Die Astronautin. Ich bin verwirrt. [editiert]

Bisher war noch keine deutsche Frau im All, aber das soll sich jetzt ändern. In Bremen wurden heute sechs Finalistinnen vorgestellt, die in einem knapp ein Jahr dauernden Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus rund 400 Kandidatinnen ausgesucht wurden. Zwei von diesen sechs wiederum sollen für einen zehntägigen Aufenthalt auf der ISS trainiert werden. Diese Finalistinnen sind hochqualifiziert, darunter eine (lt. WDR 2) Eurofighter-Pilotin, eine Astrophysikerin, eine Meteorologin – alle gut ausgebildet, offensichtlich fit und höchstwahrscheinlich eine brauchbare Ergänzung für jedes Team auf der ISS.

So weit, so gut. Stutzig macht allerdings Folgendes: Die Kandidatinnen wurden nicht wie z.B. Alexander Gerst im üblichen Verfahren von ESA und DLR rekrutiert und präsentiert, sondern von einem Bremer Manpower-Unternehmen namens HE Space. Das Ganze läuft unter dem Titel “Die Astronautin” und hat eine eigene Webpräsenz. Doch dort ist von Partnern die Rede, die samt und sonders kommerzielle Unternehmen sind. ESA und DLR finden sich in dieser Liste erstmal nicht:


Screenshot www.dieastronautin.de, 01.03.2017

Film, Fitnessberatung, PR-Unternehmen, Business-Consultants, “Management Concept”, Kommunikationsberater. Es ist zu bezweifeln, dass diese Firmen sonderlich viel von Raumfahrt und Medizin verstehen. Eher nehme ich als Außenstehende an, dass sie sich rein finanziell bzw. als geschäftliche Berater an Auswahl und Training der Damen beteiligt haben und beteiligen werden. Und so wird als Ansprechpartner für die Presse in der Tat der Partner Loesch Hund Liepold genannt. Das ist in einem solchen Zusammenhang zwar ungewöhnlich, aber auch kaum zu beanstanden. Nur: Wie fand dann überhaupt die Beurteilung und Auswahl der Kandidatinnen statt? Deren physische und psychische Eignung festzustellen ist ja nun beileibe kein trivialer Vorgang, den man ein paar Fitnessberatern wie Five & Fit überlassen könnte.

Ah, OK, die Grundauswahl hat das DLR übernommen. Im Gegenzug hat der Vorgang ihnen die medizinischen Daten von 400 jungen Frauen beschert. Gut, eine Win-Win-Situation für HE Space und DLR. Aber wie geht es weiter? Nun geht es doch eigentlich überhaupt erst richtig los, denn wenn die Damen wie anvisiert 2020 zur ISS wollen, müssen sie zügig und ernsthaft ins Training einsteigen. Und das ist aufwändig und teuer.

Die teilweise Auflösung erfolgte heute umgehend: “Die Astronautin” hat heute(!) … [Trommelwirbel] … ein sogenanntes “Crowdfunding” gestartet.

Richtig gelesen. Die erste Trainingsphase der Damen soll durch Spenden aus der Bevölkerung finanziert werden. Konkret stellen sie sich das folgendermaßen vor:

Mit Erreichen der Fundingschwelle von 50.000 Euro finanzieren wir:

Tauchschein 10.400 Euro
Training Grundlagen Raumstation 19.600 Euro
Überlebenstraining 19.600 Euro

Mit Erreichen des Fundingsziels von 125.000 Euro finanzieren wir außerdem:

Trainings für Fitness, Russische Sprachkenntnisse und Medienkompetenz 21.400 Euro
Belastbarkeitstraining 43.400 Euro
Technische Grundlagenkenntnisse – Raumfahrttechnik Seminare 10.700 Euro

Mit Überschreiten des Fundingsziels verwirklichen wir:

Parabelflüge 87.500 Euro
Sozialkompetenz-Training 16.000

Quelle: https://www.startnext.com/dieastronautin

Zeitrahmen für die Spendensammlung: 60 Tage.
Joah… Kann man probieren. Wirkt aber doch irgendwie alles seltsam improvisiert. Vom späteren Platz in einer Raumkapsel ganz zu schweigen; alleine da sind wir bei Größenordnungen von 80 Millionen Euro. Orion, SpaceX, Boeing, Russland oder China schweben “Die Astronautin” als Taxiunternehmen wohl vor. Schon stand ich vor dem nächsten Rätsel. Wo soll das ganze Geld dafür denn dann schon wieder her kommen? Spätestens da ist doch Feierabend mit Spenden? Da müssen doch mal Profis ran? Die Verwirrung auch in meiner Twitter-Timeline wuchs mit jedem neuen Detail aus Bremen. Aber man ist ja einigermaßen gut vernetzt, und so wandten wir uns an einen mir auch persönlich bekannten Herrn, der in die ganze Veranstaltung nun auch involviert schien:

“Proud to be on the team that is enabling the first female German astronaut to fly to ISS in 2020. These are the final six!”
(https://twitter.com/timmermansr/status/836890845299245056)

“If ESA supports them, as a European agency, surely there are some reports about that somewhere online?”
(https://twitter.com/Leaving_Orbit/status/836896392517992449)

Die Antwort war allerdings wiederum reichlich kryptisch:

“The support structure is being developed by the team right now. News will be shared when things are final”
(https://twitter.com/timmermansr/status/836899666486837249)

Moment. Wie jetzt? Die Damen müssten eigentlich schleunigst mit dem Training loslegen, aber das Unterstützernetzwerk in der Raumfahrt wird erst jetzt überhaupt in Angriff genommen? Das kann doch nicht sein? Mehr Details waren heute allerdings nicht in Erfahrung zu bringen. Was wohl auch so gewollt ist. Warum auch immer.

Darf ich ganz ehrlich sein? Ich finde diese Vorgehensweise ziemlich merkwürdig. Warum wurden diese Frauen nicht von der ESA rekrutiert, wie alle männlichen Astronauten auch? Hatten sie sich nicht beworben? Waren sie für deren Standards nicht gut genug? Eine jetzt vielleicht doch stattfindende aber noch halb unterm Deckel gehaltene Beteiligung der Raumfahrtbehörde an “Die Astronautin” hätte in der Außenwirkung salopp gesagt einen Touch von “Och, is ja ‘n Ding! Die Mädels können ja echt was?! Na, dann machen wir vielleicht doch mal mit.” Der Beigeschmack ist jedenfalls seltsam. Eine Rektrutierung und Ausbildung auf dem üblichen Weg wäre meines Erachtens wesentlich besser gewesen.

