Menschen begangen wird, sich (in was auch immer) immer tiefer eingräbt und so vielleicht sogar zur Selbstversklavung führen kann, oder, wenn der Sinn dieses Weges verloren geht, einfach nur eine Farce wird.

    Moral kann so gesehen der Evolution unterworfen sein. So gesehen wird sicher auch eine Art sich ständig weiter entwickelnde, kollektive Moralbasis existieren. Zummindest wird es im Zusammenhang mit der Enwicklung von Bewusstsein auch eine Entwicklung von Moral geben.

    mfG
    Siegbert Müller

  19. @Stephan Schleim – trivial & Hamlin

    Sie haben Recht, der Mensch kann sich über moralische Fragen ohne Zuhilfenahme der Biologen verständigen—das sagte ich ja schon.

    Aber dass er es kann, kommt ja nicht von ungefähr. Sie sagen, “von Natur aus” könne er das. Klar, im Laufe der Evolution er diese Fähigkeit zur Moral erworben, als ein wesentlicher Aspekt seines Sozialverhaltens. Dann wären wir uns ja fast einig 😉

    Sie denken oder halten es für möglich (wenn ich Sie richtig verstehe), dass der Mensch einst allein dank seiner Denkfähigkeit zur Moral gekommen ist, also das Ergebnis individueller Erkenntnisse ist. Moral würde demnach erlernt wie eine bestimmte Sprache oder gar wie Kochen oder Backen. Der heute lebende Erwachsene hätte als Kleinkind diese Kunst von seinen Eltern oder seiner Mutter gelernt und würde sie dementsprechend seinen eigenen Kindern allein durch sein Verhalten lehren. Das Kind wiederum, ausgestattet mit einem sehr lernfähigen Gehirn, verstünde unbewusst diese Lektionen des sozialen Verhaltens (wobei der Lernmechanismus aber nicht über epigenetische Prägungen gehen darf, denn dass wäre ja wieder genetisch bedingt).

    Im letzten Absatz des Blog-Beitrags schreiben Sie:

    Ganz gleich, wie unsere Natur auch ist: Die entscheidende Frage für uns bleibt, was wir daraus machen sollen, welche unserer Fähigkeiten wir kultivieren und mehren, welche wir kontrollieren und verringern sollen. Daher kann die Biologie vielleicht einen Beitrag zu moralischen Diskussionen liefern, indem sie uns über unsere Verhaltensweisen und ihre Grundlagen informiert, jedoch unsere moralischen Probleme nicht lösen.

    Habe ich irgendwo etwas anderes behauptet?

    Ich ergänze ja nur: Zu unserer biologischen Natur gehört die Anlage zum Moralempfinden. Gäbe es die nicht, gäbe es auch keine moralischen Probleme (so wie im übrigen Tierreich). Trivial? Vielleicht, aber trotzdem wahr.

    @Hamlin et al.

    »Haben Sie eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, dass Babys im Alter von acht bis zehn Monaten vielleicht auch acht bis zehn Monate lang von Eltern großgezogen werden,…«

    So richtig eigentlich nicht. Mir erschien es plausibel, dass hier gesunde, normal entwickelte Babys getestet werden, und dass im ersten Lebensjahr bewusste Erziehung zu irgendeinem bestimmten Verhalten keine große Rolle spielt. Aber ich hole es gerne nach.

    Zunächst eine Frage: Wie soll denn Ihrer Meinung nach die liebevolle Pflege der Eltern sich derart im Gehirn des Kindes niederschlagen, dass es erkennen kann, welches Holzfigur sich “nett” verhält? Ein Lernprozess, so wie wir eine bestimmte Sprache lernen (auf der Basis einer Veranlagung)? Oder so, wie wir später einfaches Kochen lernen (wozu kein großes Talent erforderlich ist)?

