Der Kaiserschnitt

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Der Kaiserschnitt zählt zu den häufigsten Operationen, Tendenz steigend. „Man sollte niemals zu einem Arzt gehen, ohne zu wissen, was dessen Lieblingsdiagnose ist“, wusste schon der englische Schriftsteller Henry Fielding, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebte. Im Zeitalter der Fallpauschalen könnte diese Erkenntnis so manche Patientin vor dem allzu eifrigen Gebrauch des Skalpells bewahren.
 
Der Fall Frau M.*
Die 38-jährige Frau M. freut sich auf ihr siebtes Kind. Auch ihr Mann und die sechs Geschwister können es kaum erwarten, das Baby endlich nicht mehr nur auf den Ultraschallbildern zu bewundern. Frau M. ist jetzt in der 37. Schwangerschaftswoche. Bald hat sie es geschafft. Wenn da nicht ein kleines Problem wäre.
Paul* liegt verkehrt herum. Anders, als es sich normalerweise gehört, streckt er seinen Po und nicht den Kopf voraus. Der Fachmann, ein untersetzt-dynamischer Oberarzt einer leistungsorientierten Uniklinik, hält sich nicht lange auf mit Schwafeleien, spricht von einer Beckenendlage und wiegt besorgt seinen Kopf. 
Das beunruhigt jetzt wiederum die werdenden Eltern: „Ist etwas nicht in Ordnung mit unserem Baby?“, fragen sie besorgt. Schließlich sind bislang alle ihre Kinder auf normalem Wege geboren worden. Erstaunlicherweise lassen sich bei Frau M., bis auf die Anzahl der vorausgegangenen Schwangerschaften und das leicht erhöhte mütterliche Alter, nicht einmal andere Risikofaktoren finden, die gegen den erfolgreichen Ausgang auch dieser Schwangerschaft sprechen würden. 
Nun zählt die Beckenendlage zu den klassischen Indikationen für einen Kaiserschnitt (Sectio caesarea), denn die Risiken einer Geburt über den Normalweg sind vielfältig. Dem stimmt auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu. So könnte das Kind während der Geburt beispielsweise stecken bleiben und dadurch einen Hirnschaden erleiden. Die Mutter könnte als Mehrgebärende verbluten und dann sieben kleine Waisen zurücklassen. Es spricht also einiges für eine operative Entbindung.
Allerdings verfügen die M.s nicht nur über eine erfahrene niedergelassene Frauenärztin und eine gute Hebamme, sondern sind nach ihren sechs erfolgreichen Schwangerschaften auch selbst einigermaßen mit der Materie vertraut. Zudem hat Frau M. viel im Internet gelesen und sich in einschlägigen Foren mit Leidensgenossinnen ausgetauscht. 
„Könnten wir es nicht mit einer äußeren Wendung probieren?“, wagt sie zu fragen. Dieses Verfahren, in dem nach der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche das Kind durch schiebende und schaukelnde Bewegungen zum Purzelbaum gebracht wird, erscheinen ihr, der Hebamme und ihrer Frauenärztin äußerst vielversprechend.
Um dies zu besprechen, hatte die Ärztin Frau M. eigentlich an die Uniklinik geschickt. Die Fruchtwassermenge sei ausreichend und auch der Mutterkuchen säße an der Hinterwand der Gebärmutter und damit an der richtigen Stelle. Damit wäre die Gefahr für eine vorzeitige Lösung des Mutterkuchens durch die Manipulationen am Bauch der Mutter und eine Schädigung des Kindes sehr gering, hatte sie die werdende Mutter beruhigt.
Doch das Urteil des Fachmanns über Frau M.s Vorschlag und die Ansichten ihrer Frauenärztin ist vernichtend: „Liebe Frau M., wenn Sie das unbedingt wollen, können wir es natürlich versuchen. Ich kann Ihnen aber gleich versprechen, dass das nichts wird. Nach Ihren vielen Schwangerschaften dreht sich Ihr Kind sofort wieder zurück in die falsche Position. Wir haben schon normalerweise nur eine Erfolgsquote von 50 Prozent. Bei Ihnen ist diese Chance noch viel geringer. Und falls es zu Komplikationen kommt, müssen wir Ihr Kind per Notkaiserschnitt holen. Da ist es schon besser, wir machen gleich Nägel mit Köpfen und statt einer Wendung, die eh nichts wird, den Termin für eine geplante Sectio.“