Aber gut, gehen wir also mal davon aus, dass die ESA (oder sonstwer) da jetzt mit einsteigt und mit dafür sorgt, dass diese zwei Damen tatsächlich zur ISS kommen. “It will happen”, laut Aussage des bereits zitierten Herrn. Was machen die Damen dann da? Ferien wohl kaum. Forschung also? Was denn, und vor allem für wen? “… Um dort unter anderem “Aufschlüsse zu hormonellen Veränderungen, Sehbeeinträchtigung und psychologische Auswirkungen zu liefern”, heißt es in der Pressemitteilung des DLR. Prompt taucht bei mir schon das nächste Fragezeichen auf. Der weibliche Zyklus hat eine durchschnittliche Länge von ca. 28 Tagen und umfasst die Follikelphase (~50%), den Eisprung und die Lutealphase(~50%). Was sollen da zehn Tage auf der ISS bringen? Und sollte man dann nicht auch mehrere Zyklen hintereinander, damit der Körper sich überhaupt erst einmal umstellen kann…?

Aber auch hier wartete eine weitere Überraschung in den Medien, denn über die Rolle der Damen auf der ISS scheint man sich nicht ganz einig zu sein. Die im Hinblick auf das ganze Unterfangen eher pessimistische “ZEIT” zitiert den Sprecher des DLR mit der Aussage, die Auswahl sei ja eigentlich “auf den speziellen Fall einer kommerziellen Weltraumtouristin zugeschnitten” gewesen. Claudia Kessler, Initiatorin von “Die Astronautin“, gibt im Widerspruch dazu bekannt, die erste Deutsche im All solle “nicht als Angestellte einer staatlichen Einrichtung wie der NASA oder ESA, sondern im Auftrag von HE Space, die die Astronautenzeit dann an potenzielle Nutzer verkaufen kann” zur ISS.

Mooomang! Was denn nun? Touristin, Forschungsobjekt oder Forscher? Und biddewas? Ein durch Spenden und – im Fall einer Beteiligung der ESA – dann teilweise evtl. steuerfinanziertes Projekt soll am Ende kommerziell werden? Und die Arbeitsergebnisse kommen dabei wem zugute? Werden die wenigstens offengelegt? Kann man das alles bitte mal ein wenig transparenter machen, bevor das Hurrageschrei und Spendengebettel losgeht? Es mag ja sein, dass das alles völlig konsistent ist und seine Ordnung hat, aber erkennbar ist die für Außenstehende zum jetzigen Zeitpunkt nun wirklich nicht.

Und noch was: Bitte wie will dieses Projekt in 60 Tagen auch nur 50.000 Euro zusammenbekommen? Auf Twitter haben sie weit weniger Follower als ich kleines Astro-Muttchen. Sie melden sich dort kaum zu Wort, gehen kaum auf Ansprache von Followern ein, sondern verstehen sich offenbar rein als Sender. Das können sich auf Twitter eigentlich nur ganz große Organisationen oder Promis mit Millionen von Followern leisten, ohne auf Dauer als arrogant oder ahnungslos dazustehen. Keinesfalls aber ein Startup, das von seinen Fans in kürzester Zeit ordentlich Kohle sehen will.
Obendrein werden auf der Facebook-Fanseite seit Eröffnung des Crowdfundings eher Erstaunen, Mitleidsbekundungen und Entsetzen laut, dass das Ganze über Spenden finanziert werden soll, statt als reguläre Astronautin der ESA. Ihre Webseite bietet zudem nicht einmal eine englische Version des Crowdfunding-Textes an. Damit ist schon mal die erste große Chance vertan, international finanzielle Unterstützung zu erhalten. Gerade heute, als der Wirbel um das Unterfangen am größten war, hätte direkt eine Übersetzung zur Verfügung stehen müssen. Zum Zeitpunkt dieses Blogposts sind gerade mal 1.100,- Euro von 27 Unterstützern zusammengekommen, und in den nächsten Tagen und Wochen wird das Interesse eher abflauen als zunehmen. Die heutige Chance ist somit sinnlos vertan. Wozu hat “Die Astronautin” bloß Kommunikationsberater als Partner? Das Ganze ist m.E. eher ein Paradebeispiel, wie man nicht (nicht) kommunizieren sollte.

Fragen über Fragen. Ich bin gespannt, wie bzw. ob das weitergeht. Und was passiert eigentlich, wenn das Geld nicht zusammenkommt? Das DLR ist da nämlich etwas weniger optimistisch als der Herr auf Twitter: “‘Man kann nicht sagen, dass das Vorhaben gelingen wird – aber eben auch nicht, dass es scheitert’, sagt Schütz vom DLR.
(Quelle: ZEIT online)

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Nachtrag, 02.03.2017: Durch einen aufmerksamen Leser wurde ich darauf hingewiesen, dass der genannte Herr auf Twitter nicht im Auftrag der ESA auf der Veranstaltung unterwegs war. Der Text ist nun dahingehend angepasst.

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Ute Gerhardt hat nach dem Abitur einen B.A. in Wirtschaft, Sprachen und Politik an der Kingston University sowie eine Maîtrise in Industriewirtschaft an der Universiät Rennes abgeschlossen. Seit 1994 arbeitet sie in der Privatwirtschaft, derzeit im IT-Bereich. Ute hat zwei Kinder (*2005 und 2006) und interessiert sich neben Raumfahrt und Astronomie auch für Themen aus den Bereichen Medizin und Biologie.

40 Kommentare

  1. Das ist einzig und allein eine orchestrierte PR Aktion um mittels Crowdfunding etwas Geld zu kriegen. Die werden niemals bei der ESA rein kommen. Wieso sollte sich auch die ESA da in ihren Prozess reinreden lassen?
    Seit ich von “Die Astronautin” zum ersten Mal gehört habe und etwas nachgeforscht habe kann ich das nicht ernst nehmen.

    • Mich würde es ehrlich gesagt auch wundern. Tat es gestern auch, als ich noch dachte, der von mir zitierte Herr sei dort als Berater der ESA unterwegs.

      Es würde die ESA und jede andere staatliche Raumfahrtagentur in ein seltsames Licht rücken, sich jetzt noch einer Gruppe von Astronauten anzunehmen, die nicht vollständig die dort üblichen Auswahlverfahren durchlaufen haben. Von weiteren Verwicklungen bei Beteiligung einer Behörde an solchen kommerziellen Projekten mal ganz zu schweigen. Die Auswahl dessen, was bei der ESA umgesetzt wird, läuft doch auch normalerweise über Mission Proposals etc., von langer Hand geplant, und nicht ad hoc nach Lust und Laune. Die Mitgliedsstaaten würden sich bedanken. Denkbar wäre bestenfalls vielleicht eine vorsichtige Unterstützung bei der PR, aber selbst da habe ich meine Zweifel.

  2. Um es klar zu stellen: Ich gehe stark davon aus, dass die ESA einen großen Bogen um diese Astronautinnen machen wird. Ich rechne mit keinerlei Beteiligung an diesem Projekt – auch nicht seitens einer anderen staatlichen Raumfahrtagentur.