    Nun denn: Die genetischen Instruktionen zur Entwicklung eines moralfähigen Gehirns sind bei der Konzeption logischerweise schon vorhanden—wenn es sie denn gibt. Die Frage wäre nun, wann das heranreifende Gehirn diese Instruktionen anatomisch soweit umgesetzt hat, dass ein intuitives Erkennen moralischen oder wenigstens guten sozialen Verhaltens möglich ist. Und weiterhin wäre zu fragen, ob dazu die Wahrnehmung anderer Menschen (Mutter/Eltern/Verwandten) notwendig ist, ob diese Reifung also nachgeburtlich erfolgt. Das ist sehr gut möglich, vielleicht sogar sehr wahrscheinlich.

    Nun zurück zur Schlussfolgerung der Hamlin-Studie: These findings constitute evidence that preverbal infants assess individuals on the basis of their behaviour towards others. This capacity may serve as the foundation for moral thought and action, and its early developmental emergence supports the view that social evaluation is a biological adaptation.

    Passt doch, oder?

    (auf der genannten Internetseite finde ich nur ein Videostreaming zu “Homo homini lupus” von Frans de Waal)

  20. @KRichard

    Von meiner Seite aus kein Widerspruch im Sinne meiner obigen Antwort an Stephan Schleim. Dort finden Sie auch Kiley Hamlins Schlussfolgerung. Nicht die Moral als solche ist genetisch verankert, sondern die Beurteilung sozialen Verhaltens könnte eine biologische Anpassung sein.

    Das widerspricht m. E. nicht Ihrer Ansicht vom individuellen Lernverhalten hinsichtlich moralischer Empfindungen, denn auch dieses spezielle Lernverhalten kann nur das Ergebnis einer evolutiven Entwicklung sein.

  21. @Balanus: Epigenetik

    Herr Schleim hat schon mal kurz auf Friedrich II. und Waisenhäuser hingewiesen.
    Er dürfte damit die Untersuchungen von rumänischen Waisenkindern gemeint haben. Dort gibt es Hinweise, dass zu wenig Zuwendung sogar epigenetisch zurück wirkt; d.h. Genschalter desaktiviert, so dass im späteren Leben weniger Oxytocin gebildet wird. Dies beeinflusst die emotionale Bindungsfähigkeit – und damit letztlich die Moral. Dies aber bedeutet nichts anderes, als dass Moral auch unsere Biologie ändert.
    => D.h. man kann die Titelzeile dieses Blogs auch umformulieren: Folgt Biologie aus unserer Moral? Ein Gedanke, der bei den Überlegungen bisher keine Rolle spielte.

    Hinweise dazu per Google [Seth Pollack Oxytocin] bzw. unter ´The Bucharest Early Intervention Project´.

  22. @KRichard – Epigenetik

    »Dies aber bedeutet nichts anderes, als dass Moral auch unsere Biologie ändert.«

    Diese Frage der Perspektive hatten wir schon in Stephan Schleims MAOA-Blog angesprochen ( http://www.brainlogs.de/blogs/blog/menschen-bilder/2009-11-10/maoa-aggressionsgen ).

    Aus meiner Sicht sind nachgerade die epigenetischen Mechanismen ein starkes Argument dafür, dass die Moral aus der Biologie folgt. Wie sich die Mutter zum Neugeborenen verhält wäre völlig unerheblich, wenn es im Neugeborenen kein spezielles Sensorium für die mütterliche Zuwendung gäbe. Die Regulation der Genexpression durch epigenetische Modifikationen ist ja im Grunde noch nicht einmal Biologie, sondern Biochemie, also ein komplexer chemischer Prozess in einem lebenden System. Beruht Moral letztlich auf biochemischen Reaktionen?

  23. zu kurz gesprungen

    @Balanus: Sie sind zu kurz gesprungen. Denn die Aussage, dass bei uns Menschen alles aus Biologie folgt, ist genau so allgemein gültig, wie sie unsinnig ist – denn sie erklärt nichts. Wären wir Steine, wäre alles mineralisch. Und wo bleibt die Moral bei Pflanzen; denn diese sind auch biologisch.