Frau M. kann es nicht fassen. Sechs Kinder hat sie spontan geboren, immer ist alles gut gegangen und jetzt das? Ist sie am Ende nicht mehr normal? Gleich nach der Wendung könne man die Geburt mit Wehen fördernden Mitteln einleiten, hatte die Frauenärztin sie ermutigt. Eine solche Einleitung könne sich allerdings über mehrere Stunden hinziehen, sie solle dabei aber nicht verzagen und geduldig bleiben. Da es schon das siebte Kind sei, würde die Entbindung bestimmt rasch überstanden sein. Auch ihre Hebamme würde ihr beistehen.
Ein Kaiserschnitt hat doch auch Risiken. Aber was dieser Oberarzt so erzählt, klingt plötzlich alles plausibel und einleuchtend. Frau M. denkt nach. Vor Jahren ist sie einmal am Blinddarm operiert worden und da ging schließlich auch alles gut. Damals hatte sie sich vor der Operation schrecklich gefürchtet, doch hinterher war die Erleichterung umso größer gewesen. Wahrscheinlich ist es auch jetzt nur die Angst vor der Operation, die sie diesmal zögern lässt. Fragend blickt sie ihren Mann an, der ihr aufmunternd zunickt. „Es ist das Beste für den Kleinen, Schatz.“ Dieses Argument überzeugt schließlich auch Frau M..
In der Zwischenzeit hat der Assistent des Fachmanns, ein dynamisch-pickeliger Jungarzt, den Frau M. auf höchstens Mitte 20 schätzt, die Risiken und Nebenwirkungen des geplanten Eingriffs in Windeseile heruntergerasselt. Frau M. kann kaum folgen, viel zu aufgewühlt ist sie noch von der Entscheidung. „Blutungen, Infektionen, Wundheilungsstörungen, Verwachsungen, Verklebungen, Entstehung von Blutgerinnseln, Verletzungen der umliegenden Gefäße, Nerven, Organe, des Babys….“
„Dem Baby passiert aber nichts, sonst unterschreibe ich nicht“, lautet ihr letzter zaghafter Einspruchsversuch. „Aber Frau M., ich bitte Sie. Schließlich wollen wir Ihnen doch nur helfen, das wissen Sie doch“, ermuntert sie der Nachwuchsdoktor „Jetzt unterschreiben Sie schon oder wollen Sie die anderen Patienten da draußen noch länger warten lassen?“ Also fügt sich Frau M. rasch ihrem Schicksal und kritzelt mit zitternder Hand ihren Namen auf die Formulare. 
Zehn Tage später ist es soweit. Die M.s werden stolze Eltern eines gesunden, rosigen Knaben. Alles verläuft planmäßig und zwei Tage später darf die frischgebackene Mutter mit ihrem Nachwuchs wieder nach Hause, wo die beiden stürmisch von dem Rest der Rasselbande empfangen werden. 
Das dicke Ende kommt danach
Frau M. stöhnt insgeheim noch vor Schmerzen, reißt sich jedoch zusammen, um sich nichts anmerken zu lassen. Bei allen anderen Entbindungen war die Geburt selbst das Schlimmste – die Stunden der Wehen, die Qualen der Entbindung und hinterher vor allem der Gang zur Toilette.
Diesmal war alles anders: Weder hatte sie Wehen verspürt noch Schmerzen bei der Entbindung. Auch danach war sie auf der Station gut mit Schmerzmitteln versorgt worden. Dafür ziert ihren Unterbauch jetzt eine gut 10-Zentimeter lange Narbe. Die Ärzte nennen das Bikinischnitt, weil sich die Wunde so schön unter einem Slip verstecken lässt. Die damit verbundenen Schmerzen lassen sich leider weniger gut kaschieren.
„Sie sollten die ersten sechs Wochen nach der Entbindung nicht schwer heben. Nicht mehr als fünf Kilo“, gab ihr die Assistenzärztin als guten Rat bei der Entlassungsuntersuchung mit auf den Weg. Nur wie soll sie das realisieren? Zwar ist ihre Älteste gerade 12 geworden und eine große Entlastung bei der Hausarbeit, schonen kann Frau M. sich deswegen nicht. Also geht die Frischoperierte am nächsten Tag nach der Entlassung erst einmal zu ihrem Hausarzt, der sie großzügig mit Schmerzmitteln versorgt. 
Ein Jahr später
Während der kleine Paul wächst und gedeiht, erholt sich Frau M. langsam wieder. Die Narbe heilt gut und macht immer weniger Beschwerden. Nach einem Jahr sind die Schmerzen schließlich fast vergessen.
 
