Zwergtintenfische mit Leuchtsymbiose

BLOG: Meldung vom Meer

Mit Nacktschnecken auf Tauchstation
Meldung vom Meer

Ähnlich wie die faszinierenden Tarnmeister der Meere, die achtarmigen Kraken, haben auch ihre kleinen Verwandten, die Zwergtintenfische, einige spannende Eigenschaften. So gibt es bei den Zwergtintenfischen ein interessantes Phänomen: sie können eine besondere Symbiose mit lichtproduzierenden Bakterien eingehen. Diese Symbiose untersucht eine Forscherin, mit der ich mir bei Aufenthalten am meeresbiologischen Institut im französischen Banyuls sur mer oft einen Laborraum teile: Michele Nishiguchi, Professorin an der New Mexico State University.
 

Michele Nishiguchi im Laborraum des meeresbiologischen Instituts in Banyuls sur mer. © Valérie Schmitt

Obwohl New Mexico ein landumschlossener Staat ohne Zugang zum Meer ist, hat Michele Nishiguchi dort ihre Forschung an Zwergtintenfischen etabliert. Im Institut in New Mexico selbst werden die Tiere in Meerwasseraquarien gezüchtet. Für neue Sammlungen und Freilanduntersuchungen unternimmt die Meeresbiologin Forschungsreisen an verschiedene Fundorte im pazifischen Raum wie Hawaii, Thailand, Indonesien, Japan, Australien und die Philippinen und um bestimmte Mittelmeerarten zu finden auch ins französische Banyuls sur mer. Im Mittelmeer untersucht sie insbesondere Zwergtintenfische der Gattungen Sepiola und Rondeletiola, die Symbiosen mit Bakterien der Gattungen Vibrio und Photobacterium eingehen.  


Zwei Zwergtintenfische in einem Meerwasserbecken im Labor in Banyuls sur mer. Diese Zwergtintenfische der Gattung Sepiola sind nur etwa walnussgroß. © Valérie Schmitt

Zwergtintenfische haben im Gegensatz zu den achtarmigen Kraken insgesamt zehn Arme – zusätzlich zu den acht normalen Armen haben sie zwei speziell ausgebildete Fangtentakel. Wie ihr Name schon sagt, bleiben Zwergtintenfische wesentlich kleiner als ihre größeren Verwandten, sie werden nur bis zu wenigen Zentimetern groß. Die Zwergtintenfische der Gattung Sepiola, die Michele Nishiguchi in ihrem Laborbecken in Banyuls sur mer gesammelt hat, haben nur etwa die Größe von Walnüssen. Genau wie Kraken besitzen Zwergtintenfische besondere Farborgane in ihrer Haut, mit deren Hilfe sie blitzschnell verschiedene Körpermusterungen annehmen können.


Zwergtintenfische können mithilfe von speziellen Farborganen in der Haut verschiedene Körpermusterungen annehmen, wie dieser Zwergtintenfisch im meeresbiologischen Institut in Banyuls sur mer. © Valérie Schmitt

Außer dass sie sich blitzartig verfärben, schnell davonschwimmen und kleine Tintenwölkchen ausstoßen, zeigen die Zwergtintenfische in Michele Nishiguchis Laborbecken noch eine andere Schutzstrategie: sie vergraben sich selbst in Sekundenschnelle im Sand bis nur noch ihre Augen herausschauen. Das ist nicht nur sehr lustig zu beobachten, sondern hinterlässt die Zwergtintenfische auch perfekt versteckt, während sie gleichzeitig weiter ihre Umgebung im Blick behalten.



Diese Zwergtintenfische der Gattung Sepiola graben sich im Sand ein bis letztendlich nur noch ihre Augen herausschauen, so dass sie perfekt versteckt weiter ihre Umgebung beobachten können. © Valérie Schmitt

Auf die Frage, was sie an Zwergtintenfischen so fasziniert, dass sie sie zu ihren Forschungsobjekten gemacht hat, antwortet Michele Nishiguchi, dass es nicht eigentlich die Tintenfische selbst waren, die ihr Interesse weckten, sondern die Symbiose, die sie eingehen. „Mich interessieren Vorteile und Kosten einer solchen Beziehung“, erklärt sie. „Was haben beide Partner von der Symbiose? Wie eng verschmelzen sie miteinander? Ich denke dabei in die Richtung der Theorie eines Superorganismus, wozu z. B. Lynn Margulis einiges geschrieben hat. Besteht diese Symbiose noch aus zwei getrennten Lebewesen oder sind sie schon als ein gemeinsamer Superorganismus zu betrachten?“  