  3. Mich beschleicht allmählich die Vermutung, daß HE Space als Leiharbeitsfirma für Astronauten fungieren will. Das ist in der Branche nicht unüblich. Beim ESOC arbeiten viele Leute z. B. als Flugleittechniker bei Satellitenmissionen, die gar nicht beim ESOC selbst festangestellt sind, sondern bei einer von 4 oder 5 Leiharbeitsfirmen. Das ESOC leiht sich bei diesen Firmen die Leute für die Dauer eines Satelliten-/Sondenprojekts aus, und hat so auf lange Sicht unter dem Strich geringere Personalkosten. Nach Ende des Projekts versuchen die Firmen dann sie auf andere Projekte (u. U. auch bei einem anderen Projektpartner, wie EumetSat oder sogar bei einem Satellitenbetreiber im Ausland, wie SES) zu vermitteln.
    Damit das bei HE Space auch gelingen kann, muß man erst einmal in Vorleistung gehen und die Astronauten aussuchen und ausbilden. Anschließend kann man sie dann an die ESA oder andere interessierte Organisation, Firmen oder Länder ohne eigenes Raumfahrtprogramm (wie z. B. die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich bereits auf einer zukünftigen Raumstation von Bigelow Aerospace eingemietet haben) für Raumflugprojekte ausleihen. Die Personalkosten für die Astronauten sind dadurch geringer, da man ihr Gehalt nur für die Zeit der Missionsvorbereitung, -durchführung und -nachbearbeitung zahlt. Auch für die Grundausbildung kommt man nicht mehr auf, denn die übernimmt ja HE Space. Das dafür notwendige Kapital versucht HE Space über Crowdfunding zusammenzubekommen. Geht das Konzept auf, kann HE Space damit Geld verdienen und den Crowdfundern am Ende sogar etwas Gewinn zurückzahlen.
    Die Frage, die sich dabei stellt, ist, ob sich das für die potentiellen Kunden rechnet, also ob die Personalkostenersparnis (z. B. für die ESA) die Nachteile, den Astronauten nicht ständig (z. B. auch für PR-Aktionen) zur Verfügung zu haben, überwiegen. Da die Hauptkosten bei einer Mission bei Start/Landung und Betreuung der Astronauten während der Mission liegen, sehe ich die Personalkosten als eher marginalen Kostenfaktor. Auf der anderen Seite könnten kommerzielle Berufsastronauten bei entsprechender Nachfrage wesentlich häufiger fliegen als festangestellte ESA- oder NASA-Astronauten. Immerhin, seit das amerikanische Raumfährenprogramm eingestellt wurde, hat sich das NASA-Astronautenkorps dramatisch verkleinert und viele der ehemaligen Astronauten arbeiten jetzt bei kommerziellen Raumfahrtunternehmen, wie SpaxeX, Orbital ATK, Blue Origin, Bigelow Aerospace etc., z. Teil als Astronauten für ihre zukünftigen bemannten Raumfahrzeuge.
    Der Markt ist also da, aber ob die Geschäftsidee von HE Space funktioniert, muß sich erst noch zeigen.

    • Das deckt sich in etwa mit dem, was ich vorhin auf Twitter schrieb: HE Space scheut die initiale Investition und versucht nun zumindest einen Teil davon durch Betteln einzutreiben. Lockmittel, damit die Öffentlichkeit das Portemonnaie öffnet, ist das Stichwort “Erste deutsche Frau im All”. Das zeugt schon von ziemlicher Chuzpe, zumal es ja nicht mal stimmt, dass sie die Ausbildung übernehmen. Dazu ist HE Space doch gar nicht in der Lage.

      Und ich frage mich, ob die das überhaupt selber mal halbwegs bis zu Ende durchgerechnet haben? Ein volles Training für Astronauten, mit allem Drum und Dran, kostet normalerweise nicht Zig- oder Hunderttausende, sondern Millionen. Vom eigentlichen Start ganz zu schweigen. Die Zahlen stimmen doch hinten und vorne nicht?

      • HE Space muß ja gar nicht selber ausbilden, sondern nur die Dienstleister (z. B. das DLR) kennen, die ausbilden. Die braucht man dann nur zu bezahlen. Wieviel das kostet, hat HE Space ja aufgelistet (von Dir oben zitiert). Die Kosten für den Start muß HE Space auch nicht bezahlen, sondern das macht der Projektpartner, der den Astronauten mietet. HE Space verdient dann ander Vermietung der ausgebildeten Astronauten.
        Was die Kapitalbeschaffung angeht, sehe ich das genauso wie Du: “Die erste deutsche Astronautin” ist ein günstiger Aufhänger, da es ESA und DLR noch nicht fertiggebracht haben, eine deutsche Frau in’s All zu bringen (damals zur D2-Mission standen zwei Frauen in der Endauswahl, Renate Brümmer und Heike Walpot, die dann aber nicht der Mission zugeteilt wurden. Heike Walpot ging anschließend als Pilotin zur Lufthansa und Renate Brümmer hat dem ESA-Astronauten Hans Schlegel sieben Kinder geboren). Das ist für das Crowdfunding besonders PR-wirksam.

        • Nur kurz, da gerade im Hotel: Wie sollte das aber in diesem allerersten Fall gehen? Wollen sie erstmal gucken, ob die Spenden reichen, dann ggf. die Damen ausbilden lassen und dann mal eben schnell noch einen Kunden suchen, der sie mit irgendwelchen Forschungsprojekten beauftragt und auch den Start bezahlt? Selbst wenn das Konzept des Leihastronauten im Prinzip wie beschrieben funktionieren könnte, sehe ich für die jetzigen Kandidatinnen nicht diese Möglichkeit.

          • Ganz offensichtlich haben die schon einen zahlenden Kunden, denn HE Space geht ganz fest davon aus, daß die Astronautin 2020 für zehn Tage zur ISS fliegt.
            Ganz davon abgesehen ist das Geschäftsmodell einer Leiharbeitsfirma das einzige, das m. M. n. Sinn ergibt und Profit verspricht. Man kann nicht nur von Crowdfunding leben und HE Space ist eine Firma, also müssen sie Einnahmen generieren. Als kommerzielle Astronautin ist sie eine Dienstleisterin, für deren Dienstleistung jemand zahlen soll, und da HE Space ganz offenbar keine eigenen Geschäftsinteressen, wie Forschung, Fabrikation o. ä. im All verfolgt, bleibt eigentlich nur das Verleihen von Personal.
            Mal abwarten, was da in Zukunft noch an Infos zu herausgegeben werden.

  4. Wenn ich mir die Qualifikationen und Werdegänge der Kandidatinnen so anschaue, dann muss ich davon ausgehen, dass deren kritisches Urteilsvermögen mindestens so ausgeprägt sein müsste wie meines (wahrscheinlich aber eher deutlich besser, denn auf meines ist manchmal nicht sonderlich Verlass). Was motiviert also beispielsweise eine Majorin der Luftwaffe und Kampffliegerin, die garantiert darauf trainiert ist, Situationen kritisch zu beurteilen, bei diesem seltsamen Casting mitzumachen?