Allerdings plagen die stolze Mutter noch immer die durch die Operation entstandenen Verwachsungen, so dass ihre älteste Tochter bereits verwundert feststellte: „Mama, seit Paul geholt wurde, blubbert dein Bauch immer nach dem Essen. Ist das bei den Promi-Müttern wie Angelina Jolie oder Madonna auch so?“ 
Frau M. ist ratlos. Als sie ihre Frauenärztin befragt, kann diese zwar wenig zu etwaigen Beschwerden prominenter Kaiserschnitt-Patientinnen, jedoch einige interessante Fakten zur Operation an sich erzählen.
Der medizinische Wert des Kaiserschnitts
Für manch eine gestresste Promi-Mama mag die exakte Geburtsplanung gut in den Terminkalender passen, oft ist es jedoch ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis –nicht nur bei den Frauen, sondern auch seitens der Gynäkologen, welche letztendlich zum Kaiserschnitt führt. Die Frauen werden immer älter, wenn sie ihre Kinder bekommen und damit steigt auch das Risiko für Komplikationen. Hinzu kommt, dass die Ärzte immer häufiger spätere Klagen fürchten müssen.
Dennoch hat eine normale Entbindung deutliche Vorteile. Die Frauen erholen sich in der Regel schneller und spätere Geburten sind seltener beeinträchtigt. Selbst die fehlenden Geburtsschmerzen beim Kaiserschnitt werden hinterher durch die Wundheilungsschmerzen relativiert. 
Nicht zuletzt haben die Babys nach einem Kaiserschnitt oft mehr Probleme, müssen häufiger auf die Intensivstation und stellen sich schlechter auf den Start ins Leben ein, da sie von ihm überrascht werden. 
Bei Risiken unter der Geburt sind diese Probleme jedoch nachrangig. Hier zählt es vor allem, das Leben von Mutter und Kind zu schützen und dafür ist der Kaiserschnitt oftmals ein Segen.
Sind aber beide gesund, steht fest: Die Mehrzahl der Mütter könnte auch heute noch eine normale Geburt erleben, wenn sie die Zeit und den Raum dafür erhalten würden. Das ist jedoch für die Kliniken immer weniger profitabel.
Der ökonomische Nutzen der Sectio caesarea
Über den Fall Frau M. lässt sich trefflich streiten. Am Ende ging alles gut für Mutter und Kind und das ist letztendlich, was zählt. Im Zeitalter des zunehmenden wirtschaftlichen Denkens der Krankenhäuser sind jedoch die Grenzen oft fließend zwischen medizinischer Notwendigkeit auf der einen Seite sowie Marketing, Gewinnmaximierung und Einsparungsmaßnahmen andererseits. 
Seit Jahren gehen die Geburtenzahlen in Deutschland zurück. Dagegen steigt die Rate der Kaiserschnitte beständig. Während 1991 etwa jedes siebte Kind per Kaiserschnitt entbunden wurde, ist es heute bereits jedes dritte. Die WHO hält dagegen lediglich eine Rate von zehn Prozent für erforderlich.
Ein Krankenhaus bekommt für eine normale Geburt, die sich Tage hinziehen kann, im Schnitt 1500 Euro. Ein Kaiserschnitt, der in maximal einer Stunde erledigt ist, bringt dagegen bis zu 4000 Euro ein. Werdende Eltern sind also gut beraten, sich vor ihrer Entscheidung genau zu informieren.
Der untersetzt-dynamische Oberarzt von damals ist mittlerweile selbst erfolgreicher Chefarzt eines eigentlich recht durchschnittlichen städtischen Krankenhauses geworden. Auch dort erhöht er jetzt erfolgreich die Kaiserschnitt-Rate. So kommen inzwischen auf eine normale Geburt drei Entbindungen per Sectio. Glücklicherweise werden diese Zahlen für jeden zugänglich im jährlichen Qualitätsbericht auf der Homepage der Klinik veröffentlicht. Im Ranking der Lieblingsdiagnosen rangiert der Kaiserschnitt auf Platz 2 hinter dem gesunden Neugeborenen und vor den Brustkrebserkrankungen, während die normale Geburt deutlich abgeschlagen auf dem 6. Rang folgt.
Nun sprechen hohe Fallzahlen für eine besondere Erfahrung des Krankenhauses auf diesem Gebiet und vor allem Krebskranke sind in einer Klinik, in der ihre Diagnose häufig behandelt wird, besser als woanders aufgehoben. Hospitäler mit einer hohen Sectio-Rate begründen ihre Operationslust oft mit ihrem überdurchschnittlichen Anteil an Risikoschwangerschaften und Frühgeburten. Doch auch hier zeigen sich deutliche Unterschiede.
So kann beispielsweise eine Vergleichsfrauenklinik mit einem ähnlichen Spektrum an Erkrankungen, jedoch einer anderen Führungs- und Operationspolitik, ganz andere Zahlen präsentieren: Auch hier liegen die gesunden Neugeborenen auf Platz 1, ihnen folgen jedoch nach den Brustkrebserkrankungen auf Rang 2 die normalen Geburten, während die Schnittentbindungen erst auf dem 7. Platz rangieren.
Therapieansätze gegen die Fallpauschalen – "Operationitis"
Patienten sind also gut beraten, vor einer geplanten Operation bzw. Therapie den Qualitätsbericht ihrer Wunschklinik zu studieren und im Zweifel eine Zweitmeinung einzuholen – im Idealfall bei einem guten Hausarzt, im Falle eines geplanten Kaiserschnittes bei der betreuenden Frauenärztin bzw. auch einer erfahrenen Hebamme. Das mag so manche(n) vor einem allzu eifrig benutzten Skalpell bewahren. 
Seit Jahren gibt es Bestrebungen, die normale Entbindung und den Kaiserschnitt finanziell gleichwertig zu behandeln – bislang ohne Erfolg. Erst wenn sich das geändert hat, wird sich wohl wieder der wahre Wert der verschiedenen Entbindungsmethoden zeigen. Hoffentlich geschieht das noch bevor das letzte Baby in Deutschland das Licht der Welt auf natürliche Weise erblickt hat.
* Namen geändert