    Zum Thema ´Oxytocin´ lohnt es sich bei Arvid Leyh > braincast reinzuschauen; > 20 Jahre Apple > Was Sympathie und Stress verbindet

  24. affig

    Die Frage, ob Moral aus der Biologie folgt, ist so blöd wie der Gedanke, daraus etwas abzuleiten. Was folgt denn nicht aus der Biologie: das Rechtssystem, die Wissenschaften, die Sprache…? Sollen wir deshalb wieder knurren und grunzen?
    Der einzig denkbare Vorteil dieses Unfugs von de Waal ist die Aufwertung der Primaten, und die sollte zu Verbesserungen im Tierschutz führen. Dafür brauchen wir uns nicht zum Affen zu machen.

  25. @J.Werner

    Das unterscheidet Menschen von Affen – Menschen machen sich Gedanken über unterschiedliche Themen und reden/schreiben darüber.

    Da man aber vorher nicht wissen kann, was dabei herauskommt – kann man auch vorher nicht wissen, ob sich das Nachdenken lohnen wird.

  26. @KRichard – zu kurz gesprungen?

    Dann doch eher zu weit…

    Die Frage lautete ja nun mal, ob Moral aus der Biologie folgt. Und soweit ich das überblicke, hat keiner der Kommentatoren diese Frage definitiv verneint (klar, was auch sonst).

    Wenn man also akzeptiert, dass die Moral nicht vom Himmel gefallen ist, kann man nach den biologischen Grundlagen oder Mechanismen des Moralempfindens fragen. Ihre Antwort zielt offenbar in Richtung des Oxytocin-Systems. In der Tat spricht Einiges dafür, dass dieses Hormon bei der Entwicklung moralischen Verhaltens eine wichtige Rolle spielt.

    Aber ich vermute mal, das ist auch nicht das, worauf Stephan Schleim hinaus wollte.

  27. @ Balanus: Oops, you did it again

    Die Regulation der Genexpression durch epigenetische Modifikationen ist ja im Grunde noch nicht einmal Biologie, sondern Biochemie, also ein komplexer chemischer Prozess in einem lebenden System. Beruht Moral letztlich auf biochemischen Reaktionen?

    Jetzt lassen Sie wieder die Hälfte der Geschichte unter den Tisch fallen, und zwar den nicht-biochemischen. Warum werden die Gene denn epigenetisch reguliert? Unter anderem aufgrund von Umwelteinflüssen und hier sprachen wir von mütterlicher Zuwendung. (Fürs Protokoll möchte ich nochmal anmerken, dass wir hier natürlich ins Blaue philosophieren, so lange wir keine konkreten Mechanismen benennen können.)

    Wenn Sie natürlich die mütterliche Zuwendung weg lassen, dann — und nur dann — reden wir ausschließlich von biochemischen Prozessen. Dann haben Sie aber das Thema gewechselt.

  28. @ Balanus: P.S. Hamlin

    Mir erschien es plausibel, […] dass im ersten Lebensjahr bewusste Erziehung zu irgendeinem bestimmten Verhalten keine große Rolle spielt.

    Mit anderen Worten: Sie haben die Alternativhypothese noch nicht einmal in Erwägung gezogen.

    Wie soll denn Ihrer Meinung nach die liebevolle Pflege der Eltern sich derart im Gehirn des Kindes niederschlagen, dass es erkennen kann, welches Holzfigur sich “nett” verhält?

    Das ist eine offene, wissenschaftliche Frage. Aber lassen Sie mich mal wie folgt spekulieren: Das Baby erfährt ein Jahr lang die Zuwendung von Eltern, Familie, Bekannten usw., die sich ihm gegenüber überwiegend so verhalten, wie der “nette” Holzklotz dem anderen. Nun sieht das Baby den “netten” Holzklotz. Das entspricht dem Verhalten, das es überwiegend von seinen Bezugspersonen erfährt (und das ihm obendrein auch noch Freude bereitet). Also wählt das Baby diesen Holzklotz, weil sein Verhalten ihm bekannter und schöner vorkommt.