    Die eine Möglichkeit wäre: sie wissen mehr als wir. Könnte sein. Die andere Möglichkeit, und die halte ich für wahrscheinlicher: einfach aus Neugierde und Spaß, mit dem Hintergedanken: vielleicht kommt ja doch irgendwas dabei rum. Immerhin lernen sie dabei viele Menschen kennen und können ein wenig Netzwerken. In diesem Sinn kann ich den Damen nur wünschen: Have fun.

    Und eine Wahrscheinlichkeit von vielleicht 1:250 für einen Orbitflug gibt’s obendrauf. Die ist immerhin noch deutlich besser als für den Normalbürger.

    • In der heutigen Zeit ist die Verlockung auf ein paar Minuten “Fame” doch viel wichtiger wie jeder gesunde Menschenverstand.

  5. Also, was ganz oben steht: eine super Idee und grossen Beifall für Frau Kessler.
    Aber das war es leider auch schon.
    Bis 2020 wird keine dieser Mädels zur ISS reisen.
    Erstens ist der Betrieb der ISS nur bis 2019 finanziert.
    Was danach kommt, steht im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Sternen, zumal der neue amerikanische Präsident ganz und gar nichts von der ISS hält.
    Zweitens, es warten noch genug ESA-Astronauten auf einen Flugeinsatz.
    Beispielsweise hat der gerade gekürte Matthias Maurer eine Nominierung weder für die Sojus noch für Orion.
    Drittens, SpaceX scheidet nach meiner Meinung komplett aus. Herr Musk ist zweifellos ein Mann voller Ideen, aber inzwischen leider auch ein grosser Sprücheklopfer. Vor kurzem wollte er zum Mars, nun 2018 bereits zum Mond. Möglicherweise ist er von Herrn Trump infiziert oder verfügt über alternative Fakten, die wir noch nicht kennen.
    Aber vielleicht gibt es ja doch noch eine Hoffnung für die jungen Damen: nämlich die Chinesen. Und die könnten es auch für weniger als 20 Millionen € machen, um auch mal eine realistische Kostenschätzung vorzunehmen. Denn die schwankten ja hier bisher zwischen 30 und horrenden 80 Millionen.
    Aber auch für 20 Mio. bedarf es letztendlich einen Mäzen, der diesen prallen Geldbeutel auf den Tisch liegt.

    • Stimmt so nicht ganz. Die ISS ist zumindest nach derzeitigem Stand bis 2024 finanziert. Evtl. auch darüber hinaus. Und ein Platz in der Sojus-Kapsel kostet seit 2013 in der Tat fast 80 Mio. Euro.

  6. Zugegeben, ich habe das nur am Rande verfolgt, aber ich frage mich, wo die Esa bei dem Ganzen auf einmal herkommen soll (oder warum sie sich das antun sollte)? Für mich war das von Anfang an eine etwas modernisierte, auf Deutschland übertragene Variante des britischen Modells Helen Sharman bzw. Project Juno – also eine privat finanzierte Mission, im Grunde Weltraumtourismus nur mit einem etwas anderen Anstrich.

    Und was man von Esa und DLR hört: Es waren bei der letzten offiziellen Ausschreibung leider keine brauchbaren deutschen Kandidatinnen dabei, auch nicht auf der Nachrückerliste – weshalb von dort jetzt Maurer das nächste deutsche Ticket bekommen hat.

    Die viel spannendere Frage als dieses PR-Gedöns ist für mich aber ohnehin, warum es die USA schaffen, ihre Astronautenklassen zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen zu besetzen, die Esa aber nicht? Wirklich mangelnde Nachfrage? Ungerechte Faktoren bei der Auswahl? Fehlende Quote?

    • M.E. können die Raumfahrtagenturen die Astronautinnen bestenfalls als Touristen mit ins Boot nehmen. Aber auch damit rechne ich nicht.

      Allerdings muss man wohl in der Tat damit rechnen, dass nicht nur der Flug, sondern auch die Astronauten und deren Ausbildung mittel- bis langfristig private Konkurrenz bekommen.

      Was deutsche Astronautinnen angeht, kann ich auch nur raten, warum noch keine bei der ESA dabei war. Zu wenig entsprechende Bewerbungen evtl.? Man muss ja einen technischen oder STEM-Hintergrund haben. Evtl. ist das schon das erste Problem, denn da finden sich von vornherein schon weniger Frauen. Ich weiß nicht, inwieweit das in den USA anders ist. Der Prozentsatz der Frauen unter den Bewerbern würde mich mal interessieren. Auch bezogen auf Frauen insgesamt , nicht nur Deutsche.

  7. Schade, man liest einfach nur Bedenken über Bedenken, typisch deutsch.
    Was ist eigentlich so schlecht an dieser Idee? Es waren schließlich schon auch schon andere “Touristen” im All. Allerdings ausnahmslos sehr wohlhabende “Touristen”. Übrigens sollen auch die beiden Menschen, die SpaceX im nächsten Jahr einmal um den Mond schicken will (was ich übrigens so nicht für möglich halte), dafür viel Geld zahlen.
    In dem o.a. Beitrag werden die Initiatoren dieses Wettbewerbs bis aufs Kleinste untersucht und auf ihre “Aufrichtigkeit” getestet. Warum?
    Die hatten aber wenigstens diese Idee, auf die ich und auch die Autorin nicht gekommen sind. Es werden auch keine “Püppchen” vorgestellt, sondern Frauen, die bist jetzt schon in außergewöhnlichen Berufen erfolgreich sind und die genau wissen werden, auf was sie sich einlassen.
    Es kann doch unserer Nation nur gut tun, wenn sich durch diese Aktion mehr Menschen für Raumfahrt interessieren. Alexander Gerst und sein Aufenthalt auf der ISS ist da als gutes Beispiel zu nennen.
    Was haben wir zu verlieren? Nichts!
    Aber wenn sich durch diese Aktion, auch wenn sie mangels Geld vielleicht nicht stattfinden kann, mehr junge Frauen für naturwissenschaftliche Berufe interessieren, haben wir verdammt viel gewonnen.
    Also, es schadet nichts, auch mal was außergewöhnliches zu versuchen!

    Übrigens, ich habe bereits 10 Euro für die Ausbildung der Astronautinnen gespendet.
    Den Link findet man auf www. raumfahrer.net

    • a) Den Unsinn à la “typisch $nationalität” lassen wir hier doch bitte. Danke.
      b) Die Kritik gilt nicht der Idee des Weltraumtourismus.
      c) Die Bedenken sind im Text begründet.
      d) Wenn Sie einem kommerziell agierenden Unternehmen Geld schenken möchten, damit eine Person mit bestimmten Merkmalen zur ISS reisen darf, ist das ganz und gar Ihre Sache. Ich erkläre Ihnen aber gerne, warum HE Space von mir keines bekommen wird:

      Erstens, weil HE Space nach eigenem Bekunden (siehe Zitat im Artikel der “ZEIT”) die Dame(n) auf der ISS quasi weitervermieten will, damit sie dort Forschung für wen auch immer betreiben. Das kann das Unternehmen auch gerne tun. Die Idee ist weder schlecht noch ist sie neu, um auf Ihren Kommentar zurück zu kommen. Nur: Warum ich als Privatperson die initiale Investition tragen sollte, damit andere anschließend damit Geld verdienen, das erschließt sich mir nicht. Und wer die Forschungsergebnisse anschließend abgreifen darf, wird auch nicht erwähnt. Wir dürfen aber ziemlich sicher sein: Die Crowdfunder sind es nicht. Die Chuzpe, die initialen Kosten als solventes Unternehmen auf gutgläubige Spender abzuwälzen, muss man ja erstmal haben. Oder ist HE Space nicht solvent?