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Veröffentlicht von

Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

20 Kommentare

  1. Unglaubwürdig und nicht hilfreich

    Welche Klinik schickt eine Frau mit Kaiserschnitt nach zwei Tagen nach Hause?! Welche Klinik drängt zur Unterschrift der Einverständniserklärung, wenn es sich nicht um einen Notkaiserschnitt handelt? Welche Schwangere, die sich offenbar auch in anderen Quellen informiert und eine gute Frauenärztin und Hebamme hat, lässt sich davon verunsichern? Davon abgesehen ist natürlich jede/r gut beraten, sich über den geplante Entbindungsort genauestens zu informieren – irgendwelche Gruselgeschichten über Kaiserschnitte machen das nicht dringender, als es eh ist. Sie verunsichern dagegen Frauen, denen womöglich aus wirklich gerechtfertigten medizinischen Gründen ein Kaiserschnitt bevorsteht – oder die, aus ebenfalls berechtigten medizinischen Gründen, plötzlich mit einem Notkaiserschnitt konfrontiert werden.

  2. Was spricht gegen Information,@Findeklee

    Sorry, aber wenn sich eine Mutter von diesem Blog in ihrer Entscheidung beeinflussen lässt, dann handelt es sich wahrscheinlich um eine 13 jährige Teenyschwangere. Oh wait… die ist so blöd gewesen, sich ein Kind andrehen zu lassen, dass sie dieser Artikel mit an Sicherheit grendzender Wahrscheinlichkeit gar nicht lesen wird. Hmmm, welche Frauen bleiben also, die sich davon beeinflussen lassen?

    Ich habe diesen Blogbeitrag eher als “Exemplar” bzw. “dramatische Essenz mehrerer Fälle” statt als aktuelle Fallschilderung verstanden. Und selbst wenn dem nicht so wäre, finde ich die Schilderung mehr als Glaubhaft – vielleicht nicht repräsentativ, aber durchaus nachvollziehbar.