    Schleim: Daher kann die Biologie vielleicht einen Beitrag zu moralischen Diskussionen liefern, indem sie uns über unsere Verhaltensweisen und ihre Grundlagen informiert, jedoch unsere moralischen Probleme nicht lösen.

    Balanus: Habe ich irgendwo etwas anderes behauptet?

    Ja, Sie haben am 20.11. in der MAOA-Diskussion unter Bezug auf die Hamlin-Studie behauptet, sie Stelle eine Evidenz dafür dar, “dass uns die Moralprinzipien bereits in die Wiege gelegt sind”.

    Punkt für mich, oder nicht?

  29. @Stephan Schleim

    »Jetzt lassen Sie wieder die Hälfte der Geschichte unter den Tisch fallen, und zwar den nicht-biochemischen. Warum werden die Gene denn epigenetisch reguliert? Unter anderem aufgrund von Umwelteinflüssen und hier sprachen wir von mütterlicher Zuwendung. «

    Kein Problem, ich kann das fehlende Stück gerne einfügen:

    “Die Regulation der Genexpression durch epigenetische Modifikationen aufgrund der mütterlichen Zuwendung ist ja im Grunde noch nicht einmal Biologie, sondern Biochemie, also ein komplexer chemischer Prozess in einem lebenden System.

    Es ist doch klar, dass der Regulation der Genexpression etwas vorausgehen muss (Sie wissen schon, Ursache und Wirkung, wobei in der Biologie zirkuläre Kausalitäten das Bild beherrschen). In diesem Falle sind es bestimmte physikalische Reize (ausgehend von der Mutter, dort wiederum hervorgerufen vom Neugeborenen), die wahrgenommen werden und so den epigenetischen Mechanismus auslösen. Wenn wir mal für einen Augenblick vergessen, dass wir es mit einer Mutter-Kind-Beziehung zu tun haben, sondern versuchen, den Vorgang ganz materialistisch sehen, dann erblicken wir einen hochkomplexen zirkulären Prozess von physikalischen Reizen und biochemischen Reaktionen, denen nichts Geheimnisvolles oder Geistiges anhaftet (keine schöne Vorstellung, zugegeben).

    Habe ich nun das Thema gewechselt oder nicht?

    Mit anderen Worten: Sie haben die Alternativhypothese noch nicht einmal in Erwägung gezogen.

    Ja, machen Sie mich nur fertig…

    Ich entschuldige das damit, dass ich im Rahmen eines Funkkollegs (Psychologie, HR2) von dieser Studie erfahren habe, und zwar als solide Untersuchung (zumindest kann ich mich an ein Wort wie “umstritten” oder so nicht erinnern). Ich wurde also positiv auf die Studie geprägt. 😉

    Im Übrigen ist mir der genaue Mechanismus, wie es bei den Babys zu diesem sozialen “Wissen” kommt, gar nicht so wichtig. Die Begründung habe ich weiter oben schon geliefert (01.12.2009, 10:50).

    Schleim: Daher kann die Biologie vielleicht einen Beitrag zu moralischen Diskussionen liefern, indem sie uns über unsere Verhaltensweisen und ihre Grundlagen informiert, jedoch unsere moralischen Probleme nicht lösen.

    Balanus: Habe ich irgendwo etwas anderes behauptet?

    Schleim: Ja, Sie haben am 20.11. in der MAOA-Diskussion unter Bezug auf die Hamlin-Studie behauptet, sie Stelle eine Evidenz dafür dar, “dass uns die Moralprinzipien bereits in die Wiege gelegt sind.