      Zweitens: Auch ich würde es begrüßen, wenn das Astronautencorps der ESA sich zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen zusammensetzte. Aber: “Erste Deutsche im All” ist mir nicht wichtig genug, dass ich dafür mein Portemonnaie öffnen würde. Dafür ist mein Patriotismus einfach nicht ausgeprägt genug. Es dürfen gerne auch Französinnen, Däninnen oder Spanierinnen sein. Das ist mir völlig piepe.

      Drittens, weil die von HE Space genannten Zahlen sich nicht ansatzweise mit dem decken, was mir bisher über die Kosten bekannt ist.

      Viertens, weil HE Space nicht transparent genug macht, wer denn den Rest bezahlt, wenn beim Crowdfunding nicht genug zusammen kommt, um alle genannten Trainingsschritte abzudecken. Obendrein scheint mir diese Liste nicht einmal vollständig zu sein.

      Kurz und gut: Alle Faktoren, die auch potenziellen Spendern ermöglichen würden, die Erfolgsaussichten umfassend und realistisch zu beurteilen, werden geflissentlich übergangen bzw. geheim gehalten. Es wird stets nur großspurig verkündet, das Projekt würde auf alle Fälle stattfinden.
      Glauben könnte ich in der Kirche, wenn ich denn wollte. Hier will ich ein solides und vollständiges Konzept sehen, sonst bleibt mein Geld, wo es ist — und meine Kritik bestehen.

      • PS: Wenn das Konzept wirklich so solide wäre, wie HE Space behauptet, müsste es doch ein Leichtes sein, in der Industrie – national und international – genug Großspender zusammen zu trommeln, die dann anschließend als Belohnung die Astronautinnen mit Forschung beauftragen können. Win-Win für alle, und die Zitterpartie, ob genug Kohle zusammen kommt, würde auch ausfallen. Dass das augenscheinlich nicht gelingt und man stattdessen nach dem Motto “Kleinvieh macht hoffentlich auch Mist” auf Crowdfunding setzt, gibt mir zusätzlich zu denken. Das erweckt nämlich den Eindruck, dass der Bedarf gar nicht hoch genug ist – und das Konzept eben nicht solide.

      • Oh Frau Gerhardt, warum so verbissen?

        Danke dass Sie im ersten Satz eine Meinung von mir als “Unsinn” bezeichnen, nur weil es ihre Meinung nicht deckt!
        typisch$nationalität: Ich will Ihnen mal was erklären:

        Ich habe 1969 als 8 jähriger Junge die Mondlandung live erleben dürfen, meine Eltern haben es mir erlaubt. Es war großartig, es waren Menschen auf dem Mond. Mir war es egal, welche Nationalität diese hatten. Es waren Amerikaner, na und?

        So ist es heute noch! Mir ist egal, welche Nation etwas in Sachen Raumfahrt unternimmt. Hauptsache es wird etwas unternommen. Wir stehen in Deutschland nicht so schlecht da mit unseren insgesamt 12 deutschen Astronauten, von denen meines Wissens 11 bislang im All waren. Darüber freue ich mich, weil diese mehr mediale Aufmerksamkeit in unserem Land erregt haben als wenn es um z.B. um einen Franzosen gegangen wäre, auf den ich persönlich aber genauso stolz bin, weil Raumfahrt international ist.

        Wie Sie bestimmt wissen wäre eine Deutsche im All auch nicht die erste Frau dort oben und auch nicht die erste Europäerin. Darum geht es doch überhaupt nicht!
        Eine deutsche Astronautin hätte jedenfalls bei uns ein enormes Medieninteresse und das wäre doch toll, oder?
        Würde das nicht insgesamt der bemannten Raumfahrt helfen? Und ist es nicht egal was sie da oben machen würde und für wen? Sponsoring hin oder her, Hauptsache sie wäre da?

        Jedenfalls hat meine Tochter mit ihren 14 Jahren rumgegoogelt und sich informiert, als sie von der Aktion in der Zeitung gelesen hat. Finde ich schön. Dass sie jemals Ihre Internetseite aus Interesse an Naturwissenschaften angeklickt hätte wage ich doch sehr zu bezweifeln.

        • @Jörg Zensen: Ist Ihnen der Unterschied zwischen “verbissen” und “sachlich” geläufig?
          Die sachlichen Argumente, die @LeavinOrbit angeführt hat, haben Sie entweder nicht gelesen oder nicht begriffen.
          Es geht um die Frage nach dem “Warum” dieser besonderen Astronautinnen-Auswahl. Auch bei mir hat sich schnell der Verdacht eingeschlichen, dass es sich um einen Marketing-Gag handelt.
          Das Auswahlverfahren der ESA war jedenfalls extrem umfassend und sachlich begründet. Während das jetzige Auswahlverfahren es an Transparenz genauso fehlen lässt wie die vorgebliche “Kosten-Kalkulation” – die Astronauten-Ausbildung ist deutlich kostspieliger. Weiterhin stellt sich die Frage, mit welcher Berechtigung ein nicht näher benanntes Industrie-Konsortium davon ausgeht, Raumfahrzeuge und -Stationen, Logistik und Knowhow, die überwiegend von europäischen Steuerzahlern bezahlt worden sind, für seine Leiharbeiterinnen nutzen zu dürfen. Schließlich sind die Transportmöglichkeiten ins All recht begrenzt und ein echte(r) Forschungsastronaut(in) müsste dahinter zurückstehen.
          Wie sich eine solche Parallelschiene der Ausbildung an der öffiziellen Ausbildung vorbei auf die Interaktion innerhalb einer ISS-Crew auswirken mag, ist dabei noch gar nicht berücksichtig.

          Wie @Katja Seeliger schreibt: Es erinnert an eine Casting-Show.
          Kein guter Eindruck.
          Die vorgestellten Frauen waren bei der letzten ESA-Astronauten-Auswahl einfach noch zu jung, um ihre jetzt beeindruckende Qualifikation erreicht zu haben. Das ist eben Pech.

          Außerdem hinterläßt die “Deutschland sucht seine Astronautin” Casting-Show auch noch so ein unschönes nationalistisches Geschmäckle. Was in Ihrem Kommentar, Herr Zensen, auch recht unvorteilhaft durchschimmert. Und eine unangemessene Herablassung dazu.