    Folgendes ist auch bei Ärzten verbreitet: Wenn ich nur den Hammer als Werkzeug kenne, mutiert alles zum Nagel.

  3. Geburt Hormone

    Wie ist das eigentlich mit den ganzen Hormonen bei einer natürlichen Geburt? Bei der Mutter wird, glaube ich, Vasopressin ausgeschüttet, das “Treue”-Hormon und einige andere. Durch die Nabelschnur wird ja auch das Baby damit versorgt. Das fällt doch dann alles weg. Ob das gut ist?

  4. Kaiserschnitt

    Es ist schon etwas länger her, da habe ich dazu einen Bericht gesehen. Die Promis haben es vorgemacht und immer mehr werdende Mütter machen es nach und weichen der natürlichen Geburt durch den Kaiserschnitt aus. Die Ärzte müssen den Frauen beispielsweise ausstellen, daß sie Angst vor den Wehen hätten und dann würde der Kaiserschnitt genehmigt. Die Ärzte waren recht offen dafür, weil es sich eben gut damit verdienen läßt.

    Ich finde das gut, was Du hier so schreibst mit dem Einblick von innen. Für mich als potentieller Patient heißt das “Augen auf”. Nicht jeder Arzt hat das Wohl des Patientens an oberste Stelle. Niedergelassene Ärzte sind Unternehmer, die in der Klinik machen auch gerne Karriere. Sie sind auch nur ein Abbild der Gesellschaft des Geldes, der Gier etc. Wenn man nichts anderes hat … so sind nunmal die negativen Auswirkungen des Materialismus/Naturalismus.

  5. @Martin: nö

    “Bei der Mutter wird, glaube ich, Vasopressin ausgeschüttet, das “Treue”-Hormon und einige andere.”

    Wenn es auch per Kaiserschnitt entbundene Mütter gibt, die ihr Kinder lieben und sie gut versorgen, dann wirft das ein zweifelhaftes Licht auf die These, daß komplexes Verhalten wie Fürsorge durch ein simples Hormon in die Welt gesetzt wird.

    Es gibt einige blog hier auf SciLogs, die direkt vom Biologismus leben – leider.

  6. @ Diederichs

    Ja, stimmt schon. Es gibt auch adoptierte Kinder, die von ihren Eltern geliebt werden. Ich meinte damit auch nicht, daß Hormone alles sind. Oder gar, daß wir so eine Art Bioroboter sind. Ich bin da ganz bestimmt nicht dieser Ansicht. Dennoch haben Hormone Einfluß auf uns.

  7. @Martin: die lieben Hormone

    “Dennoch haben Hormone Einfluß auf uns.”

    Sicherlich. Und ich bin schon zufrieden, wenn hier auf brainlogs überhaupt die Frage gestellt wird, welcher das eigentlich ist.

  8. @Findeklee, Jennrich:schlechtes Beispiel

    Ich gebe Ihnen recht, daß der post nicht so recht gelungen ist:

    Zwar entspricht die Konstruktion die Hauptfigur gegenwärtig populären Selbstdarstellungmerkmalen von Frauen wie

    a) verletzlich
    b) aufopferungsvoll
    c) kooperationswillig
    d) moralisch einwandfrei
    e) hilfsbedürftig
    f) mit ausgeprägtem Ehrgefühl

    aber eine Frau, die sich nach 6 Schwangerschaften noch so dämlich anstellt, ist wenig glaubhaft – wenngleich die zentrale Botschaft

    “Nicht nur mit Krankheiten kann man Geld vedienen, sondern auch mit Schwangerschaften”

    ohne weiteres einleuchtet.

    Schade, daß – wie schon des öfteren in diesem blog – immer noch der traditionellen Frauenrolle das Wort geredet wird.

  9. Abwägung

    Bei der natürlichen Geburt werden nicht nur wichtige Hormone ausgeschüttet. Es wird z.B. auch das Fruchtwasser herausgepresst und es erfolgt eine ´Kontamination´ mit Bakterien, welche sich beim Baby im Darm ansiedeln.
    All dies hat Auswirkungen auf die zukünftige Gesundheit des neu geborenen Menschen.

    Daher sollte sorgfältig abgewägt werden, ob ein Kaiserschnitt gerechtfertigt ist.