    Wenn Sie das so verstanden haben, dass ich meinte, wir brächten eine fertige Moral mit auf die Welt, dann haben Sie das missverstanden (lag sicher an meinen unpräzisen Formulierungen). Aber ich hatte später (am 24.11., 13:02) ja ausgeführt, was mit “Moralprinzipien” im Kern gemeint war und ist, nämlich das Moralprinzip der gegenseitigen Hilfe.

    Wenn Kleinkinder dieses Prinzip bereits im ersten Lebensjahr lernen können, spricht das sehr für eine genetische Basierung (ist beim Sprechen lernen und Laufen lernen nicht anders).

    Punkt für mich, oder nicht?

    Entscheiden Sie selbst 😉

  30. Kreisverkehr

    Beinahe hätten sich die Beiträge im Kreis bewegt – aber jetzt sind wir wieder voll beim Thema.
    Wenn man z.B. die Mutter-Kinde-Beziehung als als einen komplexen zirkulären Prozess aus physikalischen Reizen und biochemischen Reaktionen beschreibt, so stimmt das zwar – aber nur teilweise.
    Denn es wird dadurch noch nicht erklärt, wie dabei die nicht materiellen Gefühle entstehen (Liebe, Moral), welche in diesem Rückkopplungsprozess aber eine bedeutende Rolle spielen.
    Und das ist ein Thema dieses Blog-Beitrags von Herrn Schleim: wie entstehen diese Gefühle, und warum nicht bei Menschen und Affen gleichermaßen (wo/was sind die Unterschiede)

  31. @ Balanus: materialistische Beschreibung

    Wenn wir mal für einen Augenblick vergessen, dass wir es mit einer Mutter-Kind-Beziehung zu tun haben, sondern versuchen, den Vorgang ganz materialistisch sehen, dann erblicken wir einen hochkomplexen zirkulären Prozess von physikalischen Reizen und biochemischen Reaktionen, […].

    Habe ich nun das Thema gewechselt oder nicht?

    Der Trick verbirgt sich in Ihrem Konditionalsatz: “Wenn wir mal für einen Augenblick vergessen…”

    Das ist schon komisch, wenn wir (das sind zumindest Sie, KRichard und ich) hier über eine Mutter-Kind-Beziehung sprechen und Sie das — zumindest für den Augenblick — vergessen möchten. Ich halte es für erwiesen, dass Sie damit das Thema wechseln.

    Das können Sie durchaus tun; ich will auch niemanden davon abhalten, sich an einer naturalistischen Beschreibung der Mutter-Kind-Beziehung (oder was auch immer) zu versuchen. Ich persönlich glaube bloß, das wird nicht gut gelingen.

    Um diese Frage zu entscheiden, müsste mir die naturalistische Beschriebung erst einmal vorliegen. So lange das nicht der Fall ist, ist das nicht Wissenschaft, sondern naturalistische Philosophie, die stark auf Metaphern (“komplexe biochemische Reaktionen”, “physikalische Reize”, “zirkuläre Kausalität” usw.) rekurriert. Das kann interessant sein, um zu sehen, was dabei herauskommt, ist aber nicht meine Frage.

  32. @KRichard

    »Und das ist ein Thema dieses Blog-Beitrags von Herrn Schleim: wie entstehen diese Gefühle, und warum nicht bei Menschen und Affen gleichermaßen (wo/was sind die Unterschiede)«

    Was wäre denn Ihre Antwort oder Überlegung zu dieser Frage?

    Nun gut, dann mache ich mal den Aufschlag…

    Zunächst: Woher wollen Sie wissen, wie und was Affen fühlen?

    Mein Verdacht ist, dass Affen (und andere Säuger) ebenso Gefühle haben wie wir Menschen. Es gibt wohl kein Gefühl in uns, das keine Entsprechung im Tierreich hätte (wohlgemerkt, ich rede nur von Ähnlichkeiten und Analogien).