          • “Weiterhin stellt sich die Frage, mit welcher Berechtigung ein nicht näher benanntes Industrie-Konsortium davon ausgeht, Raumfahrzeuge und -Stationen, Logistik und Knowhow, die überwiegend von europäischen Steuerzahlern bezahlt worden sind, für seine Leiharbeiterinnen nutzen zu dürfen.”

            Das ist ein ziemlich guter Punkt. Eigentlich müsste HE Space den beteiligen Nationen/Raumfahrtagenturen anteilig “Miete & Nebenkosten” zahlen. Gibt es da Verträge? Oder auch nur Absichtserklärungen? Noch sowas, das bisher völlig im Dunkeln bleibt.

            Je tiefer man da ins Thema einsteigt, desto undurchsichtiger wird die ganze Chose. Sind die überfordert? Oder einfach unerfahren? Haben die gemeint, die Leute zahlen da ohne Vorbehalt, einfach weilwegen “Hurra, eine Deutsche im All!”? Ohne Rückfragen?

            Ich verstehe es wirklich nicht. Weder das Konzept, noch die Geheimnistuerei. Es hätte ja sein können, dass die Nachfragen nach den Details HE Space überrascht haben. Das spräche zwar auch nicht gerade für ihre Weitsicht, könnte man ihnen aber zugute halten. Nur: Es kommen ja auch jetzt keine Antworten, sondern weiterhin nur Propaganda.

        • @Jörg Zensen Zitat: “Dass sie jemals Ihre Internetseite aus Interesse an Naturwissenschaften angeklickt hätte wage ich doch sehr zu bezweifeln.”

          Um so verwunderlicher finde ich es in Anbetracht dessen allerdings, dass Sie selbst hingegen nun schon zum wiederholten Mal sehr wohl Ihre Zeit hier verschwenden.

          Das dürfen Sie selbstverständlich weiterhin gerne tun — solange Sie sachlich beim eigentlichen Thema bleiben und persönliche Angriffe auf Individuen oder Gruppen unterlassen. Auf dem Niveau möchte ich hier keine Diskussion führen oder auch nur zulassen. Ansonsten behalte ich mir vor, Ihre Kommentare im Interesse einer fokussierten Diskussion ohne Ankündigung oder weitere Rechtfertigung zu löschen.

          Guten Tag.

    • Mal abgesehen von den schon im Artikel und in der Antwort von Frau Gerhardt Punkten:

      Klar kann man die Gründe für die vielen geäußerten Bedenken in der deutschen Naysayer-Mentalität suchen (daran ist mit Sicherheit was dran). Allerdings haben wir durchaus etwas zu verlieren, nämlich den Glauben von jungen Mädchen daran dass sie sich auch in einem normalen ESA-Auswahlverfahren gegen Männer behaupten können. Das Projekt erweckt den Eindruck dass man speziell unter Ausschluss von Männern nach einer Frau suchen muss damit sie als Astronautin überhaupt eine Chance haben. Das ist äquivalent zu dem einen Bedenken gegenüber einer Frauenquote, den ich durchaus auch teile. Zumal wohl jede der aktuellen Finalistinnen hervorragende Chancen bei einem richtigen Auswahlverfahren hätte.

      Weiterhin erinnert das Projekt leider an Casting-Shows. Ich sehe zwar auf der Webseite, dass man versucht sich auf die (übrigens enormen) technischen und wissenschaftlichen Karriereleistungen der Finalistinnen zu konzentrieren, aber man wandert im derzeitigen Medienklima – wenn man Massenwirkung erreicht – leider auf einem sehr sehr schmalen Grat.

      Anstatt Rollenmodelle zu casten würde ich mir mehr Berichterstattung über schillernde Persönlichkeiten wie Samantha Cristoforetti wünschen (es gibt übrigens zwei hervorragende Interviews mit ihr beim Raumzeit-Podcast).

      • Auch hier nochmals meine Bitte um Unterlassung von pauschalen Zuschreibungen bestimmter Eigenschaften zu bestimmten Gruppen. Das sind immer diese “gefühlten Wahrheiten”, deren Diskussion zu nichts führt – außer zu Unmut. Es gehört auch schlicht nicht zum Thema.

        Was den Rest Ihres Kommentars angeht, stimme ich Ihnen völlig zu. Selbst wenn durch jene Vorgehensweise eine der ausgewählten Damen auf der ISS ankommen sollte, setzt diese Art der Auswahl und die Trennung vom in Europa üblichen Verfahren ein völlig falsches Signal bzgl. der Gleichwertigkeit mit männlichen Astronauten.

  8. Für mich hört sich das nach der Umsetung dessen was H. Wörner (ESA) 2015 in einem Interview mit dem Spiegel vorschlägt:

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/esa-chef-woerner-so-kann-deutschland-eine-astronautin-haben-a-1052053.html

    Wörner: Wenn Deutschland will, kann es selbst eine eigene deutsche Astronautin finanzieren. Das ist etwas anderes als eine europäische Astronautin deutscher Nationalität. Die Italiener haben es vorgemacht. Sie haben einen eigenen Vertrag mit der Nasa geschlossen. Samantha Cristoforetti, im Auftrag Italiens von der Esa ausgewählt, ist mit einem Ticket der Nasa geflogen, das Italien bezahlt hat. Und weil die Nasa derzeit keine eigenen Raumschiffe hat, ist sie mit einer “Sojus” gestartet. Ich finde europäische Astronauten zwar besser. Aber jedes Land kann selbstverständlich eigene Verträge schließen.
    [..]
    Wörner: Nicht nötig, das können wir, also die Esa, gern erledigen. Es kann auch eine rein weibliche Ausschreibung in Deutschland sein. Das geht alles. Ansonsten bin ich aber an das europäische Regelwerk gebunden. Das heißt: aus dem jetzigen Pool von Kandidaten kann ich keine deutsche Frau rekrutieren.

    • Jein. Die in jenem Interview vorgestellte Variante ist von einzelnen Staaten finanziert und darum ebenfalls an das jeweilige nationale Regelwerk dafür gebunden. “Die Astronautin” ist aber im Gegensatz dazu ein Projekt des privaten Dienstleistungssektors. Da gelten andere, weniger strenge Regeln, wo das Geld herkommen und wofür es verwendet werden darf.

      • Stimmt natürlich was H. Wörner vorschlägt ist staatlich Finanziert, die Nummer hier ist aber Privat.
        Nichtsdestoweniger hat mich Ihr Artikel an dieses Interview erinnert, da es schon parallelen gibt.
        Das Grundprinip ist bei beiden ja ein Casting nur für Frauen durchzuführen, was man aber dann genau ausser Weltraumturi sein will wird nicht ganz so klar.

        • Nun, das Ziel von HE Space ist wohl, wie gesagt, die Weitervermietung der Astronautinnen an Unternehmen mit Forschungsbedarf. Das könnte mit entsprechenden Verträgen zwischen den Betreibern der ISS und den besagten Firmen sogar funktionieren. Aber dann würde ich erwarten, dass diese Unternehmen auch für die Kosten aufkommen, und nicht die Öffentlichkeit via Crowdfunding angezapft wird.