  10. @Trota: Sorry ….

    …. da war ich wohl doch etwas voreilig:

    “Schließlich wollen wir Ihnen doch nur helfen, das wissen Sie doch“, ermuntert sie der Nachwuchsdoktor „Jetzt unterschreiben Sie schon oder wollen Sie die anderen Patienten da draußen noch länger warten lassen?“ Also fügt sich Frau M. rasch ihrem Schicksal und kritzelt mit zitternder Hand ihren Namen auf die Formulare. “

    Eine Frau, die in einen Kaiserschnitt einwilligt, weil es ihr unangenehm ist, die anderen Patienten warten zu lassen, kann man wohl kaum als fürsorglich bezeichnen – wohl aber als werteorientert und unreflektiert.

    Diese Frau scheint mir kein gutes Vorbild zu sein – tut mir leid.

  11. @ Diederichs

    aber eine Frau, die sich nach 6 Schwangerschaften noch so dämlich anstellt, ist wenig glaubhaft

    Warum soll das unglaubwürdig sein? In der Schwangerschaft sind die Frauen eh meist sehr empfindlich und wenn dann so eine Oberarzt Druck ausübt, dann wird man schnell weich.

    Ich kannte mal eine, die nahm Medikamente und wurde schwanger, wußte jedoch letzteres nicht. Die Ärzte meinte dann, das Kind würde wohl behindert, sie solle die Schwangerschaft abbrechen. Das wollte sie jedoch nicht und ihr Mann sah das ganz genauso. Wenn es behindert würde, dann würden sie es auch als behindertes Kind nehmen. Was meinst Du, wie oft die Ärzte kamen und ihr vorwarfen, sie wäre verantwortungslos etc. Wenn sie nicht ihren Mann gehabt hätte, der da ganz kräftig gegensteuerte, dann hätte sie sich vielleicht auch unter Druck setzen lassen. Das Kind kam dann übrigens kerngesund zur Welt.

    Ich höre das nicht zum ersten Mal, daß manche Ärzte mit Druck und Angst Patienten in eine bestimmte Richtung drängen wollen, aus was für Gründen auch immer.

  12. @ Bruno Jennrich

    Ich habe überhaupt nichts gegen Information, im Gegenteil – deshalb finde ich diesen Post ja so ungeeignet: Weil er nicht informiert, sondern überzeichnet. Genauso wie die Zahl der Kaiserschnitte gestiegen ist, wächst der Trend, sie zu verdammen. Dabei handelt es sich um eine derartig vielschichtige Angelegenheit, dass das bloße Aneinandereihen von übersteigerten Klischees hinsichtlicher objektiver Information einfach nur kontraproduktiv ist.

  13. Zuversicht statt Angst

    Ich finde den Beitrag auch etwas arg überspitzt geschrieben. Zudem erlebe ich Diskussionen um die Art der Geburt ähnlich schwarz oder weiß, wie es Diskussionen rund um das Thema Impfung sind. Meine Kinder kamen bei Hausgeburten auf die Welt und ich bin unendlich froh, eine sehr erfahrene Hebamme an meiner Seite gehabt zu haben. Was der Beitrag aber ganz bewusst zur Frage stellt, ist, ob die Anzahl der stattfindenden Kaiserschnitte tatsächlich im Verhältnis zur Notwendigkeit dieser Operationen ist. Es ist schade, dass vielen – insbesondere unerfahrenen Eltern – mehr Angst vor möglichen Schäden gemacht wird, als Ihnen Zuversicht mit auf den Weg zu geben, ein gesundes Kind auf natürlichem Weg zur Welt zu bringen.

  14. Wahre Geschichte

    @ Antje Findeklee, Elmar Diederichs:

    Leider ließ sich die Hauptfigur nicht perfekt konstruieren, da es sich um eine wahre Geschichte handelt. Natürlich ist es ein schlechtes Beispiel für eine wenig gelungene Geburtshilfe und als ich erfuhr, dass der betreffende Frauenarzt mittlerweile als Chefarzt diesen Stil der Geburtshilfe weiter ausbaut, fand ich das schon durchaus erwähnenswert. Nicht, um irgendjemanden für oder gegen einen Kaiserschnitt zu beeinflussen, sondern vor allem um aufzuklären und zum Denken anzuregen.