    Der Unterschied dürfte sein, dass wir uns unserer Gefühle bewusst sein können, Tiere aber nicht beziehungsweise nur in begrenztem Maße. Und weil wir über unsere Seelenzustände reflektieren können, können wir auch Moralvorstellungen entwickeln und Liebesgedichte verfassen—und bewusst gegen herrschende Moralvorstellungen verstoßen.

    Wie diese Gefühle nun tatsächlich entstehen, welche hirnphysiologischen Vorgänge letztlich aufgrund der Wahrnehmung von mütterlicher Zuwendung beim Kind ablaufen und welche Strukturänderungen damit verbunden sind, weiß ich natürlich auch nicht. Aber ich denke mal, diese Vorgänge sind im Prinzip erklärbar und haben nichts Metaphysisches an sich.

  33. @Stephan Schleim – Thema

    »Das ist schon komisch, wenn wir (das sind zumindest Sie, KRichard und ich) hier über eine Mutter-Kind-Beziehung sprechen und Sie das — zumindest für den Augenblick — vergessen möchten. Ich halte es für erwiesen, dass Sie damit das Thema wechseln.«

    Wir reden doch darüber, ob Moral aus der Biologie folgt, wie Frans de Waal offensichtlich meint. Wieso kommt es ihnen da “komisch” (wohl im Sinne von ‘seltsam’, ‘absonderlich’?) vor, wenn ich ein rein biologisches Szenario entwerfe?

    Mir ging es darum, das hoch emotionale Bild der Mutter-Kind-Beziehung mal zur Seite zu schieben, um einen freien Blick auf die (möglicherweise) zugrunde liegenden physischen Mechanismen werfen zu können.

    Dass man mit einer “naturalistischen Beschreibung” dieser Beziehung nicht die subjektiv erlebte Gefühlswelt erfassen kann, ist doch klar. Selbst wenn eine solche Beschreibung irgendwann einmal vorliegen sollte, bliebe die subjektive, psychische Dimension außen vor.

    Sie meinen, solange man keine “naturalistische Beschreibung” des biologischen Geschehens vorlegen kann, handele es sich bei den Überlegungen dazu nicht um Wissenschaft, sondern um “naturalistische Philosophie”. Mag schon sein, ich bin weder Wissenschaftstheoretiker noch Philosoph, wenn Sie das so sagen, will ich das mal glauben.

    Aber Begriffe wie “komplexe biochemische Reaktionen”, “physikalische Reize” und “zirkuläre Kausalität” sind nach meinem Verständnis keine Metaphern. Wenn schon, dann sind das Phrasen, Floskeln oder Gemeinplätze, die verschleiern sollen, dass man nichts Genaues weiß 😉

    Aber im Ernst, mit welchen Worten soll man die Geschehnisse auf der zellulären Ebene denn sonst beschreiben?

  34. @Balanus: gut gemacht

    Ihr ´Aufschlag´ war gut – ich stimme zu und habe nichts hinzuzufügen.

    Das Rätsel ´Bewusstein´ bleibt.

  35. Bewusstsein

    Bewusstsein – ist bis jetzt ein so großes Rätsel, dass ich es nicht einmal fehlerfrei schreiben kann. Sorry 🙂

  36. @ Balanus, KRichard

    Wissenschaftlich gesehen spricht erst einmal nichts gegen die Reduktion eines lebensweltlichen Phänomens für eine experimentelle Untersuchung. Mitunter wechselt man dabei aber das Thema und vor allem darf man bei seiner Interpretation/Erklärung am Ende nicht vergessen, dass man es im Labor nicht mehr mit dem ursprünglichen lebensweltlichen Phänomen zu tun hatte, sondern mit einer Vereinfachung desselben!

    Vielleicht können wir uns vorläufig auf den Kompromiss einigen, dass der Mensch von Natur aus ein Kulturwesen ist?

  37. @Stephan Schleim – Kulturwesen Mensch

    Die Kultur ist Teil der menschlichen Natur, einverstanden 🙂

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