          Man stelle sich vor, Randstad eröffnet ein Crowdfunding für die Ausbildung einer Bürokauffrau, damit sie die Dame anschließend lukrativ weiter an z.B. ThyssenKrupp verleihen können. Die Leute würden Randstad einen Vogel zeigen. Hier aber wird im Prinzip genau das gemacht. Offenbar in der Hoffnung, “Erste Deutsche im All” sei Anreiz und Rechtfertigung genug, um mit sowas durch zu kommen. Ich kann mich wirklich nur wundern.

          • Nein, Ute, bei dem Crowdfunding geht es nur darum, Anschubkapital zusammenzubekommen, um die Grundausbildung der AstronautInnen zu finanzieren. Das spezielle Missionstraining muß dann der eigentliche Kunde bezahlen.
            Beispiel (nicht real, könnte aber so sein): Der Brauereikonzern Becks möchte gerne im All Experimente mit Bierhefe machen. Jetzt könnte er damit zur ESA gehen und bei einem ihrer Experimentprogramme auf der ISS einsteigen. Allerdings ist das ziemlich teuer und es dauert ziemlich lange, bis das Experiment endlich fliegt (auch das erhöht die Kosten). Stattdessen wendet sich der Konzern an einen privaten Anbieter, wie z. B. SpaceX, die Zehn-Tages-Missionen entweder auf der ISS (z. B. im kommerziellen Modul von Axiom, das 2020 angekoppelt werden soll -> siehe dazu meinen Beitrag im Space Science Journal), im Rahmen einer DRAGON-Lab-Mission oder auf einer kommerziellen Raumstation (z. B. von Bigelow Aerospace) ermöglichen. SpaceX transportiert zwar das Experiment, stellt aber nicht unbedingt einen Astronauten, der das Experiment bedient (Die SpaceX-Astronauten, die sich aus ehemaligen NASA-Astronauten rekrutieren, sollen in erster Linie die Raumfahrzeuge fliegen). Genau hier würde jetzt eine Astronauten-Verleihfirma wie HE Space einspringen. Der Astronaut (oder die Astronautin) hat über HE Space eine Grundausbildung finanziert bekommen und bekommt dann bei Becks die Einweisung zum Bedienen des Experiments und bei SpaceX das Training im Umgang mit der Raumkapsel (Start, Landung, Lebenserhaltungssysteme, Notfallmaßnahmen, etc.). Wird alles von Becks bezahlt. Die Missionsvorbereitung kann in ungefähr einem Jahr abgehandelt werden; die Mission dauert 10 Tage; dann noch ein zwei Monate für die Missionsnachbereitung. Nach 15 Monaten ist die Sache erledigt und der/die AstronautIn kann vom nächsten Kunden gemietet werden. Insgesamt kann das Becks deutlich weniger kosten, als sich mit der ESA einzulassen und es könnte deutlich schneller abgewickelt werden. (Flug mit einer DRAGON soll etwa 30-40 Millionen Dollar kosten, da ist das Training schon drin; der Astronaut kostet sein Gehalt plus Provision für HE Space, das aber doppelt, da immer auch ein Ersatzmann trainiert werden muß.)
            Ein weiterer Vorteil für die deutsche Firma Becks kann auch darin liegen, das HE Space deutschsprachige Astronauten anbietet, was die Kommunikation vereinfacht.
            BTW: Daß ich als Beispiel Becks gewählt habe, ist nicht aus der Luft gegriffen. Becks hatte 1993 auf der D2-Mission genau so ein Bierhefe-Experiment von unseren deutschen Astronauten Walter und Schlegel durchführen lassen.

    • @Matthias Diese Art, das Anschubkapital zusammen zu bekommen, ist ja genau mein Kritikpunkt. Und zwar in mehrfacher Hinsicht:

      Erstens frage ich mich, wie es denn bitte sein kann, dass HE Space läppische 50.000 Euro per Crowdfunding zusammenbetteln muss. Jede Person, die ein Haus kauft, muss üblicherweise mehr an Eigenkapital vorweisen können. Wenn die Decke bei HE Space tatsächlich derart dünn ist, sind die Aussichten für das Vorhaben aber nicht wirklich gut.

      Zweitens habe ich nun schon von mehreren Leuten, die es _wirklich_ wissen müssen, gehört, dass auch die Grundausbildung weit mehr umfasst und kostet als von HE Space im Crowdfunding anvisiert. Wer zahlt dann den Rest? Auch der Kunde, oder die, falls es mehrere sind? Warum dann nicht gleich komplett?

      Drittens, warum die Geheimniskrämerei? HE Space könnte die Chose doch genau wie du erläutern und damit das gesamte Konzept wenigsten plausibler machen. Den Namen ihres Kunden müssen sie ja nicht nennen. Lass mich raten: Wenn sie preisgeben, dass sie danach mit zahlungskräftigen Kunden ins Geschäft kommen wollen, floppt das Crowdfunding erst recht? Denn:

      Viertens, warum sollte man einem Unternehmen wie HE Space Geld in den Rachen werfen, ohne selber am Profit beteiligt zu sein? (Davon schreiben sie zumindest nichts.) Nur, weil damit eine Deutsche ins All kommt? Zieht bei mir jedenfalls nicht. Erst recht nicht in diesem speziellen Business-Setting. Und wie oben schon andere Kommentatoren erwähnt haben, ist die Botschaft, die nach Bekanntwerden der Details rüber kommt, wohl auch besser mit “Frauen brauchen wieder mal ne Sonderbehandlung. Im üblichen Prozess schaffen sie es nicht.” zusammengefasst. Ein Bärendienst, wenn man mich fragt.

      Die weiteren Schwachstellen und Unwägbarkeiten eines solchen Leihastronautenkonzepts hattest du ja selber schon in einem anderen Kommentar ausführlich dargelegt. Es ist und bleibt also seltsam, was HE Space da macht. Und dabei habe ich mich noch gar nicht über den Zeitplan ausgelassen. Stichwort SpaceX & Personentransport.

      • Und jetzt muß ich doch noch was loswerden in Bezug auf Flugqualifikation von Equipment. So einfach ist das nämlich nicht. Ich arbeite selbst seit Jahren als Testingenieurin in der Luftfahrt. Es müssen bestimmte Vorschriften eingehalten werden (z.B. muß ein Gerät bestimmte Anforderungen in Bezug auf Umweltbedingungen erfüllen) und die Einhaltung derselben muß nachgewiesen werden, was dann auch wieder zu staatlichen Behörden geht, ansonsten bekommt ein Flugzeug keine Zulassung. Bei der Raumfahrt, insbesondere der astronautischen, ist das Regelwerk sicherlich nicht kleiner.