    Keineswegs soll dieser Beitrag Kaiserschnitte verdammen, ganz im Gegenteil. Daher biete ich ja auch im letzten Absatz einen Lösungsvorschlag an, für den sich bereits einige Gynäkologen, wenn auch leider bislang erfolglos, eingesetzt haben – nämlich eine gleichwertige finanzielle Entlohnung aller Entbindungsverfahren.

  15. @ Martin Huhn, KRichard, Elmar u.a.:

    Oxytocin, altgriechisch von ὠκύς, ōkys “schnell” und τόκος tokos “Geburt” ist eines der Hormone unter der Geburt. Es gilt auch als so genanntes Liebeshormon, es schafft Vertrauen, sorgt für eine starke Bindung und macht sogar Männer sanfter und mitfühlender. Beim Kaiserschnitt wird es kurz nach der Geburt des Kindes der Mutter über die Vene gegeben, auch damit sich die Gebärmutter gut zusammenzieht. Hormonell sollte es daher eigentlich kaum Nachteile durch den Kaiserschnitt geben.

    Auch was das so genannte ‘Bonding’ angeht, die Bindung zwischen den Eltern und dem Kind, wird das Neugeborene heutzutage auch bei einer Sectio meist so rasch wie möglich zur Mutter / den Eltern ans Kopfende am OP-Tisch gebracht – jedenfalls, wenn es keine Probleme gibt und die Frau in Spinalanästhesie, also wach, operiert wird.

    Aber es stimmt: Auch wenn sich also vieles verbessert hat bezüglich des Kaiserschnitts, haben die Kinder trotzdem immer noch häufiger Anpassungsschwierigkeiten und müssen öfter in kinderärztliche Betreuung.

    Bei richtiger Indikation ist der Kaiserschnitt heute ein Segen für Mütter und Kinder und die Vorteile wiegen dann auch bei weitem die Risiken auf. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass er die normale Geburt immer weiter ersetzen soll.

    Danke Martin und KRichard, dass meine Botschaft offenbar verstanden wurde. Und natürlich haben Hormone einen Einfluss auf uns, auch das ist völlig richtig.

    Lieber Elmar, vielleicht möchtest du es ja einmal selbst probieren. Oxytocin gibt es leicht anwendbar auch als Nasenspray…;-). Ansonsten erwarte ich mit großem Interesse deinen Bericht, wenn du das erste Mal selbst bei einer Geburt in einem Kreißsaal anwesend bist. Das muss nicht mal als werdender Vater sein. Ich bin gespannt, wie schlau du dich dann dort anstellst.

    Denn auch hier hat Martin völlig recht: Eine Schwangerschaft ist eine ganz besondere Situation für die Eltern, in der sich die wenigsten ‚normal’ verhalten. Leider nutzen das auch immer mehr Leute aus, um daran zu verdienen – nicht nur Ärzte, auch Anwälte, die Presse, die Industrie etc..

    Was übrigens den Druck betrifft, den manche Ärzte auf ihre Patienten ausüben, entsteht dieser oft aus Angst vor späteren Gerichtsverfahren. Denn hat ein Arzt nicht ausdrücklich auf eine mögliche Behinderung eines Kindes bereits vor der Geburt hingewiesen und entsprechend zur Abtreibung geraten, droht ihm im Falle einer tatsächlichen Behinderung dieses Kindes später eine Klage der Eltern. Im schlimmsten Fall kann der Arzt dadurch seine Approbation verlieren und dann nicht mehr als Arzt arbeiten. Auch diese Entwicklung ist nicht unbedenklich und vielleicht eine gute Idee für ein späteres Blog-Thema..;-)

  16. “Es gilt auch als so genanntes Liebeshormon, es schafft Vertrauen, sorgt für eine starke Bindung und macht sogar Männer sanfter und mitfühlender.”

    Womit wir Biologismus und Männervoruteile mal wieder fröhlich vereint hätten ….

    Das Einzige, was mich hier noch wundert ist die Unverfrorenheit mit der massive Thesen herausposaunt werden, ohne das geringste Bedürfnis nach einem Argument zu verspüren.

    “Lieber Elmar, vielleicht möchtest du es ja einmal selbst probieren.”