Die Symbiose der Zwergtintenfische und lichtproduzierenden Bakterien bringt für beide Beteiligten deutliche Vorteile und beruht auf einem besonderen Effekt, wie Michele Nishiguchi erläutert: „Die Zwergtintenfische gehen nachts auf die Jagd. Je nachdem, wie stark das Mondlicht durch das Meerwasser scheint, sind sie dabei selbst als schwimmende Beute für potenzielle Jäger erkennbar – durch den Schatten, den ihr Körper im Mondlicht wirft. Mithilfe der lichtproduzierenden Bakterien, die sie in ihren Körper integriert haben, können sie jedoch diesen Schatten verschwinden lassen. Nähert sich ein Fisch unterhalb des Zwergtintenfisches schwimmend, würde sich eigentlich der Körper des Tintenfisches dunkel gegen das darüber einfallende Mondlicht abheben. Durch das Licht, das die Bakterien ausstrahlen, wird aber genau dieser Schatten erleuchtet, so dass der Fisch den Umriss des Tintenfisches nicht erkennen kann. Das gleiche Prinzip zeigt sich auch bei anderen Meerestieren, die durch eine heller gefärbte Körper-Unterseite getarnt sind. Besonders faszinierend ist hierbei auch, dass einige Zwergtintenfische je nach Stärke des aktuellen Mondlichts anpassen können, wie viel Licht von ihren eingelagerten Bakterien ausgesendet wird.“

„Für die Bakterien hat es den Vorteil, dass sie innerhalb der Tintenfische mehr Nährstoffe zur Verfügung haben als im Freiwasser und sich schneller vermehren“, erklärt Michele Nishiguchi weiter. „Einmal in den Körper aufgenommen, vermehrt sich die Bakterienpopulation exponentiell im Tintenfisch bis sie einen Höchststand erreicht hat. Morgens werden dann 95% der Bakterien lebendig ausgestoßen, die daraufhin frisch geschlüpfte juvenile Zwergtintenfische kolonisieren können. Die jungen Zwergtintenfische haben keine Bakterien und müssen sie einmalig neu aufnehmen. Die Bakterien vermehren sich dann immer wieder exponentiell im Tintenfisch.“

Michele Nishiguchi sieht in der Forschung an der Symbiose der Zwergtintenfische sogar das Potenzial, Erkenntnisse für die Humanmedizin nutzen zu können. Sie beschreibt einige Parallelen zwischen der Besiedelung mit Bakterien bei Zwergtintenfischen und Menschen: „Zunächst einmal handelt es sich bei der Zwergtintenfisch-Symbiose um einen „Happy Host“ – einen glücklichen Wirt – genau wie z. B. bei unserer gesunden Symbiose mit unschädlichen Darmbakterien. Generell gleichen sich Prozesse wie die Besiedelung mit Bakterien, so dass es auch bei verschiedenen Bakterien grundsätzliche Gemeinsamkeiten gibt. Durch die Untersuchungen an Tintenfischen können wir sehen, wie Interaktionen zwischen den Bakterien und dem Tier pathogenen Bakterien wie z. B. Vibrio cholerae, dem Erreger der Cholera, ähneln. Erstaunlich ist zum Beispiel auch, dass sich Aufnahmen mit Transmissions-Elektronen-Mikroskopie von Bakterien in Tintenfischen und im menschlichen Darm so ähnlich sehen, dass man sie zum Teil kaum unterscheiden kann.“ So bietet die Symbiose von Zwergtintenfischen und ihren Leuchtbakterien Michele Nishiguchi ein Modellsystem zur Forschung an Prozessen wie Infektion, Pathogenese und Verbreitung zwischen Tier, Bakterium und Umgebung. Ein Ansatz ist dabei auch, mithilfe von Computermodellen vorherzusagen, wie sich Bakterien an neue Wirte, aber auch an verschiedene Umgebungen anpassen können, mit der Hoffnung, Erkenntnisse über die Verbreitung von bakteriellen Infektionen zu gewinnen.   

So reist Michele Nishiguchi auch schon seit vielen Jahren von New Mexico bis ins südfranzösische Banyuls sur mer, um dort spezielle Zwergtintenfische aufzuspüren. Für mich hat es immer durchaus symbiotischen Charakter, mir mit Michele Nishiguchi einen Laborraum zu teilen, denn daraus ergibt sich sowohl nette kollegiale Gesellschaft als auch gemeinsame Forschungstauchgänge.


Michele Nishiguchi bei gemeinsamem Forschungstauchgang im Mittelmeer bei Banyuls sur mer. © Valérie Schmitt

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Valérie Schmitt, Diplom-Biologin, Science Writer und Online-Redakteurin, schreibt ihre Doktorarbeit über Meeresschnecken mit einer besonderen Eigenschaft: In ihrer Reihe berichtet sie von dem spannenden Phänomen der Einlagerung von Chloroplasten - den Organen der Fotosynthese - bei Meeresnacktschnecken, das in dieser Form im Tierreich einzigartig ist.

2 Kommentare

  1. Es ist doch immer wieder interessant, was es in der Natur zu entdecken gibt und wie vieles aufeinander abgestimmt ist.

  2. @ Martin Huhn

    Danke für den Kommentar! Wenn der Artikel zu solchen Überlegungen beiträgt, freut mich das!

Schreibe einen Kommentar