        Das ist selbst schon für wissenschaftliche Parabelflüge nicht ohne. Ich habe 2015 eine solche Kampagne für die Mars Society Deutschland betreut und geflogen und werde dies voraussichtlich Herbst 2017 wieder tun (wens interessiert, siehe hier: http://www.zerog2002.de/MIRIAM-2.html).
        Es sind seitenweise Dokumentation und Berechnungen/Nachweise zu erbringen, je nach Komplexität des Equipments, es gibt mehrere Abnahmetermine, wo das Equipment überprüft wird, und insgesamt muß es den Vorgaben der Luftfahrtvorschriften entsprechen. Das Ganze läuft dann so ca. über 6 – 12 Monate in der Planung.

        Und da soll dann ein aktuell auf einem Raumfahrzeug fliegendes Equipment schneller oben sein? Der Aufbau muß erstmal entwickelt und gebaut werden, es müssen Dokumentation und Tests erbracht werden und natürlich muß das Equipment einwandfrei funktionieren, bevor es fliegen darf. Da baut man nicht einfach mal so ein Experiment in ein Raumfahrzeug ein. Außerdem, wenn es denn die ISS sein soll: Es muß auch ein Experimentplatz frei sein. Es ist ja nicht so, daß die Kapazitäten dort endlos verfügbar sind.

      • Ich denke, daß wir jetzt den Bereich der interpretativen Analyse verlassen und uns nur noch in Spekulationen ergehen und das ist nicht gut. Wenn Du wissen willst, was genau dahinter steckt, kann ich Dir nur den Rat geben (der auch aus journalistischer Sicht der richtigere ist), bei HE Space anzurufen, mit den Leuten zu reden, sie mit Deiner Kritik zu konfrontieren und Dir anzuhören, was sie dazu zu sagen haben. Dann wissen wir mehr.
        Ich persönlich werde auf meiner Web- und Facebook-Seite erst dann wieder darüber berichten, wenn es auch wirklich etwas Neues darüber zu berichten gibt.
        Daß ich mich hier so extensiv über das Geschäftsmodell der Astronauten-Leiharbeitsfirma ausgelassen habe, hat damit zu tun, daß ich dieses Konzept vor dem Hintergrund des Emerging Market “Bemannte kommerzielle Raumfahrt” als sinnvoll erachte. Ob HE Space dieses Geschäftsmodell verfolgt, läßt sich leider aus den vorliegenden Informationen nicht schlüssig ableiten, wäre aber nach meinem Dafürhalten das einzige Modell, das nach dem, was man über sie weiß, einen Sinn ergäbe. Aber wie Du richtig sagst, macht die mangelhafte Transparenz die Interpretation schwer.
        Für mich ist die Diskussion deshalb an dieser Stelle beendet. Ich bin aber heute Abend auf dem SF-Stammtisch in Darmstadt, falls Redebedarf besteht. 😉

        • Ja, das wird wohl das Beste sein. Ds sind aber halt die Fragen, die einem durch den Kopf schießen, wenn man sich mal näher mit dem Projekt befasst. Als solche hatte ich sie hier auch niedergeschrieben.

          Auf Twitter hieß es nun übrigens: “The crowdfunding is mostly aimed at public engagement.” (https://twitter.com/timmermansr/status/837929900006846465)

          Also brauchen die Organsiatoren das Geld gar nicht, sondern lassen den Otto-Normal-Verbraucher nur denken, dass er irgendwie aktiv mitspielen kann? Das ist… äh… Ach. Es wird immer seltsamer. Man kann wirklich nur noch abwarten.

          PS: Ich habe ja nachgehakt. Aber außer “Wir wollen/können/dürfen nicht mehr verraten” kamen leider keine weiteren Details. Ach doch, eines, in einem Nebensatz: Die Verträge sind noch nicht unterschrieben: https://twitter.com/timmermansr/status/837930656810303488

  9. Tssss …. “HE Space”. Na, da würde ich ja schon mal wenigstens eine “SHE Space” erwarten. Also bitte.

    Und dann:

    Technische Grundlagenkenntnisse – Raumfahrttechnik Seminare 10.700 Euro
    ….
    Sozialkompetenz-Training 16.000

    Das ordnet doch die Prioritäten schon mal überschaubar ein.

  10. PS: Hier ist eine Tabelle mit der Anzahl der Bewerber und Bewerberinnen aus jedem ESA-Mitgliedsland bei der letzten Astronauten-Auswahlrunde des ESA, die im Jahr 2008 begann. Aus Deutschland kamen 1798 Bewerbungen, davon 1523 Männer und nur 310 Frauen. Da hätte ich jetzt eigentlich schon ein bisschen mehr erwartet.

    Insgesamt kamen 17% der 8413 Bewerbungen von Frauen. Da aber jedem von vorneherein klar war, dass von den ursprünglich geplanten 4 neuen Rekrutenstellen (die zwei zusätzlichen italienischen Positionen wurden dann noch als ESA-Astronauten deklariert) mindestens eine von einer Frau besetzt werden würde, waren bei dieser Auswahl Frauen sogar deutlich im Vorteil gegenüber den Männern.

    • @Michael Khan: Danke! Dann stimmen die 17% also tatsächlich. Die Zahl war mir am Mittwoch schon untergekommen, allerdings leider ohne Beleg.

      Die Diskrepanz zwischen den Ausgaben für technisches Grundlagenwissen auf der einen und Sozialkompetenz auf der anderen Seite war mir noch gar nicht aufgefallen. Weia. Kommt direkt mit auf die Liste der Merkwürdigkeiten.

  11. Im Übrigen waren es gar nicht 400, von denen das DLR die Daten hat, sondern nur 86. 400 hatten sich beworben, ich gehör da auch dazu. Dann folgte zunächst ein Auswahlverfahren von HE Space selbst (die Firma hieß meiner Info nach übrigens mal Hernandez Engineering, das erklärt das HE), wo sie nach ihren Kriterien entschieden haben, wer weiterkommt. Warum man ein Bewerbungsvideo brauchte, den Sinn hab ich bis heute nicht begriffen. Dann gabs ein Telefoninterview mit, wie ich fand, merkwürdigen Fragen und es wurde nochmal aussortiert. Wie es weiterging weiß ich nicht, da es für mich nicht weiterging. Ich weiß nur, daß offenbar die Kandidatinnen sämtliche Reisekosten zu den Auswahltests und Events selber bezahlen mußten. Jedenfalls, das Feedback auf mein Ausscheiden war in der Mehrheit dieses: Sei froh, daß Du da nicht mehr dabei bist, der Erfolg der Kampagne ist fraglich…

  12. Kann mir mal jemand erklären, welches Interesse das DLR an einem so offensichtlich windigen Projekt hat? Von der Firma HE Space habe ich erstmals durch die DLR-Pressemeldung vom 1. März erfahren – wieso besorgt das DLR die Pressearbeit für HE Space?

  13. In eigener Sache: Wegen familiärer Verpflichtungen kann ich Kommentare vermutlich erst wieder morgen Abend, am 5. März, freischalten. Ich bitte daher um Geduld. Vielen Dank!

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