    Sehr gerne. Ich bin aber ziemlich überzeugt, daß GAR NICHTS passiert – es sei denn, daß folgendes gegeben ist:

    i) Ich bin bereits an eine Person A gebunden.
    ii) Ich wende Oxytocin in einer mit A intimen Situation an.
    iii) Ich vertrete eine Ideologie zur Leib-Seele-Problematik, nach der Qualia gute Gründe für solche Handlungen sind oder Änderungen meiner Einstellungen sind, von denen ich normalerweise die Finger lassen würde.

    WENN diese Bedingungen gegeben sind, DANN würde einem Effekt von Oxcytocin zustimmen. Und das Biologen oder Psychologen von diesen Voraussetzungen in ihren paper nicht berichten, heißt nicht, daß sie in deren Experimenten nicht erfüllt sind.

    “Ansonsten erwarte ich mit großem Interesse deinen Bericht, wenn du das erste Mal selbst bei einer Geburt in einem Kreißsaal anwesend bist. Das muss nicht mal als werdender Vater sein. Ich bin gespannt, wie schlau du dich dann dort anstellst.”

    Diese Testsituation ist nur eine, wenn ich szs. als Reporter in einen Kreissaal mit fremden Frauen gesperrt werde. Ich nehme an, du erwartest, daß ich unter dem Eindruck Oxytocin bilde und mich das milder gegenüber hysterischen Frauen machen soll. Schlau brauche ich mich dann nicht anzustellen, nur zu beobachten.

    Aber ich verstehe, daß du genervt bist. Bin ich auch.

  17. @Trota von Berlin

    Das ist real? Ich schweige still und kopfschüttelnd. Und hoffe meinerseits, dass diesem bewussten Arzt nur noch wenige Schwangere in die Finger kommen. Trotzdem bleibt es mir zu einfach gestrickt, die erhöhte Zahl an Kaiserschnitten schlicht auf Profitgründe zurückzuführen (auch wenn diese dazu beitragen werden).

  18. DRG

    Im G-DRG System lässt sich das doch einfachst ermitteln. Einfach die P66x/P67x Fälle den O01x Fällen im zeitlichen Verlauf gegenüberstellen.

    Für solche Fragestellungen bieten wir übrigens die passende Software an 🙂

  19. @ Elmar: Sorry….

    … natürlich hätte ich schreiben sollen, dass Oxytocin Männer UND Frauen sanfter und mitfühlender macht. Nur ist halt der Spiegel bei Frauen anders und nicht nur darin unterscheiden sich die Geschlechter…

    Ich wollte dich auch nicht zu irgendwelchen Experimenten im Kreißsaal animieren, dafür ist das Thema viel zu ernst. Aber Hysterie stammt ja auch von altgriechisch ὑστἐρα (hystera) = Gebärmutter – übrigens ein Begriff, der eindeutig (Frauen) abwertet und negativ besetzt ist. Daher wurde diese Bezeichnung auch mittlerweile ersetzt – z.B. durch die der histrionischen Persönlichkeitsstörung (F 60.4, „Schauspieler“).

    Genervt bin ich deswegen aber noch lange nicht und auch du solltest dich ruhig entspannen ..;-)

  20. @ Antje Findeklee, Bruno Jennrich:

    Dem kann ich nur zustimmen. Neben finanziellen, zeitlichen und rechtlichen Gründen spielt noch etwas eine Rolle: Die mangelnde Ausbildung.

    Diese führt wiederum zur Angst vor der Unbeherrschbarkeit der in der Geburtshilfe recht häufigen und meist unberechenbaren Zwischenfälle. In seiner Not besinnt man sich dann auf das, was man am besten kann und welches einem aus diesem Grund als ‚sicherste’ Methode erscheint, selbst wenn es der Kaiserschnitt ist.

    Ich kenne einige Kliniken hierzulande, in denen keine einzige äußere Wendung, geschweige denn Zangenentbindung mehr durchgeführt wird. Nicht weil die Methoden in jedem Falle schlecht, veraltet oder gefährlich wären, sondern aus dem einfachen Grund, dass sie keiner der (Ober)ärzte mehr beherrscht. Die besten Geburtshelfer (Ärzte und Hebammen), die ich kenne, haben ihre Erfahrungen mittlerweile meist in Ländern der Dritten Welt gesammelt.

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